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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.02.2006
Aktenzeichen: 11 U 29/05
Rechtsgebiete: SGB VII, BGB, GG, PCB/PCT-Abfallverordnung vom 26.06.2000, ZPO


Vorschriften:

SGB VII § 108 Abs. 2
BGB § 31
BGB § 89
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 831
BGB § 839
GG Art. 34
PCB/PCT-Abfallverordnung vom 26.06.2000 § 2
ZPO § 529
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 17. November 2004 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hagen wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

A.

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld im Zusammenhang mit einem beim Kläger während seines Besuches der H Grundschule in M aufgetretenen Gehirntumors, der nach Behauptung des Klägers auf eine PCB-Belastung des Gebäudes zurückzuführen sei.

Zum erstinstanzlichen Sach- und Streitstand wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 12.04.2000 zu zahlen;

2.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen und zukünftigen immateriellen Schäden zu bezahlen, welche daraus entstanden sind, dass die Beklagte in der Zeit von 1991 bis 1997 nichts gegen die in den Räumlichkeiten der H Schule bestehende Gesundheitsgefährdung insbesondere durch polychloriertes Biphenyl unternommen hat, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung und Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Frage der Kausalität die Klage durch das angefochtene Urteil abgewiesen, weil eine Amtspflichtverletzung der Beamten der Beklagten nicht feststellbar sei. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge gegen die Beklagte weiterverfolgt.

Nach Auffassung des Klägers sei zur Frage der Kausalität entgegen der Annahme des Landgerichts davon auszugehen, dass seine Tumorerkrankung durch die PCB-Belastungen, denen er während seines Schulbesuches ab dem Schuljahr 1991/1992 bis zum Schuljahr 1996/1997 ausgesetzt war, hervorgerufen worden sei. Es sei nicht haltbar, dass sich das Landgericht über die Feststellungen des Sachverständigen hinweggesetzt habe. Mit der von dem Sachverständigen angenommenen Quote von 95 % habe er den ausreichenden Nachweis für eine Verursachung erbracht. Die Frage, ob die Tumorerkrankung auch ungeachtet des genauen Entstehungsmechanismusses von Gehirntumoren bei Kindern auf die PCB-Belastung zurückzuführen sei, sei mit den von dem Sachverständigen bewerteten Umständen des Falles in seinem Sinne beantwortet worden. Bei Annahme eines 5- bis 6jährigen Expositionszeitraumes sei die von dem Sachverständigen gezogene Schlussfolgerung unter Berücksichtigung der ausgewerteten Einzelumstände und seiner Krankengeschichte, die keine Anhaltspunkte für eine anderweitige Verursachung der Erkrankung ergeben habe, gerechtfertigt.

Zumindest sei das Landgericht gehalten gewesen, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen, soweit es die Angaben des Sachverständigen zur Überzeugungsbildung als nicht ausreichend angesehen habe.

Im Hinblick auf die Amtspflichtverletzung habe die Beklagte seiner Auffassung nach nur unzureichend auf das Schreiben des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 19.07.1988 (Bl. 33 d.A.) reagiert. Auch wenn ein sofortiger Austausch der PCB-haltigen Kondensatoren der Leuchtstoffröhren auf der Grundlage dieses Schreibens nicht erforderlich gewesen sei, sei die Beklagte aber verpflichtet gewesen zu überprüfen, ob sich in der Schule undicht gewordene PCB-haltige Kondensatoren befinden. Die Beklagte sei insoweit gehalten gewesen, eine spezielle Überprüfung aus diesem Anlass durchzuführen, die aber nicht erfolgt sei. Sie könne sich in diesem Zusammenhang nicht auf die bereits im Jahre 1986 und damit vor dem Schreiben des Ministeriums durchgeführte Überprüfung der elektrischen Anlage berufen, da diese eine spezielle Untersuchung nicht umfasst habe. Es sei nicht erkennbar, dass hierbei eine Überprüfung der Kondensatoren stattgefunden habe. Eine spezielle Überprüfung habe die Beklagte nach den Angaben des Schulleiters I als Zeuge erst im Jahre 1998 und damit zu spät in Auftrag gegeben.

Außerdem habe die Beklagte seiner Auffassung nach auch nicht in der erforderlichen Weise auf die Veröffentlichung der ÖTV im Frühjahr 1990 reagiert. Der veröffentlichte Artikel hätte der Beklagten ebenfalls Anlass geben müssen, die Leuchtstoffröhren der Schule auf undichte PCB-haltige Kondensatoren zu untersuchen. In diesem Zusammenhang habe das Landgericht ihn verfahrensfehlerhaft nicht darauf hingewiesen, dass sein Sachvortrag zu der Frage, wann welcher Mitarbeiter der Beklagten von diesem Artikel Kenntnis erlangt habe, bisher unzureichend sei. Sein erstinstanzliches Vorbringen zu dieser Frage sei von der Beklagten nicht bestritten worden und sie habe nicht geltend gemacht, dass ihr der Inhalt des Artikels unbekannt geblieben sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

1.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 12.04.2000 zu zahlen;

2.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen und zukünftigen immateriellen Schäden zu bezahlen, welche daraus resultieren, dass er im Rahmen seines Schulbesuchs in der H Grundschule und zwar im Zeitraum vom Schuljahr 1991/1992 bis zum Schuljahr 1996/1997 aufgrund von PCB-belasteten Räumlichkeiten dieser Grundschule an einem Gehirntumor erkrankt ist, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Im Hinblick auf die nach Auffassung des Klägers gebotenen Untersuchungsmaßnahmen sei es nach Ansicht der Beklagten zur Annahme einer ursächlichen Amtspflichtverletzung zumindest erforderlich, dass festgestellt werden könne, dass in der Schule undichte oder zerstörte Kondensatoren vorhanden gewesen seien und auf ihrer Seite hierüber Kenntnis geherrscht habe. Das Landgericht habe hierzu zu Recht festgestellt, dass bei den Untersuchungen in den Jahre 1986 und 1990 undichte Kondensatoren nicht festgestellt worden seien. Im Übrigen habe sich der Kläger mit seinem Berufungsvorbringen in Widerspruch zu seinem erstinstanzlichen Sachvortrag gesetzt, wonach sich bei den durchgeführten Untersuchungen die Schadhaftigkeit der Kondensatoren ergeben habe. Das Landgericht habe mit Bindungswirkung für die Berufungsinstanz festgestellt, dass sich aus den Angaben des Zeugen S ergebe, dass eine Überprüfung der Kondensatoren auch ohne einen speziell darauf gerichteten Auftrag erfolgt und diese Überprüfung negativ verlaufen sei. Da es im Übrigen nicht erkennbar sei, dass bei einer weiteren Überprüfung im Jahre 1988 schadhafte Kondensatoren hätten festgestellt werden können, weil die in den Jahren 1986 und 1990 durchgeführten Untersuchungen insoweit negativ verlaufen seien, sei eine evtl. Unterlassung einer speziellen Untersuchung im Jahre 1988 nicht schadensursächlich.

Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der ÖTV habe nach Auffassung der Beklagten eine Überprüfungspflicht ohnehin nicht bestanden.

Zur Frage der Kausalität sei das medizinische Sachverständigengutachten nicht geeignet, den Nachweis einer Verursachung der Tumorerkrankung des Klägers zu führen.

B.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende Beurteilung in der Sache.

I.

Der Senat hatte keine Veranlassung, den Rechtsstreit gem. § 108 Abs. 2 SGB VII auszusetzen, nachdem der Kläger seine auf Ersatzleistungen wegen eines Arbeits/Schulunfalls vor dem Sozialgericht Dortmund erhobene Klage S 21 U 131/04 Sozialgericht Dortmund nach Mitteilung des Sozialgerichts vom 4.1.2006 zurückgenommen hat.

II.

Die Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil die Beklagte dem Kläger schon dem Grunde nach nicht zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verpflichtet ist. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme kann der Beklagten als Schulträgerin ein einzig in Betracht kommendes mögliches pflichtwidriges Verhalten, im Zusammenhang mit drohenden Gesundheitsschäden durch PCB-Belastungen untätig geblieben zu sein, nicht angelastet werden.

1.

In diesem Zusammenhang bedarf es keiner vertieften Auseinandersetzung mit der Frage, ob die von dem Kläger behaupteten Versäumnisse der Mitarbeiter der Beklagten bei der Abwehr von gesundheitsgefährdenden Beeinträchtigungen zu einer Haftung der Beklagten wegen amtspflichtwidriger Unterlassung gebotener hoheitlicher Maßnahmen gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG führen können oder ob sich in diesem Fall eine Haftung der Beklagten wegen einer Verletzung ihrer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht gem. §§ 823 Abs. 1, 31, 89 BGB oder gem. § 831 BGB ergeben kann.

Der Senat neigt zu der Annahme, dass sich die Haftung in den Fällen, in denen es um die Frage der Abwehr von Gesundheitsgefahren aufgrund des Zustandes eines Schulgebäudes geht, auf der Grundlage einer Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht ergeben kann. Diese Frage brauchte für die Entscheidung des Rechtsstreits jedoch nicht abschließend geklärt zu werden, weil der Beklagten ein pflichtwidriges Verhalten ihrer Mitarbeiter weder im Hinblick auf mögliche hoheitliche Amtspflichten noch im Hinblick auf privatrechtliche Verkehrssicherungspflichten vorzuwerfen ist.

2.

Nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme ist es entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht erkennbar, dass sich Mitarbeiter der Beklagten im Hinblick auf drohende Gesundheitsgefährdungen durch den Zustand des Schulgebäudes und daraufhin gebotene, aber unterlassene Maßnahmen zur Abwehr von Gesundheitsgefahren pflichtwidrig verhalten haben.

Eine pflichtwidrige Unterlassung von gebotenen Maßnahmen kann der Beklagten nur dann angelastet werden, wenn ihre Mitarbeiter Anlass hatten, der Frage von PCB-Belastungen in der H Grundschule nachzugehen und sie im Hinblick darauf nicht in der erforderlichen Weise tätig geworden sind. Es lassen sich keine tragfähigen Feststellungen dazu treffen, dass auf Seiten der Beklagten im Hinblick auf die Abwehr von Gesundheitsgefahren seit der Errichtung des Schulgebäudes in den Jahren 1966 bis 1968 bis zum Zeitpunkt der Erkrankung des Klägers im Februar 1997 objektiv gebotene Maßnahmen versäumt worden sind.

Unabhängig von den bisher nicht ausreichend geklärten Fragen zur Kausalität eines möglichen amtspflichtwidrigen Verhaltens für die im Februar 1997 diagnostizierte Tumorerkrankung des Klägers bestand für die Beklagte kein feststellbarer objektiver Anlass, der Frage von PCB-Belastungen in der H Grundschule durch frühere oder weitergehendere, als den von ihr durchgeführten Maßnahmen nachzugehen.

a)

Für den Zeitraum ab Errichtung des Schulgebäudes in den Jahren 1966 bis 1968 bis Sommer 1996 ergab sich für die Beklagte nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme kein Anlass zu besonderen Überprüfungen oder sonstigen Maßnahmen aufgrund einer Gesundheitsgefährdung durch Einsatz PCB-haltiger Materialien in dem Schulgebäude.

aa)

Eine Pflichtverletzung der Beklagten ergibt sich zunächst nicht im Zusammenhang mit der Errichtung des Schulgebäudes in den Jahren 1966 bis 1968 bzw. dessen Übernahme durch die Beklagte.

Eine Verwendung von PCB-haltigen Materialien zum damaligen Zeitpunkt stellt sich nicht als ein gegenüber dem Kläger pflichtwidriges Verhalten dar, weil die Ausstattung der Schule nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten den damaligen Richtlinien entsprochen hat. Eine Entsorgungspflicht für PCB-haltige Materialien ergab sich erst aufgrund der Bestimmung des § 2 der PCB/PCT-Abfallverordnung vom 26.06.2000 (BGBl I, S. 1360). Nach dem Rechtsstand vom 26.06.2000 durften noch vor dem 01.04.1992 verwendete Erzeugnisse weiterverwendet werden. Damit kann die Verwendung von PCB-haltigen Baustoffen und Beleuchtungskörpern bei der Errichtung des Schulgebäudes nicht als pflichtwidrig angesehen werden. Der Kläger wirft der Beklagten insoweit auch kein pflichtwidriges Verhalten vor.

bb)

Im Hinblick auf die nach den erstinstanzlichen Behauptungen des Klägers bereits in den 1980er Jahren bei Schülern und Bediensteten der H Grundschule aufgetretenen Gesundheitsbeschwerden, von denen Mitarbeiter der Beklagten bereits seit dem Jahre 1985 Kenntnis gehabt hätten, ergibt sich ebenfalls kein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten.

Nach den aufgrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen des Landgerichts sind gesundheitliche Beschwerden von Schülern und Lehrern der H Grundschule den Mitarbeitern der Beklagten erst in den Jahren 1996 bzw. 1997 zur Kenntnis gebracht worden. An diese Feststellungen ist der Senat gem. § 529 ZPO gebunden. Anhaltspunkte, aus denen sich Zweifel an dieser Feststellung ergeben könnten, hat der Kläger mit seiner Berufungsbegründung nicht vorgetragen. Derartige Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus anderen Umständen. Ergänzend wird insoweit auf die ausführlichen Erörterungen im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25. November 2005 Bezug genommen. Ein amtspflichtwidriges Verhalten der Beklagten oder eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten auf Seiten der Beklagten als Schulträger lässt sich mangels an Mitarbeiter der Beklagten herangetragener Hinweise für eine Gesundheitsgefährdung aufgrund geäußerter Beschwerden von Schülern und Lehrern für diesen Zeitraum nicht feststellen. Der Kläger stützt seine Entschädigungsansprüche in der Berufungsinstanz auch nicht mehr auf diese Behauptungen.

cc)

Gleiches gilt im Hinblick auf die im Anschluss an dieses Vorbringen geknüpfte erstinstanzliche Behauptung des Klägers, wonach in den Folgejahren ab 1985 die einzige Sekretärin der Schule an einem Gehirntumor erkrankt sei und der Schulträger hierüber verständigt worden sei und nichts unternommen habe. Der Kläger ist auf dieses Vorbringen in der Berufungsinstanz nicht mehr zurückgekommen. Im Übrigen lässt sich ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten hieran nicht anknüpfen. Sein erstinstanzliches Vorbringen war in diesem Zusammenhang unsubstantiiert. Der Kläger hat nicht vorgetragen, welcher Mitarbeiter der Beklagten durch wen und zu welchem Zeitpunkt hierüber informiert worden ist.

Nach Auffassung des Senats besteht aufgrund einer einzelnen Erkrankung einer Mitarbeiterin der Schule und ohne andere, vor diesem Ereignis liegende Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefährdung durch PCB-haltige Materialien auch kein Anlass, gezielte Untersuchungen im Hinblick auf eine PCB-Belastung durchzuführen.

dd)

Entgegen der mit der Berufung vertretenen Auffassung des Klägers lassen sich auch im Hinblick auf den Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 19.07.1988 (Bl. 33 d.A.) keine pflichtwidrigen Versäumnisse der Beklagten feststellen.

Der Ministerialerlass enthält Warnhinweise darauf, dass sich PCB in Kondensatoren in Lampengehäusen bei Bränden freisetzen, dabei toxische Dioxine und Furane freisetzen kann und darüber hinaus eine Aufnahme von PCB über die Atemwege oder die Haut möglich sei, wenn PCB-haltige Kondensatoren undicht oder zerstört werden. Ansonsten gehe nach dem Inhalt des Ministerialerlasses von den PCB-haltigen Kondensatoren allerdings keine Gesundheitsgefahr aus. Der Erlass sah eine Empfehlung vor, die Kondensatoren im Zuge von Ersatzbeschaffungen durch PCB-freie Kondensatoren auszutauschen. Sofortmaßnahmen sollten bei undichten, also tropfenden Kondensatoren erfolgen und auf diese Weise defekte Kondensatoren ausgewechselt werden.

(1)

Nach zutreffender Auffassung des Landgerichts war deshalb entgegen der Auffassung des Klägers ein genereller Austausch der Kondensatoren nicht veranlasst.

(2)

Eine pflichtwidrige Unterlassung durch einen unterbliebenen Austausch von Kondensatoren im Wege von Ersatzbeschaffungen entsprechend dem Inhalt des Ministerialerlasses wirft der Kläger der Beklagten nicht vor. Ein pflichtwidriger Austausch von Kondensatoren im Wege von Ersatzbeschaffungen erscheint im Übrigen auch kaum denkbar, weil zu diesem Zeitpunkt bereits keine PCB-haltigen Kondensatoren mehr hergestellt worden waren.

(3)

Entgegen der Auffassung des Klägers hatte die Beklagte aufgrund des Ministerialerlasses auch keinen Anlass, eine spezielle Untersuchung auf PCB-haltige und defekte Leuchtstoffröhrenkondensatoren einzuleiten.

Nach dem Inhalt des Ministerialerlasses hatte die Beklagte dafür Sorge zu tragen, dass ein Austausch defekter Kondensatoren erfolgte, wenn sich Undichtigkeiten der verwendeten Kondensatoren durch den Austritt von Flüssigkeit zeigten.

Der Kläger hat lediglich in erster Instanz behauptet, dass derartige Undichtigkeiten an den in der H Grundschule verwendeten Kondensatoren nachfolgend aufgetreten sind, während er mit seiner Berufungsbegründung an ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten durch eine unterlassene und nach seiner Auffassung gebotene besondere Überprüfung anknüpft.

Anhaltspunkte dafür, dass in der H Grundschule undichte PCB-haltige Kondensatoren vorhanden waren, die einen Austausch gegen PCB-freie Kondensatoren erfordert hätten, haben sich nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme für die Beklagte nicht ergeben. Der Senat hat seiner Entscheidung auch insoweit die Feststellungen des Landgerichts gem. § 529 ZPO zugrunde zu legen. Es bestehen keine Anhaltspunkte, die Zweifel an der Tatsachenfeststellung des Landgerichts hervorrufen könnten. Das Landgericht ist den Bekundungen des Zeugen S gefolgt, wonach eine Überprüfung der Kondensatoren auch ohne ausdrückliche Auftragsvergabe stattgefunden habe, ein Austritt von Kondensatorenöl in den Prüfberichten vermerkt worden wäre und sich derartige Vermerke in den Prüfberichten für die H Grundschule sowohl für die im Jahre 1986 durchgeführte Untersuchung (Bl. 47 ff d.A.) als auch für die im Jahre 1990 durchgeführte Untersuchung (Bl. 135 ff d.A.) nicht finden würden. Dem ist der Kläger in der Berufungsinstanz nicht entgegengetreten.

Angesichts der im Jahre 1986 und im Jahre 1990 durchgeführten Überprüfungen der elektrischen Anlagen einschließlich der Kontrolle der Kondensatoren der Leuchtstoffröhren sind der Beklagten im Hinblick auf den Ministerialerlass vom 19.07.1988 auch keine Versäumnisse vorzuwerfen, weil ihre Mitarbeiter weitergehende, speziell auf die Feststellungen undichter Kondensatoren gerichtete Untersuchungen nicht durchgeführt hatten. Aus dem Ministerialerlass lässt sich entnehmen, dass undichte Kondensatoren im Zuge einer Sofortmaßnahme auszutauschen sind und im Übrigen einer Weiterverwendung von PCB-haltigen Kondensatoren bis zu einem Austausch im Wege der Ersatzbeschaffung nichts entgegensteht. Damit bestand für die Beklagte erst dann Handlungsbedarf, wenn sich durch den Austritt von braungefärbter Flüssigkeit aus den Kondensatoren in die Kunststoffabdeckung der Leuchtstoffröhren die Undichtigkeit der Kondensatoren zeigte und ohne, dass besondere, in diese Richtung gehende Untersuchungen veranlasst waren.

Selbst wenn mit der Auffassung des Klägers von den Mitarbeitern der Beklagten aufgrund des Ministerialerlasses spezielle Untersuchungen zu fordern gewesen wären, lässt sich aufgrund des dargestellten Beweisergebnisses und mangels einer in diese Richtung gehenden anderweitigen Behauptung des Klägers nicht feststellen, dass eine eigens auf das Vorhandensein defekter Kondensatoren gerichtete Untersuchung dazu geführt hätte, dass in der H Grundschule zu diesem Zeitpunkt undichte Leuchtstoffröhrenkondensatoren festgestellt worden wären, welche dann hätten ausgetauscht werden müssen und dies zu einer Vermeidung oder Verringerung von gesundheitsgefährdenden PCB-Belastungen geführt hätte. Aus diesem Grunde lässt sich zumindest auch eine Ursächlichkeit der seitens des Klägers der Beklagten vorgeworfenen Versäumnisse für die später aufgetretene Erkrankung des Klägers nicht feststellen.

ee)

Pflichtwidrige Unterlassungen auf Seiten der Beklagten ergeben sich auch nicht im Zusammenhang mit dem im Frühjahr 1990 veröffentlichten Artikel der Gewerkschaft ÖTV. Vor dem Hintergrund des Ministerialerlasses vom 19.07.1988 stellten die in dem Artikel der ÖTV enthaltenen allgemeinen Hinweise auf Gesundheitsgefahren und das Vorhandensein von PCB-haltigen Kondensatoren in den Lüdenscheider Schulen keine neuen Erkenntnisse dar. Gleiches gilt für die von der ÖTV geäußerte Forderung nach einer Auswechslung der alten Leuchtkörper, die in dem Artikel der ÖTV mit den bereits in dem Ministerialerlass im Falle einer Undichtigkeit der Kondensatoren verbundenen Gefahren begründet wurde. Für die Beklagte bestand aufgrund dieser Veröffentlichung kein Anlass zu weitergehenden, über den sich aus dem Inhalt des Ministerialerlasses ergebenden hinausgehenden Maßnahmen ohne zusätzliche Verdachtsmomente, für die nichts ersichtlich ist.

Im Übrigen hat der Kläger auch in diesem Zusammenhang nicht behauptet, dass in diesem Zeitpunkt nach Veröffentlichung des ÖTV-Artikels eingeleitete Untersuchungsmaßnahmen dazu geführt hätten, dass defekte PCB-haltige Kondensatoren vorgefunden und anschließend ausgetauscht worden wären. Damit bleibt es auch insoweit für die vom Kläger geforderten besonderen Untersuchungen auf PCB-haltige Kondensatoren und den in dem ÖTV-Artikel geforderten generellen Austausch von PCB-haltigen Kondensatoren offen, ob eine mögliche PCB-Belastung der Raumluft in der H Grundschule ab dem Jahre 1990 gesenkt worden wäre und in diesem Fall die Erkrankung des Klägers vermieden worden wäre.

ff)

Der Kläger hat seine weitere Behauptung, wonach Mitarbeiter der Beklagten seit Frühjahr 1990 "bis in die Chefetage" von massiven Gesundheitsgefährdungen in der H Grundschule gewusst hätten (Bl. 82 d.A.) weder durch näheren Tatsachenvortrag substantiiert untermauert, noch in der erforderlichen Weise unter Beweis gestellt. Er hat dieses Vorbringen mit der Berufungsinstanz auch nicht mehr aufgegriffen.

gg)

Ebenso hat der Kläger auch den mit seinem erstinstanzlichen Vorbringen beschriebenen Vorfall in der M Grundschule im Juni 1991 nicht mehr zum Gegenstand seiner Berufungsangriffe gemacht.

Eine pflichtwidrige Unterlassung von weitergehenden Maßnahmen im Hinblick auf die Feststellung und Beseitigung von PCB-Belastungen in der H Grundschule kann der Beklagten auch in diesem Zusammenhang nicht zur Last gelegt werden. Nachdem durch das Schulverwaltungsamt sämtliche Kondensatoren der Lampen der M Grundschule ausgetauscht wurden, nachdem der Austritt von PCB-haltiger klebriger Flüssigkeit festgestellt worden war, bestand für die Beklagte im Hinblick auf die H Grundschule jedoch ohne konkrete Anhaltspunkte für das Vorhandensein defekter Kondensatoren kein Anlass zu besonderen Maßnahmen. Die Beklagte konnte nach dem Inhalt des Ministerialerlasses vom 19.07.1988 davon ausgehen, dass eine gefahrlose Weiterverwendung von PCB-haltigen Kondensatoren möglich war, sofern diese nicht defekt waren.

Weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus sonstigen Umständen lässt sich entnehmen, dass sich für die Beklagte im Juni 1991 Anhaltspunkte für defekte Kondensatoren an der H Grundschule ergaben. Schließlich ist es auch in diesem Zusammenhang nicht feststellbar, dass im Zuge eines Austausches sämtlicher Kondensatoren der Leuchtstoffröhren auch möglicherweise vorhandene defekte Kondensatoren ausgetauscht worden wären und dies zu einer Reduzierung einer vorhandenen PCB-Belastung geführt hätte.

b)

Ein pflichtwidriges Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme ab Sommer 1996 an sie herangetragenen Gesundheitsbeschwerden von Schülern und Bediensteten der H Grundschule.

Der Kläger hat konkrete Versäumnisse der Beklagten im Zusammenhang mit den sich aus den Zeugenvernehmungen und aus der von dem Zeugen I zu den Akten gereichten Aufstellung (Bl. 75 ff d.A.) ergebenden Geschehensabläufe ab Frühjahr/Sommer 1996 nicht behauptet. Der Senat hat im Rahmen der Erörterungen im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass der zeitliche Ablauf der auf die ab Frühjahr/Sommer 1996 geäußerten und der Beklagten bekannt gemachten Gesundheitsbeschwerden ergriffenen Maßnahmen nicht ohne weiteres darauf schließen lasse, dass Mitarbeitern der Beklagten insoweit Versäumnisse vorzuwerfen sind.

Angesichts der durch die Aufstellung des Schulleiters und durch den übrigen Akteninhalt dokumentierten, in der Folgezeit durchgeführten Untersuchungsmaßnahmen lässt sich ohne nähere Darlegungen des Klägers nicht erkennen, aufgrund welcher im einzelnen gewonnener Erkenntnisse zu welchem Zeitpunkt Anlass zu intensiveren Untersuchungs- und Sanierungsmaßnahmen bestanden haben könnte, die in dem begrenzten Zeitraum zwischen Frühjahr/Sommer 1996 bis zur Erkrankung des Klägers im Februar 1997 zu einer Verringerung von PCB-Belastungen in der Grundschule hätten führen können.

Grundsätzlich haben die Mitarbeiter der Beklagten, die im Hinblick auf die geäußerten Gesundheitsbeschwerden auf sachverständige Hilfe angewiesen waren, durch die Einschaltung des Gesundheitsamtes des Kreises zutreffend reagiert. Mögliche Versäumnisse bei der Auswahl der Messverfahren und ihre Zielrichtung im Hinblick auf unterschiedliche Schadstoffe und Schadstoffquellen bis zum Zeitpunkt der Erkrankung des Klägers im Februar 1997 lassen ein pflichtwidriges Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten nicht erkennen.

Zu den Geschehnissen ab Frühjahr/Sommer 1996 hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vortragen lassen, er könne nicht behaupten, dass sich Mitarbeiter der Beklagten pflichtwidrig verhalten hätten. Aus diesem Grunde lässt sich ein amtspflichtwidriges Verhalten von Mitarbeitern der Beklagten oder ein Verstoß gegen unter dem Gesichtspunkt von Verkehrssicherungspflichten gebotene Maßnahmen auch für diesen Zeitraum, in dem die Beklagte nachweislich erstmals von beachtlichen Gesundheitsbeschwerden von Schülern und Bediensteten der H Grundschule Kenntnis hatte, nicht feststellen.

Damit scheitert das Klagebegehren des Klägers bereits an der fehlenden Feststellbarkeit einer Pflichtverletzung auf Seiten der Beklagten. Auf die weiteren in diesem Rechtsstreit problematisierten Frage, ob die Anfang des Jahres 1997 festgestellten PCB-Belastungen ab Sommer 1996 für die im Februar 1997 beim Kläger diagnostizierte Tumorerkrankung ursächlich waren und ob und in welchem Maße PCB-Belastungen in den Räumen der H Grundschule bereits in der vorangegangenen Zeit vorhanden waren und die Tumorerkrankung des Klägers hierauf zurückzuführen ist, kam es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen richten sich nach §§ 708 Nr. 10, 711, 543 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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