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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 28.11.2003
Aktenzeichen: 11 UF 72/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 323
ZPO §§ 645 ff.
ZPO § 654
ZPO § 654 II
ZPO § 655
ZPO § 656
ZPO § 656 II
BGB §§ 1601 ff
BGB § 1356 I
BGB § 1356 II
1.)

Erfolgt eine Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren gem. §§ 645 ff., 655 ZPO, dann kann der Unterhaltspflichtige ohne Darlegung einer wesentlichen Änderung iSd § 323 ZPO Abänderungsklage gem. §§ 654, 656 ZPO erheben.

2.)

Der Unterhaltsverpflichtete wird von seiner unterhaltsrechtlichen Erwerbsobliegenheit gegenüber minderjährigen unverheirateten Kindern aus erster Ehe nicht ohne weiteres dadurch frei, dass er in der neuen Ehe allein die Haushaltsführung übernehmen will.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 UF 72/03 OLG Hamm

Verkündet am 28.11.2003

In der Familiensache

hat der 11. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zumdick den Richter am Oberlandesgericht Dr. Köhler und den Richter am Oberlandesgericht Jellentrup auf die mündliche Verhandlung vom 07.11.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 24.03.2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hamm teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Kläger wird unter Abänderung der Beschlüsse des Amtsgerichts Hamm vom 10.08.1999 -31 FH 4/99- und 07.12.2001 -31 FH 44/00- verurteilt, an den Beklagten ab dem 13.12.2001 Kindesunterhalt wie folgt zu zahlen:

- monatlich 120,00 Euro für die Zeit von Dezember 2001 - Juni 2003 und

- monatlich 123,00 Euro ab Juli 2003

Im übrigen wird die Klage abgewiesen, die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger zu 60 % und der Beklagte zu 40 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 36 % dem Kläger und zu 64 % dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger ist der Vater des am 19.12.1995 geborenen Beklagten. Die Ehe mit der Kindesmutter wurde nach im Januar 1997 erfolgter Trennung durch Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Hamm vom 28.04.1999 rechtskräftig geschieden. Seit dem 16.07.1999 ist der Kläger wiederverheiratet, seine Ehefrau ist berufstätig, aus der Verbindung ist der am 28.04.1999 geborene Sohn Benjamin T hervorgegangen, dessen Betreuung und Versorgung mit Unterbrechungen im wesentlichen durch den am 14.11.1963 geborenen Kläger wahrgenommen wird. Dieser verfügt über keinen Schul- oder Berufsabschluss. Die Hauptschule hat er mit der 7. Klasse verlassen, eine Lehre als Betonbauer nach 2 Jahren -nach eigenen Angaben aus gesundheitlichen Gründen- abgebrochen. Anschließend war der Kläger mit Ausnahme von vorübergehenden Tätigkeiten als Trockenbauer, zuletzt in der Zeit vom 13.05. - 03.08.2002, arbeitslos.

Durch im vereinfachten Verfahren ergangenen Beschluss des Amtsgerichts Hamm vom 10.08.1999 (31 FH 4/99) ist dem Kläger zunächst für die Zeit ab 01.05.1999 auferlegt worden, für den Beklagten Unterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages abzüglich des hälftigen Kindergeldes zu zahlen. Durch weiteren, gleichfalls im vereinfachten Verfahren ergangenen Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Hamm vom 07.12.2001 (31 FH 44/00) ist diese Unterhaltsverpflichtung später dahin abgeändert worden, dass der Kläger mit Wirkung ab dem 01.01.2001 für den Beklagten Kindesunterhalt in Höhe des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe zu leisten hat mit der Maßgabe, dass eine Kindergeldanrechnung unterbleibt, soweit 135 % des Regelbetrages nicht überschritten wird (§ 1612 b V BGB).

Mit seiner am 13.12.2001 zunächst beim Sozialgericht Dortmund eingereichten und von dort an das Amtsgericht verwiesenen Klage erstrebt der Kläger -im Berufungsverfahren allein noch mit Wirkung ab dem 13.12.2001- eine Abänderung der bestehenden Unterhaltstitel dahin, dass er nicht zu Unterhaltszahlungen an den Beklagten verpflichtet ist.

Das Amtsgericht hat die Klage wegen fehlender Darlegung einer wesentlichen Änderung der für die Unterhaltsbemessung wesentlichen Verhältnisse seit Erlass der abzuändernden Titel abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt. Er rügt in verfahrensrechtlicher Hinsicht, dass es sich bei der angefochtenen Entscheidung um ein unzulässiges Teilurteil handele, da sein Abänderungsbegehren in vollem Umfang und damit auch für die Zeit nach dem 12.05.2002 rechtshängig geworden sei. In der Sache verweist er dagegen wie schon in erster Instanz auf seine fehlende Leistungsfähigkeit und trägt hierzu ergänzend vor, das Einkommen seiner Ehefrau betrage monatsdurchschnittlich 1.185,00 Euro netto, er selbst sei dagegen aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen in Gestalt einer Wirbelsäulenerkrankung, zu der Beschwerden nach einer unfallbedingten Fraktur des linken Knies sowie ein am 23.05.2003 erlittener Herzhinterwandinfekt hinzu kämen, seit dem 23.05.2003 dauerhaft arbeitsunfähig. Seine letzte Berufstätigkeit als Trockenbauer, deren Aufnahme seinerseits eine Selbstüberschätzung seiner körperlichen Belastbarkeit zugrunde gelegen habe, sei von nur vorübergehender Natur gewesen und habe durch Kündigung des Arbeitgebers schon zum 02.08.2002 wieder ihr Ende gefunden. Kündigungsgrund sei dabei der Umstand gewesen, dass er infolge seines Rückenleidens den Anforderungen der Arbeit nicht gewachsen gewesen sei. Im übrigen seien in seiner Person Anhaltspunkte für das Vorliegen einer psychischen Erkrankung gegeben.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beschlüsse des Amtsgerichts Hamm vom 10.08.1999 -31 FH 4/99- und 07.12.2001 -31 FH 44/00- dahingehend abzuändern, dass der Kläger dem Beklagten für die Zeit ab 13.12.2001 Unterhalt nur in Höhe von

- 200,00 DM für Dezember 2001,

- monatlich 100,00 Euro für die Zeit vom 01.01.2002 - 30.09. 2003 und

- monatlich 50,00 Euro ab dem 01.10.2003 schuldet.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Er bestreitet insbesondere eine fehlende Leistungsfähigkeit des Klägers.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze, die Feststellungen des Amtsgerichts in seinem angefochtenen Urteil sowie den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 07.11.2003 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

1.

Unberechtigt ist allerdings der prozessuale Einwand des Beklagten, bei dem angefochtenen Urteil des Amtsgericht handele es sich um ein unzulässiges Teilurteil.

Die Argumentation des Beklagten erweist sich hier -ohne dass es insoweit näherer Erörterung bedarf- bereits deshalb als verfehlt, weil das angefochtene Urteil sich nicht nur an der damaligen Antragstellung des Klägers orientiert, sondern zudem allenfalls eine vertikale, d.h. zeitlich begrenzte Teilentscheidung enthielt, nicht aber eine horizontale, d.h. der Höhe nach begrenzte, die allein zu einem unzulässigen Teilurteil geführt hätte (vgl. hierzu auch BGH NJW1999, 1719; OLG Koblenz, OLGR 1998, 169; Zöller-Vollkommer, aaO. § 301 Rz. 7).

2.

Besondere Zulässigkeitsanforderungen sind an das Abänderungsbegehren des Klägers dagegen nicht zu stellen. Soweit in den bisherigen Prozesskostenhilfebeschlüssen des Senats (Beschluss vom 24.10.2001 -11 WF 274/01-, Bl. 33 ff und Beschluss vom 23.08.2002 -11 WF217/02-; Bl. 61 ff) als Voraussetzung für die Änderung der bestehenden Unterhaltstitel eine vom Kläger darzulegende wesentliche Änderung derjenigen Verhältnisse gefordert wurde, die für die Unterhaltsfestsetzung in den abzuändernden Titeln maßgeblich waren, hält der Senat hieran nach nochmaliger Überprüfung nicht fest. Der vom Kläger zu zahlende Kindesunterhalt für den Beklagten ist nach erster Festsetzung durch Beschluss AG Hamm vom 10.08.1999 -31 FH 4/99- zuletzt durch weiteren Beschluss des AG Hamm vom 07.12.2001 -31 FH 44/00- tituliert wurden. Beide Beschlüsse ergingen dabei im vereinfachten Verfahren gemäß §§ 645 ff, 655 ZPO und damit wegen des pauschalen Charakters dieses Verfahrens ohne Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse und insbesondere ohne Prüfung der Leistungsfähigkeit des Klägers (Wendl/Staudigl-Thalmann, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl. § 8 Rz. 350; Zöller-Philippi, aaO. § 654 Rz. 1; 2a). Einwände des Unterhaltsschuldners -hier des Klägers- konnten in diesem Verfahren nur in beschränktem Umfang vorgebracht werden (§ 648 ZPO). Als Ausgleich eröffnet die sogenannte Korrekturklage nach §§ 654, 656 ZPO dem Unterhaltspflichten die Möglichkeit, einschränkungslos -d.h. vor allem ohne Darlegung einer wesentlichen Änderung i.S.d. § 323 ZPO- eine Anpassung der pauschalen Unterhaltsfestsetzung an die tatsächlichen individuellen Verhältnisse der Parteien herbeizuführen (Zöller-Philippi, aaO.). Eine zeitliche Beschränkung ergibt sich im Streitfall allein aus §§ 654 II, 656 II ZPO -eine Abänderung ist danach erst ab Klageerhebung möglich, falls diese nicht binnen Monatsfrist nach Rechtskraft der Unterhaltsfestsetzung erfolgt-, die indes angesichts der auf die Zeit ab dem 13.12.2001 begrenzten Antragstellung des Klägers und der an diesem Tag erfolgten Klageerhebung ohne Belang ist.

3.

a)

In der Sache ist dem Grunde nach unstreitig, dass der Kläger dem Beklagten nach §§ 1601 ff BGB zum Unterhalt verpflichtet ist, da der Beklagte außerstande ist, sich aus eigenen Einkünften selbst zu unterhalten.

b)

Da der Beklagte durch die bislang ergangenen Unterhaltsbeschlüsse (s.o.) allein zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe des Regelbetrages verurteilt worden ist, bedarf es auf Seiten des Beklagten keiner konkreten Darlegung seines Bedarfs. Vielmehr ist umgekehrt der Kläger darlegungs- und beweispflichtig für seine geltend gemachte fehlende bzw. eingeschränkte Leistungsfähigkeit (vgl. nur Wendl/Staudigl-Scholz, aaO. § 2 Rz. 230; Wendl/Staudigl-Gutdeutsch aaO. § 4 Rz. 565; Kalthoener/Büttner-Niepmann, 8. Aufl. Rz. 149 m.w.N), die sich nach seinem Vortrag nur teilweise feststellen lässt.

aa)

Dass der Kläger seit dem 16.07.1999 wiederverheiratet ist und in der neuen Ehe die Haushaltsführung und Betreuung des aus der neuen Verbindung hervorgegangenen, am 28.04.1999 geborenen Sohnes Benjamin übernommen hat, berührt seine Unterhaltsverpflichtung dem Beklagten gegenüber nicht ohne weiteres.

(1)

Auszugehen ist insoweit von dem Grundsatz, dass ein unterhaltspflichtiger Ehegatte seiner früheren Familie auch nach einer neuen Eheschließung unterhaltspflichtig bleibt. Insbesondere dann, wenn er vorher durch seine Erwerbstätigkeit für den finanziellen Familienunterhalt gesorgt hat, ist von ihm bei einer Umstellung seiner beruflichen Tätigkeit eine besondere Rücksichtnahme auf die Belange der von ihm abhängigen Unterhaltsberechtigten zu fordern (BVerfG, Beschluss v. 18. 12. 1995 - 1 BvR 1208/92; zitiert nach: BGH MDR 1996, 712). Gegenüber minderjährigen unverheirateten Kindern aus der ersten Familie entfällt seine unterhaltsrechtliche Erwerbsobliegenheit nicht ohne weiteres dadurch, dass er in der neuen Ehe im Einvernehmen mit seinem Ehegatten allein die Haushaltsführung übernehmen will. Auch das Vorhandensein betreuungsbedürftiger Kinder aus der neuen Ehe ändert nichts daran, dass die Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder aus den verschiedenen Ehen gleichrangig sind (§ 1609 I BGB) und der Unterhaltspflichtige seine Arbeitskraft zum Unterhalt aller Kinder einsetzen muss. Die den Ehegatten nach § 1356 I BGB eingeräumte Gestaltungsfreiheit, die ihnen die Möglichkeit eröffnet, Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit im gegenseitigen Einvernehmen zu regeln und dabei die Haushaltsführung einem von ihnen allein zu überlassen, gilt grundsätzlich nur im Verhältnis der neuen Ehegatten zueinander. Eine mit dem vereinbarten Rollenwechsel verbundene Verminderung der Leistungsfähigkeit des geschiedenen Ehegatten darf nicht in unzumutbarer Weise zu Lasten der Kinder aus erster Ehe gehen (BVerfGE 68, 256 = FamRZ 1985, 143, 145). Unterhaltsrechtlich entlastet die häusliche Tätigkeit einen unterhaltspflichtigen Ehegatten nur gegenüber den Mitgliedern seiner neuen Familie, denen diese Fürsorge - im Gegensatz zu den nicht im neuen Familienverbund lebenden minderjährigen Kindern aus erster Ehe - allein zugute kommt. Der unterhaltsrechtliche Gleichrang der Kinder aus erster und zweiter Ehe verwehrt es dem unterhaltspflichtigen Ehegatten daher, sich nach Eingehung der neuen Ehe ohne weiteres auf die Sorge für die Mitglieder seiner neuen Familie zu beschränken. Auch sein neuer Ehegatte muss nach § 1356 II BGB auf die bestehenden Unterhaltspflichten seines Ehegatten Rücksicht nehmen und dessen dadurch bedingte verminderte Mithilfe im Haushalt und seine arbeitsbedingte Abwesenheit hinnehmen (sog. "Hausmannsrechtsprechung" des BGH, vgl. BGH MDR 1996, 712 f unter Hinweis auf BGHZ 75, 272, 275 = MDR 1980, 210; BGH FamRZ 1982, 25 = MDR 1982, 213; FamRZ 1987, 472 = MDR 1987, 652).

(2)

In der Konsequenz bedeutete dies für den Kläger, dass er als Folge seiner fortbestehenden Unterhaltsverpflichtung dem Beklagten gegenüber gehalten war und ist, weiterhin selbst vollschichtig erwerbstätig zu sein.

(a)

Eine nur teilschichtige Erwerbstätigkeit des Klägers mit hieraus erzielbaren Nettoeinkünften von geschätzt bis zu 400,00 Euro monatlich (12 Std./Wo. x 52 : 12 x 15,00 DM/Std. = 780,00 DM/398,81 Euro) hätte hier nicht ausgereicht, den titulierten Unterhalt des Beklagten in Höhe von 444,00 DM ab Dezember 2001 bzw. 228,00 Euro ab 01.01.2002 (jeweils EG 1, ASt. 2) sicherzustellen. Bei einem Nettoeinkommen seiner Ehefrau von monatsdurchschnittlich 2.344,00 DM wie im Senatsbeschluss vom 24.10.2001 zugrunde gelegt verblieb hiervon nach Maßgabe der dortigen Berechnung des Senats, auf die insoweit Bezug genommen wird, unter Berücksichtigung des Kindesunterhalts für den Sohn Benjamin zur Deckung des dem Kläger in Ansehung seiner Kostenersparnis durch Zusammenleben mit seiner Ehefrau (entsprechend Ziffer 32 II HLL Stand 01.07.2001; Ziffer 22.1 HLL Stand 01.07.2003) zuzubilligenden Selbstbehalts von monatlich 1.050,00 DM/535,00 Euro selbst bei Zurechnung eines mit netto 2.000,00 DM angesetzten 13. Monatsgehalts der Ehefrau lediglich ein Betrag von knapp 505,00 DM = 258,20 Euro (Stand Ende 2001), so dass der Kläger eigene Einkünfte bis zur Höhe eines Betrages von 545,00 DM/276,80 Euro zunächst einmal zur Deckung seines eigenen notwendigen Bedarfs einsetzen musste und durfte.

(b)

Andererseits ist weder dargetan noch erkennbar, dass sich der Familienunterhalt in der neuen Ehe dadurch, dass die Ehefrau des Klägers voll erwerbstätig ist, wesentlich günstiger gestaltet als bei umgekehrter Rollenverteilung und Übernahme der Kindesbetreuung durch diese, was nach der Rechtsprechung des BGH allein -unter Abwägung der beiderseitigen Interessen im Einzelfall- ein Abweichen von den dargelegten Grundsätzen rechtfertigen könnte (BGH MDR 1996, 712 f, 713; Kalthoener/Büttner-Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl. Rz, 658).

Bereits bei Ansatz eines Stundenlohns von brutto 18,50 DM = rund 9,50 Euro, den der Senat auch unter Berücksichtigung der fehlenden Berufsausbildung des Klägers für jedenfalls angemessen hält, hätte der Kläger unter Zugrundelegung einer monatsdurchschnittlichen Arbeitszeit von (nur) 167 Stunden (das entspricht wöchentlich 38,5 Stunden) noch ohne Überstunden und Sonderzuwendungen (Urlaubs- und/oder Weihnachtsgeld) ein Bruttoeinkommen von monatlich rund 3.100,00 DM erzielen können, das bei einer Besteuerung nach Steuerklasse 3/1,5 und Ansatz üblicher Sozialabgaben nach den Berechnungen des Senats zu einem Nettoeinkommen von rund 2.309,00 DM geführt und damit ziemlich genau dem Einkommen seiner Ehefrau entsprochen hätte. Dass die Rollenwahl in der neuen Ehe des Klägers in wirtschaftlicher Hinsicht zu einem wesentlichen Vorteil gegenüber einer umgekehrten Rollenverteilung mit vollschichtiger Erwerbstätigkeit des Klägers und Kindesbetreuung durch seine Ehefrau geführt hat, ist danach nicht zu erkennen.

bb)

Eine von Vorstehendem abweichende, dem Kläger günstigere Beurteilung ergibt sich hier weder aus seiner langfristigen Arbeitslosigkeit noch -jedenfalls für die Zeit bis zum Auftritt eines Hinterwandherzinfarkts am 23.05.2003- im Hinblick auf seine vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

(1)

Zu ausreichenden Bemühungen des Klägers um einen neuen Arbeitsplatz fehlt jeder nachvollziehbare Vortrag, der -wie im Senatsbeschluss vom 23.08.2002 (Bl. 61 ff GA) bereits ausgeführt- gerade vor dem Hintergrund der zum 13.05.2002 gefundenen Anstellung des Klägers unverzichtbar erscheint, da diese immerhin belegt, dass der Kläger entgegen eigener Darstellung ungeachtet seiner Langzeitarbeitslosigkeit durchaus realistische Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hatte. Dass die Erwerbstätigkeit seinerzeit nur von kurzer Dauer war, ändert nichts an dieser Einschätzung, da konkreter, einer Überprüfung zugänglicher Vortrag dazu fehlt, das welchen Gründen die Tätigkeit nicht fortgesetzt wurde.

(2)

In gleicher Weise unsubstantiiert ist weiterhin auch der pauschale Vortrag des Klägers zu einer bei ihm angeblich gegebenen Erwerbsunfähigkeit wegen bestehender gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Gestalt von Nachwirkungen einer unfallbedingten Fraktur des linken Knies, einer seit seiner Kindheit bestehenden "Wirbelsäulenerkrankung", sowie arthrotischen Beschwerden "in allen Gelenken" (Bl. 113GA).

Dies gilt auch und gerade unter Berücksichtigung der vorgelegten arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 28.04.1999 (Bl. 121 f GA) und 13.08.2001 (Bl. 123 f). Diese bestätigen zwar unter Bezugnahme auf einen beigezogenen fachärztlichen (orthopädischen) Befundberichte des Dr. M in Siegen vom 29.01.1999 das Vorliegen einer fehlstatische Wirbelsäulenveränderung mit Überlastungserscheinungen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule mit beginnenden Verschleißerscheinungen, die in Verbindung mit dem gleichfalls bestätigten Knieschaden des Klägers körperlich anstrengende Tätigkeiten mit schwerer körperlicher Belastung, schwerer Hebe- und/oder Tragearbeit, häufigem Bücken sowie Tätigkeiten in andauernder Zwangshaltung unter starker Beanspruchung der Wirbelsäule und der Kniegelenke als nicht mehr zumutbar erscheinen lassen (Bl. 121 GA), so dass insbesondere auch eine Fortführung der zuvor ausgeübten Tätigkeit als Trockenbauer nicht mehr verlangt werden kann (Bl. 122 GA). Zugleich gelangt der Arbeitsamtsarzt in seinem Gutachten vom 28.04.1999 allerdings zu der Feststellung, dass bei dem Kläger keinerlei Hinweise auf das Vorliegen einer chronischen rheumatologischen Erkrankung in Form des behaupteten Morbus Bechterew vorgefunden werden konnten und ihm weiterhin leichte bis mittelschwere Arbeiten in bevorzugt wechselnder Körperhaltung mit den genannten Einschränkungen nach wie vor vollschichtig zumutbar sind (Bl. 121 GA). Die letztgenannte und hier allein entscheidende Einschätzung wird in dem nachfolgenden Gutachten vom 13.08.2001 (Bl. 123 f) im wesentlichen noch einmal wiederholt.

(3)

Von einer zumindest vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers ist dagegen angesichts des am 23.05.2003 erlittenen Hinterwandherzinfarkts des Klägers mit der Folge einer stationären Behandlung des Klägers in der Zeit vom 23.05. - 02.06. 2003 und 11.06. - 13.06.2003 (Bl. 117 f GA) auszugehen, wobei allerdings auch insoweit ausreichend substantiierter Vortrag zu deren Dauer trotz erteilter Auflage fehlt.

Abgesehen davon ist hier aber auch zu berücksichtigen sein, dass der Kläger im Falle einer -nach Vorstehendem zu seinen Lasten zu unterstellenden- vollschichtigen Erwerbstätigkeit Anspruch auf Lohnfortzahlung und anschließend auch auf Zahlung von Krankengeld gehabt hätte, so dass seine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit nicht zwangsläufig auch zur unterhaltsrechtlichen Leistungsunfähigkeit geführt hätte.

(4)

Soweit der Kläger mit der Berufung ergänzend auf psychische Beschwerden und eine darauf beruhende Beeinträchtigungen seiner Erwerbsfähigkeit verweisen lässt (Bl. 115 f GA), fehlt gleichfalls trotz gerichtlichen Hinweises jeder konkrete Vortrag und Beleg, weshalb sich auch dieser Vortrag als unbeachtlich erweist.

cc)

Trotz der aus den dargelegten Gründen gebotenen Zurechnung fiktiver Einkünfte aus einer zumutbaren vollschichtigen Erwerbstätigkeit war dem Abänderungsbegehren des Klägers indes teilweise zu entsprechen sein, da die bestehenden Unterhaltsansprüche die Leistungsfähigkeit des Klägers auch danach übersteigen.

Bei einem erzielbaren Nettoerwerbseinkommen des Klägers in Höhe von monatsdurchschnittlich 2.310,00 DM aus und Zurechnung eines 13. Monatsgehalt als Ausgleich üblicher Sonderzahlungen (Weihnachts- und Urlaubsgeld) von geschätzt netto 2.000,00 DM errechnet sich ein Gesamteinkommen des Klägers von monatlich netto 2.476,00 DM = 1.265,96 Euro. Auf dieser Basis ergeben sich dann folgende Unterhaltsansprüche:

(1) Dezember 2001:

Einkommen des Klägers 2.476,00 DM ./. Kindesunterhalt Benjamin (EG 1,ASt. 1) - 366,00 DM ./. Kindesunterhalt Beklagter (EG 1,ASt. 2) - 444,00 DM 1.666,00 DM voller Bedarf der Ehefrau - 3/7 714,00 DM

Unterhaltsansprüche insgesamt 366,00 DM 444,00 DM 714,00 DM 1.524,00 DM

Leistungsfähigkeit des Klägers 2.476,00 DM - 1640.00 DM 836,00 DM

Bei einer danach gebotenen Mangelverteilung ist nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 22.1.2003, -XII ZR 2/00- FamRZ 2003, 363 f) mit Einsatzbeträgen von 495,00 DM, 600,00 DM (Kindesunterhalt nach EG 6) und 1.050,00 DM (notwendiger Selbstbehalt des mit dem Pflichtigen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten) = insgesamt 2.145,00 DM zu rechnen, so dass sich bei einer Leistungsfähigkeit von nur 836,00 DM eine Mangelquote von 38,97 % ergibt. Diese führt dann zu Zahlbeträgen von

Ehegattenunterhalt: 1.050,00 DM x 38,97 % = 409,18 DM Kindesunterhalt Benjamin: 495,00 DM x 38,97 % = 192,90 DM Kindesunterhalt Beklagter. 600,00 DM x 38,97 % = 233,82 DM 835,90 DM

Der v.g. Unterhaltsbetrag für den Beklagten entspricht aufgerundet einem Betrag von 120,00 Euro, Tituliert ist hingegen ein Unterhaltsbetrag von 444,00 DM.

2) Januar 2002 - Juni 2003:

Einkommen des Klägers 1.265,96 Euro ./. Kindesunterhalt Benjamin (EG 1, ASt. 1) - 188,00 Euro ./. Kindesunterhalt Beklagter (EG 1, ASt. 2) - 228,00 Euro 849,96 Euro voller Bedarf der Ehefrau = 3/7 364,27 Euro

Unterhaltsansprüche insgesamt 188,00 Euro 228,00 Euro 364,27 Euro 780,27 Euro

Leistungsfähigkeit des Klägers 1.265,96 Euro - 840,00 Euro 425,96 Euro

Bei einer danach gebotenen Mangelverteilung ist nun mit Einsatzbeträgen von 254,00 Euro, 308,00 Euro (Kindesunterhalt nach EG 6) und 535,00 Euro (notwendiger Selbstbehalt des mit dem Pflichtigen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten) = insgesamt 1097,00 Euro zu rechnen, so dass sich bei einer Leistungsfähigkeit von nur 425,96 Euro jetzt eine Mangelquote von 38,83 % ergibt.

Diese führt dann zu Zahlbeträgen von

Ehegattenunterhalt: 535,00 Euro x 38,83 % = 207,74 Euro Kindesunterhalt Benjamin: 254,00 Euro x 38,83 % = 98,63 Euro Kindesunterhalt Beklagter: 308,00 Euro x 38,83 % = 119,60 Euro 425,97 Euro

Tituliert ist für den Beklagten ein Unterhalt von 228,00 Euro.

2) ab Juli 2003:

Einkommen des Klägers 1.265,96 Euro ./. Kindesunterhalt Benjamin (EG 1, ASt. 1) - 199,00 Euro ./. Kindesunterhalt Beklagter (EG 1, ASt. 2) - 241,00 Euro 825,96 Euro voller Bedarf der Ehefrau = 3/7 353,98 Euro

Unterhaltsansprüche insgesamt (Zahlbetrag) 199,00 Euro 241,00 Euro 353,98 Euro 793,98 Euro

Leistungsfähigkeit des Klägers 1.265,96 Euro - 840,00 Euro 425,96 Euro

Bei einer weiterhin gebotenen Mangelverteilung ist nun mit Einsatzbeträgen von 269,00 Euro, 326,00 Euro (Kindesunterhalt nach EG 6) und 535,00 Euro (notwendiger Selbstbehalt des mit dem Pflichtigen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten) = insgesamt 1130,00 Euro zu rechnen, so dass die Mangelquote bei einer Leistungsfähigkeit von nur 425,96 Euro auf 37,7 % sinkt. Dies führt dann zu Zahlbeträgen von

Ehegattenunterhalt: 535,00 Euro x 37,7 % = 201,69 Euro Kindesunterhalt Benjamin: 269,00 Euro x 37,7 % = 101,41 Euro Kindesunterhalt Beklagter: 326,00 Euro x 37,7 % = 122,90 Euro 426,00 Euro

Tituliert ist für den Beklagten ein Unterhalt von 241,00 Euro.

Dem Abänderungsverlangen des Klägers war mithin nach Maßgabe der vorstehend errechneten -entsprechend der Regelung zu Ziffer 25 HLL Stand 01.07.2003 auf volle Euro-Beträge aufzurundenden- Unterhaltsbeträge zu entsprechen.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 8, 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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