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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 28.01.2000
Aktenzeichen: 11 U 163/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GG, OBG, PolG NW


Vorschriften:

ZPO § 593
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
BGB § 839
GG Art. 34
OBG § 39 Abs. 1 lit. b
PolG NW § 67
PolG NW § 1 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 163/99 OLG Hamm 1 O 28/99 LG Essen

Verkündet am 28. Januar 2000

Graf, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 11 Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Pott und die Richter am Oberlandesgericht Knippenkötter und Schwedhelm

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 18. März 1999 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Klägers übersteigt nicht 60.000,00 DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach § 593 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat das Landgericht die Schadensersatzklage abgewiesen; denn dem Kläger steht gegen das beklagte Land weder ein Anspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG noch ein Anspruch aus § 39 Abs. 1 lit. b OBG NW i.V.m. § 67 PolG NW zu.

1.

Den Polizeibeamten und ist die Verletzung einer drittschützenden Amtspflicht nicht vorzuwerfen.

Zwar haben nach dem Vorbringen des Klägers die Beamten die Unfallaufnahme Verweigert und es unterlassen, die Personalien des anderen Unfallbeteiligten aufzunehmen. Nach Auffassung des Senats begründet dieses verhalten aber nicht den Vorwurf, die Beamten hätten auch eine ihnen dem Kläger gegenüber bestehende Amtspflicht verletzt.

Der Kreis der nach § 839 BGB anspruchsberechtigten Dritten bestimmt sich nach dem Zweck, dem die verletzte Amtspflicht dient. Nur wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreissenden Bestimmungen sowie aus der Natur des Amtsgeschäfts ergibt, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis gehört, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert sein sollen, besteht ihm gegenüber bei schuldhafter Pflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht (st. Rspr.; vgl. z. B. BGHZ 106, 323 [331]).

Die unfallaufnehmenden Polizeibeamten sind im Streitfall ordnungsbehördlich im Rahmen des Polizeigesetzes NW tätig geworden. Nach § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes obliegt der Polizei dabei auch der Schutz privater Rechte, wenn ohne die polizeiliche Hilfe die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Zwar besteht diese Verpflichtung zum Einschreiten nicht nur im Allgemeininteresse, sondern dient - zumindest auch - dem Schutz und dem Interesse des einzelnen (vgl. RGZ 172, 11 [15f.]; Papier, in: MK-BGB, 3. Aufl., § 839 Rdnr. 199; Kreft, in: RGRK, 12. Aufl., § 839 Rdnr. 292 in. w. Nachw).

Eine solche Gefahr der Vereitelung oder Erschwerung privater Rechte bestand im Streitfall aber gerade nicht. Unstreitig hätte die unfallbeteiligte Ehefrau, des Klägers als im damaligen Zeitpunkt verantwortliche Kfz-Führerin des klägerischen Fahrzeuges die Voraussetzungen für die spätere Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen den anderen Unfallbeteiligten unschwer selbst und ohne polizeiliche Hilfe dadurch schaffen können, dass sie das Fahrzeugkennzeichen des anderen Unfallfahrzeuges notierte. Insofern liegt der zu beurteilende Sachverhalt entscheidend anders als der dem Beschluss des OLG Celle (NVZ 1997; 354) zugrunde liegende Fall. Dort war der Fahrer des PKW des Antragstellers infolge der beim dem Unfall erlittenen schweren Verletzungen gar nicht in der Lage, selbst Feststellungen zum Unfallgeschehen und den dabei Beteiligten zu treffen.

Eine drittschützende Amtspflicht kann auch nicht wegen der vom Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen getroffenen Regelungen unter Nr. 3.10.1 der Richtlinien über die Aufgaben der Polizei bei Straßenverkehrsunfällen angenommen werden. Soweit darin auch bei Bagatellunfällen ohne Personenschaden, wie er im Streitfall vorlag, das Ausfüllen eines Vordrucks "Unfallmeldung" und dessen Aushändigung an die Beteiligten vorgeschrieben wird, führt diese innerdienstliche Weisung, wie sich aus den Richtlinien selbst ergibt, nicht zu einer Ausweitung der sich aus § 1 Abs. 2 PolG NW ergebenden Pflichten. Nach Auffassung des Senats handelt es sich dabei vielmehr nur um eine im Rahmen der Bestrebungen. Bürgernähe und Servicefunktion des öffentlichen Dienstes zu verbessern, erlassene Weisung, deren Nichtbeachtung deswegen aber gerade nicht zu einer Verletzung geschützter Rechtspositionen des Bürgers führt.

2.

Nach den vorstehenden Darlegungen scheitert ein Anspruch des Klägers aus § 67 PolG NW i.V.m. § 39 Abs. 1 lit. b OBG NW daran, dass sich das Unterlassen der Polizeibeamten im Streitfall, an der maßgeblichen Vorschrift des § 1, Abs. 2 POLG gemessen, als nicht rechtswidrig darstellt.

3.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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