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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.11.2006
Aktenzeichen: 11 UF 145/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, InsO, SGB II
Vorschriften:
ZPO § 323 | |
ZPO § 850 c | |
BGB § 313 | |
InsO § 89 Abs. 1 | |
InsO § 89 Abs. 2 | |
SGB II § 33 Abs. 1 |
Die unterhaltsrechtliche Obliegenheit zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz (BGH FamRZ 2005, 608) entfällt, wenn es dem Unterhaltsschuldner gelungen ist, sämtliche relevanten Schulden mit einem neuen, langfristig angelegten und in vertretbaren Raten abzutragenden Kredit abzulösen.
2.)
Die für diesen Kredit aufzubringenden Raten sind jedenfalls dann in voller Höhe vom Nettoeinkommen des Unterhaltsschuldners abzusetzen, wenn die berechtigten Unterhaltsgläubiger dadurch nicht schlechter stehen als im Fall der Verbraucherinsolvenz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
11 UF 145/06 OLG Hamm
Verkündet am 10. November 2006
In der Familiensache
hat der 11. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zumdick und die Richter am Oberlandesgericht Michaelis de Vasconcellos und Jöhren
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17.05.2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Hamm teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird in Abänderung des am 21.02.2005 vor dem Amtsgericht Hamm abgeschlossenen Vergleichs - Az. 31 F 253/04 AG Hamm - verurteilt, ab November 2005 wie folgt Unterhalt zu zahlen:
1. für die Zeit von November 2005 bis Juli 2006 an die Klägerin:
a) für die Klägerin selbst monatlich 552,96 €;
b) für J monatlich 257,- €;
c) für N monatlich 199,- €;
2. für August 2006 an die Stadt Hamm:
a) für die Klägerin 552,96 €;
b) für J 257,-€;
c) für N 199,- €;
3. für September und Oktober 2006 an die Stadt Hamm:
a) für die Klägerin monatlich 519,- €;
b) für J monatlich 257,- €;
c) für N monatlich 199,- €;
4. ab November 2006 an die Klägerin:
a) für die Klägerin selbst monatlich 519,- €;
b) für J monatlich 257,- €;
c) für N monatlich 199,- €;
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Beklagte zu 9/10 und die Klägerin zu 1/10 zu tragen
Die Kosten des Rechtstreits in erster Instanz werden der Klägerin zu 2/5 und dem Beklagten zu 3/5 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Parteien sind verheiratet, leben aber getrennt. Das Scheidungsverfahren läuft. Sie streiten um die Abänderung des im Vorverfahren 31 F 253/04 AG Hamm abgeschlossenen Vergleichs über die Zahlung von Kindes- und Trennungsunterhalt. Im Einzelnen liegt folgendes zu Grunde:
Die Parteien haben am 30.12.1998 geheiratet. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen: J, geboren am 07.11.1999, und N, geboren am 15.08.2003. Am 18.08.2004 ist der Beklagte aus dem im gemeinsamen Eigentum stehenden Einfamilienhaus ausgezogen. In dem sich anschließenden Unterhaltsstreit haben sich die Parteien dahin verständigt, dass der Beklagte weiterhin die Lasten des nunmehr allein von der Klägerin und den Kindern bewohnten Hauses tragen und deshalb nur geringe Unterhaltsbeträge zahlen solle: jeweils 161,- € für die beiden Kinder und 198,- € für die Klägerin. Grundlage des Vergleichs war folgende Berechnung des für Unterhaltszwecke verfügbaren Einkommens:
Nettoeinkommen des Beklagten in 2004 | 2.000,87 € |
+ Steuererstattung | 66,00 € |
+ Realsplittingvorteil | 83,48 € |
./. berufsbedingte Fahrtkosten | 105,60 € |
verbleiben | 2.044,75 € |
./. Zinslasten des Hauses | 627,08 € |
./.Stadtkasse | 17,48 € |
./.Gebäudeversicherung | 10,24 € |
./. Grundsteuern | 6,90 € |
./. öffentliche Abgaben | 23,33 € |
verbleiben | 1.359,82 € |
./. notwendiger Selbstbehalt | 840,00 € |
für Unterhaltszwecke verfügbar | 519,83 € |
Bei der Verteilung des verfügbaren Einkommens ist auf Seiten der Klägerin der mit 400,- € bemessene Wohnwert des gemeinsamen Hauses als Einkommen berücksichtigt worden.
In der Folgezeit hat der Beklagte allerdings die Hauslasten nicht mehr bezahlt, so dass die Sparkasse als Gläubigerin der Hauskredite die Unterzeichnung eines Maklervertrages zum Zwecke des freihändigen Verkaufs verlangte, um eine Zwangsversteigerung zu vermeiden. Dem sind die Parteien nachgekommen, so dass das gemeinsame Haus nach dem Auszug der Klägerin am 12.11.2005 im Dezember 2005 verkauft werden konnte. Nach dem Verkauf betrug der Restsaldo der Verbindlichkeiten bei der Sparkasse rund 42.000,- €. Da eine Vereinbarung über die Art der Tilgung nicht zu Stande kam, ist der Kredit im April 2006 gekündigt worden. Die Darlehensrestforderung der Sparkasse belief sich auf 41.404,96 €. Im Hinblick auf diese Schuld hat die Klägerin ein Verbraucherinsolvenzverfahren beantragt, das am 24.05.2006 eröffnet worden ist.
Weil der Beklagte die Hauslasten ab Januar 2005 nicht mehr bedient hat, hat die Klägerin im vorliegenden Verfahren eine Erhöhung der titulierten Unterhaltsbeträge ab diesem Zeitpunkt verlangt. Sie hat geltend gemacht, es könne nicht sein, dass ihr Ehemann von der Nichtzahlung allein profitiere. Bis einschließlich Oktober 2005 hat sie den ihr weiter zufließenden Wohnvorteil berücksichtigt und wie folgt gerechnet:
Einkommen des Beklagten (ohne Realsplittingvorteil) | 1.961,27 € | |
./. Unterhalt für 2 Kinder (2 * 192,- €) | 384,00 € | |
verbleiben (richtig: 1.577,27 €) | 1.563,27 € | |
davon 6/7 | 1.339,94 € | |
./. der Klägerin zufließender Wohnwert | 400,00 € Differenz | 939,95 € |
davon 3/7 | 402,83 € |
Für die Zeit ab November 2005 hat sie im Hinblick auf das Aufrücken von J in die nächste Altersstufe und den Wegfall des Wohnwerts folgende Beträge verlangt:
anrechenbares Einkommen des Beklagten | 1.961,27 € | |
./. Unterhalt für J | 257,00 € | |
./. Unterhalt für N | 199,00 € | |
verbleiben | 1.505,27 € | |
davon 6/7 | 1.290,23 € davon 3/7 | 552,96 € |
Die Klägerin hat beantragt,
den Vergleich des Familiengerichts Hamm vom 21.02.2005 ab April 2005 dahin abzuändern, dass nunmehr wie folgt Unterhalt zu zahlen sei:
1. für die Zeit von April bis Oktober 2005:
a) an sie selbst monatlich 402,83 €;
b) an J monatlich 192,- €
c) an N monatlich 192,- €;
2. für die Zeit ab November 2005:
a) an sie selbst monatlich 552,96 €;
b) an J monatlich 257,- €
c) an N monatlich 199,- €;
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat gemeint, die Nichtzahlung der eheprägenden Hauslasten sei kein Abänderungsgrund. Wenn er durch Nichtzahlung den Anstieg der Verschuldung in Kauf nehme, so sei das seine Entscheidung. Es gehe aber nicht an, den Unterhalt höher festzusetzen und ihm so jede Möglichkeit zu nehmen, die unstreitig bestehenden Schulden zu bedienen.
Darüber hinaus habe erweitere Schulden, die zu berücksichtigen seien:
- Darlehensforderung der KfW-Bankengruppe im Rahmen des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes in Höhe von 1.481,51 €;
- Schuldtitel der KfW-Bankengruppe über 1.449,85 €;
- Forderungen von Rechtsanwalt G aus dem ersten Trennungsunterhaltsverfahren von 864,- € und 1.221,20 €;
- Zahnarztrechnung Dr. G in Höhe von 231,20 €.
Das Amtsgericht hat die Abänderungsklage für die Zeit bis einschließlich Januar 2006 abgewiesen, weil bis dahin die bisherigen Hauslasten fortbestanden hätten und zu berücksichtigen seien, weil die Klägerin insoweit Freistellung von den Schulden verlangen könne. Eine Änderung habe sich erst ab Februar 2006 durch den Verkauf des Hauses und die daraus resultierende Verringerung des Hausdarlehens auf 42.000,- € ergeben. Ab diesem Zeitpunkt sei in Fortentwicklung der Vergleichsgrundlagen die für die Restschuld von 42.000,- € anfallende Zinslast von monatlich 350,- € abzusetzen. Daher habe der Beklagte ab Februar 2006 folgende Unterhaltsbeträge zu zahlen:
- für J monatlich 195,- €;
- für N monatlich 161,- €;
- für die Klägerin monatlich 449,- €.
Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf das Urteil verwiesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie hat es zunächst in vollem Umfang angreifen wollen, ihre Anträge dann aber entsprechend der Teilbewilligung von Prozesskostenhilfe im Senatsbeschluss vom 16.08.2006 auf die Zeit ab November 2005 beschränkt.
Sie meint, das Amtsgericht habe den Vergleich zu Unrecht nur angepasst, statt wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage insgesamt neu zu rechnen. Dem Beklagten sei nämlich im Zusammenhang mit dem absehbaren Verkauf des Hauses zuzumuten gewesen, ein Verbraucherinsolvenzverfahren einzuleiten, um seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Auf dieser Basis seien daher die Ansprüche ab November 2005 neu zu berechnen. Dann ergäben sich die bereits in erster Instanz geltend gemachten Ansprüche.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten abändernd zu verurteilen, ab November 2005 nachfolgende Unterhaltsbeträge zu zahlen, für die Zeit von November 2005 bis Juli 2006 an sie, für die Zeit von August bis Oktober 2006 an die Stadt Hamm und ab November 2006 wieder an sie:
- für J monatlich 257,- €;
- für N monatlich 199,- €;
- für sie selbst monatlich 552,96 €.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er meint, die Hauslasten seien gemäß der zutreffenden Auffassung des Amtsgerichts weiter zu berücksichtigen, auch wenn er sie mangels Leistungsfähigkeit zunächst nicht bedient habe, denn die Schulden bestünden fort. Für die Zeit ab September 2006 habe er die Tilgung der Schulden mit einer Rate von monatlich 350,- € wieder aufgenommen, nachdem ihm gelungen sei, durch einen Kredit der Volksbank Hamm in Höhe von netto 40.300,- € alle in der Ehe entstandenen Schulden abzulösen.
Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin zumindest seit Juli 2006 wieder einer Arbeitstätigkeit nachgehe und monatlich im Durchschnitt 750,- € verdiene. Diese Einkünfte seien zu berücksichtigen, so dass sich ihr Anspruch verringere.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und hat überwiegend Erfolg.
1.
Dass ab November 2005 die aus § 323 ZPO folgenden Voraussetzungen einer Abänderung des Vergleichs vom 21.02.2005 vorliegen, kann nicht zweifelhaft sein, weil der Klägerin ab ihrem Auszug aus dem gemeinsamen Haus der beim Vergleich mit 400,- € bemessene Wohnvorteil nicht mehr zur Verfügung gestanden hat. Außerdem ist die Berücksichtigungsfähigkeit der Schulden neu zu bewerten, nachdem sieh die dem Vergleich zu Grunde liegende Erwartung zerschlagen hat, dass den Parteien gemeinsam gehörende Haus könne für die Familie erhalten werden.
2.
Materiell richtet sich die Abänderung eines Vergleichs bei Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB. Dabei sind vier Zeitabschnitte zu unterscheiden.
2.1 Zeitraum von November bis Dezember 2005:
Das Amtsgericht hat einen Abänderungsanspruch verneint, weil die Nichtzahlung der fortbestehenden Zinslasten kein Abänderungsgrund sei und der Wegfall des Wohnvorteils jedenfalls per Saldo nicht zu einem höheren Zahlungsanspruch führen könne, denn das für Unterhaltszwecke verfügbare Einkommen sei unverändert. Dem ist nicht zu folgen. Zwar hält der Senat die Auffassung für richtig, dass die Nichtzahlung von bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigten Schulden grundsätzlich keine Abänderung rechtfertigt, hier haben sich die Umstände aber ab November 2005 so grundlegend geändert, dass die Unterhaltsansprüche wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage neu zu berechnen sind.
2.1.1 Berechnung des Einkommens des Beklagten:
a)
Der Beklagte hat im Jahr 2005 gemäß der korrigierten Lohnabrechnung für Dezember (2. Korrektur) durchschnittlich folgendes Nettoeinkommen erzielt:
Gesamtbrutto | 45.579,32 € |
./. Lohnsteuern (Steuerklasse 1/1 KFB) | 8.761,00 € |
./. Kirchensteuern | 608,04 € |
./.SoliZ | 371,58 € |
./. RV-Beitrag | 4.078,32 € |
./.KV-Beitrag | 3.039,18 € |
./. AV-Beitrag | 1.359,43 € |
./. PV-Beitrag | 355,55 € |
Nettoverdienst | 27.006,22 € |
davon 1/12 | 2.250,52 € |
./. vwL (59,3 % des Arbeitgeberanteils von 39,88 €) | 23,88 € |
verbleiben | 2.226,64 € |
b)
Die tatsächliche Steuererstattung im Jahr 2005 hat nach dem Steuerbescheid vom 22.12.2005 506,98 € betragen, das sind pro Monat 42,25 €.
c)
Abzuziehen sind die berufsbedingten Fahrtkosten, die im Vergleich in Höhe von 105,60 € anerkannt worden sind.
d)
Die entscheidende Frage ist, ob und in welchem Umfang bei der Berechnung des für Unterhaltszwecke verfügbaren Einkommens Schulden zu berücksichtigen sind.
aa)
Mit dem wegen der Verkaufsforderung der Sparkasse notwendigen Auszug der Klägerin aus dem gemeinsamen Haus im November 2005 ist das Bestreben der Parteien, die Immobilie als Wohnung der Restfamilie zu erhalten, endgültig gescheitert. Da der Beklagte im Senatstermin zudem selber eingeräumt hat, er habe nach dem Vergleichsabschluss festgestellt, weder die Hauslasten noch die sonstigen, beim Vergleich nicht berücksichtigten Forderungen ausreichend bedienen zu können, war er nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz verpflichtet, um den Vorrang der Unterhaltsforderungen vor sonstigen Verbindlichkeiten zu sichern (BGH FamRZ 2005, S. 608 ff.).
Versäumt der Unterhaltspflichtige die zumutbare Durchführung der Privatinsolvenz, ist er fiktiv so zu behandeln, als wäre das Verfahren eröffnet. Weil dann gemäß § 89 Abs. 1 und 2 InsO keine Individualvollstreckung mehr möglich ist, kommt ab dem möglichen Eröffnungszeitpunkt der Abzug von Zahlungen auf Kredite und sonstige Schulden nicht mehr in Betracht. Dann steht zwar nicht das gesamte, aber immerhin das gemäß § 850 c ZPO pfändungsfreie Einkommen für den Unterhalt zur Verfügung, das bei Unterhaltspflichten gegenüber drei Personen und einem Nettoeinkommen von 2.226,64 € bei 2.061,64 € liegt.
bb)
Hier hat der Beklagte im Senatstermin aber glaubhaft vorgetragen und in den entscheidenden Punkten auch belegt, dass ihm gelungen ist, die nach dem Verkauf des gemeinsamen Hauses verbliebenen und alle weiteren aus der Ehe stammenden Schulden mit einem neuen, langfristig angelegten und in vertretbaren Raten abzutragenden Kredit der Volksbank Hamm abzulösen (Nettokredit 40.300,- €; vorgesehene Laufzeit: 174 Monate; Ratenhöhe monatlich 350,- €). Deshalb liegen besondere Umstände im Sinne der vorgenannten Entscheidung des BGH vor, welche die Durchführung der Privatinsolvenz als überflüssig und damit unzumutbar erscheinen lassen. Deshalb scheidet aus, den Beklagten so zu behandeln, als wäre die Privatinsolvenz im November 2005 eröffnet worden.
Also kann er grundsätzlich die bis Umschuldung im August 2006 geleisteten Zahlungen abziehen, hat aber trotz Auflage in der Terminsverfügung nicht belegt, solche Zahlungen überhaupt erbracht zu haben. Daher ist auch nichts abzusetzen.
e)
Also ergibt sich als anrechenbares Einkommen:
durchschnittliches Nettoeinkommen | 2.226,64 € |
anteilige Steuererstattung | 42,25 € |
zusammen | 2.268,89 € |
./. Fahrtkosten | 105.60 € |
verbleiben | 2.163,29 € |
2.1.2 Berechnung des Kindesunterhalts:
Mit diesem Einkommen fällt der Beklagte in Einkommensgruppe 6 der Düsseldorfer Tabelle, so dass der Tabellenunterhalt für J 334,- € (seit November 2005 sechs Jahre alt) und für N (seit August 2006 drei Jahre alt) 276,- € beträgt. Zu zahlen sind unter Berücksichtigung der Anrechnungsvorschriften für das Kindergeld wie beantragt 257,- € bzw. 199,- €.
2.1.3 Berechnung des Ehegattenunterhalts:
Der Beklagte hat zwar behauptet, die Klägerin habe auch nach der Trennung durch die Erteilung von Schwimmkursen monatlich 500,- € verdient, die Klägerin hat das aber substantiiert bestritten. Beweis für seine Darstellung hat der Beklagte nicht angetreten, so dass Einkünfte der Klägerin auch nicht zu berücksichtigen sind. Also ergibt sich folgender Anspruch auf Trennungsunterhalt:
Einkommen des Beklagten | 2.163,29 € |
./. Tabellenunterhalt J | 334,00 € |
./. Tabellenunterhalt N | 276,00 € |
verbleiben | 1.553,29 € |
davon 3/7 | 665,69 € |
Da die Klägerin nur die Zahlung von 552,96 € verlangt, ist der Anspruch in voller Höhe begründet.
2.1.4 Leistungsfähigkeit:
Für Unterhaltszwecke stehen unter Berücksichtigung des Selbstbehalts von 890,- € 1.273,29 € zur Verfügung, während insgesamt 257,- € + 199,- € + 552,96 € = 1.008,96 € gezahlt werden sollen. Die Leistungsfähigkeit ist daher nicht berührt.
2.1.5
Dass die bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat fällig gewordenen Ansprüche an die Stadt Hamm zu zahlen seien, wie im PKH-Beschluss vorausgesetzt, trifft für die Zeit bis einschließlich Juli 2006 nicht zu, weil bisher keine Überleitung der Ansprüche erfolgt ist, so dass die Klägerin weiterhin die Ansprüche auch insoweit geltend machen kann, als sie Sozialleistungen erhalten hat.
2.2 Ansprüche für die Zeit von Januar bis Juli 2006:
2.2.1
Da der Beklagte nicht geltend macht, dass sich seine Einkünfte im Jahr 2006 verringert hätten, ist weiterhin mit einem durchschnittlichen Einkommen von 2.226,64 € zu rechnen. Er hat jedoch ein höhere Steuererstattung von insgesamt 3.599,13 € erhalten, das sind monatsanteilig 299,92 €. Sein Einkommen erhöht sich daher auf monatlich 2.526,56 €.
2.2.2
Zahlungen auf ehebedingte Schulden sind auch für diesen Zeitraum bis einschließlich August 2006 nicht nachgewiesen, so dass sich eine neue Berechnung der Ansprüche erübrigt. Die unter den Abschnitten 2.1.2 und 2.1.3 ermittelten Beträge von 257,- € für J, 199,- € für N und 552,96 € für die Klägerin können wie bisher (und erst recht) gezahlt werden.
2.3 Ansprüche für August 2006
2.3.1
Auf Grund der ab dem 01.08.2006 gültigen Änderung von § 33 Abs. 1 SGB II gehen Unterhaltsansprüche des Hilfeempfängers in Höhe der Sozialleistungen wieder auf den Träger der Grundsicherung über. Zwar haben ab September 2006 offenbar nur noch die Kinder Sozialgeld in geringer Höhe erhalten, so dass die Unterhaltsansprüche nicht oder nur teilweise übergegangen sind, gleichwohl wird der Beklagte nicht benachteiligt, wenn die Klägerin für die Zeit von August bis Oktober 2006 die Zahlung aller Unterhaltsforderungen an die Stadt Hamm verlangt.
2.3.2
Da die Klägerin ab dem 01.08.2006 gemäß der Bescheinigung der AWO vom 13.07.06 monatliche Nettoeinkünfte von 681,28 € bezieht, ist der Ehegattenunterhalt ab diesem Zeitpunkt neu zu berechnen.
a)
Die Klägerin hat zunächst geltend gemacht, es fielen berufsbedingte Betreuungskosten an: für J in der Ganztagsbetreuung monatlich 45,- € + 26,- € Essensgeld und für N in der Kindertagesstätte monatlich 55,- €. Da die Kosten nach den Erörterungen im Senatstermin aber voraussichtlich aus Mitteln des Jugendamtes aufgebracht werden, belasten sie die Klägerin voraussichtlich nicht und können daher zur Zeit nicht berücksichtigt werden.
b)
Da die Klägerin zwei Kinder im Alter von 6 und 3 Jahren betreut, brauchte sie gar nicht zu arbeiten. Ihr Verdienst ist daher in vollem Umfang überobligatorisch. Das schließt die Berücksichtigung der Einkünfte bei der Anspruchsberechnung zwar nicht aus, doch ist ihr im Hinblick auf die überobligatorische Tätigkeit ein Teil des Einkommens anrechnungsfrei zu belassen. Diesen Betreuungsbonus bemisst der Senat je nach den Umständen des Einzelfalls mit bis zu 200,- €.
Auch wenn die noch kleinen Kinder während der Arbeitszeiten der Klägerin in öffentlichen Einrichtungen gut betreut sind, brauchen sie nach der Rückkehr der Mutter deren umso intensivere Zuwendung. Daneben muss sie die Hausarbeit erledigen, so dass angemessen erscheint, für beide Kinder den Betreuungsbonus mit jeweils 200,-€ anzusetzen.
c)
Also ist das Einkommen der Klägerin wie folgt in eine Differenzberechnung einzustellen:
Nettoeinkommen | 681,28 € |
./. Betreuungskosten N | 200,00 € |
./. Betreuungsbonus N | 200,00 € |
verbleiben | 281,28 € |
d)
Dann ergibt sich folgende neue Bedarfsberechnung für den Trennungsunterhalt:
durchschnittliches Nettoeinkommen | 2.226,64 € |
anteilige Steuererstattung | 299,92 € |
zusammen | 2.526,56 € |
./. Fahrtkosten | 105,60 € |
verbleiben | 2.420,96 € |
./. Tabellenunterhalt J | 317,00 € |
./. Tabellenunterhalt N | 262,00 € |
verbleiben | 1.841,96 € |
./. anrechenbares Einkommen der Klägerin | 281,28 € |
Differenz | 1.560,68 € |
davon 3/7 | 668,86 € |
Es bleibt also weiterhin bei dem beantragten Trennungsunterhalt von 552,96 €
2.4 Ansprüche ab September 2006:
Es ist neu zu rechnen, weil der Beklagte ab diesem Zeitpunkt nach einer umfassenden Umschuldung monatlich 350,- € zur Schuldentilgung aufbringt. Dieser Betrag ist in vollem Umfang abzusetzen, ohne dass es darauf ankommt, in welcher Höhe der Beklagte mit dem bei der Volksbank aufgenommenen Kredit von 40.300,- € in der Zeit des Zusammenlebens mit der Familie entstandene und inwieweit nach der Trennung verursachte Schulden abgelöst hat. Zwar können den Unterhaltsberechtigten grundsätzlich nur ehebedingte und nach der Trennung unvermeidlich gewordene Ausgaben entgegengehalten werden, diente die Kreditaufnahme aber wie hier der Abwendung einer Privatinsolvenz, die unterschiedslos alle Schulden erfasst hätte, kann der Umschuldungskredit jedenfalls dann in voller Höhe berücksichtigt werden, wenn die Berechtigten dadurch nicht schlechter als im Falle der Privatinsolvenz stehen.
Das ist hier der Fall. Nach Abzug der Kreditrate von 350,- € sinkt das anrechenbare Einkommen des Beklagten von 2.420,96 € auf 2.070,96 € und liegt damit noch erheblich über dem Betrag von 2.061,64 € ./. 105,60 € Fahrtkosten, der den Berechtigten im Falle der Privatinsolvenz nach den Ausführungen unter Abschnitt 2.1.1 d) aa) allein als Zugriffsmasse zur Verfügung gestanden hätte (die in 2005 erfolgte hohe Steuererstattung wäre hingegen zur Befriedigung der übrigen Insolvenzgläubiger zu verwenden gewesen).
Während die Ansprüche der Kinder trotz verringerten Einkommens unverändert bleiben, ergibt sich ab September 2006 folgender verringerter Anspruch auf Trennungsunterhalt:
durchschnittliches Nettoeinkommen | 2.226,64 € |
anteilige Steuererstattung | 299,92 € |
zusammen | 2.526,56 € |
./. Raten Umschuldungskredit | 350,00 € |
./. Fahrtkosten | 105,60 € |
verbleiben | 2.070,96 € |
./. Tabellenunterhalt J | 317,00 € |
./. Tabellenunterhalt N | 262,00 € |
verbleiben | 1.491,96 € |
./. anrechenbares Einkommen der Klägerin | 281,28 € |
Differenz | 1.210,68 € |
davon 3/7 | 518,86 € |
gerundet | 519,00 € |
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Ziffer 10 ZPO.
Ende der Entscheidung
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