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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 15.09.2004
Aktenzeichen: 10 WF 122/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1600 d Abs. 4
BGB § 1607 Abs. 3 S. 2
Für den sog. Scheinvaterregress nach § 1607 Abs. 3 S. 2 BGB muss nach § 1600 d Abs. 4 BGB die Vaterschaft des Inanspruchgenommenen positiv festgestellt sein. Die - inzidente - Prüfung der Vaterschaft in dem Regressverfahren ist nicht zulässig.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

10 WF 122/04 OLG Hamm

In der Familiensache

hat der 10. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm durch

am 15.9.2004

beschlossen:

Tenor:

1. Die Sache wird vom Einzelrichter auf den Senat übertragen.

2. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 22.7.2004 gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Recklinghausen vom 14.7.2004 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller beabsichtigt vorbehaltlich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, den Antragsgegner im Wege des sog. Scheinvaterregresses auf Zahlung von insgesamt 25.285,20 € in Anspruch zu nehmen. Dazu trägt er vor, er sei, wie in dem Verfahren 44 F 297/02 AG Recklinghausen rechtskräftig festgestellt worden sei, nicht der Vater des in der am 8.3.1991 mit der Kindesmutter geschlossenen Ehe am 30.7.1991 geborenen Kindes O. In dem Verfahren habe die Kindesmutter erklärt, mit ihm erstmals im Juni 1990 und sodann wieder Ende Oktober / Anfang November 1990 sexuellen Kontakt gehabt zu haben. Zeitgleich habe sie ein Verhältnis mit dem Antragsgegner unterhalten. Nach seinem Ausschluss als Erzeuger komme nur der Antragsgegner in Betracht. Einer Aufforderung zur Zahlung sei er nicht nachgekommen, er habe vielmehr darauf verwiesen, dass seine Vaterschaft nicht feststehe; weder habe er die Vaterschaft anerkannt noch sei er in dem damaligen Abstammungsverfahren in das Abstammungsgutachten einbezogen worden. Daraufhin habe er den Antragsgegner vergeblich aufgefordert, sich auf seine, des Antragstellers, Kosten einem außergerichtlichen DNA-Vaterschaftstest zu unterziehen. Kindesmutter und das Kind hätten keine Klage auf Vaterschaftsfeststellung erhoben. In dieser Lage sei er faktisch rechtlos gestellt, sodass die Regresssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB durchbrochen werden müsse.

Dem ist der Antragsgegner entgegen getreten.

Das Amtsgericht hat Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht mit der Begründung versagt, eine Inzidentprüfung der Vaterschaft scheide im Regressprozess aus. Ein Ausnahmetatbestand, der nach Treu und Glauben die Durchbrechung der Regresssperre rechtfertigen könne, sei nach dem Vorbringen des Antragstellers nicht gegeben.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, die er im Wesentlichen mit dem bisherigen Vortrag und unter Aufrechterhaltung seiner Rechtsauffassung begründet. Das Amtsgericht hat ihr nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig, sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Nach § 1607 Abs. 3 S. 2 BGB kommt ein Anspruchsübergang in Betracht, wenn dem Kind ein Dritter als Vater Unterhalt gewährt. Der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den Erzeuger geht im Wege der Legalzession auf den Scheinvater über. Von dieser Lage geht das Klagebegehren des Antragstellers aus. Er ist nach der rechtskräftigen Feststellung in dem Ehelichkeitsanfechtungsverfahren nicht der Vater des Kindes O. Damit hat er als Dritter dem Kind O Unterhalt gewährt im Sinne des § 1607 Abs. 3 S. 2 BGB.

Dem Antragsteller ist es jedoch verwehrt, dem Antragsgegner gegenüber den übergegangenen Unterhaltsanspruch des Kindes geltend zu machen. Dies folgt aus § 1600 d Abs. 4 BGB. Nach dieser Bestimmung können die Rechtswirkungen der Vaterschaft erst von dem Zeitpunkt ihrer Feststellung geltend gemacht werden. So liegt es im Streitfall jedoch nicht.

Der Antragsgegner hat seine Vaterschaft nicht nach § 1594 BGB anerkannt. Seine Vaterschaft ist ebenso noch nicht nach § 1600 d BGB festgestellt.

Mit dem Amtsgericht sieht auch der Senat keine Rechtfertigung, von diesem Erfordernis abzusehen und ausnahmsweise die Prüfung der Vaterschaft -mit Wirkung inter partes - inzident in dem Regressverfahren zuzulassen.

Die nach Wortlaut und Zweck klare gesetzliche Regelung steht dem entgegen. Das Gesetz sieht nur in besonderen Ausnahmesituationen, in denen im Interesse des Kindes oder seiner Mutter dringende, zeitlich jedoch begrenzte Unterhaltsansprüche im Wege der einstweiligen Verfügung nach § 1615 o BGB oder der einstweiligen Anordnung nach § 641 d ZPO geregelt werden können. die Durchsetzung eines Anspruchs des Scheinvaters gegen den angeblichen Erzeuger zu.

Wie der BGH (FamRZ 1993,696) ausgeführt hat, kann eine zur Durchsetzung von Regressansprüchen notwendige Klärung der Vaterschaft nicht als Vorfrage in einem der Disposition der Parteien überlassenen Zivilprozess durchgesetzt werden. Die gesetzliche Regelung will sichern, dass grundsätzlich nur noch entweder aufgrund Anerkennung oder nach gerichtlicher Feststellung in einem besonderen, der Amtsermittlung unterliegenden Verfahren Rechtsfolgen aus der biologischen Tatsache einer (nichtehelichen) Vaterschaft gezogen werden können. Diesem Bestreben liefe es zuwider, wenn es (wieder) erlaubt würde, jemanden als Vater des Kindes in Anspruch zu nehmen, bevor die statusrechtliche Zuordnung auf einem der beiden vom Gesetz dafür allein vorgesehenen Wege erfolgt ist. Der BGH hat zudem hervorgehoben, dass das antragsberechtigte Kind anerkennenswerte Gründe besitzen kann, seine Abstammung zu dem vom Dritten als biologischen Kindesvater benannten Mann nicht feststellen zu lassen. Die durch die Feststellung eintretenden Rechtsfolgen (z. B. im Unterhalts- und Erbrecht) können ebenso unerwünscht und belastend sein wie die Tatsache der Abstammung selbst. Aus einem Rechtsstreit zwischen Scheinvater und angeblichem Erzeuger ergeben sich zwar keine unmittelbaren Rechtsfolgen für das Kind; dessen Interessen werden aber durch die tatsächlichen Auswirkungen einer inzidenten Feststellung gleichwohl berührt. In der beschränkten Antragsbefugnis des § 1600n BGB a.F. und in dem Verbot, eine Vaterschaft außerhalb der vom Gesetz zur Verfügung gestellten Verfahrenswege geltend zu machen, konkretisiert sich das gemäß Art. 2 I GG geschützte Persönlichkeitsrecht des Kindes. Die Befugnis des Kindes nach § 1600n Abs. 1 BGB a. F. ist nach der Grundkonzeption des Gesetzes kein bloßes Nebenrecht zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, sondern ein höchstpersönliches Recht, das auch die Befugnis einschließt, es nicht geltend zu machen.

Der Senat lässt offen, ob die Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB durchbrochen werden kann, wenn der Antragsteller seinen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Deliktsrecht, insbesondere § 826 BGB, stützen könnte. Dies hat auch der BGH a.a.O. dahinstehen lassen können. Der Antragsteller zeigt mit dem gegebenen Vortrag einen solchen Tatbestand nicht auf. Er äußert lediglich die Vermutung, der Antragsgegner wolle ihn auf diese Weise schädigen. An konkreten Umständen ist jedoch der Vorwurf eines unerlaubten oder sittenwidrigen Handelns nicht dargelegt.

In der Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2000,1032) und Literatur (Vgl Huber FamRZ 2004,145 ff.) wird jedoch, um der faktischen Unmöglichkeit des Unterhaltsregresses in den Fällen zu begegnen, in denen die Kindesmutter und das Kind von der Feststellung der Vaterschaft absehen, eine Ausnahme zugelassen, wenn der Erzeuger sich zu der Vaterschaft bekennt, in einem früheren Abstammungsgutachten seine Vaterschaft als praktisch erwiesen angesehen wurde und das Beharren auf der Regresssperre als Verstoß gegen Treu und Glauben zu untragbaren Ergebnissen führen würde.

Ob unter diesen Voraussetzungen die Rückgriffssperre durchbrochen und die Inzidentprüfung gestattet werden kann, kann der Senat im Streitfall ebenfalls dahinstehen lassen. Ein solcher Sachverhalt ist nicht gegeben.

Der Antragsgegner hat sich zu keinem Zeitpunkt zu der Vaterschaft für O bekannt. Er ist auch nicht in das Abstammungsgutachten einbezogen worden. Dass nur der Antragsgegner als Vater in Betracht kommt, weil nach dem bisherigen Akteninhalt die Kindesmutter zeitgleich nur mit dem Antragsteller ein Verhältnis unterhalten hat, hat nicht die Eindeutigkeit für sich, wie sie dem Fall des OLG Düsseldorf a.a.O. inne lag. Dort war die Vaterschaft in einem anderen amtswegigen Statusverfahren als praktisch erwiesen beurteilt worden. Hinzu kam, dass sich der Vater auch als solcher bezeichnet und danach gehandelt hat. An allem fehlt es im Streitfall.

Danach hat es auch im Interesse des Persönlichkeitsrechts des Kindes bei der gesetzlichen Regelung zu verbleiben und müssen die Interessen des Antragstellers an der derzeitigen Realisierung des Unterhaltsanspruchs zurücktreten.

Das zum 30.4.2004 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes, zur Registrierung von Vorsorgeverfügungen und zur Einführung von Vordrucken für die Vergütung von Berufsbetreuern (BGBl I S. 598) hat insoweit mit dem § 1600 BGB keine für den Streitfall bedeutsame Änderung gebracht (Vgl. dazu Höfelmann FamRZ 2004,745 ff.).

Ende der Entscheidung

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