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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 09.11.2005
Aktenzeichen: 11 UF 82/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 142 I
BGB § 1414
BGB § 1587 II
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520 II
ZPO § 621 I Nr. 6
ZPO § 621 e I
ZPO § 621 e III
Hat ein Ehegatte zeitlich nach vertraglich vereinbarter Gütertrennung eine private Rentenversicherung mit Mitteln seines Privatvermögens begründet, dann sind diese Anwartschaften nicht in den Versorgungsausgleich einzubeziehen.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

11 UF 82/05 OLG Hamm

In der Familiensache

hat der 11. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zumdick, den Richter am Oberlandesgericht Michaelis de Vasconcellos und den Richter am Oberlandesgericht Jellentrup am 09. November 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Warendorf vom 08. März 2005 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien haben am 13.03.1964 miteinander die Ehe geschlossen, für die sie mit notariellem Ehevertrag vom 17.06.1967 Gütertrennung vereinbarten. Aus der Ehe sind zwei inzwischen volljährige und wirtschaftlich selbständige Kinder hervorgegangen, seit 1994 leben die Parteien dauerhaft voneinander getrennt.

Auf am 09.02.2002 zugestellten Antrag des Antragstellers hat das Amtsgericht durch im vorliegenden Verfahren ergangenes Verbundurteil vom 28.05.2002 (Bl. 59 ff GA) die Scheidung der Ehe ausgesprochen, die Scheidung ist seit dem 09.07.2002 rechtskräftig (Bl. 59). Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens streiten die Parteien allein noch über die Durchführung des Versorgungsausgleichs, den sie auf Vorschlag des Amtsgericht mit -anschließend gemäß § 1587 II BGB familiengerichtlich genehmigtem- Vergleich vom 28.05.2002 (Bl. 56R/58 GA) an sich ausgeschlossen haben. Zugrunde liegt dem folgender Sachverhalt:

Der am 26.07.1942 geborene Antragsteller war bzw. ist selbständiger Kaufmann und hat während der Ehe eine eigene Firma geführt. Einen Teil seiner Firmenbeteiligung veräußerte er Mitte 1998 samt dem Eigentum an den Firmenimmobilien an seine Söhne, aus dem, Erlös erwarb er anschließend mit Vertrag vom 30.07./06.10.1998 durch Einmalzahlung in Höhe von 6,5 Mio. DM bei der Hamburg-Mannheimer Versicherung eine Leibrentenversicherung, aus der er ab November 1998 Leistungen in Form einer monatlichen Leibrente erhielt. Wegen enttäuschter Renditeerwartungen hat der Antragsteller den mit der Hamburg-Mannheimer geschlossenen Versicherungsvertrag inzwischen zum 31.12.2004 gekündigt. Eine im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung bei der G Lebensversicherungs AG zugunsten des Antragstellers abgeschlossene Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht war bereits zuvor mit Schreiben vom 03.12.2001 zum 31.12.2001/01.01.2002 gekündigt worden.

Die am 14.02.1941 geborene Antragsgegnerin war während der Ehe in der Firma des Antragstellers angestellt, inzwischen bezieht sie eine Altersrente, über die Höhe ihr daneben gegen den Antragsteller zustehender Unterhaltszahlungen streiten die Parteien in einem gesonderten Rechtsstreit (18 F 20/04 AG Ahlen).

Im Verfahren erster Instanz hat das Amtsgericht zur Vorbereitung des Versorgungsausgleichs nach Maßgabe der von den Parteien ausgefüllten Fragebögen Rentenauskünfte der beteiligten Versorgungsträger eingeholt. Hiernach hat der Antragsteller während der Ehezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 572,29 Euro erworben, während die Antragsgegnerin in gleicher Zeit in der gesetzlichen Rentenversicherung Rentenanwartschaften von monatlich 712,66 Euro und daneben angleichungsdynamische Anwartschaften von monatlich 25,85 Euro erworben hat. Von dem Antragsteller nicht angegeben wurden seine vorgenannten Versicherungen bei der Hamburg-Mannheimer Versicherung und bei der Gerling Lebensversicherungs AG, wobei der Antragsteller das Bestehen einer betrieblichen Altersversorgung auf Nachfrage der Antragsgegnerin ausdrücklich verneinte.

Bei ihrer Anhörung vor dem Amtsgericht begründeten die Parteien den nachfolgend vereinbaren Ausschluss des -nach den eingeholten Rentenauskünfte an sich zugunsten des Antragstellers durchzuführenden- Versorgungsausgleichs mit dem Hinweis, dass beide nicht unvermögend seien und zudem zugunsten des Antragstellers bereits "durch Lebensversicherungen und ähnliches eine Altersabsicherung gegeben sei" (Bl. 56R GA). Dem vorangegangen war ein Schreiben der Antragsgegnerin an den Antragsteller vom 18.05.2002 (Bl. 121 f.GA), in dem sie diesem vorgeschlagen hatte, ihr zur Alterssicherung "einen Teil (seiner) Lebensversicherung zu übertragen, aus der (sie) aus gleichen Bedingungen wie (der Antragsteller) -monatliche Rente erhalte....".

Nachdem zwischen den Parteien Streit über die Höhe des der Antragsgegnerin geschuldeten Nachscheidungsunterhalts entstanden war, den der Antragsteller zuvor auf der Grundlage einer mit der Antragsgegnerin getroffenen Vereinbarung in Höhe von monatlich rund 4.000,00 Euro freiwillig gezahlt hatte, ließ die Antragsgegnerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 14.10.2004 (Bl. 85 f GA) die Anfechtung des Vergleichs vom 28.05.2002 erklären. Zur Begründung verwies sie darauf, erst aufgrund der ihr im Unterhaltsverfahren zugänglich gemachten Steuerbescheide der Jahre 1999 - 2001 davon Kenntnis erlangt zu haben, dass der Antragsteller entgegen seinen insoweit unrichtigen Angaben im Scheidungsverfahren dort verschwiegene Ansprüche auf Leibrentenzahlung habe.

Mit Schriftsatz vom 08.12.2004 hat die Antragsgegner anschließend mit, gleichgelagerter Begründung die Fortsetzung des Scheidungsverbundverfahrens bezüglich des Versorgungsausgleichs beantragt und hierzu ausgeführt, aufgrund der erfolgten Anfechtung des Vergleichs vom 28.05.2002 sei dieser wirkungslos und daher das Ausgangsverfahren bezüglich der Versorgungsausgleichs fortzusetzen.

Der Antragsteller ist dem entgegen getreten. Er hat gemeint, der im Vergleich vom 28.05.2002 erklärte Verzicht der Antragsgegnerin auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs stelle eine reine Prozesshandlung dar, die als solche, nicht angefochten werden könne. Daneben hat er unter näherer Darlegung eingewandt, die Anfechtungserklärung der Antragsgegnerin sei zudem sowohl verspätet als auch sachlich unbegründet.

Das Amtsgericht hat den Antrag der Antragsgegnerin auf Fortsetzung des Ausgangsverfahrens und Durchführung des Versorgungsausgleichs durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Es hat gemeint, der Vergleich sei zwar entgegen der Auffassung des Antragstellers anfechtbar, von der Antragsgegnerin indes nicht wirksam angefochten worden, da die mit Schriftsatz vom 14.10,2004 erklärte Anfechtung verspätet sei. Die Antragsgegnerin habe bereits vor Vergleichsabschluss, jedenfalls aber aufgrund der im Unterhaltsverfahren geführten Korrespondenz Kenntnis vom Vorhandensein zumindest einer Lebensversicherung des Antragstellers mit Rentenwahlrecht gehabt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie ihren Antrag auf Fortsetzung des Ausgangsverfahrens und Durchführung des Versorgungsausgleichs weiterverfolgt. Sie hält daran fest, bei Vergleichabschluss aufgrund unrichtiger Angaben des Antragstellers irrig davon ausgegangen zu sein, dass der Antragsteller während der Ehezeit keine weiteren ausgleichsrelevanten Versorgungsanrechte erwoben hatte als diejenigen in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Der Antragsteller verteidigt dagegen den angefochtenen Beschluss unter weitgehender Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vertrags.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist gemäß §§ 621 e I, III, 621 I Nr. 6, 517, 519, 520 II ZPO zulässig, in der Sache aber unbegründet.

1.

Das Amtsgericht ist in prozessualer Hinsicht zutreffend davon ausgegangen, dass der Streit der Parteien darüber, ob der zwischen ihnen geschlossene Prozessvergleich vom 28.05.2002 infolge der mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 14.10.2004 erklärten Anfechtung gemäß § 142 I BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist, wie von der Antragsgegnerin beantragt grundsätzlich in Fortführung des Ursprungsverfahrens ausgetragen werden muss (BGH MDR 1999, 1217; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl. Anh. § 307 Rz. 37; Zöller-Stöber, ZPO, 25. Aufl. § 794 Rz. 15a, jeweils mit weiterem Nachweis). Zugrunde liegt dem die Überlegung, dass der Prozessvergleich eine Doppelnatur aufweist -zum einen ist er Parteiprozesshandlung, zum anderen aber auch materiell-rechtliches Rechtsgeschäft- und wegen dieser Doppelnatur entgegen der erstinstanzlich erhobenen Einwände des Antragstellers nach bürgerlichem Recht anfechtbar ist, bei erfolgreicher Anfechtung und daraus folgender Nichtigkeit dann allerdings auch nicht zu einer Beendigung des Ursprungsverfahrens geführt haben kann (BGH aaO.).

2.

In der Sache kann der Streit der Parteien über die Rechtzeitigkeit der erklärten Anfechtung des Vergleichs vom 28.05.2002 letztlich dahin stehen, da es bereits an einem Anfechtungsgrund fehlt. Die Antragsgegnerin ist weder berechtigt, den Vergleich wegen Irrtums (§ 119 BGB) anzufechten, noch kann sie ihre Anfechtung mit Erfolg auf den Vorwurf einer arglistigen Täuschung des Antragstellers (§ 123 I BGB) stützen.

Zur Begründung ihrer Anfechtung verweist die Antragsgegnerin darauf, dass der Antragsteller in seinem eingereichten Fragebogen zum Versorgungsausgleich (Bl. 13 f GA) -bewusst- unvollständige Angaben gemacht und bei ihr so -arglistig- einen Irrtum verursacht habe, der letztlich ausschlaggebend dafür gewesen sei, dass sie sich auf den Abschluss des Prozessvergleichs vom 28.05.2002 eingelassen und dort dem vereinbarten Ausschluss des Versorgungsausgleichs zugestimmt habe. Mit diesem Vorbringen dringt die Antragsgegnerin nicht durch.

a)

Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, der Antragsteller habe in seinem angesprochenen Fragebogen zum Versorgungsausgleich Bl. 13 f GA eine bestehende betrieblichen Altersversorgung verschwiegen (Punkt C. des Fragebogens), erweist sich ihr Vorbringen schon deshalb als unrichtig, weil die ursprünglich bestehende, als betriebliche Altersversorgung zugunsten des Antragstellers abgeschlossene Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht bei der G Lebensversicherungs -AG (Versicherungsvertrag Nr. 3308641) bereits mit Schreiben vom 03.12.2001 (Bl. 213 GA) zum 01.01.2002 wirksam gekündigt wurde (Bl. 213/215 GA) und mithin im maßgeblichen Zeitpunkt bei Ende der Ehezeit i.S.d. § 1587 II BGB -d.h. am Ende des Monats, der dem Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags vorausgeht; hier angesichts am 09.02.2002 erfolgter Zustellung des Scheidungsantrags der 31.01.2002 (Bl. 11R GA)- nicht mehr bestand. Der nach Vertragskündigung an den Antragsteller ausgekehrte Rückkaufwert der Versicherung von 99.033,95 Euro (Bl. 215 f GA) fiel dagegen aus in anderem Zusammenhang noch darzulegenden Gründen (s.u. sowie BGH FamRZ 2003, 664 f; 923 /) nicht in den Versorgungsausgleich, weshalb den Antragsteller auch von daher keine Verpflichtung traf, zu dieser -zudem nicht mehr existenten- Versicherung in seinem Fragebogen zum Versorgungsausgleich noch Angaben zu machen.

b)

Anders verhält es sich zwar im Ausgangspunkt mit der bei Ehezeitende auf der Grundlage des Versicherungsvertrages vom 30.07./06.10.1998 noch bestehenden privaten Lebens-/Leibrentenversicherung des Antragstellers bei der Hamburg-Mannheimer Versicherung, die der Antragsteller durch Einmalzahlung von 6,5 Mio. DM begründet hatte und aus der er in der Folgezeit zunächst Rentenzahlungen in erklecklicher Höhe erhielt. Denn diese Versicherung hätte der Antragsteller unter Punkt E. 3 (Bl. 14R GA) auf die Frage nach einem bereits laufenden Rentenbezug aufgrund eines bestehenden Lebensversicherungsvertrages ungeachtet der Zusatzfrage nach dem Grund der Rentengewährung durchaus angeben müssen, so dass seine dortigen Angaben entgegen abweichender Versicherung (Bl. 14R unten) insoweit unvollständig und damit unrichtig waren.

Gleichwohl kann die Antragsgegnerin aus dieser Falschangabe des Antragstellers jedoch keinen Anfechtungsgrund für sich herleiten, da sich auch bei zutreffender und insbesondere vollständiger Auskunft des Antragstellers zu bestehenden Lebensversicherungen und daraus erfolgenden Rentenzahlungen keine für den Versorgungsausgleich wesentliche Änderung ergeben hätte, so dass es somit auch nach ihrem eigenen Vortrag an der Kausalität zwischen den Falschangaben des Antragstellers und der Zustimmungserklärung der Antragsgegnerin zum Vergleichsabschluss vom 28.05.2002 fehlt. Denn bei Offenbarung der bestehenden Rentenversicherung bei der Hamburg-Mannheimer Versicherung hätte ein -durch den Vergleich vom 28.05.2002 ausgeschlossener- Versorgungsausgleich in gleicher Weise wie im Termin vom 28.05.2002 erörtert (Bl. 56R GA) zugunsten des Antragstellers und zu Lasten der Antragsgegnerin durchgeführt werden müssen, da diese Rentenversicherung des Antragstellers nicht in den Versorgungsausgleich fiel. Zu berücksichtigen ist insoweit zum einen die von den Parteien mit notariellem Vertrag vom 17.07.1967 (UR.-Nr. 248/1967 des Notars Rudolf Honig in Altenbögge-Bönen) vereinbarte Gütertrennung gemäß § 1414 BGB, zum anderen aber auch der Umstand, dass der -zeitlich unstreitig erst deutlich später erfolgte- Abschluss des Rentenversicherungsvertrages bei der Hamburg-Mannheimer und die hierbei "erkauften" Versicherungsleistungen auf einer Einmalzahlung des Antragstellers beruhten, die aus dem Erlös der Veräußerung seiner Firmenbeteiligung nebst zugehöriger Immobilien finanziert wurde, mithin aus Mitteln, die dem Privatvermögen des Antragstellers entstammten. Nach verbreiteter obergerichtlicher Rechtsprechung (OLG Zweibrücken, OLGR 2002, 346; OLG Köln, OLGR 1996, 109; KG FamRZ 2003, 39 f.), der der Senat folgt, sind jedoch Rentenanwartschaften aus einer privaten Rentenversicherung, die ein Ehegatte nach Vereinbarung der Gütertrennung aus seinem Vermögen begründet hat, nicht in den Versorgungsausgleich einzubeziehen. Zur Begründung wird zu Recht darauf verwiesen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Vermögenswert nur entweder dem Versorgungsausgleich oder dem Zugewinnausgleich unterliegen kann, niemals aber beiden Ausgleichssystemen (BGH MDR 1992 678 = FamRZ 1992, 790 = NJW 1992, 1888). Daher sind beim Versorgungsausgleich solche Anrechte außer Betracht zu lassen, die mit Hilfe eines Vermögens begründet oder aufrecht erhalten worden sind, über welches der Zugewinnausgleich stattfindet oder stattgefunden hat. Dem gleichzustellen ist auch nach Auffassung des Senats der Fall einer -wie hiervertraglich vereinbarten Gütertrennung, durch die das hiervon betroffene Vermögen der Ehegatten dauerhaft einem weiteren Ausgleich -egal ob durch Zugewinn- oder Versorgungsausgleich- entzogen wird (OLG Köln, aaO.).

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 93 a, 97 I ZPO, die Wertfestsetzung beruht auf § 49 GKG.

Ende der Entscheidung

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