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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 24.04.2009
Aktenzeichen: 11 U 55/08
Rechtsgebiete: ZPO, BNotO, BeurkG, GmbHG, AktG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 287 Abs. 1
ZPO § 540
BNotO § 19 Abs. 1 Satz 1
BNotO § 19 Abs. 1 Satz 2
BNotO § 23
BNotO § 24
BNotO § 24 Abs. 1
BeurkG § 17 Abs. 1
GmbHG § 15 Abs. 3
GmbHG § 15 Abs. 4
AktG § 242
BGB § 133
BGB § 139
BGB § 157
BGB § 280 Abs. 2
BGB § 675
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das 13.02.2008 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hagen wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen bleibt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 1.) zu 89 % und der Kläger zu 2.) zu 11 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils gegen sie jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung seinerseits Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger verlangen von dem beklagten Notar Schadensersatz wegen der Aufwendungen, die ihnen infolge des Abschlusses einer wiederholenden Verkaufs- und Abtretungsvereinbarung über dessen Geschäftsanteil an der Firma N + S GmbH mit dem früheren Mitgesellschafter Y am 10.10.2006 entstanden sind. Sie werfen dem Beklagten vor, bei seinen Beurkundungen über Anteilsverkäufe und Kapitalerhöhungen am 26.08.1998, 16.08.2001 und 28.08.2002 nicht für eine hinreichende Bestimmtheit der auf die einzelnen Mitgesellschafter jeweils entfallenden Geschäftsanteile gesorgt zu haben.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird gemäß § 540 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil es nach seiner Auffassung bereits an einer Amtspflichtverletzung des Beklagten fehle. Zwar seien die vom Beklagten in den beurkundeten Verträgen verwendeten Begriffe auslegungsbedürftig, jedoch die Grenze zur Pflichtverletzung nicht überschritten. Die Auslegung des Anteilsverkauf- und Abtretungsvertrages vom 28.08.2002 in Verbindung mit dem Gesellschafterbeschluss vom gleichen Tage ergebe den Willen der Gesellschafter, die von Y gehaltenen Geschäftsanteile vor der Veräußerung zu einem Anteil zusammenzufassen und sodann in die beiden an die Kläger zu veräußernden Anteile aufzuteilen. Die Veräußerung sei daher wirksam erfolgt, ohne dass Unsicherheiten über das gewollte Ergebnis bestünden.

Mit ihrer Berufung vertiefen die Kläger unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages ihre Auffassung, dass die vom Beklagten errichteten Urkunden eine unklare Rechtslage geschaffen hätten, weil die vom Landgericht vorgenommene Auslegung nicht eindeutig sei. Dadurch sei zumindest Unsicherheit über die Wirksamkeit des Verkaufs- und Übertragungsvertrages vom 28.08.2002 entstanden, wie die Ausführungen des Gutachters Dr. T und des Bevollmächtigten Dr. u des früheren Gesellschafters Y zeigten. Hierdurch sei die weitere Vereinbarung vom 10.10.2006 mit Y herausgefordert worden, mit der die aufgekommenen Streitigkeiten beilegt worden seien. Eine andere zumutbare Möglichkeit zur Lösung des aufgekommenen Konflikts habe nach ihrer Behauptung nicht bestanden.

Die Kläger beantragen,

das am 13.02.2008 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hagen abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,

1. an den Kläger zu 1.) 782.760,35 € und

2. an den Kläger zu 2.) 98.478,73 €,

jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen und wiederholt und vertieft seine Auffassungen, dass auch im Falle etwaiger unwirksamer Kapitalerhöhungsbeschlüsse eine Heilung des Mangels eingetreten sei, ferner durch den Abschluss der Vereinbarung vom 10.10.2006 mit Y der Kausalzusammenhang unterbrochen sei, weil den Klägern andere Möglichkeiten zur Lösung des Konflikts mit Y, die den streitgegenständlichen Schaden nicht verursacht hätten, zur Verfügung gestanden hätten. Schließlich beruft sich der Beklagte auf die Subsidiarität seiner Haftung gegenüber dem von den Klägern nach seiner Behauptung im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit Y im Juli 2002 eingeschalteten Rechtsanwalt Dr. u2. Darüber hinaus könnten die Kläger auch gegen Y selbst vorgehen.

Der Senat hat die Parteien angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen Dr. u2. Wegen der Ergebnisse der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 18.03.2009, wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Den Klägern steht jedenfalls derzeit kein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO, der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, zu.

Zwar fällt dem Beklagten - entgegen der Auffassung des Landgerichts - eine schuldhafte Amtspflichtverletzung zur Last, durch welche der streitgegenständliche Schaden verursacht wurde (dazu 1.). Der Inanspruchnahme des Beklagten steht jedoch die Vorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO entgegen, weil sich nach dem Ergebnis der Erörterungen im Senatstermin und der durchgeführten Beweisaufnahme nicht feststellen lässt, dass die Kläger nicht in anderer Weise Ersatz des Schadens erlangen können (dazu 2.).

1.

a) Der Beklagte hat bei seinen Beurkundungen vom 16.08.2001 und 28.08.2002 die ihm obliegenden Amtspflichten verletzt, indem er seinen Verpflichtungen aus § 17 Abs. 1 BeurkG nicht genügt hat. Nach dieser Vorschrift oblag ihm die Verpflichtung, den Willen der Beteiligten zu erforschen, den Sachverhalt zu klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts zu belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiederzugeben. Dabei hatte er darauf zu achten, dass Irrtümer und Zweifel vermieden sowie unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden.

Diesen Verpflichtungen hat der Beklagte nicht genügt, weil aufgrund der Abfassung der Urkunden vom 16.08.2001 und 28.08.2002 Zweifel darüber aufkommen konnten, wie viele Geschäftsanteile an der Fa. N + S GmbH von den jeweiligen Gesellschaftern gehalten wurden und ob die Übertragung des oder der von ihm gehaltenen Geschäftsanteile des Mitgesellschafters Y an die Kläger formwirksam erfolgt oder vielmehr infolge Verstoßes gegen die Bestimmung des § 15 Abs. 3 GmbHG nichtig war.

Insofern kann dahinstehen, ob dem Landgericht bei seiner Annahme gefolgt werden kann, dass die Bestimmungen der Verträge auslegungsbedürftig und -fähig sind und deshalb davon ausgegangen werden kann, dass jedenfalls am 28.08.2002 der Wille sämtlicher Mitgesellschafter dahinging, sämtlich etwa in der Hand eines Mitgesellschafters jeweils vorhandenen Anteile zunächst konkludent zu einem Anteil zu vereinigen. Denn eine Amtspflichtverletzung des Notars kann auch schon dann vorliegen, wenn der Notar den wahren Willen der Beteiligten in der Niederschrift nur so unvollkommen zum Ausdruck bringt, dass er missdeutet werden kann (vgl. Zugehör - Ganter, Handbuch der Notarhaftung, Rdn. 1314). Damit verletzt er zugleich auch seine Verpflichtung zur Wahl des sichersten Weges, nach welcher er unter mehreren Gestaltungsmöglichkeiten diejenige vorzuschlagen hat, mit denen das von den Beteiligten angestrebte Ergebnis am sichersten erreicht werden kann (vgl. Zugehör - Ganter, a.a.O., Rdn. 954). Diesen Verpflichtungen hat der Beklagte nicht genügt, wie bereits der weitere Geschehensablauf gezeigt hat. Im Zuge der Verhandlungen über die Übernahme der Geschäftsanteile an der Fa. N + S GmbH durch die Fa. SIMS entstand Unsicherheit darüber, ob der Verkauf und die Abtretung der Anteile durch Y wirksam war, oder ob Y seinerzeit mehrere Anteile hielt, welche durch die Urkunde vom 28.08.2002 nicht ausreichend erfasst worden waren, weshalb das schuldrechtliche Geschäft nichtig sein könnte. In gleicher Weise umstritten war die Frage, ob ein etwaiger Formmangel analog § 242 AktG geheilt wurde. Den Standpunkt der Nichtigkeit des Vertrags nahm insbesondere der mit der Begutachtung der Rechtslage beauftragte Notar Dr. T in seinem zu den Akten gereichten Gutachten vom 22.09.2006 ein. Auch Y ließ über seinen Rechtsanwalt Dr. u seinen Standpunkt mitteilen, dass er weiter Inhaber mehrerer Geschäftsanteile an der Fa. N + S GmbH sei, weshalb er erneut Forderungen gegen die Kläger erhob. Schließlich insoweit allerdings vom Beklagten bestritten war auch die Fa. Z2 nach vorheriger Durchführung einer Due-diligence-Prüfung des Unternehmens nicht bereit, angesichts der bestehenden Unklarheit über die Wirksamkeit des Geschäfts vom 28.08.2002 die Geschäftsanteile zu übernehmen, ohne dass zuvor die aufgekommenen Unklarheiten ausgeräumt wurden.

Diese Situation hätte der Beklagte verhindern können und müssen, indem er zumindest den Vertrag vom 28.08.2002 so gestaltet hätte, dass keine Zweifel über die Zahl und Höhe der jeweiligen Geschäftsanteile aufkommen konnte. Noch am 28.08.2002 hätte er den Beteiligten eine Beschlussfassung und Beurkundung empfehlen müssen, welche die später in den Urkunden des Notars U3 vom 10.10.2006 enthaltenen Klarstellungen bereits enthielt. Es hätte festgelegt werden müssen, dass zumindest die in der Hand Y seinerzeit befindlichen Geschäftsanteile zunächst zu einem Anteil zusammengefasst werden, bevor dieser Anteil sodann in zwei neue Anteile über 148.000,-- und 18.500,-- € aufgeteilt und an die Kläger veräußert werden würde.

Die Drittgerichtetheit der verletzten Amtspflicht zugunsten der Kläger als Urkundsbeteiligte und Erwerber der Anteile von Y sowie das fahrlässige Verschulden des Beklagten, der nach seinem Schreiben vom 14.09.2006 davon ausging, dass auf Seiten jedes Gesellschafters auch ohne vorherige Darstellung nur ein Geschäftsanteil bestand, ohne sich jemals mit dieser Problematik befasst zu haben, stehen außer Frage.

b) Die Amtspflichtverletzung des Beklagten hat den mit Klage geltend gemachten Schaden der Kläger kausal verursacht. Abgesehen davon, dass den Klägern bei der Feststellung des Ursachenzusammenhangs zur haftungsausfüllenden Kausalität die Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO wie die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens der Beteiligten zugute kommt, besteht ohnehin kein vernünftiger Zweifel daran, dass bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten weder an Y eine erneute Kaufpreiszahlung für seine Geschäftsanteile erfolgt wäre noch Kosten zur Beseitigung der entstandenen Unsicherheit entstanden wären.

So steht außer Frage, dass im August 2002, als Y nach Abschluss der mit ihm geführten Verhandlungen aus der Gesellschaft ausscheiden wollte, von allen Beteiligten eine Beschlussfassung und Vertragsgestaltung akzeptiert worden wäre, wonach zunächst alle etwaigen von Y gehaltenen Anteile in einem Anteil zusammengefasst worden wären, bevor dieser Anteil sodann in zwei Anteile über 148.000, und 18.500,-- € aufgeteilt und an die Kläger veräußert worden wäre.

Wäre dies geschehen, hätte im Jahre 2006 keine Unsicherheit über die Wirksamkeit der Anteilsveräußerung im Jahre 2002 aufkommen können. Es wäre nicht notwendig gewesen, erneut an Y heranzutreten. Weder die erneute Beschlussfassung der Gesellschafter nebst Beurkundung des Anteilsübertragungsvertrages vom 10.10.2006 noch eine weitere Zahlung an Y hätten erfolgen müssen.

Durch die letztlich erfolgte erneute Einigung mit Y und die Beurkundung vom 10.10.2006 wurde auch nicht der Kausalverlauf unterbrochen. Der Zurechnungszusammenhang wird durch eigene Handlungen eines Geschädigten nur dann unterbrochen, wenn dieser in ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden erst endgültig herbeiführt. Anders liegen die Dinge, wenn für die Handlung des Geschädigten ein rechtfertigender Anlass bestand, oder die Handlung durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert wurde und eine nicht ungewöhnliche Reaktion auf dieses Ereignis darstellt. Bei Beseitigung einer Unsicherheit, die durch das pflichtwidrige Verhalten des Notars erst geschaffen wurde, durch Abschluss eines Vergleichs kommt eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs nur ausnahmsweise in Betracht (vgl. BGH NJW 1993, S. 1139; NJW 1999, S. 1391; Zugehör, a.a.O., Rdn. 2218 f. m.w.N.).

Vorliegend bestand für die Kläger ein rechtfertigender Anlass, die Einigung vom 10.10.2006 mit Y herbeizuführen. Unabhängig von der - vom Beklagten bestrittenen - Forderung der Fa. Z2, eine Klarstellung herbeizuführen, um einen Abbruch der mit der Fa. Z2 geführten Verkaufsverhandlungen zu vermeiden, lag in der erneuten Beurkundung in jedem Fall eine wirtschaftlich vertretbare und daher angemessene Reaktion auf die aufgetretene Unsicherheit über die Wirksamkeit des Vertrages vom 28.08.2002. Die Einigung vom 10.10.2006 war geeignet, eine langwierige und kostspielige Auseinandersetzung mit Y zu vermeiden, deren Ausgang - wie die unterschiedlich vertretenen Rechtsauffassungen in dieser Sache zeigen - letztlich ungewiss war. Eine Erhöhung des am 28.08.2002 vereinbarten Kaufpreises um rund 40 % erscheint auch nach allen Umständen nicht unverhältnismäßig.

Darüber hinaus kann den Klägern auch nicht entgegengehalten werden, dass es der Zahlung eines weiteren Kaufpreises an Y im Jahre 2006 nicht bedurft hätte, weil dieser gemäß Ziffer 10. des notariellen Kauf- und Abtretungsvertrages vom 28.08.2002 verpflichtet gewesen sei, an einer Lösung der aufgetretenen Unsicherheit mitzuwirken, die der - möglicherweise - unwirksamen Übertragung seiner Anteile wirtschaftlich möglichst nahe kommt, was eine wiederholende Beurkundung ohne weitere Kaufpreiszahlung beinhalten müsse. Denn soweit ernsthaft zu erwägen war, dass das beurkundete Verpflichtungsgeschäft gemäß § 15 Abs. 4 GmbHG und die Abtretung der Anteile gemäß § 15 Abs. 3 GmbHG nichtig war, so würde diese Nichtigkeit auch die Verpflichtung der Kläger zur Zahlung des seinerzeit mit insgesamt 2.200.000,-- € bestimmten Kaufpreises und die salvatorische Klausel erfassen, die nicht isoliert von sämtlichen weiteren Bestimmungen des Vertrages allein Bestand haben könnte. Kaufvertrag und Abtretung bilden vielmehr die wesentlichen Bestandteile des Vertrages, die auch untrennbar mit der Kaufpreiszahlung als vereinbarter Gegenleistung Y verbunden sind, weshalb eine Zerlegung des Vertrages entgegen der Grundregel des § 139 BGB mit der Folge des Bestandes der Einigung über die Kaufpreiszahlung nebst salvatorischer Klausel in Ermangelung eines verbleibenden Rechtsgeschäfts nach Abtrennung der von der Nichtigkeit betroffenen Klauseln nicht möglich ist (vgl. BGH, DNotZ 2009, S. 214; Münchener Kommentar zum BGB - Busche, 4. Aufl., § 139 Rdn. 24).

Die Höhe des geltend gemachten Schadens ist zwischen den Parteien nicht streitig. Ein Erfolg versprechendes Vorgehen gegen Y haben die Kläger nicht in vorwerfbarer Weise versäumt.

2.

Die Inanspruchnahme des Beklagten scheiterte jedoch an dem Umstand, dass die Kläger nicht auszuräumen vermochten, dass ihnen eine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO zur Verfügung steht. Da das Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit negative Voraussetzung des geltend gemachten Schadensersatzanspruches ist, oblag die Darlegungs- und Beweislast den Klägern. Da sie nicht auszuschließen vermochten, dass sich aus demselben Tatsachenkreis, aus dem sich die Haftung des Beklagten ergeben kann, eine zumutbare anderweitige Ersatzmöglichkeit mit begründeter Erfolgsaussicht ergibt, war ihre Klage als derzeit unbegründet abzuweisen (vgl. Zugehör, a.a.O., Rdn. 2289 m.w.N.).

a) Die Haftungsbegrenzung des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO ist im vorliegenden Fall anwendbar. Dem Beklagten fällt hinsichtlich seiner Amtspflichtverletzung - wie ausgeführt - Fahrlässigkeit und nicht Vorsatz zur Last. Bei der streitgegenständlichen Beurkundung am 28.08.2008 handelte es sich ferner nicht um ein Amtsgeschäft des Beklagten im Sinne der §§ 23, 24 BNotO. Soweit er den Kauf- und Abtretungsvertrag vom 28.08.2002 vorbereitete und den Beteiligten zunächst einen Vertragsentwurf übersandte, handelt es sich um eine unselbständige Hilfstätigkeit im Rahmen der Beurkundung und nicht um eine selbständige Betreuungstätigkeit im Rahmen des § 24 Abs. 1 BNotO. Denn auch die vorbereitenden Tätigkeiten des Beklagten standen in einem engen inneren Zusammenhang mit dem Urkundsgeschäft und bereiteten dieses vor (vgl. Zugehör - Ganter, a.a.O., Rdn. 493, 2043 ff.). Dies folgte auch daraus, dass im Zeitpunkt der Beauftragung des Beklagten und bei Übersendung des Vertragsentwurfes an die Beteiligten zwischen den Klägern und Y bereits Einigkeit darüber bestand, dass Y aus der Fa. N + S GmbH als Gesellschafter ausscheiden sollte, um auf diese Weise die zwischen den Beteiligten aufgetretenen Streitigkeiten beilegen zu können. Die daher erforderliche Veräußerung und Abtretung der Geschäftsanteile musste aufgrund der Formvorschriften des § 15 Abs. 3 und 4 GmbH zwingend durch einen notariellen Vertrag erfolgen. Soweit zwischen den Beteiligten noch über einzelne weitere Punkte des abzuschließenden Vertrages verhandelt wurde und auch Änderungswünsche hinsichtlich des Vertragstextes an den Beklagten herangetragen wurden, fanden auch die weiteren Vertragsverhandlungen unmittelbar im Verhältnis zwischen den Klägern und Y statt. Dass es sich bei der Tätigkeit des Beklagten um einen einheitlichen Vorgang handelt, belegt schließlich auch der enge zeitliche Zusammenhang, in dem der am 03.07.2002 übersandte Vertragsentwurf nach weniger als 2 Monaten am 28.08.2002 zum Abschluss des notariellen Kauf- und Abtretungsvertrages führte.

b) Nach dem Vorbringen der Kläger und dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme vermag der Senat nicht auszuschließen, dass den Klägern hinsichtlich der streitgegenständlichen Schadenspositionen ein Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt Dr. u2 gemäß §§ 280 Abs. 2, 675 BGB zusteht.

Die Befragung der Parteien und die Beweisaufnahme hat ergeben, dass Rechtsanwalt Dr. u2 im Vorfeld der Beurkundung vom 28.08.2002 in die Auseinandersetzung mit dem damaligen Mitgesellschafter Y eingeschaltet war. Die Befragung des Zeugen Dr. u2 hat darüber hinaus ergeben, dass ihm der von dem Beklagten vorgelegte Vertragsentwurf am 10.07.2002 übersandt worden war und er nach diesem Zeitpunkt Telefonate mit Rechtsanwalt Dr. u, dem Bevollmächtigten Y, führte. Ferner leitete er Faxschreiben von Dr. u an den Kläger zu 1.) weiter und erhielt von diesem Vorgaben für die Vertragsgestaltung, welche er wiederum telefonisch an Dr. u weitergab.

Unter diesen Umständen ist nicht auszuschließen, sondern bestehen vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür, dass zwischen den Klägern und Rechtsanwalt Dr. u2 ein anwaltliches Mandat bestand, innerhalb dessen Rechtsanwalt Dr. u2 die Interessen der Kläger gegenüber Y bei der beabsichtigten Veräußerung der Geschäftsanteile an die Kläger zu vertreten und damit auch die Rechtswirksamkeit der in dem ihm übersandten Entwurf enthaltenen Vereinbarungen zu prüfen hatte.

Die Frage, wie weit ein anwaltliches Mandat reicht und welche Pflichten für den Anwalt aus dem übernommenen Mandat erwachsen, richtet sich nach den Vereinbarungen der Parteien, welche der Auslegung nach den §§ 133, 157 BGB zugänglich sind. Wenn auch im Regelfall davon auszugehen ist, dass ein Anwaltsmandat umfassend erteilt wird, so kann sich eine Beschränkung des Mandats auch aus der Eigenart des erteilten Auftrages unter den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ergeben. Dabei kann der Umfang eines beschränkt übernommenen Mandates dadurch erweitert werden, dass der Anwalt die mit dem ursprünglich erteilten Mandat unmittelbar zusammenhängenden rechtlichen und wirtschaftlichen Belange des Mandanten mit zu berücksichtigen hat (vgl. BGH NJW 1993, S. 2045; Zugehör/Fischer/Sieg/ Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rdn. 492 ff.; 499 ff.; Rinsche/ Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 7. Aufl., Rdn. 376 ff.; 385).

Nach dem Vorbringen der Kläger und der Aussage des Zeugen Dr. u2 spricht Einiges dafür und ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass sich das Dr. u2 erteilte Mandat bereits von Anfang an auch auf die Herbeiführung einer rechtswirksamen Auseinandersetzung mit dem Mitgesellschafter Y bezog. Ebenfalls ernsthaft in Betracht kommt zudem, dass sich ein zwar ursprünglich beschränkt erteiltes Mandat, welches anfänglich die Führung von Vertragsverhandlungen noch nicht beinhaltete, im Laufe der Zeit aufgrund stillschweigender Übereinstimmung der Kläger und des Rechtsanwalts Dr. u2 auch auf diesen weiteren Aufgabenbereich erweiterte.

Dabei ist dem Senat eine abschließende Beurteilung des Mandatsumfangs von vornherein dadurch erschwert worden, dass die Kläger nicht bereit waren, über die Inhalte des ursprünglich Dr. u2 erteilten Mandats nähere Auskunft zu geben, insbesondere den Inhalt der angeblich von Y erhobenen strafrechtlich relevanten Vorwürfe mitzuteilen und deren Hintergründe zu erläutern oder Einzelheiten der am 12.06. und 17.06.2002 geführten Gespräche von Dr. u2 mit den Bevollmächtigten Zinns mitzuteilen und insofern den Zeugen Dr. u2 seiner Schweigepflicht zu entbinden. Es erscheint aber bereits wenig überzeugend, wenn die Kläger vortragen und hiermit übereinstimmend der Zeuge Dr. u2 ausführt, dass sich sein Mandat allein auf die Überprüfung der strafrechtlichen Relevanz der von Y erhobenen Vorwürfe beschränkt haben soll. Hierzu wäre eine reine gutachterliche Tätigkeit erforderlich gewesen, während nach der - insofern ohne weiteres glaubhaften - Aussage des Zeugen Dr. u2, er selbst wie auch sein Sozius Feigen Gespräche mit den Rechtsanwälten Dr. Q und Dr. u als Bevollmächtigte Y führten. Diese Verfahrensweise macht vielmehr dann Sinn, wenn - wie vom Zeugen Dr. u2 letztlich auch eingeräumt wurde - von Anfang an Inhalt des ihm erteilten Mandats war, eine gütliche Einigung mit Y herbeizuführen. Eine solche Einigung setzte aber zwangsläufig die Rechtswirksamkeit ihrer Umsetzung voraus, da andernfalls der ursprünglich angestrebte Erfolg - das Unterbleiben einer Strafanzeige durch Y - nicht mit ausreichender Sicherheit würde erreicht werden können. Für eine derartige Auslegung des Mandatsumfangs spricht auch die Einlassung des Klägers zu 1.) bei seiner Befragung durch das Landgericht, wonach er nach Zuleitung eines Vertragsentwurfs die Angelegenheit mit Dr. u2 diskutiert und sodann entschieden habe, wie es im Einzelnen gemacht werden solle. Diese Einlassung spricht dafür, dass es dem Kläger zu 1.) darauf ankam, von Dr. u2 eine juristische Beratung zur Vorbereitung der von ihm - dem Kläger zu 1.) - zu treffenden Entscheidungen zu erhalten.

Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob bereits die Mandatserteilung die Herbeiführung einer rechtswirksamen Einigung mit Y umfasste. Denn auch bei Annahme eines ursprünglich auf die strafrechtlichen Belange beschränkten Mandates und unabhängig von der Frage, ob ein derartiges Mandat zunächst ausschließlich von der Fa. N + S GmbH erteilt worden war, sprechen die Umstände des Einzelfalles dafür, dass sich das Mandat von Dr. u2 jedenfalls ab dem 17.06.2006 erweiterte. Der Zeuge Dr. u2 hat insoweit anhand seiner Unterlagen nachvollziehbar rekonstruieren können, dass er an diesem Tage in C ein Gespräch mit Rechtsanwalt Dr. u der Kanzlei Y3 und Aulinger geführt hatte und nach schwierigen Verhandlungen schließlich die Übereinkunft erzielt wurde, eine gütliche Einigung herbeizuführen, indem Y ein Angebot für sein Ausscheiden aus der Fa. N + S GmbH vorgelegt werden sollte. Nachdem ihm sodann am 09.07.2007 durch Rechtsanwalt Dr. u der von dem Beklagten erstellte Vertragsentwurf, der die Übertragung des oder der Geschäftsanteile Y an die Kläger vorsah, zugesandt worden war und er diesen Vertragsentwurf an die Kläger weiterleitete, sodann die ihm vom Kläger zu 1.) übermittelten Änderungswünsche wiederum Dr. u mitteilte, bis schließlich sämtliche Vertragsmodalitäten abschließend ausgehandelt worden waren, spricht dies dafür, dass er jedenfalls bei der Verhandlungstätigkeit mit Dr. u ausschließlich oder zumindest auch im Interesse und Auftrag der Kläger verhandelte und konkludent den Auftrag zur Herbeiführung einer rechtswirksamen Einigung angenommen hatte. Soweit die Kläger und der Zeuge Dr. u2 demgegenüber dargestellt haben, dass er lediglich als "Sprachrohr" tätig gewesen sei, weil die Kläger die Verhandlungen über die Übernahme des oder der Geschäftsanteile selbst hätten führen wollen, was aber nicht möglich gewesen sei, weil weder Y noch Rechtsanwalt Dr. u mit ihnen - den Klägern - persönlich habe verhandeln wollen, überzeugt dies nicht auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nach der Darstellung des Zeugen Dr. u2 seine Kanzlei seinerzeit ausschließlich mit wirtschaftsstrafrechtlichen Beratungen befasst gewesen sei. Zwar kommt es für die Beurteilung des Pflichtenkreises des Zeugen Dr. H allein auf die Sichtweise der Kläger an und nicht etwa auf diejenige von Y und Rechtsanwalt Dr. u, aus deren Sicht Dr. u2 unzweifelhaft umfassend mit der Führung der Vertragsverhandlungen bevollmächtigt war. Aber abgesehen davon, dass es ungewöhnlich erscheint, einen Anwalt lediglich als Boten mit der Weitergabe und Entgegennahme von Erklärungen zu beauftragen, ohne seine anwaltlichen Fähigkeiten in Anspruch nehmen zu wollen, ihn jedoch auf der Basis der vereinbarten Stundensätze für seine unzweifelhafte ursprünglich ausgeübte anwaltliche Tätigkeit zu bezahlen, so musste den Klägern wie Dr. u2 im Zeitpunkt der Verhandlungen klar sein, dass die mit Y am 17.06.2002 erzielte Einigung lediglich eine vorläufige war, deren endgültiger Erfolg vom erfolgreichen Abschluss der Vertragsverhandlungen und der Herbeiführung einer rechtswirksamen Einigung abhing. Bei dem von dem Zeugen Dr. u2 bei seiner Vernehmung beschriebenen Verhalten durften und mussten die Kläger davon ausgehen, dass Dr. u2 auch ihre rechtlichen Interessen im Zusammenhang mit dem angestrebten Vertragsabschluss vertreten würde, soweit er nicht mit hinreichender Deutlichkeit ihnen gegenüber eine Verantwortlichkeit für den Inhalt und die Rechtswirksamkeit des Vertrages ablehnen würde. Derartige Klarstellungen sind jedoch weder von den Klägern noch von dem Zeugen Dr. u2 bei seiner Vernehmung dargestellt worden. Die Spezialisierung des Zeugen Dr. u2 auf den Bereich des Wirtschaftsstrafrechtes, auch wenn sie den Klägern bekannt war, reicht hierfür angesichts der bei jedem Rechtsanwalt vorauszusetzenden umfassenden juristischen Bildung nicht aus. Ebenso wenig ändert die im vorliegenden Rechtsstreit erklärte Überzeugung der Kläger, den Zeugen Dr. u2 nicht in Anspruch nehmen zu können, weil sie ihn nicht als für die Führung der Vertragsverhandlungen mandatiert ansehen, nichts an dieser Beurteilung, da die Ansicht der Kläger vom Rechtsirrtum beeinflusst ist und es allein auf die tatsächliche Würdigung der Vereinbarungen und des Verhaltens der Parteien im Juni und Juli 2002 ankommt.

Muss aber davon ausgegangen werden, dass Rechtsanwalt Dr. u2 die rechtliche Beratung der Kläger im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit Y und die Herbeiführung eines rechtswirksamen Vertrags übernommen hatte, so hat er die daher ihm obliegende Verpflichtung zur umfassenden rechtlichen Prüfung dadurch verletzt, dass er den ihm übermittelten notariellen Vertragsentwurf nicht darauf hin überprüfte, ob die darin enthaltenen Vereinbarungen zur Erfüllung der Formvorschriften des § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG geeignet waren. Ihm hätte dann schon anhand der Widersprüchlichkeiten in der Vorbemerkung des Vertragsentwurfes, in welcher u.a. ausgeführt wird, dass Y wie auch der Kläger zu 2.) und Faller Stammeinlagen in Höhe von je 166.500,-- € halten und Ziff. 1. des Vertrages, in der nunmehr noch von einem Geschäftsanteil in der Hand des Mitgesellschafters Y gesprochen wurde, erkennen müssen, dass hier möglicherweise eine Unklarheit besteht, die die Formwirksamkeit des Geschäfts zu gefährden geeignet war. Da auch der Anwalt seinen Mandaten den sichersten Weg zu empfehlen hat, hätte er die Kläger auf diesen Widerspruch hinweisen, den Inhalt der vorangegangenen Kapitalerhöhung und Gesellschaftsübertragungen ermitteln und sodann den Klägern die bereits oben näher dargestellte Klarstellung durch vorangehende Vereinigung aller Geschäftsanteile zu einem Geschäftsanteil nebst Aufteilung in die beiden sodann zu veräußernden Geschäftsanteile vorschlagen müssen. Den Zeugen Dr. u2 entlastet insofern auch nicht, falls er sich aufgrund seiner Spezialisierung auf Wirtschaftsstrafrecht zu einer derartigen Beurteilung subjektiv nicht in der Lage gesehen hätte. Denn nach Übernahme des Mandats hätte es ihm oblegen, sich die erforderlichen Rechtskenntnisse anzueignen oder anderweitig zu erlangen.

Weiterhin ist davon auszugehen, dass bei ordnungsgemäßer Erfüllung der anwaltlichen Verpflichtungen durch Dr. u2 der eingetretene Schaden vermieden worden wäre. Bei der gebotenen anwaltlichen Prüfung wäre der Mangel des Kauf- und Abtretungsvertrages aufgefallen und korrigiert worden. Der streitgegenständliche Schaden wäre in diesem Falle aus denselben Gründen wie oben ausgeführt nicht eingetreten.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da die Rechtssache hinsichtlich der für die Abweisung der Klage maßgeblichen Erwägungen grundsätzliche Bedeutung hat und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich erscheint, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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