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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.01.2007
Aktenzeichen: 11 UF 84/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1572
BGB § 1573 Abs. 2
BGB § 1579 Ziff. 7
Die aus Anlass der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindung ist im Rahmen des Unterhaltsrechts als Einkommen auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen und nicht wie sonstiges Vermögen zu behandeln.

Dies gilt auch dann, wenn alsbald eine neue Arbeitsstelle mit geringeren Einkünften gefunden wird. Die Abfindung dient nämlich dazu, diese verringerten Einkünfte möglichst lange angemessen aufzustocken, um allen Beteiligten eine gleitende Umstellung auf die veränderten Rahmenbedingungen zu ermöglichen.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 UF 84/06 OLG Hamm

Verkündet am 17. Januar 2007

In der Familiensache

hat der 11. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zumdick und die Richter am Oberlandesgericht Lüblinghoff und Michaelis de Vasconcellos

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird das am 28. Februar 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Schwerte unter Aufrechterhaltung der Verurteilung für die Zeit von Oktober 2003 bis Dezember 2004 für die Zeit ab Januar 2005 teilweise abgeändert und insoweit wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab Januar 2005 wie folgt nachehelichen Unterhalt zu zahlen:

1. für die Zeit von Januar 2005 bis Juli 2005 monatlich 841,32 €;

2. für die Zeit von August 2005 bis Dezember 2005 monatlich 520,- €;

3. für Januar 2006 530,- €;

4. für die Zeit von Februar 2006 bis Dezember 2006 monatlich 687,- €;

5. für die Zeit ab Januar 2007 monatlich 562,- €.

Die weitergehenden Ansprüche für die Zeit ab Januar 2005 werden abgewiesen.

Die weitergehende Berufung und die weitergehende Anschlussberufung werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Beklagte zu 4/5 und die Klägerin zu 1/5 zu tragen.

Die Kosten des Rechtstreits in erster Instanz werden der Klägerin zu 1/4 und dem Beklagten zu 3/4 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Parteien sind seit dem 14.01.2003 rechtskräftig geschieden. Mit der Klage hat die Klägerin nachehelichen Unterhalt ab Oktober 2003 verlangt. In zweiter Instanz geht es nur noch um die Ansprüche ab Januar 2005. Insoweit liegt Folgendes zu Grunde:

Die Klägerin ist am 09.12.1959 geboren. Sie hat nach dem Hauptschulabschluss zunächst eine Lehre als Friseuse begonnen, aber wieder abgebrochen. Anschließend hat sie eine einjährige Ausbildung als Krankenpflegehelferin abgeschlossen. Nach neun Monaten Tätigkeit in einem Altenheim schied sie dort wegen Mager- und Tablettensucht krankheitshalber aus und war nach einer erfolgreichen stationären Behandlung drei Jahre arbeitslos, bevor sie im Juni 1983 heiratete. Am 17.12.1983 wurde der Sohn M geboren, am 12.09.1985 die Tochter Yasmin. Bereits im Jahr 1990 haben sich die Eheleute getrennt. Die Kinder wurden in der Folgezeit von der Mutter betreut und erzogen. M ist kurz vor der Scheidung zum Vater gewechselt. Nach der Trennung hat die Klägerin die Kinder allein erzogen und nur nebenbei zwei Putzstellen gehabt.

Vom 1.02.2002 bis zum 16.07.2003 hat sie teilschichtig als Altenpflegehelferin mit einem Stundenlohn von 10,23 € gearbeitet. Diesen Arbeitsplatz hat sie nach dem vorliegenden Arbeitszeugnis aus betriebsbedingten Gründen verloren. Von Juni 2003 bis Januar 2004 hat sie Krankengeld bezogen. Seither lebt sie überwiegend von Lohnersatzleistungen der Agentur für Arbeit.

Der Beklagte ist gelernter Schriftsetzer und hat später als Druckerei-Kaufmann im Außendienst gearbeitet. Im Juni 2005 hat er seine langjährige Beschäftigung bei der Fa. O D- und M GmbH verloren, weil er eine Änderungskündigung nicht akzeptieren wollte. Er hat eine Abfindung von 18.000,- € erhalten und bereits im August 2005 eine neue, aber deutlich schlechter bezahlte Stelle antreten können. Seit dem 01.02.2006 ist er erneut arbeitslos.

Die Klägerin hat mit der Klage geltend gemacht, der Beklagte beziehe ein monatliches Einkommen in Höhe von 2.607,06 €, das nicht um Unterhaltsleistungen für den bei ihm lebende Sohn zu bereinigen sei, weil dieser als Auszubildender ein bedarfsdeckendes Einkommen erziele. Auf ihrer Seite sei nur das Krankengeld von 644,- € anzurechnen, das ihrem bisherigen Verdienst aus teilschichtiger Tätigkeit als Alten-pflegehelferin entspreche. Die Zurechnung fiktiv höherer Einkünfte scheide aus, weil sie körperlich und psychisch nicht in der Lage sei, in größerem Umfang als bisher zu arbeiten. Die Differenz der beiderseitigen Einkünfte betrage 1.963,06 €. 3/7 davon, also 841,32 €, könne sie als Aufstockungsunterhalt beanspruchen.

Sie hat in erster Instanz beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie ab Oktober 2003 monatlich 841,32 € zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, sein Einkommen sei geringer als vorgetragen und um eheprägende Versicherungsbeiträge und den Kindesunterhalt für die Tochter Y zu bereinigen. Die Klägerin sei vollschichtig erwerbsfähig und könne daher ihren Unterhaltsbedarf selber decken.

Vorsorglich hat er sich auf die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1579 Ziffer 7 BGB berufen. Die Klägerin lebe seit Jahren in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit dem Zeugen J T; beide traten gegenüber Bekannten und Verwandten wie ein Ehepaar auf und verbrächten Freizeit und Urlaub miteinander.

Das Amtsgericht hat ein Gutachten zur Erwerbsfähigkeit der Klägerin eingeholt und Beweis über das Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zwischen der Klägerin und dem Zeugen T erhoben. Alsdann hat es der Klage teilweise stattgegeben und den Beklagten wie folgt zur Unterhaltszahlung verurteilt:

- 10/03 bis 12/03: monatlich 363,50 €;

- 01/04 bis 12/04: monatlich 640,80 €;

- 01/05 bis 12/05: monatlich 841,32 €;

- ab 01/06: monatlich 448,95 €.

Für 2005 hat das Amtsgericht unter Einschluss der im Juni 2005 gezahlten Abfindung ein durchschnittliches Einkommen des Beklagten von monatlich 3.760,84 € ermittelt. Der Klägerin hat es auf der Grundlage vollschichtiger Erwerbsfähigkeit und eines möglichen Stundenlohns von 8,- € ein fiktives Einkommen von 998,75 € zugerechnet, so dass sich für 2005 folgende Bedarfsberechnung ergab:

 Durchschnittliches Nettoeinkommen des Beklagten 3.760,84 €
./. Unfallversicherung 10,91 €
./. Krankenhaustagegeldversicherung 12,39 €
./. Unterhalt Yasmin 80,00 €
verbleiben 3.657,12 €
./. fiktives Einkommen der Klägerin 998,75 €
Differenz 2.658,37 €
davon 3/7 1.139,30 €

Ab Januar 2006 hat das Amtsgericht das vom Beklagten bei seinem neuen Arbeitgeber erzielte Einkommen zu Grunde gelegt, das es unter Berücksichtigung des Nutzungsvorteils für den Dienstwagen mit netto 2.150,- € angesetzt hat. Daraus ergab sich folgender Bedarf:

 durchschnittliches Nettoeinkommen des Beklagten 2.150,00 €
./. Unfallversicherung 10,91 €
./. Krankenhaustagegeldversicherung 12,39 €
./. Unterhalt Yasmin 80,00 €
verbleiben 2.046,68 €
./. fiktives Einkommen der Klägerin 998,75 €
Differenz 1.047,53 €
davon 3/7 448,95 €

Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs hat das Amtsgericht verneint, weil sowohl der Freund der Klägerin als auch die Tochter der Parteien glaubhaft bekundet hätten, dass jeder Partner eine eigene Wohnung unterhalte und keine wechselseitigen Versorgungsleistungen erfolgten.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er beanstandet, dass das Amtsgericht die im Jahre 2005 aus zwei Arbeitsstellen erzielten Einkünfte zusammengerechnet hat, statt Ende Juli 2005 wegen des drastischen Rückgangs der Einkünfte eine Berechnungszäsur zu machen. Er meint, die erhaltene Abfindung sei in die Berechnung ab August nicht einzubeziehen, da er ab diesem Zeitpunkt eine neue Arbeitsstelle gefunden habe.

Sein Arbeitseinkommen habe in der Zeit bis Juli 2005 durchschnittlich 2.871,48 € betragen. Daraus errechne sich ein Anspruch der Klägerin von nur 602,43 €. Ab August ergebe sich nur noch ein Einkommen von durchschnittlich 1.398,22 €, so dass sich bei Zurechnung eines fiktiven Einkommens auf Seiten der Klägerin in Höhe von 998,75 € nur noch ein Aufstockungsbedarf von 126,93 € ergebe. Der Beklagte stellt zur Überprüfung, ob der Klägerin als Krankenpflegehelferin nicht ein Stundenlohn von 9,50 € zugerechnet werden müsse, was zu einem fiktiven Nettoeinkommen von 1.100,- € führen würde. Er greift auch die Beweiswürdigung des Amtsgerichts zur Frage des Bestehens einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft an. Die Aussagen der Zeugen seien durch deren Nähe zur Klägerin beeinflusst.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts für die Zeit ab Januar 2005 dahin abzuändern, dass er nur noch wie folgt nachehelichen Unterhalt zu zahlen habe:

- für die Zeit von 01/05 bis 07/05 monatlich 602,43 €;

- ab 08/05 monatlich 126,93 €.

Die Klägerin beantragt,

a) die Berufung zurückzuweisen,

b) das Urteil des Amtsgerichts im Wege der Anschlussberufung dahin abzuändern, dass der Beklagte ab Januar 2006 monatlich 700,- € zu zahlen habe.

Sie verteidigt die Entscheidung des Amtsgerichts. Sie verweist darauf, dass sie schon nach dem Gutachten von Dr. B im Krankenpflegebereich nur 20 Stunden wöchentlich arbeiten könnte, so dass die Zurechnung eines höheren fiktiven Einkommens ausscheide. Darüber hinaus habe sich ihr Gesundheitszustand schon Ende 2005 so verschlechtert, dass sie nicht mehr in der Lage gewesen sei, an der mündlichen Verhandlung vom 10.01.2006 teilzunehmen. Inzwischen sei sie zu keiner Erwerbstätigkeit mehr in der Lage, so dass die weitere Zurechnung fiktiver Einkünfte ausscheide. Auf der Grundlage der Berechnungen des Amtsgerichts ab Januar 2006 steige ihr Unterhaltsanspruch daher auf 877,15 €.

Der Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Berufung und Anschlussberufung sind zulässig. Während die Berufung nur für die Zeit von August bis Dezember 2005 zu einer Reduzierung der Verurteilung führt, hat die Anschlussberufung überwiegend Erfolg.

Da die Klägerin entgegen ihrer Ankündigung eine weitere Einschränkung ihrer Erwerbsfähigkeit nicht belegen konnte, ist gemäß dem in erster Instanz eingeholten Gutachten weiterhin davon auszugehen, dass sie leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne besondere Stressbelastungen vollschichtig verrichten kann. Sie hat daher keinen Anspruch auf Unterhalts wegen Krankheit gemäß § 1572 BGB, sondern nur Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB. Zur Höhe ist nach Zeitabschnitten zu unterscheiden, wobei die wechselseitigen Angriffs- und Verteidigungsmittel im Zusammenhang abgehandelt werden können.

1. Ansprüche für die Zeit von Januar bis Juni 2005:

1.1 Einkommen des Beklagten:

a)

Der Beklagte rügt die Einkommensberechnung des Amtsgerichts zu Recht. Die im Juni 2005 wegen der Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindung ist nicht in die laufenden Einnahmen einzurechnen, denn die Abfindung dient als Ersatz des fortgefallenen Einkommens durch Umlegung auf einen längeren Zeitraum dazu, die bisherigen wirtschaftlichen Verhältnisse möglichst lange aufrechtzuerhalten, nicht dazu, den Lebensstandard im Jahr der Zahlung zu erhöhen. Weiter ist richtig, nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses mit der Firma D und M eine Zäsur zu machen, weil der Beklagte danach nur noch erheblich reduzierte Einkünfte erzielt hat.

Nach der Gehaltsabrechnung für Juni 2005 hat der Beklagte bis zum 30.06.05 insgesamt 60.576,90 € verdient. Zieht man davon die Abfindung von 18.000,- € ab, so verbleiben 42.576,90 € als laufendes Einkommen, was einem monatlichen Bruttoeinkommen von 7.096,15 € entspricht. Das führt zu folgendem Nettoeinkommen:

 Durchschnittliches Bruttoeinkommen 7.096,15 €
./. Lohnsteuern nach Steuerklasse 1 (berechnet nach WinFam) 2.192,33 €
./. SoliZ. 120,57 €
./. Kirchensteuern 197,30 €
./. Rentenversicherungsbeitrag 511,88 €
./. Arbeitslosenversicherungsbeitrag 170,63 €
./. Beitrag Direktversicherung 127,82 €
./. pauschaler Steueranteil des AN für die Zukunftssicherung 29,26 €
./. AN-Anteil freiwillige Krankenversicherung 259,09 €
./. AN-Anteil freiwillige Pflegeversicherung 38,77 €
verbleiben 3.448,50 €

Wie der Beklagte nach den vorgelegten Gehaltsabrechnungen unter Herausrechnung der Abfindung für diesen Zeitraum auf ein Nettoeinkommen von nur 2.871,48 € kommt, ist nicht nachvollziehbar.

b)

Eine Steuererstattung im Jahr 2005 hat nach dem Steuerbescheid vom 09.08.2005 2.741,27 € betragen, das sind monatsanteilig 228,43 €.

c)

Der Beklagte macht zwar geltend, es seien die für das Jahr 2004 vom Amtsgericht berücksichtigten Abzugspositionen fortzuschreiben, übersieht aber, dass er in erster Instanz selber zu Protokoll gegeben hat, für die Tochter Y ab Januar 2005 monatlich nur noch 80,- € Unterhalt zu zahlen. Insoweit ergibt sich also eine Änderung.

d)

Also ist mit folgendem Einkommen des Beklagten zu rechnen:

 ermitteltes Nettoeinkommen des Beklagten 3.448,50 €
Steuererstattung 228,43 €
  3.676,93 €
./. Unfallversicherung 10,91 €
./. Krankenhaustagegeldversicherung 12,39 €
./. Unterhalt Yasmin 80,00 €
verbleiben 3.573,63 €

1.2 Einkommen der Klägerin:

Das Amtsgericht ist auf Grund des eingeholten Sachverständigengutachtens davon ausgegangen, dass die Klägerin leichte bis mittelschwere frauenübliche Tätigkeiten vollschichtig verrichten und auf der Grundlage eines Stundenlohns von 8,- € ein Bruttoeinkommen von 1.344,- € erzielen könne. Das greifen beide Parteien ohne Erfolg an.

a)

Der Beklagte macht geltend, die Klägerin könne auf Grund ihrer Ausbildung im Krankenpflegebereich oder als Arzthelferin arbeiten und einen höheren Stundenlohn von 9,50 € erzielen. Zwar trifft es zu, dass die Klägerin als Altenpflegehelferin schon im Jahr 2002 einen Stundenlohn von 10,23 € erhalten hat, diese Tätigkeit könnte sie nach der Einschätzung des Sachverständigen wegen ihrer psychischen Disposition aber nur halbschichtig ausüben, so dass sich bei 85 Arbeitsstunden nur ein Bruttoeinkommen von 869,55 € ergeben würde, während das Amtsgericht von einem möglichen Bruttoeinkommen von 1.344,- € ausgegangen ist. Per Saldo kann die Klägerin also als Kranken- oder Altenpflegehelferin kein höheres Einkommen erzielen. Als Arzthelferin könnte sie zwar möglicher Weise vollschichtig tätig sein, weil dies psychisch weniger belastend ist, doch hat sie in diesem Berufsfeld noch nie gearbeitet und daher auch keine realistische Chance auf eine solche Tätigkeit.

b)

Ihre Behauptung, dass sich ihr Gesundheitszustand seit Ende 2005 so verschlechtert habe, dass sie arbeitsunfähig sei, hat die Klägerin nicht belegt und im Senatstermin nicht weiter verfolgt.

Auch dem weiteren Einwand, dass nicht mit dem vom Amtsgericht zu Grunde gelegten Stundenlohn von 8,- €, sondern maximal mit einem fiktiven Stundenlohn von 7,50 € gerechnet werden könne, folgt der Senat nicht. Immerhin hat die Klägerin eine Ausbildung vorzuweisen, so dass sie in den ihr zugänglichen Berufsfeldern als, Verkäuferin, Haushalts- oder Küchenhilfe nicht nach den niedrigsten Lohngruppen bezahlt werden wird, insbesondere auch deshalb, weil sie nach den Feststellungen des Sachverständigen einen lebhaften, freundlich-zugewandten und modisch gepflegten Eindruck macht. Das erhöht ihre Einstellungs- und Vergütungschancen. Also ist weiter mit dem vom Amtsgericht ermittelten fiktiven Bruttoeinkomen von 1.344,- € zu rechnen, was einem Nettoeinkommen von 998,75 € entspricht.

1.3

Demnach ergibt sich folgende Bedarfsberechnung:

 anrechenbares Einkommen des Beklagten 3.573,63 €
./. fiktive Bezüge der Klägerin 998,75 €
Differenz 2.574,88 €
davon 3/7 1.103,53 €

Das ist mehr, als das Amtsgericht zugesprochen hat.

1.4

Soweit der Beklagte erneut den Verwirkungseinwand wegen Bestehens einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft aufgreift, wird die Feststellung des Amtsgerichts, die Klägerin und ihr Partner hätten jeweils die eigene Wohnung beibehalten und ihre Beziehung auf Distanz angelegt, nicht substantiiert angegriffen, so dass eine erneute Vernehmung der Zeugen nicht erforderlich ist. Zwar liegt auf der Hand, dass nicht nur der Zeuge T, sondern auch die Tochter Y auf Seiten der Klägerin stehen, letztere, weil sie auf Kosten der Mutter lebt und vom Vater monatlich nur noch 80,- € Unterhalt bekommt, dieser Interessenkonstellation war sich das Amtsgericht bei der Würdigung der Aussagen aber offenbar bewusst.

Auch die Anhörung der Klägerin im Senatstermin begründet keine Zweifel an den Feststellungen des Amtsgerichts, obwohl sich herausgestellt hat, dass die intime Beziehung zum Zeugen trotz dessen Aussage vor dem Amtsgericht, die intime Freundschaft sei seit einer Woche beendet, offenbar fortgesetzt wird. Die Klägerin hat zwar bei ihrer Anhörung im Senatstermin versucht, Art und Intensität ihrer Beziehung zum Zeugen T herunterzuspielen, darauf kommt es aber nicht an, denn auch der Beklagte hat trotz Observierung der Wohnungen des Zeugen und seiner Frau nur einen längeren Wochenendbesuch seiner Frau bei Herrn T beobachten und vortragen können. Es gibt daher keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass sich die nach den Feststellungen des Amtsgerichts auf Distanz angelegte Beziehung der Klägerin zu einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft intensiviert haben könnte. Die abwiegelnde Aussage der Klägerin im Senatstermin erlaubt zwar den Schluss, dass ihre Beziehung zu Herrn T im bisherigen Umfang fortbesteht, das führt aber wegen der nach wie vor gewahrten Distanz nicht zu einer Verwirkung gemäß § 1579 Ziffer 7 BGB.

1.5

Also bleibt die Berufung für die Zeit bis Juni 2005 ohne Erfolg.

2. Anspruch für Juli 2005:

2.1

Der Beklagte hat im Juli gemäß dem Bescheid vom 01.08.2005 Arbeitslosengeld in Höhe von 1.313,60 € bezogen. Er geht selbst davon aus, dass dieses Einkommen aus der erhaltenen Abfindung auf den bis Ende Juni 2005 erzielten Verdienst aufzustocken war, um bis zum Beginn einer neuen Tätigkeit den bisherigen Lebensstandard fortführen zu können.

Die Abfindung hat brutto 18.000,- € betragen. Da das laufende Einkommen im Juni 2005 bei Abzug der Abfindung 6.498,71 € betragen hat (4.601,63 € + 1.727,07 € + 296,55 € + 1,28 € ./. 127,82 €), wären ohne die Abfindung Steuern von 1.941,33 € + 106,77 € + 174,71 = 2.222,81 € angefallen. Die auf die Abfindung angefallene Steuerlast errechnet sich dann wie folgt:

 abgeführte Lohnsteuer (Bl. 215) 3.453,33 €
abgeführter SoliZ 189,93 €
abgeführte Kirchensteuer 310,79 €
zusammen 3.954,05 €
./. Steuerlast laufendes Einkommen 2.222,81 €
auf die Abfindung entfallende Steuerlast 1.731,24 €

Also beträgt die netto erhaltene Abfindung 18.000,- € ./. 1.731,24 € = 16.268,76 €. Der Beklagte hat zwar behauptet, ihm sei von der Abfindung nur ein Betrag von 11.600,- € verblieben, hat das aber trotz Auflage nicht belegt. Also ist von den errechneten Zahlen auszugehen.

Um das Arbeitslosengeld von 1.313,60 € auf die bisherige Höhe von 3.448,50 € aufzustocken, konnte und musste der Beklagte aus der den Verlust des Arbeitsplatzes ausgleichenden Abfindung 2.134,90 € entnehmen. Folglich ist auch der für die erste Jahreshälfte berechnete Unterhalt weiter zu zahlen, so dass die Berufung auch für Juli 2005 ohne Erfolg bleibt.

3. Ansprüche für die Zeit von August 2005 bis Dezember 2005:

3.1 Einkommen des Beklagten:

a)

Schon Anfang August konnte der Beklagte eine neue Stelle antreten. Der bis einschließlich Dezember erzielte Verdienst ergibt sich aus der Abrechnung für Dezember 2005. Hinzurechnen ist der ebenfalls belegte Verdienst für Januar 2006:

 Gesamtbrutto bis 12/05 16.325,00 €
./. Lohnsteuern 3.116,89 €
./. Kirchensteuern 280,49 €
./. SoliZ 171,39 €
./. KV-Beitrag 1.273,34 €
./. RV-Beitrag 1.591,68 €
./. AV-Beitrag 530,57 €
./. PV-Beitrag 138,76 €
verbleiben 9.221,88 €
Bruttogehalt Januar 2006 3.239,00 €
./. gesetzliche Abzüge 1.385,26 €
verbleiben netto 1.853,74 €
zusammen 11.075,62 €
davon 1/6 1.845,94 €
./. AN-Anteil Direktversicherung 127,82 €
anrechenbares Einkommen 1.718,12 €

Der Nutzungsvorteil für den Privatgebrauch des Firmenwagens ist in diesem Betrag mit 239,- € enthalten. Eine Korrektur wird nicht verlangt.

Weshalb der Beklagte nur auf ein Nettoeinkommen von 1.526,04 € kommt, von dem er noch den Anteil zur Direktversicherung abziehen will, ist nicht nachvollziehbar. Geht man von der in der Dezemberabrechnung bescheinigten Nettoauszahlung von 7.513,42 € aus ergibt sich nämlich bereits ein durchschnittlicher Auszahlungsbetrag von 1.502,68 €, der noch um den Vorteil für die private Nutzung des Dienstwagens im Wert von monatlich 239,- € zu erhöhen ist.

b)

Dieses gegenüber früher deutlich geringere Einkommen ist durch die Umlegung der im Juni 2005 erhaltenen Abfindung auf einen Zeitraum von 2 Jahren aufzustocken. Der Beklagte beruft sich zwar darauf, dass die Abfindung nur den Einkommensverlust bis zum Antritt eines neuen Arbeitsverhältnisses abdecken solle und daher nach der bereits im August 2005 erfolgten Neuanstellung als frei verbrauchbares Vermögen zu betrachten sei, dem ist aber nicht zu folgen.

aa)

Nach der Rechtsprechung des BGH dient eine aus Anlass der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindung dem Unterhalt der Familie und ist im Rahmen der bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen gebotenen sparsamen Wirtschaftsführung für die Zwecke der Unterhaltsbemessung als Einkommen auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen; sie dient dazu, trotz der Verlustes des bisherigen Arbeitsplatzes eine gewisse Zeit lang die bisherigen wirtschaftlichen Verhältnisse aufrecht zu erhalten (BGH, FamRZ 1982, S. 250, 252 und FamRZ 87, S. 359, 360).

bb)

Der Beklagte beruft sich demgegenüber auf eine Entscheidung des OLG Köln, wonach der bis zum Antritt einer neuen Arbeitsstelle nicht verbrauchte Teil einer Abfindung unterhaltsrechtlich wie sonstiges Vermögen zu betrachten sei (OLG Köln, FamRZ 2005, S. 211; zustimmend Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Auflage, Rdnr. 794; anders: Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Auflage, § 1, Rdnr. 16).

Dem ist nach Auffassung des Senats nicht zu folgen. Schon der erneute Verlust der neuen Anstellung innerhalb der Probezeit zeigt, dass eine Abfindung, die der Abmilderung der Nachteile aus einem Arbeitsplatzverlust dient, ihren Zweck nicht schon mit dem Antritt eines neuen Arbeitsverhältnisses erfüllt hat, sondern zumindest auch der Aufstockung der Einkünfte nach einem innerhalb der Probezeit erfolgten erneuten Arbeitsplatzverlust ohne Abfindung zu dienen hat.

Darüber hinaus ist nach Auffassung des Senats ein monatsanteiliger Einsatz der Abfindung auch dann geboten, wenn das neue Arbeitsverhältnis gesichert erscheint, aber mit geringeren Einkünften als bisher verbunden ist. Die Abfindung dient dann dazu, die verringerten Einkünfte möglichst lange angemessen aufzustocken, um allen Beteiligten eine gleitende Umstellung auf die veränderten Rahmenbedingungen zu ermöglichen.

cc)

Zieht man in Betracht, dass das Nettoeinkommen des Beklagten im ersten Halbjahr 2005 ungewöhnlich hoch war und im Jahr 2003 nur 2.320,- € betragen hatte (BL 241: Jahresnettoverdienst von 27.840,08 € : 12), so wäre nicht sachgerecht, den ab August 2005 erzielten geringeren Verdienst auf die Höhe der ersten Jahreshälfte aufzustocken. Vielmehr war im Hinblick auf das letztlich auch eingetretene Risiko, die neue Stelle innerhalb der Probezeit wieder zu verlieren, das Einkommen nur moderat aufzustocken, um eine allzu drastische Einschränkung des zuletzt möglichen Lebensstandards zu vermeiden.

Zur Ermittlung des für eine Umlage auf längere Zeit verfügbaren Betrages ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte einen Teil der Abfindung nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes und der damit verbundenen Dienstwagennutzung zur Anschaffung eines bescheidenen Gebrauchtwagens eingesetzt hat. Das war nicht vorwerfbar. Also steht nur noch folgender Betrag für die Aufstockung der Einkünfte zu Verfügung:

 Nettobetrag der Abfindung 16.268,76 €
./. im Juli zur Aufstockung eingesetzt 2.134,90 €
./. Kaufpreis VW Polo (Bl. 285) 3.470,00 €
./. Reparaturkosten VW Polo (Bl. 308, 309) 1.832,00 €
verbleiben 8.831,86 €

Angesichts des Umstands, dass der Beklagte bereits 54 Jahre alt ist und es nach dem erneuten Verlust seines Arbeitsplatzes ungleich schwieriger sein wird, noch einmal eine Stelle zu finden, ist die restliche Abfindung auf 24 Monate umzulegen. Dann kann das Einkommen pro Monat um 367,99 € aufgestockt werden.

c)

Die Abzüge bleiben die gleichen wie bisher. Dann ergibt sich unter Berücksichtigung eines Aufstockungsbetrages von monatlich 367,99 € folgendes anrechenbares Einkommen:

 durchschnittlicher Verdienst 1.718,12 €
anteilige Steuererstattung 228,43 €
Aufstockungsbetrag 367.99 €
zusammen 2.314,54 €
./. Unfallversicherung 10,91 €
./, Krankenhaustagegeldversicherung 12,39 €
./. Unterhalt Yasmin 80,00 €
verbleiben 2.211,24 €

3.2

Das führt zu folgender Bedarfsberechnung:

 Nettoeinkommen des Beklagten ab August 2005 2.211,24 €
./. fiktives Einkommen der Klägerin 998,75 €
Differenz 1.212,49 €
davon 3/7 519,63 €
gerundet 520,00 €

Das Amtsgericht hat monatlich 841,32 € zugesprochen. Insoweit hat die Berufung teilweise Erfolg.

4. Anspruch für Januar 2006:

Die 2006 erfolgte Steuererstattung hat 3.019,20 € betragen (Bl. 352 GA), das sind monatsanteilig 251,60 €. Im übrigen bleibt es bei den unter Abschnitt 3.) erörterten Zahlen:

 durchschnittlicher Verdienst 1.718,12 €
anteilige Steuererstattung 251,60 €
Aufstockungsbetrag 367,99 €
zusammen 2.337,71 €
./. Unfallversicherung 10,91 €
./. Krankenhaustagegeldversicherung 12,39 €
./. Unterhalt Yasmin 80,00 €
verbleiben 2.234,41 €
./. fiktives Einkommen der Klägerin 998,75 €
Differenz 1.235,66 €
davon 3/7 529,56 €
gerundet 530,00 €

Da das Amtsgericht ab Januar 2006 monatlich nur 448,95 € zugesprochen hat, hat insoweit die Anschlussberufung teilweise Erfolg.

5. Ansprüche für die Zeit von Februar 2006 bis Dezember 2006:

5.1 Einkommen des Beklagten:

a)

Der Beklagte bezieht Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 57,12 €, pro Monat also 30 * 57,12 € = 1.713,60 €.

Solange er so zu behandeln ist, als könne er das Arbeitslosengeld aus der Abfindung aufstocken, braucht er sich fiktive Einkünfte aus der Wiederaufnahme seiner Erwerbstätigkeit nicht zurechnen zu lassen, auch wenn die belegten Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz den Anforderungen der Rechtsprechung nicht genügen. Die Abfindung diente nämlich auch und insbesondere der Überbrückung einer absehbar schwierigen Suche nach einem neuen Arbeitsplatz. Demnach kann er sich mit der Suche Zeit lassen, zumal das gezahlte Arbeitslosengeld in etwa das Einkommen aus dem Ersatzarbeitsplatz ab August 2005 erreicht und sich auch eine Fiktion in diesem Bereich bewegen müsste.

b)

Unter Fortschreibung der übrigen Positionen ergibt sich dann als anrechenbares Einkommen:

 Arbeitslosengeld 1.713,60 €
Steuererstattung 251,60 €
Aufstockung 367,99 €
 2.333,19 €
./. Unfallversicherung 10,91 €
./. Krankenhaustagegeldversicherung 12,39 €
./. Unterhalt Yasmin 80,00 €
verbleiben 2.229,89 €

5.2

Die Bedarfsberechnung ändert sich wie folgt:

 anrechenbares Einkommen des Beklagten 2.229,89 €
./. 6/7 der fiktiven Einkünfte der Klägerin von 998,75 € 856,07 €
Differenz 1.373,82 €
davon 1/2 686,91 €
gerundet 687,00 €

Da das Amtsgericht nur 448,95 € zugesprochen hat, hat die Anschlussberufung insoweit überwiegend Erfolg.

6. Ansprüche ab Januar 2007:

Da der Beklagte im Jahr 2006 nur im Januar erwerbstätig war, kann er für 2007 keine Steuererstattung erwarten. Dadurch ändert sich die Bedarfsberechnung ab Januar 2007 wie folgt:

 Arbeitslosengeld 1.713,60 €
Aufstockung (bis Juli 2007) 367,99 €
  2.081,59 €
./. Unfallversicherung 10,91 €
./. Krankenhaustagegeldversicherung 12,39 €
./. Unterhalt Yasmin 80,00 €
verbleiben 1.978,29 €
./. 6/7 der fiktiven Einkünfte der Klägerin von 998,75 € 856.07 €
Differenz 1.122,22 €
davon 1/2 561,11 €
gerundet 562,00 €

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Ziffer 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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