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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 16.03.2006
Aktenzeichen: 10 U 83/05
Rechtsgebiete: DVO FidErlG, BGB, GVG, FidErlG


Vorschriften:

DVO FidErlG § 3
DVO FidErlG § 4 Abs. 2
DVO FidErlG § 4 Abs. 2 Satz 2
DVO FidErlG § 4 Abs. 2 Satz 3
DVO FidErlG § 5
BGB § 372 Satz 2, 2. Variante
BGB § 379 Abs. 1
BGB § 379 Abs. 2
BGB § 432
GVG § 17a Abs. 5
GVG §§ 17 bis 17b
FidErlG § 1
FidErlG § 2
FidErlG § 30
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 09. Juni 2005 verkündete Urteil der Zivilkammer IV des Landgerichts Detmold abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Anschluss- und die Hilfsanschlussberufung des Klägers werden zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers; diese trägt der Streithelfer selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger, M, verlangt von dem Beklagten Zahlung der so genannten Lippischen Rente für die Jahre 1997 bis einschließlich 2001 an sich und seine Brüder M2 und Dr. M3, hilfsweise auch Zahlung an seinen Bruder, den Streithelfer Dr. M4, seinen Bruder M5 sowie an seine Schwester D geb. M6. Der Beklagte ist der Verwalter des Vermögens des ehemaligen Landes Lippe.

Diese Lippische Rente hat folgende längere Vorgeschichte:

Durch das sog. pactum unionis vom Jahre 1368 (1366) wurde für die damalige Grafschaft Lippe der Grundsatz der Unteilbarkeit des Landes Lippe aufgestellt. Als Graf T im Jahre 1627 starb, setzte sein Sohn T2 die E (Haupt-) Linie fort. Dessen Bruder T3 und seine Nachkommen erhoben Anspruch auf eine gleiche Teilung des Landes und verlangten die Hälfte der Landeseinkünfte heraus. Die Enkel von T3, nämlich C2 und X2, und der regierende Graf der E Linie schlossen dann am 22./24. Mai 1762 den sog. Detmolder Hausvergleich. Darin verzichteten die Enkel von T3 auf ihre streitigen Ansprüche. Der regierende Graf gewährte ihnen dafür, wie es in dem Vergleich heißt, "als Entschädigung eine jährliche, auf die männliche Deszendenz beider Brüder vererbliche Summe von 15.000 Talern. Die Verteilung dieser jährlichen Revenuen soll so erfolgen, dass C2 und seine Linie zwei Drittel, X2 und seine Linie zu X ein Drittel erhält."

Wegen der Sukzessionsrechte im Fall des Aussterbens der Detmolder Linie schlossen die Enkel von T3 am 25. Mai 1762 den sog. Dilucidationsrecess, wonach die X Linie gegen eine Erhöhung der nach dem Hauptvergleich entfallenden Rente auf jährlich 17.000 Taler hinter die C Nebenlinie zurücktrat.

Als ein Nachkomme der C Linie, I, der Begründer der Linie G, am 30. März 1786 eine Bürgerliche heiratete, wurde seine Nachkommenschaft durch kaiserliches Reichs-Hofrats-Reskript vom 19. Oktober 1786 für sukzessionsunfähig erklärt. Im Verzichts- und Alimentationsvertrag vom 15. Mai 1787, den er mit seinen Geschwistern und Agnaten und der X Linie abschloss, versprachen diese, an seine Nachkommen jährlich 1.200 Reichstaler zu zahlen, "jedoch nicht als apanage, sondern als alimenten und pension", und bei Sukzessionen der C Linie 2.000 Taler. Dies ist die sog. G Rente; sie wurde ständig aus den auf die C Linie entfallenden Anteil der aus dem E Hauptvergleich geschuldeten Rente bezahlt.

Als im Jahre 1905 die E Linie ausstarb und mit M7 die C Linie auf den Fürstenthron in Lippe kam, wurde, wie im Jahre 1762 vereinbart, die Rente für die X Linie auf 17.000 Reichstaler erhöht. Durch Vergleich zwischen M7 und der X Linie im Jahre 1916 wurde sie dann auf jährlich 15.800 Reichstaler festgesetzt; zu dieser Rente kam dann noch die G Rente mit 1.200 Reichstalern hinzu.

Diese Renten zahlte bis zur Revolution im Jahre 1918 Fürst M7 aus den ihm aufgrund der Trennung des Staatshaushalts und des Domanialhaushalts aus dem Domanium zustehenden Einkünften. Dieses Domanium hatte ursprünglich im alleinigen Eigentum und in der unbeschränkten Verfügungsmacht des regierenden Landesherren gestanden, der daraus freilich auch eine Reihe von Staatsausgaben bestritt. Mit dem sog. Domanialvertrag vom 31. Oktober 1919 verzichtete M7 auf alle aus dem Domanium fließenden Rechte, soweit sie nicht ausdrücklich vorbehalten wurden. Vorbehalten wurde ihm eine kleinere Gütermasse, die als Familienfideikommiss des vormals regierenden fürstlichen Hauses bestehen blieb; dieses Familienfideikommis wurde im Jahre 1924 nicht in die Auflösung der übrigen Fideikommisse des Landes Lippe einbezogen. Die nicht auf diesem Fideikommiss ruhenden Belastungen des Domaniums wurden vom Lande Lippe "unbeschadet der Nachprüfung ihrer Rechtsbeständigkeit" übernommen. M7 übertrug auch "für sich und sein Haus die Rechte .. an den von dem Hause X, den Grafen G .... bezogenen Renten auf den Staat... ".

Bestrebungen des Landes Lippe, die Lippische Rente aufzuheben, scheiterten. Das Gesetz betr. die sog. Lippische Rente vom 29. September 1920, wonach die Rechte auf Bezug der Rente für erloschen erklärt wurden, wurde durch Urteil des Reichsgerichts vom 18. November 1921 (RGZ 103, 200 ff.) wegen Verstoßes gegen Art. 153 der Weimarer Verfassung für ungültig erklärt; in einem von den damaligen Anspruchsberechtigten der Weißenfelder Linie gegen M7 und das Land Lippe angestrengten Prozess wurde die Klage gegen den früheren Fürsten abgewiesen, die Klage gegen das Land Lippe war erfolgreich. In einem weiteren Rechtsstreit (0 489/22 LG Detmold) machten der Vater des Klägers, M8, der Onkel des Klägers, M9, und M10 gegen den lippischen Staatsfiskus weitergehende Ansprüche auf die Lippische Rente geltend. In diesem Rechtsstreit schlossen die damaligen Parteien vor dem Oberlandesgericht Celle (1 U 339/24 und 1 U 357/24 OLG Celle) am 04. Februar 1925 folgenden Vergleich (Bl. 14 ff. d.A.):

"Der Beklagte [d.h. das Land Lippe] zahlt an die X Linie eine jährliche Rente von 30.000 Goldmark, an die G Linie eine jährliche Rente von 3000 Goldmark, jedoch wird die an die G Linie zu zahlende Rente vom 1. Januar 1940 ab auf 2400 Goldmark herabgesetzt. Die Goldmark wird gerechnet 1/2790 kg Feingold. Die Zahlung der Rente erfolgt in vierteljährlichen Raten Vorauszahlungen am 1. des betreffenden Kalendervierteljahres, und zwar für die Weißenfelder Linie vom 1. Januar 1924 ab und für die Falkenflucht Linie vom 1. Juli 1922 ab. Die Rente, die anteilig auf den M10 entfällt, erhöht sich um seine Lebenszeit um den jährlichen Betrag von 3.750 Goldmark. [...... ] Die Auszahlung an die X Linie ist an die Ebenbürtigkeitsgrundsätze nach Maßgabe der Lippischen Hausgesetze und alle einschlägigen Vereinbarungen gebunden, die Zahlung der Rente an die G Linie ist dagegen nicht davon abhängig. Die X Linie verzichtet für den Fall des Wegfalls der Rentenberechtigung der G Linie ebenfalls auf eine Erhöhung ihrer Rente. [... ] Durch diese Vereinbarung sind alle aus dem Detmolder Hausvergleich vom 22./24. Mai 1762, aus den sogen. Dilucidationsrecesses vom 25. Mai 1762 und aus dem sogen. Verzichts- und Alimentationsvertrages vom 11. Mai 1787 entspringenden Ansprüche, insbesondere auch die im gegenwärtigen Rechtsstreit [.... ] geltend gemachten Ansprüche erledigt."

Nachdem M10 kinderlos verstorben war, entfielen von der an die X-Linie zu zahlende Rente von jährlich 30.000 Goldmark - zumindest rechnerisch - jeweils die Hälfte auf den Vater des Klägers und auf den Onkel des Klägers.

Am 06. Juli 1938 wurde das Gesetz über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen (FidErlG) erlassen. Danach erloschen mit Beginn des 01. Januar 1939 die in diesem Zeitpunkt noch bestehenden Familienfideikommisse und wurden freies Vermögen.

Am 26. September 1939 verstarb - nach M10 - auch der Onkel des Klägers, M9; dieser hinterließ seine Ehefrau sowie zwei gemeinsame Kinder. Das Land Lippe zahlte den auf den verstorbenen Onkel des Klägers entfallenden Anteil der Rente nunmehr an dessen Sohn M11. Etwa im Jahre 1945 lehnte das Land Lippe dann die Weiterzahlung der Rente an diesen ab. Es vertrat die Auffassung, dass die Rente mit dem Tode von M9 erloschen sei, und zwar entweder aufgrund § 3 DVO FidErlG oder aufgrund § 5 DVO FidErlG und dass zur Entscheidung über diese Frage allein das Fideikommissgericht zuständig sei. Der Fideikommisssenat des Oberlandesgerichts Celle stellte jedoch durch rechtskräftigen Beschluss vom 29. Dezember 1948 fest, dass die in dem Vergleich vom 04. Februar 1925 von dem damaligen Land Lippe anerkannte sog. Lippische Rente keine beständige Rente und auch keine Versorgung von Seitenlinien im Sinne der §§ 3, 5 DVO FidErlG sei. Wegen der Einzelheiten dieses Beschlusses wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 27. Januar 2006 (Bl. 426 ff. d.A.) verwiesen.

In einem daraufhin folgenden Rechtsstreit verlangte M11 die Zahlung des auf ihn entfallenden Anteils der Lippischen Rente an sich. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht gaben der Klage statt. Die dagegen eingelegte Revision des damaligen Landes Lippe wies der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 26. Juni 1951 (V ZR 125/50) zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die mit der Klageschrift überreichte Ablichtung des BGH-Urteils verwiesen (Bl. 17 - 48 d.A.).

In der Folgezeit zahlte der Beklagte die Lippische Rente jeweils zur Hälfte an den Vater des Klägers und an M11, den Cousin des Klägers; an beide Bezugsberechtigten wurde am Anfang eines jeden Quartals jeweils 3.750,00 DM gezahlt, jährlich insgesamt also jeweils 15.000,00 DM.

Am 08. Juni 1958 hob M12 die Hausgesetze des Hauses Lippe auf und legte sein Amt eines "Chefs des Hauses Lippe" nieder. In dem Erlass (Bl. 87 d.A.) heißt es:

"Da Hausgesetze schon seit 1919 (Weimarer Verfassung) praktisch keine rechtliche Gültigkeit mehr haben, und da es sich bei ihnen zum großen Teil - so speziell bei unserem lippischen 'Hausgesetz' - weniger um eigentlich geschriebenes Recht, als vielmehr um gewisse Gepflogenheiten handelt, so kann heute in Wahrheit niemand rechtlich auf einem Hausgesetz fußen. Die inzwischen noch erfolgte gesetzliche Auflösung der Fideikommisse hat dem einstigen Fürstenrecht speziell in Hinsicht auf die Institution des 'Haus-Chef" eine weitere Grundlage entzogen. Kraft der auf mich übergegangenen Funktion des 'Chefs des Hauses Lippe' hebe ich deshalb, den gegebenen Umständen Rechnung tragend, hierdurch für das Haus Lippe das 'Hausgesetz' nun auch formell auf und lege gleichzeitig folgerichtig auch das damit gegenstandslos gewordene Amt eines 'Chefs des Hauses' nieder.

Am 28. Oktober 1969 heiratete der Cousin des Klägers, M11, eine nicht adelige Frau. Den auf ihn entfallenden Rentenanteil erhielt er weiterhin ausgezahlt - ohne Beanstandungen durch den Vater des Klägers oder dessen Kinder.

Am 07. September 1988 schloss M11 mit dem Beklagten eine notarielle Ablösevereinbarung über den Anteil der auf ihn entfallenden Lippischen Rente (UR-Nr. #1/1988 des Notars T in M). In der Ablösevereinbarung heißt es:

"Ich bin in vollem Umfang berechtigt, über den auf mich entfallenden hälftigen Anteil der sogenannten Lippischen Rente, die an die Linie X zu zahlen ist, zu verfügen.

Ich vereinbare hiermit mit dem Landesverband Lippe, dass der auf mich entfallende hälftige Teil der Lippischen Rente abgelöst wird, und zwar gegen Zahlung eines kapitalisierten Abfindungsbetrages in Höhe von 300.000,-- DM. [..... ] Ich verzichte für mich und meine Rechtsnachfolger auf den hälftigen Anteil an der Lippischen Rente gegen Zahlung dieser Entschädigung."

Wegen der weiteren Einzelheiten der Ablösevereinbarung wird auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 49 - 59 d.A.) verwiesen.

Am 01. Juli 1995 verstarb M11 ohne Hinterlassung von Nachkommen.

Am 24. Oktober 1996 starb der Vater des Klägers. Aufgrund testamentarischer Erbfolge wurde er von seiner Ehefrau, M13, allein beerbt (Bl. 443 ff. d.A.).

Der Beklagte zahlte auch nach dem Tode des Vaters des Klägers zunächst noch vierteljährliche Raten von 3.750,00 DM auf ein Konto des Vaters, und zwar bis zum ersten Quartal des Jahres 1998 einschließlich. Diese Zahlungen nach dem Tode des Vaters des Klägers wurden von der Mutter des Klägers für den allgemeinen Lebensunterhalt verbraucht.

Ab dem zweiten Quartal des Jahres 1998 bis zumindest zum vierten Quartal des Jahres 2005 hinterlegte der Beklagte vierteljährlich 3.750,00 DM bzw. umgerechnet 1.917,34 EUR. Als Empfangsberechtigte bezeichnete der Beklagte die Kinder des verstorbenen M8, dessen Ehefrau und die im Laufe dieses Rechtsstreits verstorbene M14, die Witwe des am 26. September 1939 verstorbenen Onkels des Klägers, M9. Auf das Recht zur Rücknahme verzichtete der Beklagte nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Hinterlegungsakte 10 HL 39/98 AG Lemgo verwiesen.

Am 05. März 2002 verstarb die Mutter des Klägers; sie wurde von ihren sechs Kindern beerbt (Bl. 442 d.A.).

Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger Zahlung der Rente für die Jahre 1997 bis einschließlich des Jahres 2001, und zwar auch den Anteil, welcher (ursprünglich) auf den Stamm seines Onkels, M9, entfiel und über welchen dessen Sohn, M11, und der Beklagte am 07. September 1988 die Ablösevereinbarung getroffen haben.

Der Kläger hat geltend gemacht: Die Ablösevereinbarung sei unwirksam; sein Cousin M11 habe allein nicht wirksam über die Lippische Rente verfügen können; daher könne der Stamm seines Vaters weiterhin die volle Rente in Höhe von jährlich 30.000,00 DM beanspruchen.

Die Rente stehe nur den "ebenbürtigen" männlichen Nachkommen seines Vaters zu. Demnach seien nicht anspruchsberechtigt sein ältester Bruder, M15 sowie der Streithelfer und jüngste Bruder des Klägers, Dr. M16; denn beide seien - unstreitig - mit Bürgerlichen verheiratet. Es sei unerheblich, dass der "Chef des Hauses Lippe" im April 2001 den Konsens zur Eheschließung des Streithelfers mit einer Bürgerlichen erklärt habe (Bl. 92 d.A.). Als weiblicher Nachkomme sei auch seine Schwester D geb. M6 nicht anspruchsberechtigt.

Jedenfalls hätten sein älterer Bruder M15 und seine Schwester auf die Lippische Rente verzichtet. Unstreitig ist insoweit, dass die beiden Geschwister im November 2000 erklärt haben, sie seien "nicht mehr berechtigt, Anspruch auf die Lippische Rente zu erheben". Wegen der Einzelheiten dieser schriftlichen Erklärungen wird auf die Anlagen 5 und 6 zum Schriftsatz vom 05. Juni 2002 (Bl. 130, 131 d.A.) verwiesen.

Der Kläger hat schließlich die Auffassung vertreten, ihm stehe das Recht zu, den Anspruch auf die Lippische Rente im eigenen Namen geltend zu machen. Die Lippische Rente sei eine Linienversorgung; die Rente müsse an die gesamte Linie geleistet werden, sodann sei im Innenverhältnis auszugleichen. Als Teil dieser Linie bzw. Gemeinschaft stehe ihm das Recht zu, auf Leistung an alle Rentenberechtigten zu klagen.

Der Kläger hat beantragt,

1.

den Beklagten zu verurteilen, an ihn sowie an M2 und Dr. M3 gemeinschaftlich einen Betrag von 76.597,05 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30. Oktober 2001 zu zahlen;

2.

hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, den vorgenannten Betrag an den Klgäer M sowie an seine Brüder M2, Dr. M3 und Dr. M4 zu zahlen;

3.

weiter hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von 25.564,59 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30. Oktober 2001 zu zahlen;

4.

weiter hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, den Betrag von 76.597,05 EUR an den ihn, M, sowie an seine Brüder M2, Dr. M3, Dr. M4 und M5 und äußerst hilfsweise auch an seine Schwester D zu zahlen.

Der Streithelfer des Klägers hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger M sowie an M2, Dr. M3 und ihn, den Streithelfer des Klägers, Dr. M4 - gemeinschaftlich einen Betrag in Höhe von 76.597,05 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Oktober 2001 zu zahlen,

hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn, den Streithelfer, einen Betrag von 19.149,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit hieraus seit dem 04. Januar 2005 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat u.a. geltend gemacht, der Rentenanspruch für das Jahr 1997 und das erste Quartal 1998 sei durch die Zahlungen auf das Konto des Vaters des Klägers erloschen. Hilfsweise hat er die Aufrechnung erklärt mit einer angeblichen Gegenforderung in Höhe von 18.750,00 DM (= 5 Quartale à 3.750,00 DM); da die Mutter des Klägers die im Jahre 1997 und im ersten Quartal 1998 gezahlten Renten - unstreitig - verbraucht habe, stehe ihm, dem Beklagten, gegen den Kläger als (Mit-) Erben nach seiner Mutter ein Rückzahlungsanspruch in dieser Höhe zu.

Aber auch für die Zeit danach - zweites Quartal 1998 bis Ende 2001 - sei die Klage jedenfalls zurzeit unbegründet, da er, der Beklagte, den auf den Stamm des Vaters des Klägers entfallenden Rentenanteil - unstreitig - hinterlegt habe.

Der Streithelfer hat zunächst den Beitritt auf Seiten des Beklagten erklärt (Bl. 251 d.A.), später den Beitritt auf Seiten des Beklagten zurückgenommen und den Beitritt auf Seiten des Klägers erklärt (Bl. 305 ff. d.A.).

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 47.933,61 EUR nebst Zinsen stattgegeben und den Beklagten in dieser Höhe zur Zahlung an den Kläger und dessen sämtliche Brüder verurteilt; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, eine Prozessführungsbefugnis des Klägers ergebe sich daraus, dass dieser eine unteilbare Leistung im Sinne des § 432 BGB geltend mache. Der Rentenanspruch stehe dem Kläger und seinen Brüdern zu, soweit nicht Gelder hinterlegt worden seien. Auch die Brüder, die mit einer Bürgerlichen verheiratet seien, hätten einen Anspruch auf die Rente; die Ebenbürtigkeitsklausel im Vergleich vom 04. Februar 1925 verstoße gegen die in Art. 6 GG verankerte Eheschließungsfreiheit. Die Ablösevereinbarung sei unwirksam, weil an dem Rentenbezugsrecht eine Bruchteilsgemeinschaft bestanden habe und jeder einzelne Teilhaber seine Rechte an dem der Gemeinschaft zustehenden Gegenstand nur insoweit ausüben könne, als dadurch die Interessen der übrigen Teilhaber nicht beeinträchtigt würden; dies sei hier aber der Fall. Die Schwester des Klägers sei nicht zum Bezug der Rente berechtigt; die Bestimmung, wonach die Rentenberechtigung nur für die männliche Deszendenz gelte, verstoße nicht gegen Art. 3 GG; denn diese Bestimmung sei auf den Detmolder Hauptvergleich aus dem Jahre 1762 zurückzuführen und Ausfluss der für das Haus Lippe geltenden agnatischen Erbfolge (Thronfolgeberechtigung des männlichen Erstgeborenen), welche eine Vermögenszersplitterung und Erbstreitigkeiten vermeiden sollte. Die Aufrechnung mit einem Rückzahlungsanspruch wegen der Zahlung der Rente für den Zeitraum Januar 1997 bis einschließlich erstes Quartal 1998 greife nicht durch, da es sich um eine unteilbare Leistung handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten, auch wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 323 ff. d.A.) verwiesen.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Er macht insbesondere geltend, dass sich der Anspruch auf die Lippische Rente frei und allein nach den Regeln des BGB vererbt habe.

Mit seiner Anschluss- und Hilfsanschlussberufung wendet sich der Kläger gegen die teilweise Klageabweisung und hilfsweise auch gegen die Einbeziehung seines Bruders M5 in den Kreis der Anspruchsberechtigten; sein Bruder M5 habe konkludent auf die Lippische Rente verzichtet. Der Kläger rügt ferner, dass das Landgericht die Klage hinsichtlich der hinterlegten Beträge abgewiesen habe. Erfüllung trete bei einer Hinterlegung ohne den Verzicht auf die Rücknahme allenfalls dann ein, wenn die Hinterlegung nur zugunsten des Gläubigers, nicht aber auch zugunsten weiterer Personen erfolgt sei.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Wege der Anschluss- und Hilfsanschlussberufung beantragt er,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger M sowie seine Brüder M2, Dr. M3, Dr. M4 und M5, hilfsweise

nur an die Prinzen M, M2, M3 und M4, über die zuerkannten Beträge hinaus weitere 28.760,17 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Oktober 2001 zu zahlen sowie anstelle der ausgeurteilten "5 % Zinsen über dem Basiszinssatz" "5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz" auch auf den ausgeurteilten Klagebetrag festzusetzen;

Der Beklagte beantragt,

die Anschluss- und Hilfsanschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Streithelfer hat in der Berufungsinstanz keinen Antrag gestellt (Bl. 415 d.A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in dieser Instanz wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Der Senat hat zu Informationszwecken die Hinterlegungsakte 10 HL 39/98 AG Lemgo beigezogen; diese ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet, die Anschlussberufung und die Hilfsanschlussberufung des Klägers sind ebenfalls zulässig, aber unbegründet. Der Kläger kann von dem Beklagten nicht Zahlung der sog. Lippischen Rente für die Jahre 1997 bis einschließlich 2001 verlangen, und zwar weder an sich noch an seine Geschwister.

1.

Ob die Klage vor dem Landgericht zulässig war (§ 13 GVG) oder ob das Fideikommissgericht, d.h. der erkennende Senat als Fideikommisssenat, als Gericht erster und letzter Instanz (vgl. BGH NJW-RR 1991, 57 f.), zuständig gewesen wäre und welche prozessualen Folgen dies hätte, kann offen bleiben.

Der Senat neigt aus den Gründen des oben erwähnten Beschlusses des Oberlandesgerichtes Celle vom 29. Dezember 1948 dazu, die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte und damit die erstinstanzliche Zuständigkeit des Landgerichts zu bejahen; denn Schuldner des hier in Rede stehenden Rentenanspruchs ist nicht der Besitzer eines Fideikommisses, sondern der Verwalter des Vermögens des ehemaligen Landes Lippe.

Jedenfalls aber greift § 17a Abs. 5 GVG ein. Danach prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Nach allgemeiner Ansicht gelten die §§ 17 bis 17b GVG zwar nicht unmittelbar, wohl aber als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch für die Abgrenzung zwischen ordentlicher streitiger Gerichtsbarkeit und freiwilliger Gerichtsbarkeit (vgl. nur Zöller/Gummer, ZPO, 25. Auflage, vor §§ 17 - 17b GVG, Rdnr. 11 m.w.N.); im Fideikommissverfahren ist nach den Grundsätzen der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu entscheiden.

2.

Weder der Kläger noch seine Geschwister haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der sog. Lippischen Rente für die Jahre 1997 bis einschließlich 2001.

Ein etwaiger Anspruch aus dem Vergleich vom 04. Februar 1925 ist mit dem Gesetz über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen vom 06. Juli 1938 (FidErlG) freies, dem allgemeinen Erbrecht unterliegendes Vermögen geworden. Der Kläger kann daher nur den auf ihn entfallenden Anteil an der sog. Lippischen Rente geltend machen. Für das Jahr 1997 und das erste Quartal 1998 ist der Anspruch auf Zahlung der Lippischen Rente erloschen. Für die Zeit ab dem zweiten Quartal 1998 bis Ende des Jahres 2001 kann der Beklagte den Kläger und seine Geschwister auf die beim Amtsgericht Lemgo (10 HL 39/98 AG Lemgo) hinterlegten Geldbeträge verweisen (§ 379 Abs. 1 BGB).

Im Einzelnen gilt hierzu:

a)

Das FidErlG und die Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen vom 20. März 1939 (DVO FidErlG) sind nach allgemeiner Ansicht fortgeltendes Recht. Die Bestimmungen sind nicht verfassungswidrig. Die Siegermächte werteten diese Gesetze nicht als politischer Natur, wenngleich die ab dem Jahre 1935 erlassenen Gesetze der damaligen Blut- und Bodenpolitik entgegenkamen, da so große Teile des Grundbesitzes zu Reichserbhöfen wurden und damit den erheblichen Bindungen des später von den Siegermächten durch Art. I Nr. 1 des Kontrollratsgesetzes Nr. 45 vom 20. Februar 1947 aufgehobenen Reichserbhofgesetzes von 1933 unterlagen.

b)

Die Vorschriften des §§ 1, 2 FidErlG sind im Streitfall nach Sinn und Zweck anwendbar und führen dazu, dass etwaige Rentenansprüche mit dem 01. Januar 1939 freies, dem allgemeinen Erbrecht unterliegendes Vermögen geworden sind.

aa)

Bei der sog. Lippischen Rente handelte es sich bis zum Domanialvertrag vom 31. Oktober 1919 um ein besonderes Familienfideikommiss in Gestalt eines Geldfideikommisses. Davon sind bereits das Reichsgericht und der Bundesgerichtshof ausgegangen (vgl. RGZ 203, 202, 204; BGH, Urteil vom 26. Juni 1951, V ZR 125/50, Seite 22 BGH-Urteil; vgl. zum Geldfideikommiss allgemein Koehler/Heinemann, Das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen, 1940, Seite 70 und 124). Auch das Oberlandesgericht Celle hat in seinem Beschluss vom 29. Dezember 1948 (Bl. 426 ff. d.A.) angenommen, dass der Anspruch auf die Lippische Rente sich bis zum Domanialvertrag im Jahre 1919 gegen ein fürstliches Hausvermögen richtete, welches nach § 30 FidErlG einem Fideikommiss gleichsteht, ferner dass die Lippische Rente sich nach Fideikommissgrundsätzen im Mannesstamm vererbte und dass die Lippische Rente auf Gläubigerseite sowohl ein Gesamtfideikommiss als auch ein Geldfideikommiss war (Bl. 432 d.A.).

bb)

Mit Abschluss des Domanialvertrages vom 31. Oktober 1919 ist allerdings Schuldner der Lippischen Rente der Staat geworden. Ein Fideikommiss im strengen Wortsinne der §§ 1, 2 FidErlG lag damit nicht mehr vor. Nach Ansicht des Senats ist jedoch die Lippische Rente im Hinblick auf §§ 1, 2 FidErlG einem Fideikommiss gleichzustellen, wie es der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 26. Juni 1951 (V ZR 125/50; BGH-Urteil Seite 18) bereits angesprochen hat.

Das Besondere des Anspruchs auf die Lippischen Rente war - gerade auch nach der Vorstellung des Klägers - deren fideikommissartige Bindung: Der Anspruch sollte nicht nach den allgemeinen Regeln des BGB vererblich sein, sondern vielmehr nach den Hausgesetzen und nur in männlicher Deszendenz; ein Berechtigter sollte nicht mit Wirkung gegen die "Linie" verzichten können. Sinn und Zweck des Gesetzes über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen - und auch schon vorangegangener, von Art. 155 Abs. 2 Satz 2 der Weimarer Reichsverfassung ausdrücklich geforderter Regelungen zur Auflösung von Fideikommissen - war es aber gerade, solche besondere Bindungen abzuschaffen.

Entsprechend §§ 1, 2 FidErlG sind hiernach die Ansprüche freies, vererbliches Vermögen der am 01. Januar 1939 Berechtigten geworden.

Einer entsprechenden Anwendung der §§ 1, 2 FidErlG steht nicht etwa die Vorschrift der § 4 Abs. 2 DVO FidErlG entgegen. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2, 3 DVO FidErlG hat der Berechtigte in dem Falle, dass sich der Anspruch nicht in einer einmaligen Leistung erschöpft, auch Anspruch auf die erst nach dem Erlöschen des Fideikommisses fällig werden Leistungen; würde nach Wegfall des Berechtigten seine Witwe Anspruch auf Versorgung oder Abfindung oder ähnliche Leistungen haben, so verbleiben auch ihr die bisherigen Ansprüche. Gerade aus diesen Bestimmungen ergibt sich nach Auffassung des Senats aber umgekehrt, dass auch Versorgungs- und Abfindungsansprüche nicht in Zukunft weiterhin nach den Grundsätzen des Fideikommissrechts fortbestehen sollten; denn die Regelungen in § 4 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 DVO FidErlG beschränken diese Berechtigung zumindest auf den am 01. Januar 1939 Berechtigten und dessen Witwe ein.

Der Senat weicht damit nicht von dem Beschluss des Fideikommisssenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. Dezember 1948 (Bl. 426 ff. d.A.) ab. Der Fideikommisssenat hat nur entschieden, dass die Vorschriften der §§ 3, 5 DVO FidErlG auf die Lippische Rente nicht anwendbar seien. Aus der Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen des §§ 3, 5 DVO FidErlG auf die vom Stadt zu zahlende Lippische Rente kann aber nicht der weitergehende Schluss gezogen werden, dass die Lippische Rente nicht zumindest wie ein Geldfideikommiss zu behandeln sei. Der Fideikommisssenat des Oberlandesgerichts Celle hatte seinerzeit lediglich zu beantworten, ob die Ansprüche auf die Lippische Rente allein deshalb erloschen sind, weil die Fristen nach §§ 3, 5 DVO FidErlG nicht eingehalten waren. Nach §§ 3, 5 DVO FidErlG waren beständige Renten (§ 3 DVO FidErlG), Versorgungsansprüche, Abfindungen und ähnliche Leistungen für Seitenlinien (§ 5 DVO FidErlG) auf Antrag des Besitzers eines Fideikommisses abzulösen; der Antrag war binnen einer Frist von drei Monaten seit Inkrafttreten der DVO FidErlG zu stellen (§ 3 Abs. 2 DVO FidErlG); Wiedereinsetzung in der vorigen Stand konnte nur binnen eines Jahres gewährt werden (§ 78 DVO FidErlG i.V.m. § 10 Abs. 2 FidErlG). Diese Frage hat der Fideikommisssenat des Oberlandesgerichts Celle mit der überzeugenden Begründung verneint, dass das Erlöschen des Anspruchs nach Sinn und Zweck der §§ 3, 5 DVO FidErlG nur dann geboten sei, wenn durch die Bestimmungen des FidErlG das "verpflichtete Vermögen" Anfang des Jahres 1939 als solches aufgelöst war. In einem solchen Fall der Auflösung des verpflichteten Vermögens müsse in kurzer Zeit das Schicksal der Rentenansprüche endgültig geklärt sein. Bei der Lippischen Rente habe ein solches Bedürfnis aber nicht bestanden, denn der Schuldner und sein Vermögen, der Staat, seien in den relevanten Punkten unverändert geblieben. Auch dass der Fideikommisssenat des Oberlandesgerichts Celle zur Frage nach einer analogen Anwendung der Bestimmungen des §§ 3, 5 DVO FidErlG nicht Stellung enommen hat, verwundert nicht; denn gerade bei Vorschriften, welche Ausschlussfristen setzen, wird eine analoge Anwendung nur ausnahmsweise in Betracht kommen können.

c)

Da somit die Rentenansprüche mit Wirkung zum 01. Januar 1939 freies, nach allgemeinem Erbrecht des BGB vererbliches Vermögen geworden sind, bedarf die Frage der Wirksamkeit der Ablösevereinbarung vom 07. September 1988 zwischen dem Cousin des Klägers, M11, und dem Beklagten keiner näheren Erörterung. Wie in der Verhandlung vor dem Senat unstreitig geblieben ist, ist der Onkel des Klägers nicht von Mitgliedern des Stammes des Vaters des Klägers beerbt worden.

d)

Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass Anspruchsberechtigte nach dem Tode des Vaters des Klägers - allein - die Mutter des Klägers geworden ist und dass nach dem Tode der Mutter des Klägers am 05. März 2002 nunmehr auch die nach Auffassung des Klägers "nicht ebenbürtigen" Brüder des Klägers und auch die Schwester des Klägers zum Kreis der Anspruchsberechtigten gehören.

Ob das "Hausrecht" nicht ohnehin obsolet ist, zumal der "Chef des Hauses Lippe" es im Jahre 1958 ausdrücklich aufgehoben hat, kann danach dahin stehen. Ebenso kann dahin stehen, ob die Ebenbürtigkeitsklausel und die Grundsätze der männlichen Deszendenz, wie es das Landgericht für Ersteres verneint und für Letzteres bejaht hat, mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

e)

Nach dem zuvor Gesagten kommt es hinsichtlich der hier nur in Rede stehenden Ansprüche für die Jahre 1997 bis einschließlich 2001 nicht mehr darauf an, ob der älteste Bruder des Klägers, M5, und auch die Schwester des Klägers auf ihren Rentenansprüche verzichtet haben. Entgegen der Auffassung des Klägers ist dies aber nicht der Fall.

Den Erklärungen dieser beiden Geschwister (Bl. 130 und 131 d.A.), "dass ich nicht (mehr) berechtigt bin, Anspruch auf die Lippische Rente zu erheben", lässt sich nach dem Empfängerhorizont eines verständigen Dritten schon nicht entnehmen, dass die Geschwister auch auf einen ihnen möglicherweise zustehenden Rentenanspruch verzichten wollten. Aus den Erklärungen geht nur hervor, dass sie die - unzutreffende - Rechtsauffassung vertreten haben, keinen Anspruch auf die Lippische Rente zu haben. Hiernach stellt sich auch nicht mehr die Frage, ob der "Verzicht" der notariellen Form (§ 518 Abs. 1 BGB) bedurft hätte.

f)

Ein etwaiger Anspruch auf Zahlung der Lippischen Rente aus dem Vergleich vom 04. Februar 1925 für die Zeit von Anfang Januar 1997 bis zum 31. März 1998 ist erloschen (§ 362 BGB).

Nach dem Tode des Vaters des Klägers am 24. Oktober 1996 hat der Beklagte die auf den Stamm des Vaters des Klägers entfallenden Rentenansprüche von 3.750,00 DM je Quartal (jährlich 15.000,00 DM) - unstreitig - weiterhin auf das Konto des inzwischen verstorbenen Vaters des Klägers überwiesen; diese Rentenbeträge sind in der Folgezeit von der Alleinerbin des Vaters des Klägers, der Mutter des Klägers, verbraucht worden. Hiernach hat der Beklagte diese Rentenansprüche gegenüber der Rechtsnachfolgerin des Vaters des Klägers erfüllt.

g)

Aber auch für die Zeit ab dem 01. April 1998 bis zum 31. Dezember 2001 stehen dem Kläger und seine Geschwister jedenfalls zurzeit keine durchsetzbaren Ansprüche auf die Lippische Rente zu.

Der Beklagte hat, wie sich aus der Hinterlegungsakte 10 HL 39/98 AG Lemgo ergibt und was im Senatstermin auch unstreitig geblieben ist, nicht nur bis Ende 2001, sondern sogar bis Ende 2005 die auf den Stamm des Vaters entfallenden Rentenbeträge von jeweils 3.750,00 DM bzw. 1.917,34 EUR je Quartal hinterlegt.

Allerdings ist durch die Hinterlegung keine Erfüllung eingetreten, da der Beklagte nicht auf das Recht zur Rücknahme verzichtet hat (§ 378 BGB). Der Beklagte hat jedoch die Hinterlegungsreinrede erhoben; und diese Einrede greift durch. Denn gemäß § 379 Abs. 1 BGB hat der Beklagte das Recht, die derzeitigen Anspruchsberechtigten, den Kläger und seine Geschwister, auf die Geldbeträge zu verweisen. Die - wie hier - rechtmäßige Hinterlegung unter Vorbehalt der Rücknahme hat die Wirkung, dass die Klage zurzeit als unbegründet abzuweisen ist, weil die Hinterlegung ohne den Verzicht auf die Rücknahme jedenfalls im Ergebnis einer vorläufigen Schuldbefreiung gleichkommt (vgl. RGRK/Weber, BGB, 12. Auflage 1976, § 379 Rdnr. 1). Entgegen der Auffassung des Klägers greift § 379 Abs. 1 BGB auch dann ein, wenn - wie dies der Regelfall bei § 372 Satz 2, 2. Variante BGB ist - nicht nur zugunsten einer Person, sondern zugunsten mehrerer Personen hinterlegt wird; dies ergibt sich nach Auffassung des Senats auch daraus, dass bei einer Hinterlegung wegen Annahmeverzuges nur § 379 Abs. 2 BGB, nicht aber auch § 379 Abs. 1 BGB leer läuft (vgl. nur Münchener Kommentar/Wengler, BGB, 4. Auflage 2001, § 379 Rdnr. 3).

3.

Nach dem zuvor Gesagten kann offen bleiben, ob ohne Einschreiten des Gesetzgebers die Lippische Rente tatsächlich für immer und ewig zu zahlen ist oder ob etwa die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (vgl. § 313 BGB n.F.) eingreifen mit der Folge, dass der Rentenanspruch entfallen ist.

Der Senat neigt dazu, dem Urteil des Bundesgerichtshof vom 26. Juni 1951 (V ZR 125/50) auch heute noch zu folgen. Der Bundesgerichtshof hat eingehend erörtert, dass ein entschädigungsloses Entfallen der Lippischen Rente nicht in Betracht komme; solange der Gesetzgeber nicht tätig geworden sei oder die Parteien keine Ablösevereinbarung (hinsichtlich des auf den Stamm des Vaters des Klägers entfallenden Anteil) getroffen hätten, habe der Rentenberechtigte einen Anspruch auf Weiterzahlung der Lippischen Rente (Seite 26 f. BGH-Urteil, Bl. 43 f. d.A.). Dass mittlerweile wiederum mehr als 50 Jahre vergangen sind, dürfte an dieser Rechtslage nichts ändern.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; gemäß § 101 Abs. 1 ZPO hat der Streithelfer des Klägers seine eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 76.693,78 EUR festgesetzt; die Hilfsaufrechnung des Beklagten führt nicht zu einer Streitwerterhöhung.

Ende der Entscheidung

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