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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 11.08.2006
Aktenzeichen: 11 UF 25/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1577 Abs. 3
BGB § 1602 Abs. 2
BGB § 1603 Abs. 2 Satz 3
BGB § 1612 a
BGB § 1612 b Abs. 5
1.)

Bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere wenn das Existenzminimum von 135% des Regelbetrages nicht erreicht ist, kann das Kind mit der Abänderungsklage auch dann Erhöhung des titulierten Unterhalts verlangen, wenn die Wesentlichkeitsgrenze von 10% nicht erreicht ist.

2.)

Grundsätzlich ist das volljährige Kind verpflichtet, seinen Vermögensstamm im Rahmen des Zumutbaren zu verwerten, bevor es seine Eltern auf Unterhalt in Anspruch nimmt.

Hier: Zumutbarkeit gegeben. Kind verfügt über ein Sparvermögen von rund 15.000 Euro. Für Unterhalt werden in den nächsten zwei Jahren rund 4.000 Euro benötigt.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 UF 25/06 OLG Hamm

Verkündet am 11. August 2006

In der Familiensache

hat der 11. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zumdick und die Richter am Oberlandesgericht Michaelis de Vasconcellos und Jöhren

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 16. Dezember 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Ahlen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Das durch Zustellung am 19./21.04.2005 verkündete Versäumnisurteil des Amtsgericht Ahlen wird aufrecht erhalten, soweit der Beklagte unter Abänderung des Anerkenntnisurteils des Amtsgerichts Ahlen vom 1.06.1999 - Az. 12 F 18/99 AG Ahlen - verurteilt worden ist, wie folgt Unterhalt an die Kläger zu zahlen:

1. an den Kläger zu 1):

- für die Zeit von August 2004 bis Dezember 2004 monatlich 266,- €;

- für die Zeit von Januar 2005 bis Juni 2005 monatlich 262,- €;

- für die Zeit vom 01.07.2005 bis zum 13.08.2005 monatlich 271,- €;

2. an die Klägerin zu 2):

- für die Zeit von August 2004 bis Dezember 2004 monatlich 260,- €;

- für die Zeit von Januar 2005 bis Juni 2005 monatlich 261,- €;

- ab Juli 2005 monatlich 270,- €.

Die weitergehende Abänderungsklage wird unter Aufhebung des am 19./21.04.2005 verkündeten Versäumnisurteils abgewiesen, ebenso die Leistungsklage des Klägers zu 1) für die Zeit ab dem 14.08.2005.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten der 1. Instanz werden wie folgt verteilt:

Von den Gerichtskosten tragen: der Beklagte 25 %, der Kläger zu 1) 60 % und die Klägerin zu 2) 15 %.

Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten werden dem Kläger zu 1) zu 60 % und der Klägerin zu 2) zu 15 % auferlegt.

Der Beklagte hat 62 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) und 4 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) zu tragen. Im übrigen trägt jeder seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 1) zu 74 % und die Klägerin zu 2) zu 26 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Kläger sind die Kinder des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe. Im vorliegenden Verfahren geht es um die Abänderung des durch Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Ahlen vom 11.06.1999 titulierten Unterhalts. Im Einzelnen liegt Folgendes zu Grunde:

Die Klägerin zu 2) ist am 03.04.1992 geboren, der Kläger zu 1) am 14.08.1987 und damit seit dem 14.08.2005 volljährig. Der Beklagte, der als angestellter Versicherungsvertreter für die Debeka arbeitet und ein Grundgehalt sowie Provisionen bezieht, hat sich durch Anerkenntnisurteil vom 11.06.1999 verpflichtet, an seine Kinder ab Juli 1999 wie folgt Unterhalt zu zahlen:

- an den Kläger zu 1) mtl. 493,- DM (Einkommensgruppe 4, Altersstufe 3 der ab dem 01.07.99 gültigen Tabelle: 618,- DM ./. 125,- DM Kindergeldanteil)

- an die Klägerin zu 2) mtl. 389,- DM (Einkommensgruppe 4, Altersstufe 2 der bis zum 30.06.09 gültigen Tabelle: 514,- DM ./. 125,- DM).

Im vorliegenden Verfahren haben die Kläger geltend gemacht, der Beklagte verfüge über ein um berufsbedingte Kosten bereinigtes Nettoeinkommen von 1.696,- €. Damit falle er in Einkommensgruppe 3 und schulde wegen des Aufrückens der Klägerin zu 2) in die dritte Altersstufe und wegen der Anhebung der Tabellenbeträge höheren als den bisher titulierten Unterhalt.

Sie haben beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie ab August 2004 Kindesunterhalt in Höhe von jeweils 114 % des jeweiligen Regelbetrages der dritten Altersstufe abzüglich des anteiligen Kindergeldes zahlen, soweit dieses zusammen mit dem Unterhalt 135 % des Regelbetrages übersteige.

Gemäß diesem Antrag hat das Amtsgericht am 11.04.2005 im schriftlichen Verfahren ein Versäumnisurteil erlassen, das den Parteien am 19. bzw. 21.04.2005 zugestellt worden ist. Dagegen hat der Beklagte rechtzeitig Einspruch eingelegt. Nachdem das Amtsgericht darauf hingewiesen hatte, dass die Zahlungspflicht des Beklagten gegenüber dem Kläger zu 1) auf Grund der durch das Versäumnisurteil vorgenommenen Abänderung mit Eintritt der Volljährigkeit am 14.08.2005 ende, hat dieser geltend gemacht, der Beklagte sei auch danach weiterhin allein unterhaltspflichtig. Er besuche bis Juli 2006 eine allgemeinbildende Schule. Zwar sei sein Bedarf ab Volljährigkeit grundsätzlich aus den zusammengerechneten Einkünften beider Eltern zu entnehmen, seine Mutter, die selbständig einen Friseursalon betreibe, verfüge aber nur über ein anrechenbares Einkommen von 405,- € pro Monat und sei demnach nicht leistungsfähig. Also bemesse sich sein Bedarf allein nach den Einkünften des Beklagten und betrage 406,- € ./. 154,- € Kindergeld.

Die Kläger haben - der Kläger zu 1) unter Rücknahme eines zunächst weitergehenden ergänzenden Antrags - beantragt,

a) das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten,

b) den Beklagten ergänzend zu verurteilen, an den Kläger zu 1) ab dem 14.08.2005 monatlich 252,- € zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

a) die Abänderungsklage unter Aufhebung des Versäumnisurteils abzuweisen,

b) auch die ergänzende Klage des Klägers zu 1) abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, er habe als Versicherungsvertreter jährlich mehr als 40.000 km zu fahren. Hierdurch entstünden sehr viel höhere Werbungskosten als der Betrag von monatlich 620,- €, den die Kläger bei der Ermittlung seines anrechenbaren Einkommens zu Grunde gelegt hätten. Er könne daher nicht mehr als den bereits titulierten Unterhalt zahlen.

Das Amtsgericht hat ein anrechenbares Einkommen des Beklagten in Höhe von monatlich 1.812,78 € ermittelt, das Einkommensgruppe 4 entspricht. Es hat demnach das Versäumnisurteil aufrechterhalten und den Beklagten zusätzlich verurteilt, ab dem 14.08.2005 an den Kläger zu 1) monatlich 252,- € zu zahlen (406,- € nach Einkommensgruppe 4, Altersstufe 4 ./. 154,- € Kindergeld).

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er gesteht zu, ein Einkommen nach Einkommensgruppe 3 zu erzielen. Er rügt, dass die Kläger in erster Instanz die Einkünfte aus ihrem Kapitalvermögen von jeweils rund 15.000,- € nicht beziffert und auf ihren Bedarf angerechnet haben. Es sei von Zinseinkünften in Höhe von monatlich mindestens 40,- € auszugehen. Um diesen Betrag seien die für die Klägerin zu 2) titulierten höheren Unterhaltsbeträge zu reduzieren. Rechne man diese Zinseinkünfte auf den Anspruch des Klägers zu 1) an, so ergebe sich, dass er nicht mehr als die bereits titulierten 252,- € verlangen könne. Insoweit sei die Abänderungsklage unbegründet.

Ab dem Zeitpunkt der Volljährigkeit entfalle gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 3 seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kläger zu 1) ganz, weil sich dieser aus dem Stamm seines Vermögens selbst unterhalten müsse. Insoweit sei die ergänzende Leistungsklage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

a) das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Ahlen aufzuheben und die Abänderungsklage insoweit abzuweisen, als er verurteilt worden ist, an die Kläger mehr als monatlich 260,- € zu zahlen,

b) die Klage des Klägers zu 1) auf Zahlung von Unterhalt ab dem 14.08.2005 vollständig abzuweisen,

c) hilfsweise das Urteil des Amtsgerichts Ahlen vom 11.06.1999 dahingehend abzuändern, dass er dem Kläger zu 1) ab dem 14.08.2005 keinen Unterhalt mehr schulde.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das Urteil des Amtsgerichts. Sie machen geltend, die aus ihrem Kapitalvermögen fließenden geringen Einkünfte seien ebenso wie geringe Einkünfte aus Aushilfstätigkeiten zur Aufbesserung des Taschengelds nicht anzurechnen. Der Kläger zu 1) trägt weiter vor, das ihm gehörende Vermögen sei angespart worden, um ihm später den Start in die Selbständigkeit oder ins Berufsleben zu ermöglichen, nicht, um den Beklagten von Unterhaltszahlungen zu entlasten. Der Vermögensstamm sei daher nicht anzugreifen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und hat ganz überwiegend Erfolg.

1. Die Zulässigkeit der Abänderungsklage ergibt sich aus der zweifachen Anhebung der Tabellenbeträge seit 1999 (zum 01.07.2001 und 01.07.2003), aus dem Aufrücken der Klägerin zu 2) in die nächste Altersstufe und aus der Änderung der Bestimmungen zur Anrechnung des Kindergelds.

2. Begründetheit der Abänderungsklage der Klägerin zu 2):

a)

Tituliert sind monatlich 389,- DM = 198,89 €, während die Klägerin zu 2) Unterhalt nach Einkommensgruppe 3 in folgender Höhe beanspruchen kann:

08/04 bis 6/05: 324,- € ./. 17,- € anrechenbares Kindergeld = 307,- €

ab 07/05: 332,- € ./. 16,- € anrechenbares Kindergeld = 316,- €

Der Beklagte hat zugestanden, dass die Einordnung in Einkommensgruppe 3 zutreffend ist.

b)

Die Berufung rügt zu Recht, dass in erster Instanz unterblieben ist, die Einkünfte aus dem im Rahmen der PKH-Prüfung offengelegten Kapitalvermögen zu klären und in die Berechnung einzubeziehen.

Die Regeln für die Anrechnung sind im Gesetz klar festgelegt: Nach § 1602 Abs. 2 BGB kann ein minderjähriges unverheiratetes Kind nur insoweit Unterhalt verlangen, als die Einkünfte aus seinem Vermögens zur Deckung seines Lebensbedarfs nicht ausreichen. Daraus ergibt sich zum einen, dass der Vermögensstamm nicht einzusetzen ist, zum anderen, dass solche Einkünfte, anders als solche aus Schülerarbeit, die in der Regel als überobligatorisch unberücksichtigt bleiben, entgegen der in der Berufungserwiderung vertretenen Auffassung den Bedarf vermindern.

Nach den vorgelegten Zinsbescheinigungen haben die Einkünfte der Klägerin zu 2) im Jahr 2004 564,46 € betragen, monatlich also 47,04 €, im Jahr 2005 557,41 €, monatlich also 46,45 €.

Die Zinseinkünfte im Jahr 2005 sind für das Jahr 20006 fortzuschreiben, obwohl die Klägerin zu 2) für die Abänderungsklage keine Prozesskostenhilfe bekommen hat und dem gemäß die von ihr zu tragenden Prozesskosten aus ihrem Kapitalvermögen aufbringen muss, wodurch sich die Zinserträge in gewissem Umfang verringern werden. Da aber weder die Höhe der Prozesskosten feststeht noch die Anlagekonditionen bekannt sind, lässt sich die Verringerung auch nicht prognostizieren.

Rechnet man die vorgenannten Zinseinkünfte auf die oben errechneten Unterhaltsansprüche an, so ergeben sich folgende Zahlbeträge:

08/04 - 12/04: 307,- € ./. 47,04 € = 259,96 € gerundet 260,00 €

01/05 - 06/05: 307,- € ./. 46,45 € = 260,55 € gerundet 261,00 €

ab 07/05: 316,- € ./. 46,45 € = 269,55 € gerundet 270,00 €

c)

Wegen der Anrechnung der Zinsen kann der Unterhalt für die Zukunft nicht mehr als Vomhundertsatz des jeweiligen Regelbetrages tituliert werden. Nach der gesetzlichen Regelung gemäß § 1612 a BGB ist der individuell bestimmte Bedarf als Vomhundertsatz des im Zeitpunkt der Entscheidung gültigen Regelsatzes auszudrücken. Würde man aber die Zinserträge schon auf den Tabellenbetrag anrechnen (324,- € ./. 45,- € = 279,- €) und den verbleibenden Betrag als Vomhundertsatz des Regelbetrages (98,2 %) bestimmen, so wäre dann nach § 1612 b Abs. 5 BGB kein Kindergeld mehr anzurechnen, so dass sich im Ergebnis ein zu hoher Zahlbetrag ergäbe. Um das zu vermeiden, müsste auch der anzurechnende Zinsbetrag in den Tenor aufgenommen werden, was aber im Gesetz nicht vorgesehen ist. Also muss es bei einer statischen Titulierung bleiben.

3. Abänderungsklage des Klägers zu 1):

3.1 Ansprüche des Klägers zu 1) bis zum 13.08.2005:

Das Amtsgericht hat den ursprünglichen Antrag des Klägers zu 1) dahin ausgelegt, dass sein Unterhalt unter Wegfall der bisherigen statischen Titulierung gemäß § 1612 a BGB als Vomhundertsatz des Regelbetrags der 3. Altersstufe festgelegt und damit auch bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs begrenzt werden solle. Dieser Auslegung ist der Kläger zu 1) nicht entgegen getreten. Es bleibt deshalb dabei.

3.2

Bis zur Volljährigkeit, die der Kläger zu 1) am 14.08.2005 erreicht hat, verlangt auch er - wie die Klägerin zu 2) - Unterhalt nach Einkommensgruppe 3 in Höhe von 307,-€ von 8/04 bis 6/05 und in Höhe von 316,- € vom 01.07.05 bis 13.08.05. Darauf sind - wie bei der Klägerin zu 2) - die von ihm erzielten Zinserträge anzurechnen: 495,08 € im Jahr 2004, monatlich also 41,25 €, und 540,05 € im Jahr 2005, monatlich also 45,- €. Also ergeben sich folgende Zahlbeträge:

08/04 - 12/04: 307,- € ./. 41,25 € = 265,75 € gerundet: 266,00 €

01/05 - 06/05: 307,- € ./. 45,00 € = 262,00 €

01.07. - 14.08.05: 316,- € ./. 45,00 € = 271,00 €

b)

Dass die errechnete Erhöhung gegenüber den ursprünglich titulierten 493,- DM = 252,07 € allenfalls 7,5 % beträgt und damit unter der in Rechtsprechung und Schrifttum weithin geforderten Wesentlichkeitsgrenze von 10 % liegt (vgl. hierzu nur Wendl/Staudigl/Thalmann, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 8 Rz. 158), steht einer Anpassung der Unterhaltsbeträge nicht entgegen. Dieser Grenzwert kann keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben und insbesondere dann nicht gelten, wenn beengte wirtschaftliche Verhältnisse vorliegen, weil das Kind weniger als das Existenzminimum von 135 % des Regelbetrages beanspruchen kann, wie es hier der Fall ist (Wendl/Staudigl/Thalmann, a. a. O.; OLG Düsseldorf, FamRZ 1993, 1103 f.; OLG Stuttgart, FamRZ 2000, 377; OLG Hamm (Senat), FamRZ 2004, 1885).

4. Leistungsklage des Klägers zu 1) für die Zeit ab dem 14.08.2005:

4.1

Der Kläger zu 1) verteidigt die Berechnung des Amtsgerichts, wonach der Beklagte ein in Einkommensgruppe 4 einzuordnendes Einkommen von 1.812,78 € erzielt und ab dem Zeitpunkt der Volljährigkeit monatlich noch 252,- € beanspruchen kann. Ob dieser Berechnung zu folgen oder nur von dem Bedarf auszugehen ist, der sich nach der vom Beklagten zugestandenen Einkommensgruppe 3 ergibt, kann aus den nachfolgend darzustellenden Gründen dahinstehen. Der Senat geht daher im Folgenden zu Gunsten des Klägers von einem Bedarf in Höhe von 252,- € aus.

4.2

Der Einwand der Berufung, dass der Kläger zu 1) den ab dem 14.08.2005 bestehenden Bedarf von 252,- € aus seinem Kapitalvermögen von 15.169,- € selber decken muss, ist zutreffend.

a)

Schon ein minderjähriges Kind muss gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB den Stamm seines Vermögens zur Bedarfsdeckung einsetzen, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil Unterhalt nur unter Gefährdung seines eigenen angemessenen Bedarfs leisten könnte.

b)

Im übrigen ergibt sich nach einhelliger Meinung im Umkehrschluss aus § 1602 Abs. 2 BGB, dass ein volljähriges Kind grundsätzlich verpflichtet ist, vorrangig seinen Vermögensstamm zu verwerten, bevor es seine Eltern auf Unterhalt in Anspruch nimmt (Wendl/Staudigl, 6. Auflage, § 2, Rdnr. 107; BGH FamRZ 1998, S. 367 ff.). Zwar können für die Frage des Vermögenseinsatzes Billigkeitserwägungen nicht ganz außer Betracht bleiben, auch wenn es beim Verwandtenunterhalt keine allgemeine Billigkeitsgrenze für die Verwertung des Vermögens wie beim Ehegattenunterhalt in § 1577 Abs. 3 BGB gibt. Die Grenze der Unzumutbarkeit, die vom BGH (FamRZ 1998, S. 367 ff.) entsprechend dem Begriff der groben Unbilligkeit enger als bei § 1577 Abs. 3 BGB gezogen wird, ist hier aber nicht erreicht. Vielmehr haben die Erörterungen im Senatstermin dazu Folgendes ergeben:

aa)

Abreden der Eltern zum Sparzweck stehen dem Verwertungsverlangen nicht entgegen. Der Kläger zu 1) hat zwar geltend gemacht, das fragliche Vermögen sei für den Start ins Berufsleben oder den Fall des Auszugs aus dem Elternhaus angespart worden, was die Mutter im Termin bestätigt hat: nach ihrem Empfinden werde das Geld den Kindern weggenommen, wenn der Verbrauch für den Lebensunterhalt gefordert werde. Der Beklagte ist dieser Darstellung aber entgegen getreten und hat geltend gemacht, das nach und nach für die Kinder angesparte Vermögen habe eine Ausbildungsversicherung ersetzen sollen. Da er in Folge von Arbeitslosigkeit mit den Unterhaltszahlungen in Rückstand gekommen sei, brauche er jetzt dringend die Entlastung durch den Vermögenseinsatz für die weitere Ausbildung.

Folglich lässt sich nicht feststellen, dass das Vermögen allein für persönliche Zwecke und nicht zur Finanzierung der Ausbildung eingesetzt werden sollte. Es erscheint daher auch nicht grob unbillig, den Einsatz für die Ausbildung zu verlangen, nachdem sich die wirtschaftlichen Verhältnisse, die die Ansparung ermöglicht haben, durch die Trennung des Beklagten von seiner Ehefrau deutlich verschlechtert haben. Das gilt insbesondere, weil feststeht, dass der Kläger nach dem Abschluss der höheren Handelsschule nicht studieren, sondern eine Ausbildung zum Friseur machen wird, weshalb er sein Vermögen auch nur teilweise für seinen Lebensunterhalt während der Ausbildung einsetzen muss.

Er wird ab dem zweiten Lehrjahr eine Ausbildungsvergütung von brutto 437,- € beziehen. Zieht man Sozialversicherungsabgaben von rund 21 % und ausbildungsbedingte Mehrkosten von 85,- € ab, so bleiben ihm rund 260,- €, die den offenen Bedarf von 252,- € decken, so dass ein Vermögenseinsatz nur für die Zeit davor erforderlich ist.

Während für die Zeit vom 14.08.2005 bis zum 31.08.2006 monatlich 252,- € einzusetzen sind, sinkt der Bedarf mit dem Beginn der Lehre. Im ersten Lehrjahr bezieht der Kläger bereits einen Bruttolohn von 323,- €, so dass ihm nach Abzug der Kostenpauschale von 85,- € und der Sozialabgaben von etwa 21 % rund 170y- € verbleiben werden. Pro Monat ergibt das eine Bedarfslücke von 82,- € (252,- € ./. 170,- €). Also wird er ab dem 14.08.2005 insgesamt folgende Beträge aus seinem Vermögen einzusetzen haben:

14.08.05 bis 31.08.06 (12,5 * 252,- €) 3.150,- €

01.09.06 bis 31.08.07 (12 * 82,- €) 984.- €

zusammen 4.134,- €

Da er nach der vorgelegten Bescheinigung am 11.05.2005 insgesamt über einen Sparbetrag von 15.169,04 € verfügt hat, wird ihm nur ein Verbrauch von etwa 27 % seines Vermögens zugemutet. Das ist maßvoll und begründet keine grobe Unbilligkeit.

bb)

Welche Schonbeträge dem Unterhaltsberechtigten für Fälle plötzlich auftretenden Sonderbedarfs zu belassen sind, hat der BGH offen gelassen und dafür in seiner bereits zitierten Entscheidung (FamRZ 1998, S. 369) nur einen Rahmen zwischen 2.500,- DM und 8.000,- DM genannt. Dieser Rahmen für das Schonvermögen ist bei weitem nicht tangiert, wenn dem Kläger der Einsatz von rund 4.131,- € zugemutet wird.

cc)

Also beruft sich der Beklagte zu Recht darauf, dass der Kläger zu 1) ab dem Zeitpunkt der Volljährigkeit seinen Bedarf selber decken muss, so dass die ab diesem Zeitpunkt erhobene Leistungsklage insgesamt unbegründet ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs. 1 und 2, 97, 100, 269 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Ziffer 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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