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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 29.11.2005
Aktenzeichen: 1 Ws 488/05
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56 f
Leistet ein Verurteilter Zahlungen zur Erfüllung von Bewährungsauflagen, die durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung in Wegfall geraten sind, können diese auf die Strafe nicht mehr angerechnet werden.
Beschluss

Strafvollstreckungssache

gegen B.A.

wegen vorsätzlicher Körperverletzung u.a., (hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Nichtanrechnung der zur Erfüllung von Bewährungsauflagen erbrachten Leistungen).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 27. Oktober 2005 gegen den Beschluss der 2. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Siegen vom 20. Oktober 2005 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 29. 11. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht Burges nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Antrag auf Anrechnung nachträglich erbrachter Leistungen unzulässig ist.

Gründe:

Der Verurteilte wurde am 1. Februar 2001 vom Amtsgericht Siegen wegen Sachbeschädigung in zwei Fällen, vorsätzlicher Körperverletzung, Nötigung und Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit Bewährungsbeschluss vom selben Tage wurde dem Verurteilten aufgegeben, eine Geldbuße von 1.000,- DM an eine gemeinnützige Einrichtung und außerdem ein Schmerzensgeld von weiteren 1.000,- DM an die durch die Straftaten des Verurteilten geschädigte Zeugin K. zu zahlen. Weil der Verurteilte innerhalb der Bewährungszeit erneut straffällig wurde und weil er die Bewährungsauflagen bis auf die Zahlung von 100,- Euro an die Zeugin K. zunächst nicht erfüllte, wurde die Strafaussetzung mit Beschluss der - inzwischen für die Nachtragsentscheidung zuständig gewordenen - Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Siegen vom 20. Juli 2004 widerrufen. Gegen diese Entscheidung legte der Verurteilte - verspätet - sofortige Beschwerde ein und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde. Danach erfüllte er im September 2004 die Zahlungsauflagen (nachträglich). Durch Beschluss des Senats vom 28. Dezember 2004 wurden der Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet und die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen.

Mit an die Strafvollstreckungskammer gerichtetem Schreiben vom 6. September 2005 hat der Verurteilte beantragt, die von ihm nach dem Erlass des Widerrufsbeschlusses vom 20. Juli 2004 noch erbrachten Zahlungen gemäß § 56 f Abs. 3 S. 2 StGB auf die zu verbüßende Freiheitsstrafe anzurechnen. Die Strafvollstreckungskammer hat diesen Antrag mit Beschluss vom 20. Oktober 2005 zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die als Beschwerde bezeichnete Eingabe des Verurteilten vom 27. Oktober 2005. Das Rechtsmittel ist gemäß § 300 StPO als (rechtzeitig erhobene) sofortige Beschwerde anzusehen, denn gegen die Entscheidung über die Anrechnung erbrachter Leistungen findet nur dieses Rechtsmittel statt (OLG Düsseldorf, NStZ 2001, 278).

Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu u.a. wie folgt Stellung genommen:

"Indes erweist sich das Rechtsmittel im Ergebnis als unbegründet, weil die Strafvollstreckungskammer zu einer Entscheidung über den Antrag des Verurteilten nicht berufen war.

Hinsichtlich der bereits vor der Befassung der Strafvollstreckungskammer mit dem Widerrufsantrag gezahlten beiden Teilbeträge in Höhe von jeweils 50,- € hat das Landgericht übersehen, dass die Entscheidung über die Anrechnung gezahlter Geldbußen auf die Strafe in dem Widerrufsbeschluss zu treffen ist und damit - auch im Falle einer unterbliebenen Anrechnungsentscheidung - wie der Widerrufsbeschluss selbst nur mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden kann (OLG Düsseldorf, NStZ 2001, 278; MDR 1985, 784). Insofern ergibt sich aus § 56 e StGB, der nachträgliche Entscheidungen für den Fall des § 56 f Abs. 3 StGB gerade nicht vorsieht, wie auch aus dem Wortlaut des § 56 f Abs. 3 StGB "das Gericht kann jedoch (anrechnen), wenn es die Strafaussetzung widerruft ...", dass die Entscheidung wegen der gebotenen Vollstreckungsklarheit nur zeitgleich mit dem Widerrufsbeschluss getroffen und nicht nachgeholt werden kann. Daher war der Strafvollstreckungskammer nach Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses eine Entscheidung über die vor Erlass des Widerrufsbeschlusses gezahlten Teilbeträge verwehrt.

Zwar konnte die Strafvollstreckungskammer eine Anrechnungsentscheidung hinsichtlich der nach Erlass des Widerrufsbeschlusses gezahlten weiteren Beträge noch nicht treffen, jedoch war sie auch insoweit nicht zu einer nachträglichen Entscheidung befugt. Die Widerrufsentscheidung hat vor den durch den Verurteilten im September 2004 erfolgten weiteren Zahlungen Rechtskraft erlangt. Mit dem Widerruf indes hatte der Bewährungsbeschluss - was dem Verurteilten bekannt war - seine Wirkung verloren und die diesbezügliche Verpflichtung des Verurteilten zu weiteren Zahlungen war entfallen. Leistet ein Verurteilter jedoch Zahlungen zur Erfüllung von Bewährungsauflagen, die durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung in Wegfall geraten sind, können diese auf die Strafe nicht mehr angerechnet werden (OLG Hamm, MDR 1991, 880).

Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Verurteilte möglicherweise darauf hoffte, ihm werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde bewilligt und die durch ihn geleisteten Zahlungen seien sodann durch das Beschwerdegericht im Rahmen der Begründetheitsprüfung nach Maßgabe des Beschlusses des Oberlandesgerichts Hamm vom 08.04.2002 - 2 Ws 75/02 - zu berücksichtigen. Einerseits kommt die Anrechnung von Zahlungen an den Geschädigten - was auch die Strafvollstreckungskammer übersehen hat - nicht in Betracht, weil die Möglichkeit der Anrechnung gem. § 56 Abs. 3 S. 2 StGB die Leistungen nach § 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB, wozu auch Schmerzensgeldzahlungen gehören (Tröndle-Fischer, StGB, 52. Aufl., § 56 b Rdnr. 6), ausdrücklich nicht umfasst (OLG Hamm, VRs 106, 127-130). Andererseits bleibt auch für die Anrechnung nachträglicher Zahlungen an eine gemeinnützige Einrichtung kein Raum, denn es kann nicht in das Belieben des Verurteilten gestellt bleiben, sich einseitig - wenngleich auch durch einen mehr oder minder aussichtsreichen Wiedereinsetzungsantrag hierzu beflügelt - von einem Teil der Strafe gleichsam freizukaufen (Neumann, DRiZ 1978, 83 f).

Demnach war der Strafvollstreckungskammer eine Sachentscheidung verwehrt und sie hätte den Antrag des Verurteilten als unzulässig verwerfen müssen."

Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat bei und macht sie zum Gegenstand seiner eigenen Entscheidung. Die sofortige Beschwerde war daher mit der Maßgabe als unbegründet zu verwerfen, dass der Antrag auf Anrechnung nachträglich erbrachter Leistungen unzulässig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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