Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 28.05.2004
Aktenzeichen: 11 UF 73/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1671 Abs. 2 Nr. 2
1.) Eine Sorgerechtsübertragung nach § 1671 II Nr. 2 BGB setzt voraus, dass Anstrengungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Elternverantwortung erfolglos geblieben sind und auch in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben werden.

2.) Das erfordert in der Regel einen konkreten Tatsachenvortrag dazu, dass, wann, bei welchem Anlass und auf welche Weise Bemühungen um eine gemeinsame Elternentscheidung stattgefunden haben und diese Bemühungen an der Verweigerungshaltung des anderen Elternteils gescheitert sind. Der allgemeine Hinweis des betreuenden Elternteils, aus persönlichen Gründen würden Gespräche mit dem anderen Elternteil abgelehnt, reicht nicht aus.


Oberlandesgericht Hamm Beschluss

11 UF 73/04 OLG Hamm

In der Familiensachen

betreffend das minderjährige Kind wegen Regelung der elterlichen Sorge

hat der 11. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zumdick, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Köhler und den Richter am Oberlandesgericht Jellentrup am 28. Mai 2004 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beteiligten zu 1. vom 07.04.2004 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Der Prozesskostenhilfeantrag der Beteiligten zu 1. ist zurückzuweisen, da ihr Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ibbenbüren vom 11.03.2004 zwar gemäß §§ 621 e, 621 I Ziff. 2 ZPO zulässig ist, in der Sache aber keine ausreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Das Amtsgericht ist nach Anhörung der Beteiligten und des betroffenen Kindes sowie Einholung einer Stellungnahme des Jugendamtes der Stadt Ibbenbüren zu Recht und aus zutreffenden Erwägungen, auf die hier ergänzend Bezug genommen wird, zu der Einschätzung gelangt, dass die Voraussetzungen für die von der Beteiligten zu 1. beantragte Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge nach § 1671 II Nr. 2 BGB nicht vorliegen, während eine Sorgerechtsübertragung nach § 1671 II Nr. 1 BGB mangels Zustimmung des Beteiligten zu 1. von vornherein ausscheidet.

1. Ohne konkreten Anlass in Gestalt einer in Kindesbelangen zu treffenden, indes wegen fehlender objektiver Kooperationsfähigkeit und subjektiver Kooperationsbereitschaft beider Elternteile nicht möglichen Entscheidung im Rahmen des § 1687 I S. 1 BGB, den auch die Beteiligte zu 1. nicht behauptet, besteht derzeit weder Anlass noch Handhabe zu einer Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge der Parteien. Dabei mag unterstellt werden, dass das Verhältnis der Beteiligten zu 1. und 2. zur Zeit von tiefgreifenden Spannungen und Differenzen gekennzeichnet ist, die sachbezogene Gespräche nachhaltig erschweren. Gleichwohl sieht der Senat mit dem Amtsgericht keine Notwendigkeit für die von der Beteiligten zu 1. begehrte Sorgerechtsänderung.

Gemäß § 1687 I S. 2 BGB ist die Beteiligte zu 1. als derjenige Elternteil, bei dem sich der gemeinsame Sohn gewöhnlich aufhält, auch ohne Sorgerechtsänderung befugt, in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens anfallende Entscheidung allein und ohne Beteiligung des Kindesvaters zu treffen. Dass und ggfs. welche darüber hinausgehenden Entscheidungen in naher Zukunft anstehen, die bei Fortbestand der elterlichen Sorge nach § 1687 I S. 1 BGB eine gemeinsame Entscheidung der Eltern erfordern, ist dagegen weder dargetan noch ersichtlich. Gerade vor diesem Hintergrund gewinnt nach Einschätzung des Senats besonderes Gewicht, dass die weiteren von der Beteiligten zu 1. geltend gemachten Gründe für den völligen Ausschluss des Beteiligten zu 2. von der elterlichen Sorge ausgesprochen vage und letztlich nichtssagend sind. So fehlt insbesondere jeder konkrete Vortrag dazu, dass, wann, bei welchem Anlass und auf welche Weise sie selbst sich letztmals bemüht hat, in das Kindeswohl berührenden Fragen mit dem Beteiligten zu 2. ein vernünftiges, sachbezogenes Gespräch zu führen, hierbei aber an dessen Verweigerungshaltung gescheitert ist. In diesem Zusammenhang müssen sich beide Parteien - und damit auch die Beteiligte zu 1. - darauf verweisen lassen, dass den Eltern zuzumuten ist, alle Anstrengungen zu unternehmen, um im Interesse der Kinder ihre gemeinsame Elternverantwortung wahrzunehmen. Dazu gehört auch, sich zu überwinden und trotz vorhandener Barrieren und trennungsbedingter Meinungsverschiedenheiten das Gespräch mit dem anderen Teil zu suchen und zu führen (ebenso u.a. OLG Schleswig, NJW-RR 2000, 813, 814; OLG München, NJW 2000, 368, 369). Dass die Beteiligte zu 1. dies in jüngerer Vergangenheit ernsthaft, aufgrund der ablehnenden Haltung des Beteiligten zu 2. aber erfolglos versucht hat, lässt sich weder ihrem schriftsätzlichen Vortrag noch dem Protokoll über ihre persönliche Anhörung vor dem Amtsgericht entnehmen.

Solange nicht ausreichend sicher feststeht, dass solche Anstrengungen erfolglos geblieben sind und auch in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben werden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge tatsächlich dem Kindeswohl am besten entsprecht. Auch die Beteiligte zu 1. muss sich hier der Erkenntnis beugen, dass eine Sorgerechtsänderung ohne - hier fehlenden - konkreten Anlass in Gestalt einer nach § 1687 I S. 1 BGB einvernehmlich zu treffenden Elternentscheidung nicht schon dann gerechtfertigt ist, wenn der betreuende Elternteil allein aus persönlichen Gründen weitere Gespräche mit dem anderen Elternteil ablehnt, da andernfalls der Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge letztlich in das Belieben des betreuenden Elternteils gestellt würde, was mit den wohlverstandenen Kindesinteressen unvereinbar wäre.

2. Der Hinweis der Beteiligten zu 1. auf das vermeintlich fehlende Interesse des Beteiligten zu 2. an seinem Sohn führt hier zu keiner abweichenden Beurteilung, ebenso wenig wie dessen bei seiner Anhörung vor dem Amtsgericht zum Ausdruck gebrachte Ablehnung einer künftigen Beteiligung seines Vaters an den ihn - den Sohn - betreffenden Entscheidungen

Dass die Umgangskontakte zu seinem Sohn derzeit ruhen, kann vor dem Hintergrund der offenbar (fort-) bestehenden Differenzen zwischen den Parteien ebenso wenig allein dem Beteiligten zu 2. angelastet werden wie die auch im übrigen geübte Zurückhaltung des Beteiligten zu 2. im Kontakt mit seinem Sohn, die ohnehin allein noch nicht ohne weiteres den Schluss auf bestehendes Desinteresse des Beteiligten zu 2. und fehlende Eignung zur Wahrnehmung der gemeinsamen elterlichen Sorge rechtfertigt.

Dagegen ist die dem Beteiligten zu 2. entgegen gebrachte Ablehnungshaltung seines Sohnes zwar sicherlich - schon mit Blick auf dessen Alter - ernst zu nehmen, allein und ohne konkreten Handlungsbedarf im Hinblick auf eine anstehende Entscheidung von erheblicher Bedeutung i.S.d. § 1687 I S. 1 BGB aber auch noch kein hinreichender Grund für eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge.

3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 1 GKG; 118 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück