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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 02.01.2004
Aktenzeichen: 10 WF 241/03
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 117 | |
ZPO § 323 | |
ZPO § 323 I | |
ZPO § 572 III |
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS
hat der 10. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brandes und die Richter am Oberlandesgericht Reinken und Borchert
am 02. Januar 2004 beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Recklinghausen vom 24. November 2003 abgeändert.
Das Amtsgericht wird angewiesen, über das Prozesskostenhilfegesuch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.
Gründe:
1.
Durch Urteil vom 16.09.2002 ist der Beklagte verurteilt worden, an die am 20.02.1989 geborene Klägerin ab Januar 2002 monatlich 287 EUR (3. Einkommensgruppe) Kindesunterhalt zu zahlen. Die Klägerin beantragt nunmehr Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der sie - in Abänderung des vorgenannten Urteils - in Hinblick auf die Erhöhung der Bedarfssätze nach der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 01.07.2003) ab September 2003 monatlich 307 EUR Kindesunterhalt verlangt.
Das Amtsgericht hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Klage zurückgewiesen, weil die Erhöhung der Bedarfsätze nur 6,97 % betrage und damit die für eine Abänderungsklage erforderliche Wesentlichkeitsgrenze von 10 % nicht erreicht sei. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.
2.
Die zulässige Beschwerde (§ 127 II 2 ZPO) ist begründet. Entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts hat die beabsichtigte Abänderungsklage hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
a.
Voraussetzung für die Begründetheit einer Abänderungsklage ist die wesentliche Veränderung der für die Verurteilung maßgebenden tatsächlichen Umstände (§ 323 I ZPO). Allerdings ist anerkannt, dass Unterhaltsrichtlinien - wie etwa die Düsseldorfer Tabelle - als solche keine tatsächlichen Umstände darstellen, sondern lediglich richterliche Entscheidungshilfen sind und dass die Änderung der in solchen Tabellen festgelegten Bedarfssätze für sich allein genommen grundsätzlich noch keine Abänderungsklage nach § 323 ZPO rechtfertigt. In dem Vorbringen einer Partei, die ihr Abänderungsverlangen auf eine Änderung der Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle stützt, ist aber regelmäßig auch die Behauptung zu sehen, dass sich die Einkommen und/oder die Lebenshaltungskosten seit der vorausgegangenen Fassung dieser Tabelle allgemein in einem Maße verändert hätten, wie dies der Änderung der Bedarfssätze entspreche. Tabellenänderungen sind - zumindest, soweit sie den Unterhalt minderjähriger Kinder betreffen - demzufolge geeignet, eine Abänderungsklage zu begründen, ohne dass der Abänderungskläger darüber hinaus im einzelnen darlegen muss, dass im Zuge der allgemeinwirtschaftlichen Veränderungen auch eine wesentliche Veränderung der individuellen Verhältnisse (Bedarf des Unterhaltsberechtigten und/oder Einkommen des Verpflichteten) eingetreten sei (BGH FamRZ 1995, 221).
b.
Voraussetzung für die Zulässigkeit und auch die Begründetheit einer solchen Abänderungsklage bleibt aber in jedem Falle, dass eine die Wesentlichkeitsschwelle des § 323 I ZPO übersteigende Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse behauptet wird. Diesem Erfordernis genügt der Vortrag der Klägerin. Insoweit ist dem Amtsgericht zwar darin zuzustimmen, dass die beantragte Erhöhung mit 6,79 % vergleichsweise geringfügig ist, jedenfalls soweit man die Wesentlichkeitsgrenze von 10 %, die im allgemeinen als Anhaltspunkt für eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse i. S. von § 323 I ZPO befürwortet wird, zugrunde legen wollte.
Die Beurteilung, ob eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse "wesentlich" ist, darf jedoch nicht schematisch, sondern muss unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erfolgen. Die Wesentlichkeitsschwelle von 10 % ist ein bloßer Richtwert. Für gerichtliche Vergleiche hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass insbesondere bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung der Verhältnisse bereits deutlich unter der 10 %-Schwelle vorliegen kann (BGH FamRZ 1992, 539). Nach Auffassung des Senats kann die Opfergrenze bei Vergleichen und die Wesentlichkeitsschwelle bei Urteilen aber im "Normalfall" - wie hier - nicht unterschiedlich angesetzt werden (so auch Göppinger/Wax/Vogel, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rn. 2412, 2413). Denn in der Praxis werden Unterhaltsvergleiche vielfach auf Vorschlag des Gerichts anstelle eines ansonsten zu erwartenden Urteils geschlossen; eine unterschiedliche Handhabung bei der Abänderung des so entstandenen Unterhaltstitels erscheint vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt. Denn unabhängig von der Form des Unterhaltstitels kann jedenfalls in den Fällen, in denen - wie hier - das minderjährige Kind mit der Abänderungsklage lediglich den Unterhalt in Höhe des Existenzminimums (bis 135% des Regelbetrages) verlangt, sich auch eine unter 10 % liegende Erhöhung einschneidend auswirken und mithin "wesentlich" im Sinne des § 323 ZPO sein.
3.
Der Senat hat allerdings davon abgesehen, der Klägerin Prozesskostenhilfe zu bewilligen und statt dessen von der Möglichkeit des § 572 III ZPO Gebrauch gemacht. Das Amtsgericht wird noch über die Bedürftigkeit der Klägerin zu entscheiden haben, die aber erst festgestellt werden kann, wenn diese die Erklärung nach § 117 ZPO - die lediglich Angaben zu den Personalien enthält - ordnungsgemäß ausgefüllt hat.
Ende der Entscheidung
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