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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 17.07.2007
Aktenzeichen: 11 UF 41/07
Rechtsgebiete: VAHRG, BGB, BetrAVG


Vorschriften:

VAHRG § 3 b Abs. 1 Ziff. 1
VAHRG § 3 b Abs. 1 Ziff. 2
BGB § 1587 a Abs. 1
BGB § 1587 a Abs. 3
BGB § 1587 a Abs. 4
BGB § 1587 b Abs. 1
BetrAVG § 16 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird das am 24. Januar 2007 verkündete Verbundurteil des Amtsgerichts Hamm im Ausspruch zum Versorgungsausgleich (Abschnitt II. des Tenors) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Von dem Versicherungskonto der Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen - Versicherungsnummer ####1 - werden, bezogen auf den 31.03.2006, Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 614,64 € auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund - Versicherungsnummer ####2 - übertragen.

Zum Ausgleich der betrieblichen Altersversorgung des Antragstellers werden von seinem vorgenannten Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen im Wege des Supersplittings weitere Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 49,00 €, wiederum bezogen auf den 31.03.2006, auf das vorgenannte Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragen.

Die Umrechnung der übertragenen Anwartschaften in Entgeltpunkte wird angeordnet.

Wegen des restlichen Ausgleichsanspruchs von monatlich 31,90 € wird der Antragstellerin die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs vorbehalten.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten werden im Verhältnis der Parteien gegeneinander aufgehoben.

Die Kostenentscheidung erster Instanz bleibt bestehen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien haben am 02.03.1968 geheiratet. Nach im Jahr 2002 erfolgter Trennung hat die Antragstellerin im April 2006 Scheidungsklage erhoben, die dem Antragsgegner am 15.04.2006 zugestellt worden ist. Das Amtsgericht Beckum hat die Ehe der Parteien durch das Verbundurteil vom 24.01.2007 geschieden und zugleich den Versorgungsausgleich zu Gunsten der Antragstellerin wie folgt durchgeführt:

laufende Rente des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen 1.623,04 € dem Antragsgegner gezahlte laufende Betriebsrente der Fa Q AG (dynamisiert) 103,30 € zusammen 1.726,34 €

./. Rentenanwartschaft der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund 393,77 €

dynamisierte unverfallbare Anwartschaft der Antragstellerin auf eine Zusatzversorgung der L für Westfalen-Lippe 22,27 €

Differenz 1.310,03 €

1/2 davon als Ausgleichsanspruch 655,02 €

Diesen Anspruch hat das Amtsgericht in Höhe von 614,64 € durch Rentensplitting ausgeglichen und in Höhe der restlichen 40,38 € durch Supersplitting gemäß § 3 b Abs. 1 Ziffer 1 VAHRG.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde und beantragt, den Versorgungsausgleich gemäß den gesetzlichen Vorschriften neu durchzuführen, weil die dem Antragsgegner gezahlte Betriebsrente der Fa. Q AG im Leistungsstadium dynamisch sei, wie noch einzuholende Einkünfte ergeben würden. Sie sei daher mit ihrem Nennwert - ohne Dynamisierung nach der Barwertverordnung - in die Ausgleichsberechnung einzustellen. Dann ergebe sich ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 695,54 €, der in Höhe von 31,90 € durch Beitragszahlung auszugleichen sei.

Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Er macht geltend, die Betriebsrente der Fa. Q AG könne nicht als dynamisch eingestuft werden, da die Anpassungen nicht regelmäßig in Höhe der jährlichen Steigerungen in der Beamtenversorgung bzw. in der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt seien. Für die Zukunft könne daher nicht zweifelfrei mit den gleichen Steigerungsraten wie in den staatlichen Versorgungssystemen gerechnet werden.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat ganz überwiegend Erfolg, weil die Betriebsrente des Antragsgegners als dynamisch zu bewerten und daher mit ihrem Nennwert in die Ausgleichsberechnung einzustellen ist. Das führt zu einem höheren Ausgleichsanspruch, der aber nur teilweise durch Rentensplitting erfüllt werden kann. Im Übrigen ist der Antragstellerin die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs vorzubehalten, weil dem Antragsgegner die Begründung von Rentenanwartschaften durch Beitragszahlung nicht zuzumuten ist. Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen.

1. Berechnung des Ausgleichsanspruchs:

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Antragsgegner in der Ehezeit die höheren Versorgungsanwartschaften erworben hat und die Antragstellerin daher die Hälfte des Wertunterschieds gemäß § 1587 a Abs. 1 BGB als Ausgleich verlangen kann. Hinsichtlich der Höhe der in die Ausgleichsberechnung einzustellenden Anwartschaften besteht Streit nur im Hinblick auf die von der Fa. Q AG an den Antragsgegner gezahlten Betriebsrente. Hierzu gilt:

1.1

Das Amtsgericht ist ohne nähere Prüfung davon ausgegangen, dass die Betriebsrente der Fa. Q weder im Anwartschafts- noch im Leistungsstadium dynamisch und daher gemäß § 1587 a Abs. 3 und 4 BGB nach der Barwertverordnung zu dynamisieren sei, um sie mit den vom Gesetz als volldynamisch angesehenen Anrechten aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar zu machen. Dem ist nicht zu folgen.

a)

Nach der neueren Rechtsprechung des BGH kann eine Versorgung insoweit als volldynamisch anerkannt werden, als sie im Anwartschafts- und/oder Leistungsstadium regelmäßig der allgemeinen Leistungsentwicklung angepasst wird. Dabei ist ein Rechtsanspruch auf Anpassung nicht erforderlich. Entscheidend ist vielmehr, ob der Wert dieses Anrechts tatsächlich in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigt wie derjenige eines Anrechts aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung. Um den volldynamischen Charakter zu bejahen, genügt es, dass der Zuwachs mit diesen Versorgungen Schritt hält (BGH, FamRZ 2004, S. 1474, 1475 für die VBL; OLG Düsseldorf, FamRZ 2005, S. 724 ff. für die Pensionskasse der C3 AG).

Dabei ist zur Beurteilung der künftigen Dynamik nur die durchschnittliche Anpassung in den letzten zehn Jahren zu betrachten und mit den im gleichen Zeitraum erfolgten Anpassungen in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung zu vergleichen, denn im Hinblick auf die in den letzten Jahren in diese Anwartschaften erfolgten Einschnitte ist wenig wahrscheinlich, dass sie demnächst wieder so steigen könnten wie vor dieser Zeit (BGH, a.a.O., S. 1476). Im übrigen sind alle für die Prognose bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen.

b)

Nach der ergänzenden Auskunft der Fa. Q AG hat es in den letzten 10 Jahren folgende Anpassungen der Betriebsrenten im Leistungsstadium gegeben:

Ab 01.01.1996 5,00 %

Ab 01.01.1999 1,80 %

Ab 01.01.2002 4,80 %

Ab 01.01.2005 4,50 %

Gesamterhöhung 17,06 %

Linearer Durchschnitt nach BGH (FamRZ 92, S. 1051) 1,61 %

Demgegenüber hat es in der Beamtenversorgung im selben Zeitraum nur eine durchschnittliche lineare Anpassung von 1,24 % gegeben, in der gesetzlichen Rentenversicherung sogar nur in Höhe von 1,01 % (berechnet nach Gutdeutsch, WinFam). Das rechtfertigt die Bewertung der Betriebsrente als volldynamisch.

Der Einwand des Antragsgegners, dass nicht von einer stetigen Anpassung in Höhe der Steigerungen in der gesetzlichen Rentenversicherung und Beamtenversorgung auszugehen sei, weil die 1999 erfolgte Anpassung deutlich hinter den Vergleichswerten der öffentlich-rechtlichen Versorgungen zurückgeblieben sei, führt zu keiner anderen Beurteilung. Dass die Prüfung einer Anpassung der Betriebsrenten nicht jährlich erfolgt, sondern gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG nur alle drei Jahre, steht der Beurteilung als stetig nicht entgegen. Ob die Anhebung im Drei-Jahres-Rhythmus mit den Steigerungen der vom Gesetz als volldynamisch bewerteten Versorgungen exakt gleich läuft, spielt keine Rolle, denn die Grundlagen der Anpassung sind unterschiedlich. Insbesondere ist bei der Anhebung der Betriebsrenten auch die wirtschaftliche Lage des Arbeitsgebers zu berücksichtigen. Durch die Betrachtung eines Zeitraums von insgesamt 10 Jahre wird aber gewährleistet, das kurzfristige Abweichungen keine Rolle spielen, sondern nur die längerfristige Entwicklung, die für die Betriebsrenten der Fa. Q offenbar deutlich besser verläuft als für die staatlichen Altersversorgungssysteme.

Anhaltspunkte dafür, dass es bei der Fa. Q demnächst betriebliche Notlagen geben könnte, welche einer weiteren kontinuierlichen Steigerung der Betriebsrente zumindest im Umfang der staatlichen Versorgungen entgegenstehen könnten, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Insbesondere kann dies entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht aus einer wirtschaftlichen Notlage der Fa. Q Ende der 80er Jahre geschlossen werden, die zu Entlassungen geführt haben soll, zumal zur Dauer der Krise und zu deren Auswirkungen auf die Betriebsrente nichts vorgetragen ist.

1.2

Bei einer zum Ende der Ehezeit bereits laufenden, im Leistungsstadium als dynamisch zu wertenden Rente erfolgt keine Umrechnung nach der Barwertverordnung. Das ehezeitliche Anrecht ist vielmehr ohne Umrechnung in den Wertausgleich einzubeziehen. Das führt zu folgender Neuberechnung des Ausgleichsanspruchs:

Laufende Rente des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen 1.623,04 €

dem Antragsgegner gezahlte laufende Betriebsrente der Fa Q AG (1/12 von 2.208,84 €) 184,07 €

zusammen 1.807,11 €

./. Rentenanwartschaft der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund 393,77 €

dynamisierte unverfallbare Anwartschaft der Antragstellerin auf eine Zusatzversorgung der L für Westfalen-Lippe 22,27 €

Differenz 1.391,07 €

Davon 1/2 als Ausgleichsanspruch 695,54 €

2. Durchführung des Ausgleichs:

2.1

Primär ist der Ausgleich gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB durch Rentensplitting durchzuführen, das hier in Höhe von (1.623,04 €./. 393,77 €) : 2 = 614,64 € erfolgen kann.

2.2

Der restliche Anspruch von 80,90 € kann durch Supersplitting gemäß § 3 b Abs. 1 Ziffer 1 VAHRG in Höhe von 49,- € erfüllt werden.

2.3

Wegen des dann noch offenen Restbetrages von 31,90 € ist der Antragstellerin der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorzubehalten, denn entgegen der Auffassung der Beschwerde kommt nicht in Betracht, den Antragsgegner gemäß § 3 b Abs. 1 Ziffer 2 VAHRG zum Ausgleich dieses Betrages durch Beitragszahlung in die gesetzliche Rentenversicherung zu verpflichten.

Ob der Verpflichtete zwecks Beitragszahlung seinen Vermögensstamm angreifen muss, hängt von der Höhe und Art seines Vermögens ab.

a)

Die Veräußerung des Familienheims kann in der Regel nicht verlangt werden (OLG Braunschweig, FamRZ 97, S. 616; Palandt, BGB, 66. Auflage, § 3 b VAHGRG, Rdnr. 19). Von dieser Regel abzuweichen, sieht der Senat keinen Anlass.

b)

Der Antragsgegner hat zwar nicht bestritten, neben dem Miteigentumsanteil am Familienheim auch über ein Kapitalvermögen von 32.418,76 € (56.280,14 € ./. 23.861,38 € Schulden) zu verfügen, auch dessen Einsatz ist aber nicht zumutbar. Der Antragsgegner wird nach Durchführung des Versorgungsausgleichs nur noch Rentenansprüche von rund 1.112,- € haben. Er braucht daher das Kapital als Grundlage für Zinseinkünfte und für Notfälle.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 21 GKG, 93 a ZPO.

Ende der Entscheidung

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