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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 23.09.2008
Aktenzeichen: 10 W 22/08
Rechtsgebiete: HöfeO


Vorschriften:

HöfeO § 6 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Schwelm wird angewiesen, bei seiner Entscheidung über die Erteilung des Hoffolgezeugnisses von seinen Bedenken hinsichtlich der Wirtschaftsfähigkeit des Beteiligten zu 1) Abstand zu nehmen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beteiligten zu 2) auferlegt. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten im Beschwerdeverfahren findet nicht statt.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 93.055,12 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1) und 2) streiten um die Erteilung eines Hoffolgezeugnisses für den im Grundbuch von F2 Blatt ###, Amtsgericht Schwelm, eingetragenen Hof im Sinne der Höfeordnung "Zipp Nr. 135" in F2.

Die Beteiligten sind Abkömmlinge des letzten Volleigentümers des Hofes X, geboren am 19.9.1882. Dieser errichtete am 8.3. 1955 gemeinsam mit seiner Ehefrau X2 ein privatschriftliches Testament, in dem der Sohn X3, geboren am 2.2.1912, zum Vorerben und dessen Sohn L, geboren am 9.2.1941, zum Nacherben eingesetzt wurde. L ist der Vater der Beteiligten zu 1), 3) und 4). Die Beteiligten zu 2), 5), 6) und 7) sind weitere Kinder des X3 und Geschwister des L.

X verstarb am 27.2.1960. Entsprechend dem Testament vom 8.3.1955 wurde seinem Sohn X3 am 23.7.1960 ein Hoffolgezeugnis erteilt, das jedoch unbeschränkt war und keinen Vermerk wegen der angeordneten Vor- und Nacherbschaft enthielt. Dieses Hoffolgezeugnis ist durch den Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Schwelm vom 20.12.1996 in dem Verfahren 90 Lw 18/95 wegen Unrichtigkeit eingezogen worden.

Der Hof hat eine Größe von ca. 26 ha, wobei etwa 20 ha als Ackerfläche genutzt werden können. Der Rest ist im wesentlichen Ödland. Neben der Bewirtschaftung der Ackerflächen wurde Milchvieh gehalten. Grundschulden oder Hypotheken, durch die Verbindlichkeiten abgesichert werden, sind in Abteilung III des Grundbuchs nicht eingetragen. Die letzte Grundschuld über 14.000,00 DM ist am 22.3.1991 gelöscht worden. Mit Vertrag vom 9.9.1976 wurde der Betrieb von X3 geschlossen an seinem Sohn L, den im Testament vom 8.3.1995 vorgesehenen Nacherben, verpachtet. Dieser lebte mit seiner Ehefrau und in der Folgezeit mit den drei Söhnen, den Beteiligten zu 1), 3) und 4) auf dem Hof. Die Familie wohnt auch heute noch dort.

Nachdem es zu Differenzen zwischen X3 und seinem Sohn L gekommen war, wollte X3 mit notariellem Vertrag vom 7.3.1995 den Hof auf seinen Enkel C, den ältesten Sohn des Beteiligten zu 2), übertragen. Der Vertrag ist vom Landwirtschaftsgericht und auch im Beschwerdeverfahren vom Oberlandesgericht Hamm nicht genehmigt worden, weil Walter Werthmann als Vorerbe nicht über den Hof verfügen konnte (Aktenzeichen 90 Lw 13/95 AG Schwelm = 10 W 8/97 OLG Hamm). In diesem Verfahren wurde bereits über die Wirtschaftsfähigkeit des testamentarisch vorgesehen Nacherben L gestritten.

In der Folgezeit gab L die Bewirtschaftung des Hofes auf und beantragte für sich die Betriebsaufgaberente. Die landwirtschaftlichen Nutzflächen wurden etwa 1998/1999 an einen Dritten verpachtet. Das vorhandene Vieh ist etwa im gleichen Zeitraum abgeschafft worden.

X3 verstarb am 30.4.2004. Damit ist der Nacherbfall eingetreten. Der Nacherbe L leidet an einem hirnorganischen Psychosyndrom. Für ihn wurde eine Betreuung eingerichtet und mit Beschluss des Amtsgerichts Schwelm (Aktenzeichen 82 XVII W 359) vom 15.10.2004 Frau V als Betreuerin für Vermögensangelegenheiten bestellt. Den Antrag auf Erteilung des Hoffolgezeugnisses für L hat das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Schwelm mit Beschluss vom 15.6.2005 (Aktenzeichen 90 Lw 1/05) wegen fehlender Wirtschaftsfähigkeit des Nacherben zurückgewiesen.

Am 21.12.2006 beantragte der Beteiligte zu 1) als ältester Sohn des im Testament vom 8.3.1955 vorgesehenen Nacherben die Erteilung des Hoffolgezeugnisses für sich. Der Beteiligte zu 1) ist am 12.8.1986 geboren. Er hat einen Hauptschulabschluss erreicht und befindet sich beim F gGmbH - ... - in I seit dem 26.9.2006 bis zum 25.9.2009 in einer dreijährigen Ausbildung zum Gärtner im Bereich Garten- und Landschaftsbau. Ausbildungsstätte ist die M3 & M2 GbR in F2, Zipp 134.

Der Beteiligte zu 1) hat vorgetragen, dass er auf dem elterlichen Hof aufgewachsen sei und - auch durch regelmäßige Mithilfe in Betrieben in der Nachbarschaft - mit den auf dem Hof anfallenden Arbeiten vertraut sei.

Der Beteiligte zu 2) hält den Beteiligten zu 1) und auch seine jüngeren Brüder, die Beteiligten zu 3) und 4), nicht für wirtschaftsfähig. Er hat am 9.5.2007 beantragt, ihm das Hoffolgezeugnis zu erteilen. Der Beteiligte zu 2) ist am 22.6.1947 geboren. Er ist Landwirt im Nebenerwerb und bewirtschaftet einen seiner Ehefrau gehörenden Milchviehbetrieb in Y.

Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - hat die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Kreisstelle N angehört. Auf die Stellungnahme vom 25.4.2007 (Bl. 26 d.A.) wird Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 5.7.2007 hat das Landwirtschaftsgericht den Antrag des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen und angekündigt, dem Beteiligten zu 2) das Hoffolgezeugnis zu erteilen. Dazu hat es ausgeführt, dass der Beteiligte zu 1) zwar aufgrund des Testaments seines Urgroßvaters vom 8.3.1955 zum Hoferben berufen sei, nachdem sein als Nacherbe eingesetzter Vater die Hofnachfolge wegen fehlender Wirtschaftsfähigkeit nicht antreten könne. Der Beteiligte zu 1) sei aber auch nicht wirtschaftsfähig. Er befinde sich noch in der Berufsausbildung. Der Beruf als Landschaftsgärtner ziele jedoch nicht auf die Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes. Die dafür erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse habe er nicht und könne sie auch im Rahmen seiner Ausbildung nicht erwerben. Der Hof befinde sich seit 1999 nicht mehr in Eigenbewirtschaftung, zu dem Zeitpunkt sei der Beteiligte zu 1) 13 Jahre alt gewesen. Es reiche nicht aus, dass er gelegentlich den Nachbarn beim Füttern der Tiere helfe. Als Hoferbe komme demnach der Beteiligte zu 2) als der zweitälteste Enkel nach X in Betracht. Gegen dessen Wirtschaftsfähigkeit bestünden keine Bedenken. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 5.11.2007 (Bl. 36, 37 d.A.) verwiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1), mit der er sowohl die Erteilung eines Hoffolgezeugnisses an sich als auch die Aufhebung des Vorbescheids betreffend den Beteiligten zu 2) erreichen will. Er wiederholt und vertieft seinen bisherigen Vortrag zu seinem beruflichen Werdegang und dazu, dass er von klein auf mit der Landwirtschaft und den dazu gehörenden Tieren vertraut sei. Nach Abschluss der Lehre als Gärtner werde er am 1.8.2009 eine Ausbildung zum Landwirt beginnen, der Ausbildungsvertrag sei bereits abgeschlossen. Der Betrieb könne ohnehin nur im Nebenerwerb geführt werden, so dass er auch darauf angewiesen sei, in dem erlernten Beruf als Gärtner zu arbeiten. Im übrigen bestünden auch Bedenken, ob es sich bei dem Hof überhaupt noch um einen Hof im Sinne der Höfeordnung handele.

Der Beteiligte zu 2) tritt dem entgegen. Er trägt vor, dass nur er allein, nicht aber der Beteiligte zu 1) zum Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls, das heißt des Todes des Großvaters bzw. Urgroßvaters X, und des Eintritts des Nacherbfalls am 30.4.2004 wirtschaftsfähig gewesen sei. Die fehlende Wirtschaftsfähigkeit des Beteiligten zu 1) sei nicht allein auf die mangelnde Alterssreife zurückzuführen, sondern auch darauf, dass sich der Beteiligte zu 1) in einer landwirtschaftsfremden Ausbildung befinde. Er sei lediglich in der Lage, nach Anweisung zu arbeiten, nicht aber selbständig einen landwirtschaftlichen Betrieb zu leiten. Der Vollständigkeit halber sei darauf hinzuweisen, dass auch die Beteiligten zu 3) und 4) nicht wirtschaftsfähig seien. Der Hof sei niemals aufgegeben worden und nach wie vor ein Hof im Sinne der Höfeordnung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat im Termin am 23.9.2008 die Beteiligten zu 1) und 2) sowie den Vertreter der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Kreisstelle N, Herrn Dr. M, persönlich angehört. Der Beteiligte zu 1) hat angegeben, dass er sich um die Tiere auf dem Hof gekümmert habe, auch nach der Verpachtung, solange diese noch vorhanden gewesen seien. Er mache jetzt die Ausbildung zum Gärtner, diese sei im Mai des nächsten Jahres beendet. Im Anschluss daran habe er schon den Ausbildungsvertrag für zwei Jahre für den landwirtschaftlichen Bereich. Er habe jetzt schon zusätzliche Lehrgänge besucht, beispielsweise für den Umgang mit der Motorsäge. Das benötige er für seine Arbeit als Gärtner, aber auch für die Arbeiten im Wald, der zum Hof gehöre und nicht verpachtet sei. Der Hof könne nur im Nebenerwerb weiter geführt werden. Er könne sich vorstellen, dass eine Ammenhaltung mit Fleischvermarktung wirtschaftlich zu gestalten sei. Man müsse aber auch mit den umliegenden Höfen zusammenarbeiten und kooperieren. Die Finanzierung eventueller Neubauten der Ställe, die nicht mehr zeitgemäß seien, könnte wohl schwierig werden.

Herr Dr. M hat sich dahingehend geäußert, dass allein eine Ausbildung zum Garten- und Landschaftsbauer für die Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes kritisch zu beurteilen sei und wohl nicht reichen werde. Die Prognose sei aber positiv, wenn sich eine Ausbildung im landwirtschaftlichen Bereich anschliesse. Im Rahmen der Ausbildung in dem in Aussicht genommenen Betrieb würden dem Beteiligten zu 1) die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, zumal der Lehrbetrieb ähnlich strukturiert sei.

Die Akten 4 Lw3/60 AG Schwelm, 90 Lw 13/95 = 10 W 8/97 OLG Hamm, 90 Lw 18/95 Ag Schwelm und 90 Lw 1/05 AG Schwelm lagen zur Information des Senats vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

1.

Es handelt sich um eine Landwirtschaftssache gemäß § 1 Ziff. 5 LwVG, für die das Landwirtschaftsgericht zuständig ist, und auf die die Vorschriften des Gesetzes über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden sind (§ 9 LwVG).

Das Landwirtschaftsgericht hat mit dem Beschluss vom 5.11.2007 einen Vorankündigungsbeschluss zur Herbeiführung einer rechtsmittelfähigen Entscheidung erlassen, weil eine Beschwerde gegen das Hoffolgezeugnis mangels Beschwer oder mangels Rechtsschutzinteresse nicht statthaft ist, andererseits ein Beteiligter, der den Erbschein bzw. das Hoffolgezeugnis für unrichtig hält, jederzeit den Antrag auf Einziehung stellen kann (s. dazu Münchner Kommentar-Promberger BGB, 4. Aufl., § 2353 Rdnr. 78, 91; Wöhrmann, Das Landwirtschaftserbrecht, 9. Aufl., § 18 Rdnr. 67). Gegen diesen Beschluss ist gemäß §§ 20 Abs. 3 LwVG, 2 AGLwVG NW, 19 FGG das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde gegeben. § 22 LwVG ist nicht anwendbar (s. dazu auch Barnstedt/Steffen, Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen 7. Aufl., § 22 Rdnr. 22).

2.

Anzuwenden ist auf den vorliegenden Fall die HöfeO in der vor dem 1.7.1976 gültigen Fassung. Das gilt auch, wenn - wie hier - die Nacherbfolge nach dem 30.6.1976 eingetreten ist, denn dies ist kein neuer Erbfall. Das letzte gültige Testament, aus dem sich die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) ergeben kann, ist am 8.3.1955 errichtet worden. Der Erblasser X ist am 27.2.1960 verstorben. Gemäß Art. 3 § 3 2. ÄndG der HöfeO (abgedruckt bei Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery HöfeO, 10. Aufl., S.437 ) bleiben für die erbrechtlichen Verhältnisse die bisher geltenden Vorschriften maßgebend, wenn der Erblasser vor Inkrafttreten des Gesetzes verstorben ist. (s. dazu auch Steffen, Erteilung von Hoffolgezeugnissen, RdL 1977 S. 113 ff).

Der von dem Erblasser X in dem Testament vom 8.3.1955 als Hofnacherbe vorgesehene Enkel L kommt nicht in Betracht, weil er nicht wirtschaftsfähig ist An seine Stelle tritt sein ältester Sohn, der Beteiligte zu 1), wenn er seinerseits wirtschaftsfähig ist (§§ § 6 Abs. 1 HöfeO a.F. i.V.m. § 1 der VO zur Feststellung des Erbbrauchs NW). Das ist der Fall.

a)

Voraussetzung für die Erteilung eines Hoffolgezeugnisses ist, dass sich im Nachlass ein Hof i.S.d. HöfeO befindet (s. dazu Wöhrmann a.a.O. § 18 Rdnr. 38). Für den hier in Rede stehenden Hof ist im Grundbuch seit dem 7.11.1949 ein Hofvermerk eingetragen, der die widerlegbare Vermutung der Hofeigenschaft begründet (§ 5 Höfe-VfO). Diese Eintragung steht dem Verlust der Hofeigenschaft allerdings nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung (s. dazu BGH AgrarR 2000 S. 227, 228; AgrarR 1995 S. 235 ff; OLG Hamm AgrarR 1999 S.311 f; RdL 2004 S. 27 und AUR 2006 S. 243, auch Wöhrmann a.a.O. § 1 Rdnr. 143 m.w.N.) entfällt die Hofeigenschaft unabhängig von der Löschung des Hofvermerks, wenn keine landwirtschaftliche Besitzung mehr vorhanden ist. Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Hofeigenschaft ist der Eintritt des Erbfalls, das heißt des Todes des Erblassers am 27.2.1960. Zu diesem Zeitpunkt bestand unzweifelhaft ein Hof im Sinne der Höfeordnung. Auf etwaige spätere Entscheidungen des Vorerben, die als eine Aufgabe des Betriebes angesehen werden und damit die Hofeigenschaft außerhalb des Grundbuchs zum Wegfall bringen könnten, kommt es nicht. Ein Aufgaberecht des Vorerben ohne Zustimmung der Nacherben besteht nicht, zumal die Aufhebung der Hofeigenschaft zu einer Änderung des Erbstatuts führt und in die Rechte des Nacherben eingreift (s. dazu auch BGH RdL 2004, S. 193 f m.w.N.). Der Streit der Beteiligten zu 1) und 2), ob der Hof bei Eintritt des Nacherbfalls am 30.4.2004 und auch jetzt noch ein Hof im Sinne der Höfeordnung ist, kann deshalb dahingestellt bleiben.

b)

Der Beteiligte zu 1) ist nach der Überzeugung des Senats, die er sich im Termin am 23.9.2008 aufgrund des persönlichen Eindrucks von dem Beteiligten zu 1) verschafft hat, wirtschaftsfähig und in der Lage, den Hof als Hoferbe zu übernehmen.

Wirtschaftsfähig ist nach der Legaldefinition des Gesetzes nicht, wer insbesondere die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Grundstücke zum Nachteil der allgemeinen Ernährungslage gefährden würde (§ 6 Abs. 1 S. 1 HöfeO a.F.). Damit ist wirtschaftsfähig, wer nach seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten, nach seinen Kenntnissen und seiner Persönlichkeit in der Lage ist, den von ihm zu übernehmenden Hof selbständig ordnungsmäßig zu bewirtschaften. Das Erfordernis der Wirtschaftsfähigkeit gilt nicht nur für die gesetzliche Hoferbfolge, sondern auch für die vom Erblasser durch Verfügung von Todes wegen angeordnete oder die durch Übergabevertrag vorweggenommene Erbfolge (s. dazu BGH RdL 1952 S. 270 m.w.N.). Dabei sind strenge Anforderungen zu stellen. Grundlage und Ziel ist die Selbstbewirtschaftung des Eigentümers. Wer die Wirtschaft nicht selbst leiten kann und Maßnahmen eines von ihm bestellten Verwalters oder einer sonstigen Hilfskraft ausgeliefert sein würde, ist nicht wirtschaftsfähig. Der Hoferbe muss zum einen landwirtschaftlich-technische Fähigkeiten haben, das heißt, die Fähigkeit, einen landwirtschaftlichen Betrieb je nach Wirtschaftsart technisch ordnungsgemäß zu bewirtschaften. Hinzukommen muss die Fähigkeit, die erforderlichen betriebswirtschaftlichen Entscheidungen zu treffen und auch einen Wirtschaftsplan aufzustellen. Der Hoferbe muss auch den Hof jederzeit in Eigenbewirtschaftung übernehmen können, wobei die Absicht, dann den Hof auch selbst zu bewirtschaften, nicht gefordert wird. Allerdings reicht die Fähigkeit, für eine gehörige Verpachtung zu sorgen und die Rechte und Pflichten eines Verpächters wahrzunehmen, allein nicht aus. (s. dazu Lange-Wulff HöfeO 6. Aufl. 1965 § 6 Anm. 88, 90 a, 90 b; ders. 10. Aufl. a.a.O. § 6 Rdnr. 63; Steffen a.a.O. S. 114).

Gemessen an diesen Voraussetzungen besteht im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass der Beteiligte zu 1) am 12.8.1986 geboren ist und somit bei Eintritt des Nacherbfalls erst 17 Jahre alt war. Er war zu diesem Zeitpunkt noch Schüler. Inzwischen hat er den Hauptschulabschluss erreicht und befindet sich seit September 2006 in einer Ausbildung als Landschaftsgärtner. Es kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass er durch die Mithilfe auf dem elterlichen Hof mit allen anfallenden Arbeiten vertraut ist, da er bei Aufgabe des Betriebes durch seinen Vater erst 13 Jahre alt war.

Soweit deshalb wegen des Alters des Beteiligten zu 1) und seiner aus diesem Grund noch nicht abgeschlossenen Ausbildung Zweifel an seiner Wirtschaftsfähigkeit bestehen könnten, ist zu beachten, dass die fehlende Wirtschaftsfähigkeit ohne Bedeutung sein kann, wenn sie allein auf fehlende Altersreife zurückzuführen ist. Ein Kind soll vor dem Nachteil bewahrt werden, dass es wegen der fehlenden Altersreife noch nicht die Wirtschaftsfähigkeit erlangt hat, die es als Erwachsener voraussichtlich hätte, und allein aus diesem Grund von der Hoferbfolge ausgeschlossen ist. Das kann aber nur dann anerkannt werden, wenn die körperliche und geistige Veranlagung des Kindes eine zur Wirtschaftsfähigkeit genügende Entwicklung und zugleich die übrigen Verhältnisse das natürliche Hineinwachsen in die landwirtschaftliche Berufstätigkeit erwarten lassen. Dabei kommt es auf die Veranlagung und Verhältnisse an wie sie beim Erbfall vorlagen und sich ohne Rücksicht auf den Erbfall entwickelt hätten (s. dazu Lange/Wulff/Lütke-Handjery a.a.O. § 6 Rdnr. 87, Wöhrmann a.a.O. § 6 Rdnr. 128, 129 jeweils m.w.N.).

Gemessen daran reicht es aus, wenn der Beteiligte zu 1) seine bisherige Ausbildung fortsetzt und diese mit der angestrebten weiteren Ausbildung im landwirtschaftlichen Bereich ergänzt. Es handelt sich um einen relativ kleinen Hof mit einer Ackerfläche von ca. 20 ha, der in der Zukunft nur im Nebenerwerb geführt werden kann. Der Beteiligte zu 1) ist deshalb darauf angewiesen, seinen Lebensunterhalt auch durch eine Berufstätigkeit außerhalb des Hofes sicherzustellen. Der eingeschlagene Weg, zunächst eine Berufsausbildung in einem landwirtschaftsnahen Beruf anzustreben, und sodann die Kenntnisse im landwirtschaftlichen Bereich zu vertiefen, ist deshalb folgerichtig. Mit der in Aussicht genommenen landwirtschaftlichen Ausbildung in einem benachbarten und dem hier zu übernehmenden Hof vergleichbaren Betrieb ist zu erwarten, dass sich der Beteiligte zu 1) in nächster Zeit die ihm wegen seines jugendlichen Alters noch fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten aneignen wird. Es ist auch zu berücksichtigen dass der Beteiligte zu 1) trotz der Fremdverpachtung zu keiner Zeit von dem Hof abgezogen ist. Er ist vielmehr im landwirtschaftlichen Bereich verblieben und hat regelmäßig auf einem benachbarten Hof bei der Versorgung der Mastbullen und auch des Milchviehs sowie in der weiteren Nachbarschaft bei anfallenden Arbeiten auf den Äckern ausgeholfen.

Nach der Einschätzung des Senats einschließlich seiner fachkundigen landwirtschaftlichen Beisitzer lässt all dies eine günstige Prognose im Hinblick darauf, dass der Beteiligte zu 1) in die Leitung des ererbten landwirtschaftlichen Betriebes hineinwachsen wird, zu. Der Senat verkennt dabei nicht, dass es bei der Beurteilung der Wirtschaftsfähigkeit des potentiellen Hoferben und der im vorliegenden Fall aufzustellenden Prognosen einen Spielraum gibt, dessen obere Grenze nicht erreicht wird. Die Einstufung liegt aber auch nicht unterhalb der unteren Grenze und führt nicht zu dem Ergebnis, dass der Beteiligte zu 1) überhaupt nicht wirtschaftsfähig ist und auch aufgrund seiner Fähigkeiten und Anlagen nicht zu erwarten ist, dass er die ihm jetzt wegen seines jugendlichen Alters noch fehlenden Kenntnisse nicht wird erwerben können.

Da somit die Wirtschaftsfähigkeit des Beteiligten zu 1) bejaht werden kann, kommt es nicht mehr darauf an, ob seine Brüder, die Beteiligten zu 3) und 4) und danach der Beteiligte zu 2) wirtschaftsfähig sind.

Das Landwirtschaftsgericht wird diese Erwägungen bei seiner demnächst zu treffenden Entscheidung über die Erteilung des Hoffolgezeugnisses für den Beteiligten zu 1) zu berücksichtigen haben. Seine Bedenken hinsichtlich der Wirtschaftsfähigkeit des Beteiligten zu 1) vermag der Senat nicht zu teilen. Der angefochtene Beschluss war deshalb aufzuheben. Das Landwirtschaftsgericht war anzuweisen, bei seiner Entscheidung von seinen bisherigen Bedenken Abstand zu nehmen.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 44, 45 LwVG. Es entspricht billigem Ermessen, in dem hier vorliegenden Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens dem Beteiligten zu 2), der letztlich mit seinem Begehren unterlegen ist, aufzuerlegen. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten im Beschwerdeverfahren findet nicht statt. Im übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen

Verfahrens dem Landwirtschaftsgericht, das demnächst über die Erteilung des Hoffolgezeugnisses zu entscheiden hat, vorbehalten.

Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 34 Abs. 2 LwVG i.V.m. 19 Abs. 4 KostO (vierfacher Einheitswert, der Einheitswert des Hofes beträgt 45.000,00 DM = 23.263,78 €).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 24 Abs. 1 LwVG sind nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

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