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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.07.2006
Aktenzeichen: 11 UF 2/06
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1573 Abs. 5 | |
BGB § 1579 Nr. 7 |
Erzielt der Unterhaltsberechtigte mit einer selbständigen Tätigkeit (Fingernagelstudio) nur ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von nicht mehr als durchschnittlich 220 €, so ist es unterhaltsrechtlich vorwerfbar (mit der Folge eines fiktiv anzurechnenden Einkommens), sich nicht um eine besser bezahlte abhängige Tätigkeit zu bemühen. Dies gilt auch, wenn die selbständige Tätigkeit bereits eheprägend war.
2.)
Ein nach § 1579 Nr. 7 BGB wegen Bestehens einer verfestigten Lebensgemeinschaft verwirkter Unterhaltsanspruch kann bei Beendigung der Lebensgemeinschaft Wiederaufleben.
3.)
Ein solch wiederaufgelebter Unterhaltsanspruch ist bei einer kurzen Ehedauer gem. § 1573 Abs. 5 BGB zeitlich zu begrenzen. Hier: Zeitliche Begrenzung auf 2 Jahre 9 Monate ab Rechtskraft der Scheidung bei einer Ehedauer von 8 Jahren 4 Monaten.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
11 UF 2/06 OLG Hamm
Verkündet am 07. Juli 2006
In der Familiensache
hat der 11. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zumdick und die Richter am Oberlandesgericht Lüblinghoff und Michaelis de Vasconcellos
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 02. Dezember 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bottrop hinsichtlich der Entscheidung zum nachehelichen Unterhalt teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin vom Eintritt der Rechtskraft der Scheidung bis zum 31.12.2008 monatlich 410,- € zu zahlen.
Die weitergehende Klage auf Zahlung nachehelichen Unterhalts wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Hinsichtlich der Kosten der ersten Instanz bleibt es bei der Entscheidung des Amtsgerichts.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Antragsteller zu 2/7 und die Antragsgegnerin zu 5/7.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Parteien haben am 21.08.1996 geheiratet. Nach am 20.02.2000 erfolgter Trennung hat der Antragsteller im Dezember 2004 die Ehescheidung beantragt. Das Amtsgericht hat die Ehe daraufhin durch Verbundurteil vom 02.12.2005 geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Antrag der Antragsgegnerin auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt abgewiesen. In zweiter Instanz streiten die Parteien nur noch über den Anspruch der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt. Insoweit liegt Folgendes zu Grunde:
Vor der Ehe war die Antragsgegnerin lange Zeit arbeitslos. Nach der Eheschließung hat sie sich im Jahre 1997 mit einem Fingernagelstudio selbständig gemacht. Ehewohnung war eine beiden Parteien gehörende Eigentumswohnung. Ende 1999 hat die Antragsgegnerin eine eigene Wohnung angemietet und ist am 20.02.2000 dorthin gezogen. Obwohl sie die Ehe angeblich noch nicht für gescheitert hielt, hat sie im Mai 2000 eine Beziehung zum Zeugen L angefangen. Nachdem sie im Juli 2001 einen Bandscheibenvorfall erlitten hatte und sich einer Operation unterziehen musste, hat sie im September 2001 ihre eigene Wohnung aufgegeben und ist zu ihrem Freund gezogen, wo sie auch ihren Hausrat unterstellen konnte. Ob mehr als eine Wohngemeinschaft bestanden hat, ist streitig. Von diesem Zeitpunkt bis einschließlich Mai 2005 hat der Antragsteller an seine Ehefrau monatlich 410,- € Trennungsunterhalt bezahlt.
Die Antragsgegnerin hat in erster Instanz geltend gemacht, sie sei zwar erwerbstätig, erziele aber - nach Abzug der Kosten für ihr Krankenversicherung - nur ein durchschnittliches Einkommen von monatlich 240,- €. Mehr als diese Teilzeittätigkeit, die ihr eine flexible Einteilung ihrer Zeit ermögliche, könne sie nicht ausüben, weil sie seit vielen Jahren an einer degenerativen Rückenerkrankung leide und bei einer Bandscheibenoperation im Juli 2001 zusätzlich eine Nervenschädigung im linken Arm mit einer deutlichen Verminderung der Kraft erlitten habe. Auf Grund ihres schlechten Gesundheitszustands habe sich zusätzlich eine massive depressive Verstimmung mit starken Migräneattacken ausgebildet. Da sie ihren Unterhalt also nicht selber sicherstellen könne, stehe ihr Aufstockungsunterhalt zu, der ohne Berücksichtigung des (durch die Grundstückslasten aufgezehrten) Wohnwerts der gemeinsamen Eigentumswohnung wie folgt zu berechnen sei:
durchschnittliches Nettoeinkommen des Antragstellers | 2.539,00 € |
./. Fahrtkosten | 80,00 € |
verbleiben | 2.459,00 € |
./. eigene Einkünfte | 240,00 € |
Differenz | 2.219,00 € |
davon 3/7 | 951,00 € |
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antragsteller zu verurteilen, an sie ab dem auf die Rechtskraft des Scheidungsurteils folgenden ersten monatlich im Voraus 951,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem jeweils Monatsersten zu zahlen.
Der Antragsteller hat beantragt,
den Zahlungsantrag abzuweisen.
Der Antragsteller hat seine Einkommensverhältnisse unstreitig gestellt, aber bestritten, dass die Antragsgegnerin nicht mehr verdienen könne, als sie es tue. Sie arbeite vollschichtig in ihrem Fingernagelstudio und könne das auch anderswo tun. Vorsorglich hat sich der Antragsteller auf Verwirkung des Anspruchs berufen. Seine Frau habe die von ihm im Spätsommer 2000 neu aufgenommene Beziehung zu einer ehemaligen Freundin durch ständige, auch nächtliche Telefonanrufe zerstört. Auch die Partnerin, die er danach kennen gelernt habe, sei durch Telefonanrufe und Nachstellungen belästigt worden. Darüber hinaus lebe seine Ehefrau in einer verfestigten Beziehung zum Zeugen L
Zumindest müsse ein eventueller Unterhaltsanspruch wegen kurzer Ehedauer begrenzt werden.
Die Antragsgegnerin hat auf mündliches Befragen des Gerichts über ihre Beziehung zum Zeugen L gesagt, diese sei "wie zu ihrem Ehemann früher, wie Bruder und Schwester". Schriftsätzlich hat sie dann vorgetragen, es handele sich nur um eine Wohngemeinschaft. Sie habe ein eigenes Zimmer und einen eigenen Kühlschrank und beteilige sich mit 150,- € an der von Herrn L zu zahlenden Miete. Geputzt werde gemeinsam; die Wäsche erledige jeder für sich.
Das Amtsgericht hat Herrn L als Zeugen vernommen und die Klage auf nachehelichen Unterhalt abgewiesen. Es hat gemeint, wegen des von der Antragsgegnerin zunächst gemachten Versuchs, die Beziehung zu Herrn L zu verschweigen, der von ihr selbst gegebenen Charakterisierung der Beziehung und der offenbar ausweichenden Angaben des Zeugen L sei von einer verfestigten eheähnlichen Gemeinschaft auszugehen, die einen weiteren Unterhaltsanspruch gemäß § 1579 Ziffer 7 BGB ausschließe.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragsgegnerin mit der Berufung, mit der sie den Anspruch auf Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe von monatlich 700,- € weiter verfolgt.
Sie macht geltend, dass sie seit dem 18.02.2006 in ihrer seit dem 01.07.2005 angemieteten Wohnung in G lebe. Damit sei die vom Amtsgericht angenommene Lebensgemeinschaft beendet.
Darüber hinaus könne nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme auch weder eine eheähnliche Lebensgemeinschaft noch eine solche mit ehegleicher ökonomischer Solidarität angenommen werden. Die vom Amtsgericht in der Würdigung aller Angaben unterstellte Täuschung über das Bestehen der Beziehung zum Zeugen L habe es nie gegeben. Der Versuch wäre auch sinnlos gewesen, weil der Antragsteller darüber unterrichtet gewesen sei.
Ihre Äußerung, das Verhältnis zu Herrn L sei so wie das zu ihrem Ehemann, sei durch den Zusatz "wie Bruder und Schwester" von vornherein relativiert worden und dürfe nicht überbewertet werden. Tatsächlich habe nie mehr als eine Wohngemeinschaft bestanden, wie der Zeuge L anschaulich geschildert habe. Insbesondere sei unbeachtet geblieben, dass die Beziehung in sexuelle/ Hinsicht nach den Angaben des Zeugen seit längerer Zeit nicht mehr bestehe.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antragsteller zu verurteilen, an sie ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 700,- € zu zahlen.
Der Antragsteller beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Antragsteller verteidigt das Urteil des Amtsgerichts" unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vertrags. Er stützt den Verwirkungseinwand ergänzend darauf, dass die Antragsgegnerin in erster Instanz zunächst versucht habe, ihre Beziehung zum Zeugen L zu verschweigen. Dieser Verwirkungsgrund bleibe bestehen, auch wenn die Beziehung jetzt beendet sein sollte.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und hat teilweise Erfolg. Die Lebensgemeinschaft der Antragsgegnerin mit dem Zeugen L ist nach dem Ergebnis der ergänzenden Beweisaufnahme beendet, so dass die vom Amtsgericht gemäß § 1579 Ziffer 7 BGB angenommene Verwirkung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt nicht mehr eingreift. Der Anspruch ist aber aus Billigkeitsgesichtspunkten in der Höhe zu beschränken und gemäß § 1573 Abs. 5 BGB zeitlich bis zum 31.12.2008 zu begrenzen.
1. Zur Anspruchsgrundlage:
1.1
Die Antragsgegnerin macht in erster Linie geltend, in ihrer Erwerbsfähigkeit gesundheitlich beeinträchtigt zu sein, so dass sie einen (zeitlich nicht begrenzbaren) Anspruch auf Unterhalt wegen Krankheit habe. Damit hat sie keinen Erfolg, weil ärztlich zwar bestimmte Gesundheitsstörungen bescheinigt sind, aber nicht ersichtlich ist, dass diese einer vollschichtigen Tätigkeit entgegenstehen.
a)
Die Antragsgegnerin hat im Senatstermin selber eingeräumt, in ihrem Fingernagelstudio täglich bis zu 5 Kunden zu bedienen und dabei bis zu 8 Stunden tätig zu sein. Dem stehen die beklagten gesundheitlichen Beeinträchtigungen offenbar nicht entgegen.
b)
Dem entspricht, dass die behandelnden Ärzte Dres. K unter dem 23.05.2006 nur bescheinigt haben, dass die Antragsgegnerin bei ihrer beruflichen Tätigkeit durch psychische Beschwerden sowie durch Beschwerden der HWS und des linken Arms beeinträchtigt wird. Dass dies zu einer zeitlichen Einschränkung der Erwerbsfähigkeit führe, haben sie nicht bestätigt, obwohl das Attest gerade zum Beleg dieser Behauptung angefordert worden ist.
Eine zeitliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit auf 2 Stunden täglich hat zwar die Hausärztin Petra G sowohl im Attest vom 13.07.2005 als auch in dem vom 12.06.2006 bescheinigt, das weicht aber von den vorsichtigen Formulierungen der Dres. K und den eigenen Angaben der Antragsgegnerin zur tatsächlichen Arbeitszeit so eklatant ab, dass diese Atteste als reine Gefälligkeit erscheinen. Der Senat hält daher die Behauptung einer zeitlichen Einschränkung der Erwerbsfähigkeit für nicht hinreichend substantiiert, so dass kein Anlass besteht, das dazu beantragte Sachverständigengutachten einzuholen.
1.2
Da eine zeitliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht substantiiert vorgetragen ist und damit Unterhaltsansprüche aus § 1572 BGB ausscheiden, kann die Antragsgegnerin nur Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB beanspruchen.
2. Höhe des Anspruchs:
2.1
Auch in zweiter Instanz ist unstreitig geblieben, dass von einem anrechenbaren Einkommen des Antragstellers von 2.459,- € auszugehen ist.
2.2
Auf Seiten der Antragsgegnerin ist nicht von ihrem tatsächlichen Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, sondern von einem fiktiven Einkommen auszugehen.
a)
Für 2004 hat die Antragsgegnerin einen durchschnittlichen Monatsertrag von 556,- € belegt (6.677,00 € : 12 Monate = 556,42 €). Nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungskosten von durchschnittlich 336,35 € sind ihr monatlich nur 220,- € verblieben.
Im Jahre 2005 soll trotz eines um 2.400,- € gestiegenen Umsatzes der Gewinn auf 3.542,10 € zurückgegangen sein, so dass er nicht einmal ausgereicht hat, um die Kosten der Krankenversicherung zu decken.
b)
Auch wenn der Betrieb des Fingernagelstudios eheprägend war, hält der Senat angesichts der seit Jahren gleichbleibend schlechten Erträge für unterhaltsrechtlich vorwerfbar, dass sie sich nach Einstellung der Unterhaltszahlungen durch den Antragsteller ab Mai 2005 nicht intensiv um eine besser bezahlte abhängige Erwerbstätigkeit bemüht hat, denn ab diesem Zeitpunkt war klar, dass sie ihren Unterhalt künftig so weit wie möglich selber decken musste. Da Chancenlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt nur durch eine ausreichende Anzahl vergeblicher Bewerbungsbemühungen zu belegen ist, die Antragsgegnerin aber keinerlei Bemühungen um eine andere Arbeitsstelle darlegt, ist davon auszugehen, dass sie bis zum Eintritt der Rechtskraft der Scheidung am 07.04.2006 eine ihren Fähigkeiten entsprechende Stelle hätte finden können. Sie muss sich deshalb den daraus möglichen Verdienst fiktiv zurechnen lassen.
Nach der Auskunft über ihre Rentenanwartschaften hat sie zwar eine Ausbildung absolviert, danach aber nur vom 01.07.85 bis zum 23.10.87 und vom 06.03.89 bis 31.03.92 gearbeitet. Im Anschluss war sie bis zur Aufnahme ihrer selbständigen Tätigkeit durchgehend arbeitslos. Da ihr also hinreichende Berufspraxis fehlt und sie zudem unter den bescheinigten gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Rückenprobleme und eine Kraftminderung im Arm) leidet, ist davon auszugehen, dass sie monatlich keinesfalls mehr als 10,00 € verdienen kann. Auf der Basis einer monatlichen Arbeitszeit von 168 Stunden ergäbe sich dann ein Bruttolohn von 1.680,- €. Davon würden netto übrig bleiben:
Bruttolohn | 1.680,00 € |
./. Lohnsteuern | 175,33 € |
./. SoliZ | 9,64 € |
./. RV-Beitrag | 175,33 € |
./. KV-Beitrag (Beitragssatz 13,5 % + 0,9 %) | 127,52 € |
./. PV-Beitrag | 18,48 € |
./. AV-Beitrag | 54,60 € |
Nettoverdienst | 1.129,63 € |
2.3
Werden der Antragsgegnerin fiktiv rund 1.130,- € zugerechnet, ergibt sich folgender Anspruch auf Aufstockungsunterhalt:
durchschnittliches Nettoeinkommen des Antragstellers | 2.539,00 € |
./. Fahrtkosten | 80,00 € |
verbleiben | 2.459,00 € |
./. Einkünfte der Antragsgegnerin | 1.130,00 € |
Differenz | 1.329,00 € |
davon 3/7 | 569,57 € |
3. Verwirkung:
3.1
Eine Verwirkung gemäß § 1579 Ziffer 2 BGB wegen versuchten Prozessbetrugs durch Verschweigen der Lebensgemeinschaft mit Herrn L kommt entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht in Betracht. Da dieser, wie er selber einräumt, von der Beziehung seiner Ehefrau zu Herrn L wusste, konnte sie ihm die Entscheidung überlassen, diese Streitfrage in den Prozess einzuführen oder nicht. Vor diesem Hintergrund sind ihre die Wahrheit verschleiernden Angaben im Termin vor dem Amtsgericht am 24.05.05 ohne Bedeutung, denn im Unterhaltsprozess bestimmen die Parteien den Stoff, mit dem sich das Gericht befassen soll. Solange der Einwand der Verwirkung nicht erhoben war, waren für das Gericht die Einzelheiten des Zusammenlebens der Antragsgegnerin mit Herrn L ohne Bedeutung.
Nachdem der Einwand der Verwirkung erhoben war, hat sie das Wohnen bei Herrn L nicht mehr in Abrede und nur im Rahmen berechtigter Wahrnehmung ihrer Interessen zur Überprüfung gestellt, ob es sich um eine eheersetzende Gemeinschaft handele. Auch insoweit liegt also kein versuchter Prozessbetrug vor.
3.2 Verwirkung gemäß § 1579 Ziffer 7 BGB:
Das Amtsgericht hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme angenommen, dass die Antragsgegnerin mit dem Zeugen L in einer inzwischen verfestigten eheähnlichen Lebensgemeinschaft verbunden sei und daher nacheheliche Unterhaltsansprüche ausschieden. Gegen diese Beweiswürdigung hat die Berufung zwar bedenkenswerte Einwendungen erhoben, so dass der Senat eine Wiederholung der Beweisaufnahme für erforderlich gehalten hat, auch die erneute Vernehmung des Zeugen hat aber die Annahmen des Amtsgerichts bestätigt (dazu Abschnitt a). Andere als die vom Amtsgericht angenommenen Rechtsfolgen ergeben sich aber daraus, dass sich die Antragsgegnerin und der Zeuge inzwischen getrennt haben (dazu Abschnitt b), so dass der (verwirkte) Unterhaltsanspruch wieder auflebt (dazu Abschnitt c).
a)
Wenn die Antragsgegnerin im Termin am 02.09.05 spontan erklärt hat, das Verhältnis zu Herrn L sei "wie zu meinem Ehemann früher, wie (zwischen) Bruder und Schwester", so zeigt das zwar eine unsichere Bindung, die auch in der Aussage des Zeugen L zum Ausdruck gekommen ist, gleichwohl ergibt sich aus der Gesamtwürdigung aller Umstände, dass beide mehr als drei Jahre in ehegleicher Solidarität zusammengelebt haben. Genau das hat der Zeuge L bei seiner erneuten Vernehmung vor dem Senat noch einmal ausdrücklich bestätigt: er hat die Antragsgegnerin in seinen Haushalt aufgenommen und sie dort mit versorgt, weil er auf den Aufbau einer stabilen Beziehung hoffte und trotz von Anfang an bestehender Schwierigkeiten die Hoffnung darauf nicht aufgeben wollte. Deshalb hat er sich auch mit geringen finanziellen Beiträgen seiner Freundin zum gemeinsamen Lebensunterhalt begnügt.
Das Bestehen einer solchen ehegleichen Wirtschaftsgemeinschaft hat auch der die Antragsgegnerin vertretende Rechtsanwalt B im Termin am 02.09.2005 ausdrücklich bestätigt. Der Versuch, das im nachfolgenden Schriftsatz vom 16.09.2005 zu einer bloßen Wohngemeinschaft zu relativieren, ist als Widerruf dieses Geständnisses gemäß § 290 ZPO ungeeignet. Auch die ergänzenden Ausführungen von Rechtsanwalt B in seiner Stellungnahme vom 12.05.2006 sind nur der Versuch, unstreitige Fakten anders zu werten, zeigen aber nicht, dass das Anerkenntnis auf einem Irrtum beruht hat, welcher einen Widerruf rechtfertigen könnte. Nachdem die Lebens- und Wirtschaftgemeinschaft zwischen der Antragsgegnerin und dem Zeugen im September 2004 bereits drei Jahre andauerte, ohne beendet worden zu sein, war sie so verfestigt, dass der Antragsteller die weitere Zahlung von Trennungsunterhalt gemäß den §§ 1361 Abs. 3, 1579 Ziffer 7 BGB als unzumutbar ablehnen konnte, wie er das ab Juni 2005 auch gemacht hat.
b)
Nach dem Ergebnis der ergänzenden Beweisaufnahme vor dem Senat ist die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft aber einvernehmlich aufgehoben worden, noch bevor die Scheidung rechtskräftig geworden ist. Der Zeuge L hat bestätigt, dass die Antragstellerin am 18.02.2006 mit dem Großteil ihrer Sachen in die bereits seit Juli 2005 angemietete, inzwischen ausreichend möblierte Wohnung in der Ahornstraße in Unna umgezogen ist.
Die Beendigung der Lebensgemeinschaft hat der Zeuge glaubhaft damit erklärt, dass er die über viele Jahre gehegte Hoffnung, mit der Antragstellerin doch noch eine stabile Basis für ein dauerhaftes Zusammenleben finden zu können, schließlich aufgegeben und zum Zweck eines Neuanfangs ihren Auszug verlangt habe. Seine Schilderungen der emotionalen Schwierigkeiten in der Beziehung erscheinen so spontan und lebensnah, dass der Senat - anders als das Amtsgericht - an der Glaubwürdigkeit des Zeugen keine Zweifel hegt.
Zweifel an der Beendigung der Lebensgemeinschaft ergeben sich auch nicht aus dem Einwand des Antragstellers, dass das Auto der Antragsgegnerin praktisch nie vor ihrer neuen Wohnung zu finden sei. Sie hat diesen Umstand nachvollziehbar damit erklärt, dass sie ihren PKW nach Beschädigungen sicherer auf dem 3 Fußminuten entfernten Hof von Bekannten parke.
c)
Ist der Anspruch auf Trennungsunterhalt wegen Bestehens einer verfestigten Lebensgemeinschaft verwirkt, gilt das grundsätzlich ebenso für die mit Rechtskraft der Scheidung entstehenden Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt, denn trotz dogmatisch strenger Trennung haben beide Ansprüche ihre Grundlage in der fortwirkenden Verpflichtung zu ehelicher Solidarität, die mit der Begründung einer neuen langdauernden Beziehung nicht mehr eingefordert werden kann. Gleichwohl kann die Beendigung der Beziehung nicht unbeachtet bleiben.
Nach der Rechtsprechung des BGH muss der einmal gemäß § 1579 Ziffer 7 eingetretene Ausschluss von Ehegattenunterhalt nicht notwendig endgültig sein. Vielmehr ist bei einer Beendigung des Verhältnisses, auf Grund dessen der Anspruch verwirkt war, zu prüfen, ob die aus einer wieder auflebenden Unterhaltspflicht erwachsende Belastung für den Verpflichteten weiterhin die Zumutbarkeitsgrenze überschreitet (BGH FamRZ 87, S. 689, 690).
Wesentliche Bedeutung kommt dabei zum einen dem Zeitfaktor zu, sowohl der Ehedauer als auch der Dauer des Verhältnisses, das die weitere Unterhaltsgewährung als unzumutbar hat erscheinen lassen, zum anderen der Frage, inwieweit sich der Unterhaltspflichtige auf den Wegfall der Unterhaltsverpflichtung eingestellt hat und einstellen durfte.
Zieht man in Betracht, dass sich die ersten Auflösungserscheinungen der Lebensgemeinschaft praktisch unmittelbar im Anschluss an deren zeitliche Verfestigung gezeigt haben und dass sich der Antragsgegner bisher nicht auf den gänzlichen Wegfall der Unterhaltspflicht eingerichtet hat, so erscheint trotz der relativ kurzen Ehedauer nicht unzumutbar, ein Wiederaufleben der Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt anzunehmen.
Jedoch führt die nach der bereits zitierten Entscheidung des BGB erforderliche Billigkeitsabwägung dazu, den Unterhaltsanspruch auf die Höhe von 410,- € zu begrenzen, auf die sich die Antragsgegnerin während der langen Trennungsphase eingelassen hat und womit sie einschließlich ihres eigenen Verdienstes ausgekommen ist. Auf diese Belastung hat sich auch der Antragsteller viele Jahre eingestellt und seine Ausgaben entsprechend eingerichtet, so dass die Fortdauer der Zahlungsverpflichtung auch für ihn tragbar ist.
4. Zeitliche Begrenzung des Unterhalts:
Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt ist gemäß § 1573 Abs. 5 BGB zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Anspruch im Hinblick auf die Ehedauer sowie die Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit unbillig wäre. Je weniger der Unterhaltsberechtigte durch die Ehe berufliche Nachteile erlitten hat, desto eher kann er auch darauf verwiesen werden, nach einer Übergangsfrist für die Umstellung auf einen neuen Lebenszuschnitt mit dem auszukommen, was er sich selber erarbeiten kann. Die Voraussetzungen für eine solche Begrenzung liegen hier vor.
a)
Ehedauer gemäß § 1573 Abs. 5 BGB meint die Zeit von der Eheschließung am 21.08.1996 bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens, die am 27.12.2004 eingetreten ist. Also ergibt sich eine Ehedauer von 8 Jahren und 4 Monaten, die innerhalb des Bereichs liegt, in dem nach ständiger Rechtsprechung eine zeitliche Begrenzung der Unterhaltspflicht in Betracht zu ziehen ist.
b)
Berufliche Nachteile hat die bei der Eheschließung arbeitslose Antragsgegnerin durch die Ehe nicht erlitten, sondern im Gegenteil bereits 1997 die Chance erhalten, beruflich neu anzufangen und sich mit einem Fingernagelstudio selbständig zu machen.
Die dem Berechtigten zu gewährende Übergangsfrist hängt nicht schematisch von der Ehedauer ab, doch ist diese der je nach den Umständen auszufüllende Rahmen dafür. Die Übergangsfrist der Dauer der Ehe anzunähern (so OLG Hamm, OLGR Hamm 2004, S. 340, 342) oder auf die Hälfte der Ehezeit zu begrenzen (so BGH, FamRZ 1990, S. 857), erscheint angesichts der hier maßgeblichen besonderen Umstände als nicht gerechtfertigt. Vielmehr hält der Senat unter besonderer Berücksichtigung der bereits einmal eingetretenen Verwirkung für angemessen, wenn der Antragsteller ab Rechtskraft der Scheidung nur noch bis Ende 2008 und damit für 2 Jahre und 9 Monate Unterhalt zahlt (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2003, S. 1839: Begrenzung auf 3 Jahre bei einer Ehedauer von 7 Jahren und 8 Monaten).
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97, 93 a ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Ziffer 10 ZPO.
Ende der Entscheidung
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