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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 22.02.2005
Aktenzeichen: 10 U 134/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 139 Abs. 1
ZPO § 139 Abs. 2
ZPO § 264 Ziff. 1
ZPO § 301
ZPO § 538 Abs. 2 S. 1
ZPO § 538 Abs. 2 S. 1 Ziff. 1
ZPO § 887
BGB § 2314 Abs. 1
BGB § 2314 Abs. 1 S. 2
BGB § 2325
BGB § 2325 Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das am 21. Juni 2004 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten der Berufungsinstanz zu befinden haben wird.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind Geschwister und Abkömmlinge der am 03.06.1998 verwitwet verstorbenen Frau C.

Die Beklagte zu 1) ist neben der am Berufungsverfahren nicht beteiligten Beklagten zu 2) und zwei weiteren Geschwistern Erbin der Mutter geworden, der Kläger testamentarisch von der Erbfolge ausgeschlossen. Er verfolgt im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche.

Nachdem die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Münster am 26.03.2001 einen Zwischenvergleich über das erstrangig gestellte Auskunftsverlangen des Klägers geschlossen haben, erstrebt der Kläger im Hinblick auf eine mögliche Pflichtteilsergänzung die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Wertermittlung betreffend den früheren Grundbesitz der Erblasserin U-Straße in S. Diesen Grundbesitz hatte die Erblasserin durch notariellen Vertrag vom 04.06.1992 auf die beiden Beklagten zu Gesamthandseigentum übertragen. Nach § 1 des Vertrages verpflichteten sich die Beklagten, ihrer Mutter in dem übertragenen Hause mit gemeinschaftlichen Kräften alle Sorge und Pflege zu erbringen, auf welche die Mutter nach ihren jeweiligen gesundheitlichen Verhältnissen angewiesen sei; bei Bedarf könne eine von den Töchtern zu bezahlende Hilfskraft hinzugezogen werden. Unter § 5 des Vertrages wurde vereinbart, dass die aus den beiden Beklagten bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu Lebzeiten der Mutter nicht gekündigt werden könne und alle Kosten der laufenden Unterhaltung zu tragen habe. Die Beklagten verpflichteten sich ferner, für die Lebensdauer der Mutter den Grundbesitz nicht zu veräußern oder ohne Zustimmung der Mutter durch Grundpfandrechte nicht zu belasten. Wegen der Berechnung der Notariats- und Gerichtskosten gaben die Parteien für den Jahreswert des Wohnrechts und der Pflegeleistungen einen Betrag von 60.000,- DM und für den Verkehrswert der Grundbesitzung einen Betrag von 600.000,- DM an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhaltes, des erstinstanzlichen Streitstandes und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des am 21.06.2004 verkündeten Urteils des Landgerichts Münster Bezug genommen.

Dieses hat im Rahmen der erhobenen Stufenklage dem zu Ziffer 1 a) gestellten Antrag entsprochen und die Beklagte zu 1) verurteilt, hinsichtlich des Wertes des Hausgrundstücks U-Straße in S Auskunft durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens zu erteilen.

Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, hinsichtlich des Grundstücksübertragungsvertrages der Erblasserin mit den beiden Beklagten vom 04.06.1992 sei von einer gemischten Schenkung auszugehen. Dem Kläger, der sich auf das Vorliegen einer Schenkung berufe, komme nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine tatsächliche Vermutung in diesem Sinne zugute, weil nach den in § 3 des Vertrages für die Kostenberechnung angesetzten Werten hinsichtlich des Grundstücks einerseits und der Betreuungs- / Wohnleistungen andererseits angesichts der statistischen Lebenserwartung der Erblasserin ein deutliches objektives Missverhältnis bestanden habe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte zu 1) unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie rügt, dass das Urteil sowohl verfahrensfehlerhaft wie auch materiell rechtlich unrichtig sei. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beanstandet die Beklagte zu 1), dass die Entscheidung als Teilurteil habe ergehen müssen und dass der Tenor in sich widersprüchlich sowie nicht vollstreckungsfähig sei; ferner habe das Landgericht streitigen Vortrag als unstreitig behandelt und Beweisantritte übergangen. Inhaltlich verkenne das Urteil, dass den Pflichtteilsberechtigten beim Wertermittlungsanspruch - anders als beim Auskunftsanspruch - die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer (gemischten) Schenkung treffe. Hier seien im Vertrag vom 04.06.1992 gleichwertige Gegenleistungen gewollt und auch vereinbart worden. Das ergebe sich zum einen aus den Vertragsformulierungen selbst; zum anderen habe auch objektiv kein grobes Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen zueinander bestanden; jedenfalls habe es insoweit einer umfangreichen Beweisaufnahme bedurft. Das Grundstück sei weniger als 600.000,- DM wert gewesen. Diesem Betrag habe der Wert des Wohnrechtes mit 112.698 DM, das Veräußerungs- und Belastungsverbot mit 60.000 DM, der Wert der Pflegeleistungen mit rund 450.000,- € und die Pflicht zur laufenden Unterhaltung mit 18.783 DM (Bl. 291) gegenüber gestanden, so dass für eine unentgeltliche Zuwendung nichts ersichtlich sei. Hierzu bezieht sich die Beklagte zu 1) auf eine Beweiserhebung durch einzuholendes Sachverständigengutachten.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

das Urteil vom 21.06.2004 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuweisen,

hilfsweise, das Urteil vom 21.06.2004 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte zu 1) verurteilt wurde, hinsichtlich des Wertes des Hausgrundstücks U-Straße, ####1 S, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Rheine von S Bl. #### durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens Auskunft zu erteilen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass die Wertermittlung zu den Stichtagen 13.07.1992 und 03.06.1998 zu erfolgen habe.

Der Kläger verteidigt das Urteil mit der Maßgabe, den Tenor dahin zu ergänzen, dass die Wertermittlung zu den Stichtagen der Grundbuchumschreibung am 13.07.1992 und des Erbfalls am 03.06.1998 erfolgen solle. Er meint, die Bewertung der Grundstücksübertragung als teilweise Schenkung ergebe sich aus einem später zwischen der Mutter und den Geschwistern abgeschlossenen Notarvertrag vom 16.11.1994, in dem gerade wegen dieser Grundstückübertragung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen die Rede gewesen sei. Im übrigen behauptet der Kläger nunmehr unter dem Beweisanerbieten eines Sachverständigengutachtens, der Grundbesitz sei bei der Übertragung 600.000 DM - 800.000 DM und das Wohnrecht der Erblasserin sei 1.000 DM pro Monat wert gewesen; die Wertbehauptungen der Beklagten zu 1) hinsichtlich der Pflegeleistungen und Instandhaltungskosten hält der Kläger für übersetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

II.

1. Die zulässige Berufung ist in der Sache begründet. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen landgerichtlichen Urteils und des ihm zugrunde liegenden Verfahrens zur Zurückverweisung des Rechtsstreites an das Gericht des ersten Rechtszuges (§ 538 II ZPO).

Das zum Erlass der angefochtenen Entscheidung führende Verfahren des ersten Rechtszuges leidet unter einem wesentlichen Mangel, aufgrund dessen eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig würde (§ 538 II 1 Zif. 1 ZPO).

2. Dies gilt allerdings nicht schon deshalb, weil der Urteilstenor widersprüchlich, unklar und nicht vollstreckungsfähig ist.

Allerdings ist die titulierte Auskunftserteilung zum Wert durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens nicht möglich, weil die Erteilung einer Auskunft eine nicht vertretbare Handlung des Schuldners (§ 888 ZPO) ist, wohingegen die Grundstückswertermittlung durch einen Sachverständigen eine vertretbare Handlung nach § 887 ZPO wäre (Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 887, Rdnr. 3 und § 888, Rdnr. 3). Im übrigen kann die Verkehrswertermittlung stets nur zu bestimmten Zeitpunkten vorgenommen werden, so dass zur Gewährleistung eines bestimmten und vollstreckbaren Urteilsinhaltes die Angabe der Zeitpunkte im Urteilstenor unabdingbar ist.

Die genannten Tenorierungsfehler könnten jedoch durch eine Klarstellung im Tenor des Berufungsurteils auf einen nach § 264 Zif. 1 ZPO präzisierten und berichtigten Berufungsantrag des Klägers hin bereinigt werden und rechtfertigen deshalb keine Zurückverweisung.

Gleiches gilt für die von der Berufung gerügte Urteilsbezeichnung als bloßes "Urteil", auch wenn es sich richtigerweise um ein "Teilurteil" nach § 301 ZPO über einen Stufenklageantrag (§ 254 ZPO) handelte.

3. Ein die Zurückverweisung rechtfertigender wesentlicher Verfahrensmangel ist dem Landgericht jedoch deshalb unterlaufen, weil es seiner Hinweispflicht nach § 139 I, II ZPO nicht nachgekommen ist und ohne eine - nach gebotener Hinweiserteilung - durchzuführende Beweisaufnahme entschieden hat.

a) Dabei hat das Landgericht im Ausgangspunkt richtig erkannt, dass ein Verlangen des Pflichtteilsberechtigten nach Wertermittlung bezüglich sog. fiktiver Nachlassgegenstände gemäß § 2314 I 2 BGB eine Schenkung voraussetzt.

Der Pflichtteilsberechtigte kann nach gefestigter Rechtsprechung vom Erben verlangen, dass dieser für ihn auf eigene Kosten ein Sachverständigengutachten über den Wert auch eines solchen Gegenstandes einholt, der gemäß § 2325 BGB zum (fiktiven) Nachlass hinzuzurechnen ist (BGH Z 107, 200, 201 f.; BGH Z 89, 24; Palandt, BGB, 64. Aufl., § 2314, Rdnr. 14). Hierbei ist die Wertermittlung bezogen auf die für die begehrte Pflichtteilsergänzung maßgeblichen Stichtage abzustellen,- nämlich auf den Tag des Erbfalls und den der Schenkung, der bei Grundstücken der Grundbuchumschreibung entspricht (BGH Z 107, 200, 202).

Allerdings besteht ein Wertermittlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten nicht schon auf den begründeten Verdacht hin, der Erblasser habe einen bestimmten Gegenstand innerhalb der Frist des § 2325 BGB weggeschenkt; nur wenn unstreitig oder bewiesen ist, dass es sich um eine ergänzungspflichtige Schenkung handelt, muss der Erbe deren Wert auf Verlangen ermitteln lassen (BGH, NJW 1984, 487, 488; bestätigt in : BGH, NJW 1993, 2737; Palandt, aaO). Auch soweit der Bundesgerichtshof jenseits des Wortlautes von § 2314 I BGB Wertermittlungsansprüche gegen einen möglicherweise vom Erblasser Beschenkten zugebilligt hat, ist dies nur unter der Prämisse geschehen, dass der Pflichtteilsberechtigte die Wertermittlungskosten selbst übernehme (BGH, NJW 1993, 2737); der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich ausgeschlossen, dass der Beschenkte auf eigene Kosten eine Wertermittlung durchführen müsse (BGH Z 107, 200, 203/204).

Vorliegend durfte eine Verurteilung der Beklagten zu 1. - sei es als Miterbin, sei es als Beschenkte - zur Wertermittlung betreffend den auf sie (und die Beklagte zu 2.) übertragenen Grundbesitz in S mithin nur dann erfolgen, wenn insoweit feststeht, dass es sich um eine zumindest teilweise Schenkung handelte. Gerade das war und ist aber zwischen den Parteien streitig.

b) Zutreffend ist das Landgericht weiter davon ausgegangen, dass dann keine Schenkung vorliegt, wenn die von dem Empfänger im Gegenzug zu erbringenden Leistungen jedenfalls in der maßgeblichen subjektiven Wertung der Parteien der Leistung des Übertragenden äquivalent sind (BGH, FamRZ 1995, 479, 480).

Eine Schenkungsvermutung gibt es dabei für Leistungen unter nahen Verwandten grundsätzlich nicht (BGH, aaO). Allerdings kommt dem Pflichtteilsberechtigten, der sich auf das Vorliegen mindestens einer gemischten Schenkung beruft, eine Beweiserleichterung zugute : Besteht zwischen Leistung und Gegenleistung ein objektives über ein geringes Maß deutlich hinausgehendes Missverhältnis, wird ihm die tatsächliche Vermutung zugebilligt, dass auch die Beteiligten dies so gesehen haben, so dass es sich insoweit um eine Schenkung handelt (BGH, FamRZ 1995, 479, 480; NJW 19984, 487, 489; OLG Oldenburg, NJW-RR 1997, 263, 264; OLG Koblenz, ZEV 2002, 460, 461). Das auffallend grobe Missverhältnis hat - als Anknüpfungsvoraussetzung für die ihm zugute kommende Vermutung - im Streitfall wiederum der Pflichtteilsberechtigte zu beweisen (BGH und OLG Oldenburg, aaO; Münchener Kommentar, BGB, 3. Aufl., § 2325, Rdnr. 12).

Soweit das Landgericht hier anknüpfend an die im Vertrag unter § 3 am Ende genannten Werte ein auffälliges Missverhältnis zwischen den beiderseitigen Leistungen bejaht hat, war dies zwar inhaltlich rechtsfehlerhaft, begründete jedoch für sich noch keinen die Aufhebung und Zurückverweisung rechtfertigenden Verfahrensfehler. Wenn das Landgericht die Auffassung vertrat, es sei für die Frage des Wertes der beiderseitigen Leistungen schlicht auf die im Vertrag zu Gebührenberechnungszwecken genannten Wertbeträge abzustellen, widersprach dies allerdings der von ihm zitierten Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Oldenburg; dieses hatte entschieden, dass den Wertangaben in einem Grundstücksübertragungsvertrag keine Indizwirkung für ein erhebliches Auseinanderfallen von vereinbarter Vergütung und erbrachter Leistung zukommt (OLG Oldenburg, NJW-RR 1997, 263, 264 m.w.N.). Solche Vertragsangaben hätten lediglich einen gebührenrechtlichen Sinn; es bestehe kein Anhalt dafür, dass die Vertragsparteien in ihnen ihre Vorstellung zum Wert der beiderseitigen Leistungen zum Ausdruck bringen wollten (OLG Oldenburg, aaO).

c) Wenn das Landgericht aber im weiteren eigene (notwendige) Feststellungen zu dem streitigen Wert der im Notarvertrag vom 04.06.1992 geregelten Leistungen unterließ und meinte, unter Übernahme der ausschließlich zu Gebührenberechnungszwecken genannten Werte des Übertragungsvertrages ein auffallend grobes Missverhältnis bejahen zu können, durfte es dies auf dem Hintergrund des durchgängigen Beklagtenvortrags zur Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen nicht ohne vorherigen Hinweis auf die beabsichtigte Annahme der Beweiserleichterung zugunsten des Klägers tun.

Unterstellt man mit dem Landgericht, dass nach den "im Vertrag angesetzten Werten" ein grobes Missverhältnis der Leistungen gegeben war und dadurch das Einigsein über eine teilweise unentgeltliche Zuwendung beweiserleichternd für den Kläger vermutet wurde, hätte die materielle Prozessleitungspflicht nach § 139 I / II ZPO geboten, die Beklagte zu 1. auf diesen Punkt hinzuweisen; ihr war Gelegenheit zu geben, die vermeintlich zu Gunsten des Klägers eingreifende Vermutung durch Beweisantritte zu erschüttern.

Dies gilt umso mehr, als die Beklagten in ihrer Klageerwiderung detailliert und auch nach Auffassung des Landgerichts richtig dargelegt hatten, dass den Kläger die volle Beweislast für das Vorliegen einer gemischten Schenkung und das Vorliegen eines deutlichen Missverhältnisses als Vermutungsvoraussetzung treffe,- dass ferner nach den i. e. vereinbarten Pflichten weder eine teilweise Unentgeltlichkeit gewollt noch objektiv gegeben sei. Beweisantritte seitens der Beklagten zu den objektiven Werten der Grundbesitzung und der Gegenleistungen waren im weiteren - unter Zugrundelegung ihrer dargelegten Auffassung zur Beweislastverteilung folgerichtig - unterblieben. Auch der Kläger hatte mit Ausnahme einer relativ groben Behauptung zum Verkehrswert des Hausgrundstückes (600.000 DM - 800.000 DM) nichts zu den Bewertungen der Gegenleistungen vorgebracht und insoweit kein Beweisanerbieten vorgenommen. Auf die vom Landgericht "aus dem Vertrag in § 3 übernommenen Werte" hatte schließlich keine der Parteien abgestellt, woraus sich zweifelsfrei nach § 139 II ZPO eine entsprechende Hinweispflicht ergab.

Wenn das Landgericht mithin einerseits der von den Beklagten dargelegten Beweislastverteilung beipflichtete, andererseits aber anknüpfend an einen von keiner Partei geteilten Bewertungsgesichtspunkt eine Beweiserleichterung zu Lasten der Beklagten zu 1. annahm, musste es auf diese beabsichtigte Vorgehensweise hinweisen und den Parteien Gelegenheit zu Beweisantritten bezüglich des objektiven Wertverhältnisses der vertraglichen Leistungen ermöglichen. Es kann unterstellt werden, dass die Parteien bei ordnungsgemäßem Hinweis ihre nun in der Berufungsinstanz getätigten konkreteren Behauptungen zum Wert der jeweiligen vertraglichen Leistungen nebst Beweisantritten (Sachverständigengutachten) schon erstinstanzlich angebracht hätten, so dass es zu einer aufwändigen Beweisaufnahme i.S.v. § 538 II Zif. 1 ZPO hätte kommen müssen.

4. Die Sache ist schließlich nicht schon jetzt entscheidungsreif; vielmehr ist i.S.v. § 538 II 1 ZPO ihre weitere Verhandlung erforderlich.

a) Es wird - wie bereits ausgeführt - darauf ankommen, ob die von den Beklagten in dem Vertrag vom 04.06.1992 übernommenen Leistungen bei objektiver Bewertung in einem groben Missverhältnis zum Verkehrswert des übertragenen Grundbesitzes standen.

Für die Beurteilung der (Gleich-) Wertigkeit der beiderseitigen Leistungen spielt das (die Berechnung einer feststehenden Ergänzungspflicht betreffende) Niederstwertprinzip aus § 2325 II 2 BGB noch keine Rolle. Vielmehr muss hinsichtlich der Bewertung der beiderseitigen Leistungen berücksichtigt werden, dass das Grundeigentum den Beklagten nur unter Belastung mit einem lebenslangen Wohnrecht zugewandt wurde; auch die übernommene Pflegeverpflichtung auf Kosten der Beklagten unter Anrechnung etwaiger Leistungen aus der Sozialversicherung und die Instandhaltungsverpflichtung stellen Gegenleistungen dar, die in den Äquivalenzvergleich einzustellen sind (BGH; NJW 1995, 479, 480; OLG Koblenz, ZEV 2002, 460, 461 m.w.N.). Gleiches gilt für Rückübertragungsvorbehalte oder Veräußerungs- und Belastungsverbote (OLG Koblenz, aaO; OLG Düsseldorf, OLGR 1999, 349, 350), wie sie hier vereinbart worden sind. Denn sie behindern den Übertragsnehmer erheblich in der wirtschaftlich sinnvollen Verwertung, was mit bis zu 10 % des Verkehrswertes Berücksichtigung finden kann (OLG Koblenz und OLG Düsseldorf, aaO).

Da es - wie bereits ausgeführt - schon für die Frage nach dem Wertermittlungsanspruch darauf ankommt, ob eine teilweise unentgeltliche Zuwendung vorlag, wird vor einer Entscheidung über den Antrag auf Durchführung einer Wertermittlung auf die entsprechenden Beweisantritte hin ein Sachverständigengutachten zu der Bewertung der Grundstückszuwendung mit Wohnrechtsbelastung und Belastung durch Veräußerungsverbot sowie zu der Frage des kapitalisierten Wertes der vertraglich vereinbarten Pflege eingeholt werden müssen.

b) Eine Entscheidungsreife liegt schließlich nicht deshalb vor, weil der Klageantrag zu 1 a) - wie die Beklagte zu 1. meint - ohne weiteres abweisungsreif wäre.

Zwar weist die Beklagte zu 1. zu Recht darauf hin, dass der Wertermittlungsanspruch nur den nach dem Niederstwertprinzip zu ermittelnden Überschuss des Grundstückswertes über den Wert der vertraglich vereinbarten Gegenleistungen umfasst (BGH, NJW 1984, 487, 489).

Allerdings lässt sich hieraus nicht schlussfolgern, dass der Kläger keinesfalls eine sachverständige Wertermittlung über den gesamten Grundbesitz zu den zwei relevanten Stichtagen verlangen könnte. Denn der Verkehrswert des Grundbesitzes zu den Stichtagen des Schenkungsvollzuges und des Erbfalls ist wesentlicher (wenn auch nicht einziger) Bestandteil für die Berechnung der ergänzungspflichtigen Schenkung. Wenn sich der Kläger in seinem Wertermittlungsantrag mit diesem "Minus" zufrieden gibt, ist daran nichts zu beanstanden.

Ohnehin ist die nach § 2314 I 2 BGB verlangte Wertermittlung nicht bindend; sie soll dem Pflichtteilsberechtigten nur Anhaltspunkte für die Risiken der Durchsetzung des Pflichtteilsanspruches geben (BGH Z 107, 200; Palandt, aaO, § 2314, Rdnr. 14).

5. Auf den entsprechenden Antrag der berufungsführenden Beklagten zu 1. hin war nach alledem die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache nach § 538 II 1 Zif. 1 ZPO an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen; sie bleibt dem Schlussurteil vorbehalten (vgl. Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 538, Rdnr. 58). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Zif. 10, 713 ZPO, 26 Zif. 8 EGZPO.

6. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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