Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 24.03.2004
Aktenzeichen: 11 UF 48/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
BGB § 1603 Abs. 2
Lebt der erwerbstätige Unterhaltspflichtige mit einem neuen Partner zusammen, der sich infolge eigener Einkünfte an den Lebenshaltungskosten beteiligen kann, verringert sich sein Selbstbehalt von 840 Euro in Anlehnung an Nr. 21.4.2 / 22.1. der Hammer Leitlinien um 13,5 % auf gerundet 727,00 Euro.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

11 UF 48/04 OLG Hamm

In der Familiensache

Tenor:

Der Antrag des Beklagten vom 27.02.2004 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der am 07.04.1991 geborene Kläger zu 1. und die am 15.07.1993 geborene Klägerin zu 2. sind die Kinder des Beklagten aus seiner geschiedenen Ehe mit der Kindesmutter und gesetzlichen Vertreterin der Kläger, in deren Haushalt sie leben.

Der Beklagte ist gelernter Mauer, seit längerem aber arbeitslos. Er hat bis Oktober 2003 auf der Grundlage eines Bewilligungsbescheides vom 18.01.2003 Arbeitslosenhilfe bezogen, die Leistungen sind anschließend nach am 17.10.2003 erfolgter Wiederverheiratung des Beklagten im Hinblick auf die Einkünfte seiner Ehefrau aus einer teilschichtigen Erwerbstätigkeit als Krankenschwester mit Wirkung zum 01.11.2003 eingestellt worden. Im Haushalt des Beklagten und seiner Ehefrau lebt weiterhin auch deren im Dezember 1985 geborene Tochter, die sich noch in der Schulausbildung befindet und über kein eigenes Einkommen verfügt.

Mit ihrer Klage nehmen die Kläger den Beklagten nach vorangegangenem Auskunftsverlangen mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 04.11.2003 auf Unterhaltszahlung in Höhe des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe (mtl. 284,00 € + 241,00 €) für die Zeit ab November 2003 in Anspruch.

Der Beklagte hat sich auf fehlende Leistungsfähigkeit berufen und hierzu unter näherer Darlegung vorgetragen, sich erfolglos um eine neue Anstellung bemüht zu haben. Daneben hat er auf von ihm zu bedienende Schulden aus der Ehe mit der Kindesmutter verwiesen.

Das Amtsgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil antragsgemäß stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Beklagte müsse sich angesichts seiner gesteigerten Unterhaltsverpflichtung den Klägern gegenüber mangels Darlegung ausreichender Erwerbsbemühungen fiktiv ein Erwerbseinkommen in einer Höhe zurechnen lassen, die ihn zumindest befähige, den verlangten Mindestkindesunterhalt zu zahlen.

Mit seiner beabsichtigten Berufung, für die er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt, will der Beklagten seinen Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgen. Er trägt hierzu vor, auch fiktiv könne ihm allenfalls ein Einkommen von monatlich 1.246,40 Euro zugerechnet werden, so dass er in Ansehung des ihm zu belassenden Selbstbehalts von monatlich 840,00 Euro allenfalls in der Lage wäre, den Kindesunterhalt zu 77,3 % zu zahlen. Voraussetzung hierfür sei allerdings das Fehlen ausreichender Bewerbungsbemühungen, die er indes bereits in erster Instanz hinreichend dargetan habe.

II.

Der Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten ist zurückzuweisen, da seine mit der Berufung beabsichtigte Rechtsverfolgung nach dem bisherigen Sach- und Streitstand keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO). Im einzelnen gilt hierzu folgendes:

1. Die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten folgt aus §§ 1601 ff BGB und steht dem Grunde nach zwischen den Parteien außer Streit.

2. Ihren Bedarf brauchen die Kläger nicht näher darzulegen, da sie den Beklagten mit ihrer Klage lediglich auf Zahlung in Höhe des Mindestunterhalts in Anspruch nehmen. Bei dieser Sachlage obliegt es dem Beklagten, seine - von den Klägern bestrittene - fehlende bzw. eingeschränkte Leistungsfähigkeit darzulegen und zu beweisen (vgl. nur Wendl/Staudigl-Scholz, aaO. § 2 Rz. 230; Wendl/Staudigl-Gutdeutsch aaO. § 4 Rz. 565; Kalthoener/Büttner-Niepmann, 8. Aufl. Rz. 149 m.w.N).

Den insoweit zu stellenden Anforderungen wird der bisherige Vortrag des Beklagten allerdings nicht gerecht.

a) Nach insoweit übereinstimmendem Vortrag beider Parteien steht außer Frage, dass der Beklagte in dem vom Unterhaltsverlangen der Kläger umfassten Zeitraum ab November 2003 durchgängig in der Lage war und ist, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Einschränkungen seiner Erwerbsfähigkeit etwa aus gesundheitlichen Gründen werden auch von dem Beklagten nicht geltend gemacht.

Zu Recht und aus zutreffenden Erwägungen ist das Amtsgericht auf der Grundlage des bisherigen Sachvortrags zu der Einschätzung gelangt, dass sich der Beklagte angesichts bestehender Erwerbsfähigkeit ein fiktives Erwerbseinkommen zurechnen lassen muss.

(1) Um im Falle der Arbeitslosigkeit der Darlegungslast für seine fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit zu genügen, muss ein Unterhaltspflichtiger nach herrschender und vom Senat in ständiger Rechtsprechung geteilter Auffassung in nachprüfbarer Weise vortragen, welche Schritte er im einzelnen zu dem Zweck unternommen hat, einen zumutbaren Arbeitsplatz zu finden und sich bietende Erwerbsmöglichkeiten zu nutzen (BGH FamRZ 1996, 345, 346 unter Hinweis auf BGH FamRZ 1986, 244, 246; Wendl/Staudigl-Pauling, § 4 Rz. 111). Die bloße Meldung beim Arbeitsamt als arbeitssuchend reicht hierbei nicht aus (BGH FamRZ 1990, 499; 1986, 244, 246; 1085). Vielmehr ist der Pflichtige gehalten, daneben Stellenangebote in Zeitungen und Anzeigenblättern sorgfältig zu überprüfen und sich ggfs. auch in Privatinitiative etwa durch Erkundigungen im Bekanntenkreis um eine geeignete Stelle zu bemühen (Wendl/Staudigl-Haußleiter, aaO. § 1 Rz. 427; vgl. auch OLG Brandenburg, MDR 2000, 1438 f; OLG Jena, NJW-RR 2004, 76 f m.w.N.).

(2) Die bislang dargelegten Arbeitsbemühungen des Beklagten um eine seinen Fähigkeiten, Möglichkeiten und Neigungen entsprechende Erwerbstätigkeit werden den dargelegten Anforderungen offensichtlich nicht gerecht. Der Vortrag des Beklagten beschränkt sich auf die - in keiner Weise belegte - Behauptung, er habe sich bei einigen näher bezeichneten Firmen und Einrichtungen um eine Anstellung beworben, ohne dass hierbei allerdings nachvollziehbar dargelegt wird, in welcher Form und auf welche Stellen dies geschehen ist und ob den Bewerbungen konkrete Stellenausschreibungen zugrunde lagen oder ob es sich um bloße "Blindbewerbungen" gehandelt hat.

Hinzu kommt, dass die behaupteten Bewerbungen des Beklagten auch von ihrer Anzahl her als unzureichend bezeichnet werden müssen und den an die Erwerbsbemühungen eines nach § 1603 II BGB gesteigert unterhaltsverpflichteten Elternteils in keiner Weise gerecht werden. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats kann eine reale Beschäftigungschance nur dann verneint werden, wenn der Unterhaltspflichtige nachweist, dass über einen angemessenen Zeitraum durchgehaltene Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz erfolglos geblieben sind, wobei hier mindestens 20 gezielte und ernsthafte Bewerbungen pro Monat zu verlangen sind (Senat, Urteil vom 01.08.2003 - 11 UF 64/03 -, NJW-RR 2004, 149; vgl. auch OLG Karlsruhe, OLGR 2001, 9 m.w.N. sowie Wendl/Staudigl-Haußleiter, aaO. § 1 Rz. 427). Die von der Beklagten behaupteten Bewerbungen liegen weit unter dieser Zahl.

c) Hinsichtlich der Höhe eines erzielbaren und dem Beklagten nach vorstehendem fiktiv zuzurechnenden Einkommens mag vorläufig - und ohne abschließende Festlegung - den Darlegungen des Beklagten in seiner Antragsschrift vom 27.02.2004 gefolgt werden, wonach bei Ansatz des tariflichen Mindestlohns im Bauhauptgewerbe unter Einschluss tariflich vereinbarter Sonderzuwendungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) bei einer zugrunde zu legenden Besteuerung nach Steuerklasse IV (ohne Kirchensteuer) ein monatsdurchschnittliches Nettoeinkommen von 1.246,40 Euro erzielbar wäre. Ein solches Einkommen würde den Beklagten entgegen eigener Einschätzung durchaus in die Lage versetzen, den Mindestunterhalt der Kläger (weitestgehend) zu decken.

Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der dem Beklagten zu belassende Selbstbehalt abweichend von der allgemeinen Regelung nach Ziffer 21.2 HLL Stand 01.07.2003 nicht mit monatlich 840,00 € anzusetzen, sondern im Hinblick auf das Zusammenleben mit seiner über eigenes Einkommen verfügenden Ehefrau und die damit einher gehende Kostenersparnis (vgl. hierzu auch HLL Ziff. 6.2) angemessen zu kürzen ist. Der Senat bemisst diese Ersparnis aufgrund des Zusammenlebens pauschal in Anlehnung an die Regelung zu Ziffer 21.4.2./22.1 HLL mit rund 27 % des Selbstbehalts (615,00 € ./. 840,00 €; vgl. hierzu auch OLG Hamm, FamRZ 2000, 311 f m.w.N.; vgl. hierzu allgemein auch BGH NJW 2002, 1646, 1647 a.E. m.w.N.), wobei die Ersparnis allerdings im Zweifel hälftig zwischen den Ehegatten aufzuteilen ist, so dass sich auf Seiten des Beklagte letztlich eines Reduzierung des ihm zu belassenden Selbstbehalts auf monatlich (840,00 € ./. 13,5 % =) rund 727,00 € ergibt. Nach dessen Abzug vom erzielbaren Einkommen des Beklagten verbleibt für Unterhaltsansprüche der Kläger eine Verteilungsmasse von monatlich (1.246,40 € ./. 727,00 € =) rund 520,00 €, der mit der Klage nach Maßgabe der Regelbeträge der Altersstufen 2 und 3 geltend gemachte Unterhaltsansprüche in Höhe von insgesamt (284,00 € + 240,00 € =) 525,00 € gegenüber stehen. Der sich ergebende Fehlbetrag ist vergleichsweise geringfügig und könnte von dem Beklagte durch - ihm nach § 1603 II BGB ohne weiteres zumutbare - unwesentliche Mehrarbeit ausgeglichen werden.

3. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 1 GKG, 118 I ZPO.



Ende der Entscheidung

Zurück