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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 02.12.2005
Aktenzeichen: 10 UF 229/04
Rechtsgebiete: VAHRG
Vorschriften:
VAHRG § 1 Abs. 2 |
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS
10 UF 229/04 OLG Hamm
In der Familiensache
hat der 10. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brandes, den Richter am Oberlandesgericht Reinken und die Richterin am Amtsgericht Merz am 02. Dezember 2005
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 10.11.2004 hin wird das am 05.10.2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Recklinghausen betreffend den Versorgungsausgleich - 2. bis 4. Absatz des Urteilstenors - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Von dem Versicherungskonto XX1 des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund in C. werden auf das Versicherungskonto Nr. XX2 der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund in C. Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 169,74, bezogen auf den 31.10.2003, übertragen.
Der Monatsbetrag der zu übertragenden Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
Zulasten des Anspruchs des Antragsgegners auf eine Berufsunfähigkeitsrente bei der N. AG in N, Vers-Nr. LLXX, wird im Wege der Realteilung ein Anspruch der Antragstellerin auf eine Rente gleicher Laufzeit in Höhe der Hälfte der Rente des Antragsgegners begründet.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Gegenstand für das Beschwerdeverfahren wird auf 2000,00 € festgesetzt.
Gründe:
A.
Die Parteien schlossen am 10.07.1976 die Ehe. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin wurde dem Antragsgegner am 28.11.2003 zugestellt.
Die Antragstellerin hat während der Ehezeit vom 01.07.1976 bis zum 31.10.2003 Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund in Höhe von 165,22 € erworben. Der Antragsgegner hat bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Anwartschaften in Höhe von monatlich 504,70 € erworben.
Des weiteren erhält der Antragsgegner aufgrund einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung von der N. AG laut deren Auskunft vom 18.11.2005 derzeit vierteljährlich eine Rente in Höhe von 5.533,38 €, die Rente ist befristet bis zum 01.10.2013. Der Geschäftsplan des Versicherers sieht eine Realteilung vor. § 10 Abs. 1 und Abs. 2 des Planes lauten u. a. wie folgt:
"Der sich als Folge einer Ehescheidung ergebende Versorgungsausgleich betreffend laufende Rentenleistungen aus einer Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitschutz wird durch Realteilung verwirklicht.
Dafür wird das Anrecht der Ausgleichsverpflichteten Ehegatten (Verpflichteter) zwischen dem Verpflichteten und dem ausgleichsberechtigten Ehegatten (Berechtigter) so geteilt, dass sich für beide Ehegatten gleich hohe Renten ergeben.
Für den Berechtigten wird bei uns ein Anrecht in Form einer beitragsfreien Rente ohne Zusatzversicherungen und ohne Kapitalwahlrecht begründet. Beginn dieser Rente ist der erste des Monats, der auf den Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts folgt."
Das Familiengericht hat die Ehe der Parteien geschieden. Zugleich hat es den Versorgungsausgleich dahin durchgeführt, dass die gesetzlichen Rentenanwartschaften der Parteien im Wege des Rentensplittings ausgeglichen werden. Im Hinblick auf die Rente bei der N. AG hat es nach Dynamisierung der Anwartschaft einen Betrag in Höhe von 47,60 € nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG ausgeglichen; im übrigen sei das Anrecht schuldrechtlich auszugleichen. Eine Realteilung hat es nicht vorgenommen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Realteilung mit dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs nicht vereinbar sei, da die Antragstellerin sofort eine Rente erhalten würde, obwohl sie noch nicht im Rentenalter sei oder die Voraussetzungen einer Individualitätsversorgung erfülle.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Zur Begründung führt sie u.a. aus, dass die Realteilung vorzunehmen sei. Den Prinzipien des Versorgungsausgleichs würde der schuldrechtliche Versorgungsausgleich nicht gerecht, da die Rente auslaufe, bevor die Voraussetzungen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs erfüllt seien. Hilfsweise sei zumindest eine Beitragszahlung nach § 3 b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG durchzuführen.
Der Antragsgegner verteidigt die Entscheidung. Er vertritt die Auffassung, eine Beitragszahlung komme nicht in Betracht.
B.
Die als befristete Beschwerde auszulegende Berufung der Antragstellerin hat Erfolg.
I.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht im Sinne der §§ 621 e Abs.1 und 3, 517, 520 ZPO eingelegt.
II.
Die Beschwerde ist auch begründet, denn die Berufsunfähigkeitsrente des Antragsgegners bei der N. AG ist im Wege der Realteilung auszugleichen.
1. Rentensplitting
Die vom Familiengericht vorgenommene Übertragung gesetzlicher Rentenanwartschaften des Antragsgegners in Höhe von 169,74 € auf das Konto der Antragstellerin im Wege des Rentensplittings ist nicht zu beanstanden und wird auch von der Antragstellerin nicht angegriffen.
2. Ausgleich der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung
a) Berücksichtigung
Die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung des Antragsgegners bei der N.AG ist in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, da der Versicherungsfall bereits eingetreten ist und der Beklagte aus dieser Versicherung eine Rente bezieht (vgl. BGH, FamRZ 1993, 299, 302).
b) Vollzug des Ausgleichs
Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist im Wege der Realteilung nach § 1 Abs.2 VAHRG in Verbindung mit § 10 des Geschäftsplanes der N.AG. auszugleichen.
aa)
Nach § 1 Abs.2 VAHRG können andere Anrechte außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung begründet werden (Realteilung), wenn dies die maßgebende Regelung vorsieht.
Der Geschäftsplan der N.AG sieht in § 10 ausdrücklich eine Realteilung vor. Danach wird das Anrecht so geteilt, dass sich für beide Ehegatten gleich hohe Renten ergeben. Die Zeitrente beginnt für den Berechtigten am Ersten des Monats, der auf die Rechtkraft der Entscheidung des Familiengerichts folgt.
Eine Ausnahmeregelung nach § 10 Abs. 5 des Geschäftsplanes, ist hier nicht gegeben.
bb)
Entgegen der Ansicht des Familiengerichts ist die in dem Geschäftsplan des Versicherers vorgesehenen Realteilung hier durchzuführen.
1)
Die Versorgungsträger sind in der Entscheidung für oder gegen eine Realteilung frei; im Falle der Realteilung steht auch deren konkrete Ausgestaltung in ihrem Ermessen (BGH, FamRZ 1988, 1254). Das Familiengericht kann die maßgebende Regelung nur darauf überprüfen, ob bestimmte Mindestanforderungen erfüllt sind, die sich aus den Grundsätzen des Versorgungsausgleichs ergeben und ob das Ergebnis im Einzelfall angemessen ist (BGH, FamRZ 1998, 421, 423; 1999, 158f ). Sofern die Ehegatten unangemessen benachteiligt werden, kann das Familiengericht so entscheiden, als bestünde keine Möglichkeit der Realteilung.
2)
Zutreffend weist das Familiengericht darauf hin, dass bei der Durchführung der Realteilung der Antragstellerin ohne Rücksicht auf das Erreichen der Altersgrenze oder den Eintritt der Invalidität eine sofort beginnende Rente ausgezahlt wird. Die Antragstellerin erhält dann zusätzlich zu ihrem Erwerbseinkommen bis zum 01.10.2013 eine befristete Rente, obwohl sie dann erst 57 Jahre alt sein wird.
Da in einem solchen Fall durch die Realteilung gerade keine eigenständige Alters- und Invaliditätsversorgung erworben wird, wird vertreten, dass eine Realteilung nicht dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs gerecht werde, deshalb hiervon abzusehen sei und stattdessen das analoge Quasi-Splitting nach § 1 Abs. 3 VAHRG durchzuführen sei (OLG Koblenz FamRZ 2001, 995).
Eine solche Durchführung des analogen Quasi - Splittings ist im vorliegenden Fall jedoch nicht möglich, denn anders als in der dem OLG Koblenz (aaO.) zugrunde liegenden Entscheidung ist der hier beteiligte Versicherer nicht in Form einer öffentlich-rechtlichen Anstalt, sondern privatrechtlich als AG organisiert. Eine analoges Quasi-Splitting ist nur bei öffentlich-rechtlich organisierten Versicherungsträgern, nicht aber bei privatrechtlich organisierten Versicherern möglich.
Der Grundgedanke, der dem gesamten Versorgungsausgleich zugrunde liegt, ist der verfassungsrechtlich gebotene Halbteilungsgrundsatz, d.h. die gleichmäßige Verteilung der ehezeitlich erworbenen Anwartschaften auf Alters- und Invaliditätsversorgung (vgl. BGH FamRZ 2004, 256; BVerfG FamRZ 1980, 326, 333). Diesem Ziel wird im vorliegenden Fall nur die Realteilung gerecht. Denn andere Ausgleichsformen sind aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich.
So scheitert das analoge Quasi-Splitting - wie oben aufgezeigt - an der privaten Rechtsform der beteiligten N. AG.
Die Anordnung einer Beitragszahlung nach § 3 b Abs.1 Nr. 2 VAHRG ist aufgrund der fehlenden finanziellen Möglichkeiten des Antragsgegners nicht durchführbar, da dafür über 87.000,00 € aufzubringen wären, über die er nicht verfügt.
Auch der Verweis auf den schuldrechtliche Versorgungsausgleich ist nicht möglich. Denn dieser scheidet grundsätzlich bei Berufsunfähigkeitsversicherungen aus, da diese zumeist nur bis zum Erreichen der regulären Altersgrenze gezahlt werden und es somit an dem Vorliegen des doppelten Rentenfalles beider Ehepartner fehlt (vgl. Bamberger-Roth/Bergmann, BGB, § 1587a Rdnr. 155). Der doppelte Rentenfall ist hingegen Voraussetzung für die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs. Das trifft auch im vorliegenden Fall zu. Denn die Antragstellerin wird aller Voraussicht nach erst im Jahr 2021 zur Rentenbezieherin, die Berufsunfähigkeitsrente wird dagegen schon im Jahr 2013 auslaufen. Ein Verweis auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich würde damit dazu führen, dass die Berufsunfähigkeitsrente versorgungsrechtlich nicht ausgeglichen wird.
Im vorliegenden Fall ist der Halbteilungsgrundsatz mithin lediglich durch die Durchführung der Realteilung zu gewährleisten. Demgegenüber haben andere Gesichtspunkte, wie der Aspekt, dass durch die Realteilung eine eigenständige Versorgung geschaffen wird, ohne dass die Antragstellerin die Altersgrenze erreicht oder die Invaliditätsvoraussetzungen erfüllt, zurückzutreten.
c) Höhe
Da die Berufsunfähigkeit des Antragsgegners während der Ehezeit eintrat, ist die am Ende der Ehezeit gezahlte Rente zugleich der Ehezeitanteil und somit ist die Rente in voller Höhe zu berücksichtigen. Die Rente des Antragsgegners enthält aufgrund der Überschussbeteiligung eine Dynamisierung. An dieser Dynamisierung nimmt auch die Antragstellerin teil, so dass ihr grundsätzlich die Hälfte des Anspruchs des Antragsgegners zusteht. Denn nach § 10 des Geschäftsplanes der N.AG wird das Anrecht so geteilt, dass beide gleich hohe Renten erhalten. Dem hat der Senat durch die Tenorierung "in Höhe der Hälfte" Rechnung getragen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a Abs.1 S.1. ZPO.
IV.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 49 Nr.3 GKG.
Ende der Entscheidung
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