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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 14.01.2004
Aktenzeichen: 11 UF 89/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, UVG, StVollzG


Vorschriften:

ZPO § 653
ZPO § 654 II
BGB §§ 1601 ff
BGB § 1603 I
BGB § 1613 II Nr. 1
BGB § 1613 III
UVG § 7
StVollzG § 47
StVollzG § 51 I
StVollzG § 52
StVollzG § 83 II
Der Selbstbehalt eines eine Freiheitsstrafe verbüßenden Unterhaltspflichtigen, der im offenen Vollzug erwerbstätig ist, beträgt in der Regel 280,- €. Dieser Betrag ist um den vom Strafgefangenen zu tragenden Haftkostenanteil (hier: 46,75 €) zu erhöhen.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 UF 89/03 OLG Hamm

Verkündet am 14.01.2004

In der Familiensache

hat der 11. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm durch die Richter am Oberlandesgericht Dr. Köhler, Michaelis de Vasconcellos und Jellentrup die mündliche Verhandlung vom 17.12.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29.04.2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Ahlen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Urteil des Amtsgerichts Ahlen vom 28.05.2002 (13 F 7/00) wird dahingehend abgeändert, dass der Kläger für die Beklagte Kindesunterhalt in Höhe von

- 17,00 Euro für März 2003,

- 11,00 Euro für April 2003 und

- monatlich 135,00 Euro für die Monate Juni - Dezember 2003

zu zahlen hat, während für die Zeit vom 01.01.2001 - 28.02.2003, 01.05. -31.05.2003 sowie vom 01.01. - 02.05.2004 kein Unterhalt geschuldet wird.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen, die Berufung des Klägers sowie die weitergehende Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 58 % der Kläger und zu 42 % die Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger ist der leibliche Vater der am 17.10.1996 geborenen Beklagten, die Vaterschaft wurde nach erster Aufforderung zur Vaterschaftsanerkennung im Juli 1999 durch Urteil des Amtsgerichts Ahlen vom 24.04.2002 (13 F 7/00) festgestellt. Zugleich wurde der Kläger im vereinfachten Verfahren nach § 653 ZPO verurteilt, an die Mutter der Klägerin für die Zeit ab Geburt der Beklagten Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe zu zahlen.

Aus erster Ehe hat der Kläger einen am 14.04.1986 geborenen Sohn, der zur Zeit noch das Gymnasium besucht und bei seiner Mutter lebt, daneben ist er Vater eines weiteren, am 27.06.2000 geborenen Sohnes.

Der Kläger ist gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann. Er befand sich in der Zeit von Februar bis August 1996 in Untersuchungshaft. Anschließend will er nach eigenen Angaben als "Kaufmann auf Provisionsbasis" gearbeitet haben. Seit Januar 2001 verbüßt der Kläger eine Freiheitsstrafe, zunächst im geschlossenen Vollzug in der JVA Schwerte, inzwischen nach Verlegung in die JVA Castrop-Rauxel im offenen Vollzug. Voraussichtliches Haftende ist nach seinen Angaben der 2. oder 3. Mai 2004.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Abänderung des genannten Urteils dahin, dass er nicht zur Unterhaltszahlung an die Beklagte verpflichtet ist. Zur Begründung hat er darauf verwiesen, dass er seit seiner Inhaftierung ohne Einkommen und daher nicht leistungsfähig sei. Entsprechendes gelte auch für die Zeit zwischen Geburt der Beklagten und seinem Haft antritt.

Die Beklagte hat die fehlende Leistungsfähigkeit des Klägers bestritten und behauptet, der Kläger habe aus während der Haft ausgeübter Erwerbstätigkeit auf einem Sammelkonto Einkünfte angespart, wie laufende Pfändungen wegen angefallener Kosten anderer Verfahren belegten.

Das Amtsgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil teilweise stattgegeben und das Urteil des Amtsgerichts Ahlen vom 28.05.2002 dahin abgeändert, dass der Kläger ab Januar 2001 "für die Dauer seiner Strafhaft" keinen Kindesunterhalt schuldet. Es ist insoweit dem Vortrag des Klägers folgend von fehlender Leistungsfähigkeit ausgegangen und hat hierzu ausgeführt, auch das während der Haft durch Erwerbstätigkeit des Klägers verdiente Arbeitsentgelt sei nicht für den Kindesunterhalt einzusetzen, da es als sogenanntes Überbrückungsgeld angespart werde und der Unterhaltssicherung des Kläger während der ersten Wochen nach Haftentlassung diene, im übrigen aber auch als Hausgeld nebst Eigengeld auszuzahlen sei. Auf die Aufnahme eines Kredits zur Zwischenfinanzierung des Kindesunterhalt müsse sich der Kläger gleichfalls nicht verweisen lassen. Allein für die Zeit vor Januar 2001 habe der Kläger seine fehlende Leistungsfähigkeit nicht schlüssig dargetan.

Gegen dieses Urteil wenden sich Kläger wie Beklagte mit ihrer jeweiligen Berufung.

Die Beklagte begehrt weiterhin die vollständige Klageabweisung. Sie trägt hierzu ergänzend vor, dass wegen erbrachter Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz eine Rückabtretung erfolgt sei und beanstandet im übrigen, dass der für seine fehlende Leistungsfähigkeit darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht dargelegt habe, wie hoch seine -unstreitig erzielten- Einkünfte aus während der Haft ausgeübter Erwerbstätigkeit sind. Sie verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass nach eigenem Vortrag des Klägers seit März 2003 eine Teilpfändung seines Einkommens im Umfang des über den unpfändbaren Überbrückungsgeldbetrag von 2.800,00 Euro hinausgehenden Betrages erfolge und der Kläger im übrigen nach Wechsel in den offenen Vollzug seiner gesteigerten Unterhaltsverpflichtung durch Aufnahme einer anderweitigen (externen) Erwerbstätigkeit nachkommen könne.

Die Beklagte beantragt

1. unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen;

2. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt

1. unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils das Urteil des Amtsgerichts Ahlen vom 28.05.2002 -13 F 07/00- dahin abzuändern, dass er der Beklagten auch für die Zeit von Oktober 1996 bis Dezember 2000 keinen Unterhalt schuldet;

2. Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger hält unter weitgehender Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vertrags daran fest, dass auch für die Zeit zwischen der Geburt der Beklagten und seinem Haftantritt im Januar 2001 die Voraussetzungen für eine Abänderung des bestehenden Unterhaltstitels gegeben seien, da er bereits damals nicht über regelmäßige Einkünfte in ausreichender Höhe verfügt habe. Ein genauer Beleg seiner Einkünfte sei ihm dabei allerdings aufgrund der erfolgten Beschlagnahme seiner Unterlagen nicht möglich. Der Kläger ist im übrigen der Auffassung, dass seine rückwirkende Inanspruchnahme jedenfalls eine unzumutbare Härte i.S.d. 1613 II BGB darstelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Feststellungen des Amtsgerichts in seinem angefochtenen Urteil sowie die Berichterstattervermerke zu den Senatsterminen vom 31.10.2003 und 17.12.2003 Bezug genommen. Die Akte 13 F 7/00 AG Ahlen wurde beigezogen und lag zur Information des Senats vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, die zulässige Berufung der Beklagten ist dagegen teilweise begründet.

1.

Die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Kindesunterhalt für die Beklagte folgt aus §§ 1601 ff BGB und ist als solche dem Grunde nach unstreitig, nachdem die Vaterschaft des Klägers durch das abzuändernde Urteil des Amtsgerichts Ahlen vom 28.05.2002 -13 F 7/00- im Zusammenhang mit nach § 653 ZPO erfolgten Titulierung des Mindestunterhalts rechtskräftig festgestellt wurde.

2.

Die erstmals im Berufungsverfahren unter Hinweis auf erbrachte Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) bestrittene Aktivlegitimation der Beklagten steht dagegen nach erfolgter Rückabtretung der nach § 7 UVG auf das Land NRW übergangenen Ansprüche (Bl. 137, 138 f GA) gleichfalls außer Frage.

3.

In zeitlicher Hinsicht unterliegt das Abänderungsverlangen des Klägers ungeachtet der Bestimmung des § 654 II ZPO keinen Beschränkungen, da das Urteil des Amtsgerichts Ahlen vom 28.05.2002, in dem die abzuändernde Unterhaltsfestsetzung erfolgte, dem Kläger erst am 11.06.2002 zugestellt wurde (BA Bl. 111), während seine vorliegende Abänderungsklage am 10.07.2002 und damit noch vor Eintritt der Rechtskraft der abzuändernden Entscheidung anhängig gemacht worden ist (Bl. 1 GA).

4.

Da der Kläger durch das abzuändernde Urteil im Zuge der Vaterschaftsfeststellung nach § 653 ZPO allein zur Zahlung der Mindestunterhalt für die Beklagten verurteilt worden ist, hat die Beklagte ihren Bedarf in entsprechender Höhe nicht näher darzulegen. Vielmehr ist es Sache des Klägers, seine behauptete Leistungsunfähigkeit nachzuweisen (vgl. nur Wendl/Staudigl-Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl. § 2 Rz. 230; Wendl/Staudigl-Gutdeutsch aaO. § 4 Rz. 565; Kalthoener/Büttner-Niepmann, 7. Aufl. Rz. 149 m.w.N). Bei deren Feststellung ist allerdings auch die Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber seinen beiden weiteren minderjährigen Kindern zu berücksichtigen.

a) Zeitraum 17.10.1996 - 10.01.2001:

Über welche Einkünfte der Kläger in der Zeit zwischen Geburt der Beklagten (17.10.1996) und Beginn seiner Untersuchungshaft (11.01.2001, die anschließend nahtlos in die Strafhaft überging, Bl. 15 GA) verfügte, hat er auch im Berufungsverfahren nicht nachvollziehbar dargetan. Dass die der Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten (Betrug in 61 Fällen; Bl. 88/91 ff GA) in der Zeit vom 05.05.1992 - 20.02.1996 verübt wurden und bereits im Jahr 1996 in der Zeit vom 21.02.1996 - 02.08.1996 zu einer ersten Untersuchungshaft des Klägers führten, rechtfertigt allein noch nicht den Schluss auf eine bereits damals bestehende Leistungsunfähigkeit, zumal die Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber der Beklagten erst mit deren Geburt am 17.10.1996 einsetzte und zumindest nicht ausgeschlossen ist, dass der Kläger nach Haftentlassung am 02.08.1996 über unterhaltsrelevante Einkünfte verfügte. Der pauschale Einwand des Klägers, nach seiner Haftentlassung keiner geregelten Berufstätigkeit nachgegangen zu sein und dementsprechend auch keine eigenen Einkünfte erzielt zu haben, ist bestritten und in dieser Form unzureichend, zumal jeder Vortrag dazu fehlt, aus welchen Mitteln der Kläger in dieser Zeit seinen Lebensunterhalt bestritten hat. Nach seinem erstinstanzlichen Vortrag (Bl. 3 GA) war er ab August/September 1996 "als Kaufmann auf Provisionsbasis" tätig, welche Einkünfte er aus dieser Tätigkeit erzielt hat, wird indes nicht mitgeteilt. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf eine Beschlagnahme seiner Geschäftsunterlagen aus damaliger Zeit verweist und die Auffassung vertritt, bei dieser Sachlage müsse zu seinen Gunsten eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast eingreifen, ist dem schon mit Rücksicht auf die dem Kläger offenstehende Möglichkeit einer Akteneinsicht in die beschlagnahmten Unterlagen, auf die der Kläger im Zuge der Terminsverfügung des Senats vom 15.08.2003 ausdrücklich hingewiesen wurde (Bl. 80 f GA), nicht zu folgen.

Auch der weitere Einwand des Klägers, angesichts der erstmals im Juli 1999 an ihn gestellten Aufforderung zur Zahlung von Kindesunterhalt für die Beklagte (vgl. Bl. 65; 68 f GA) stelle seine Inanspruchnahme für den vorangegangenen Zeitraum jedenfalls eine unzumutbare Härte dar, erweist sich vor dem dargelegten Hintergrund als unbegründet. Ob eine solche unzumutbare Härte im Einzelfall anzunehmen ist, beurteilt sich nach § 1613 II Nr. 1, III BGB und erfordert danach gleichfalls eine nachvollziehbare -hier aber fehlende- Darlegung der Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen im maßgeblichen Unterhaltszeitraum (vgl. hierzu nur Palandt-Diederichsen, BGB, 61. Aufl. § 1613 Rz. 22, 25).

b) Zeitraum 11.01.2001 - 04.06.2004:

Nach vorübergehender Untersuchungshaft in der Zeit vom 11.01. - 14.02.2001 befindet sich der Kläger seit dem 15.02.2001 - nach eigenen Angaben bei seiner Anhörung vor dem Senat voraussichtlich bis zum 02/03.05.2004 (vgl. Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 17.12.2003) in Strafhaft. Seine seitdem bis einschließlich November 2003 erzielten Einkünfte belegt er dabei durch die überreichten "Lohnscheine" Bl. 97 ff GA sowie für die Zeit vom 02.06. - 15.11.2003 durch Lohn/Gehaltsabrechnungen der Fa. R in Dortmund (Bl. 164 ff GA), denen dabei Bezüge in variierender Höhe zu entnehmen sind. Im einzelnen gilt hierzu folgendes:

aa)

Dass auch längere Strafhaft zur Leistungsunfähigkeit i.S. von § 1603 I BGB führen kann, weil es dem Strafgefangenen im Regelfall - soweit er sich nicht im offenen Vollzug befindet - unmöglich ist, einer normalen Erwerbstätigkeit nachzugehen, entspricht herrschender Meinung und ist auch in der Rechtsprechung anerkannt (BGH MDR 1982, 1003; BGH FamRZ 2002, 813 ff; OLG Karlsruhe, FamRZ 1998, 45 ff; OLG Koblenz, FamRZ 1998, 44 f; OLG Zweibrücken, FamRZ 1990, 553 f; Kalthoener/Büttner-Niepmann, 8. Aufl. Rz. 668; Weinreich-Klein, Kompakt-Kommentar Familienrecht, § 1603 Rz. 36). Abweichendes gilt allein dann, wenn die Strafhaft auf einem Fehlverhalten des Pflichtigen beruht, das sich gerade auf seine Unterhaltspflicht bezieht, der Unterhaltspflichtige sich mithin gerade deshalb in Strafhaft befindet, weil er seine Unterhaltverpflichtung gegenüber dem Berechtigten verletzt hat oder wenn gerade die bestrafte vorsätzliche Tat dazu geführt hat, dass der Unterhaltsberechtigte -etwa durch Schädigung seines Vermögens, durch eine Körperverletzung oder durch die Tötung eines vorrangig Unterhaltspflichtigen-(vermehrt) unterhaltsbedürftig geworden ist (BGH FamRZ 2002, 813 ff, 814 unter Hinweis auf BGH FamRZ 1982, 913, 914). Ein derartiger Fall ist hier ersichtlich nicht gegeben und wird auch von der Beklagten nicht behauptet.

bb)

Andererseits sind auch die während der Untersuchungs- oder Strafhaft erzielten Einkünfte des Unterhaltspflichtigen nach den allgemeinen Grundsätzen zur Unterhaltsbemessung heranzuziehen, soweit sie den im Einzelfall zuzubilligenden Selbstbehalt übersteigen und nicht aufgrund ihrer konkreten Zweckbestimmung der Einbeziehung in die Unterhaltsbemessung entzogen sind. Zu differenzieren ist in diesem Zusammenhang zwischen "Überbrückungsgeld", "Hausgeld" und "Eigengeld" des Gefangenen.

(1)

Überbrückungsgeld wird nach § 51 I StVollzG aus den Bezügen des Gefangenen gebildet, um für die ersten 4 Wochen nach seiner Haftentlassung seinen eigenen wie auch den notwendigen Unterhaltsbedarf seiner Unterhaltsberechtigten zu sichern. Die Auszahlung des Überbrückungsgeldes erfolgt dabei erst bei der Entlassung des Gefangenen (§ 51 II StVollzG), der Anspruch hierauf ist unpfändbar (§ 51 IV StVollzG). Für den laufenden Unterhalt in der Zeit vor Haftentlassung ist die als Überbrückungsgeld gebildete Rücklage danach weder verfügbar noch von seiner Zweckbestimmung her gedacht (vgl. Kalthoener/Büttner-Niepmann, aaO. Rz. 760; OLG Karlsruhe, FamRZ 1998, 45 ff).

(2)

Das in § 47 StVollzG geregelte, aus den Bezügen des Gefangenen gebildete Hausgeld dient dagegen dem Einkauf von Nahrungs-, Genuss- und Körperpflegemitteln sowie der Bezahlung von Postgebühren u.a. (Kalthoener/Büttner-Niepmann, aaO. Rz. 759) und zählt nach wohl überwiegend vertretener Auffassung auch bei gesteigerter Unterhaltsverpflichtung grundsätzlich nicht zu den nach § 1603 II BGB verfügbaren Mitteln (BGH MDR 1983, 41, 42; zur Frage der Pfändbarkeit vgl. auch OLG Hamm -28 W 98/00- OLGR 2001, 235). Abweichendes kann im Einzelfall allein dann gelten, wenn die aus dem Hausgeld zu bestreitenden notwendigen Bedürfnisse anderweitig gedeckt sind wie beispielsweise im Falle einer vorangegangenen Haushaltsführungstätigkeit des Inhaftierten durch Zuwendungen der verdienenden Ehefrau (Kalthoener/Büttner-Niepmann, aaO.), wovon hier jedoch gleichfalls keine Rede sein kann.

(3)

Daneben besteht das in §§ 52, 83 II StVollzG geregelte sog. Eigengeld des Strafgefangenen, dem diejenigen Bezüge gutzuschreiben sind, die nicht als Hausgeld, Haftkostenbeitrag, Unterhaltsbeitrag oder Überbrückungsgeld in Anspruch genommen werden (§ 52 StVollzG) und das damit zur Befriedigung bestehender Unterhaltsansprüche zur Verfügung steht.

cc)

Für die Unterhaltsverpflichtung des Klägers ergibt sich danach folgendes:

(1) Unterhalt bis April 2003:

Nach den vorgelegten Lohnscheinen des Klägers war der Kläger ab Haftantritt bis einschließlich Januar 2003 aufgrund der aus seinem Arbeitsverdienst gebildeten Rücklage in Gestalt des Überbrückungsgeldes nach § 51 I StVollzG leistungsunfähig, dem Haus- und Eigengeldkonto wurden in dieser Zeit nur geringfügige Beträge gutgeschrieben, die keine Unterhaltszahlungen des Klägers zuließen. Von dem Kläger war weiterhin auch nicht zu verlangen, dass er zur vorübergehenden Sicherstellung bestehender Unterhaltsansprüche während der Dauer seiner Inhaftierung Kredite in Anspruch nahm (vgl. hierzu auch OLG Karlsruhe, FamRZ 1998, 45 f).

Anders verhält es sich dagegen in den Monaten Februar bis April 2003, in denen dem Eigengeldkonto des Klägers deutlich höhere Beträge gutgeschrieben wurden, die jedenfalls ab März eine beschränkte Leistungsfähigkeit des Klägers begründen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass ein unterhaltspflichtiger Strafgefangener grundsätzlich nicht schlechter gestellt werden darf als ein in Freiheit lebender Unterhaltspflichtiger, so dass ihm grundsätzlich der notwendige Selbstbehalt zu belassen und nur ein darüber hinausgehendes Einkommen für den Unterhalt verfügbar ist (Kalthoener/Büttner-Niepmann, 8. Aufl. Rz. 758). Eine gewisse Modifikation ergibt sich im Streitfall allein dadurch, dass die im Selbstbehalt enthaltenen Wohn- und Verpflegungskosten durch den vom Kläger gezahlten Haftkostenbeitrag von monatlich 46,75 Euro (vgl. Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 31.10.2003, Bl. 151 GA) abgedeckt werden. Bei vom Selbstbehalt umfassten Unterkunftskosten (Warmmietanteil) von monatlich 360,00 Euro (Ziffer 21.2. HLL Stand 01.07.2003) sowie geschätzten ersparte Verpflegungskosten von monatlich 200,00 Euro (§ 287 ZPO) ergibt sich danach ein dem Kläger zu belassender Betrag von monatlich (840,00 Euro ./. 360,00 Euro ./. 200,00 Euro = 280,00 Euro + Haftkostenbeitrag von 46,75 Euro =) 326,75 Euro.

Das für Unterhaltszwecke verfügbare Einkommen des Klägers in den Monaten Februar - April 2003 stellt sich danach wie folgt dar:

 Gesamtnettoeinzusetzen:
Februar 2003 (Bl. 102 GA)262,52 Euro0,00 Euro
März 2003 (Bl. 100 GA)378,48 Euro51,73 Euro
April 2003 (Bl. 97 GA)359,39 Euro32,64 Euro

Bei bestehenden Ansprüchen (Tabellenbetrag) der unterhaltsberechtigten Kinder in Höhe von monatlich (188,00 Euro + 228,00 Euro + 269,00 Euro =) insgesamt 685,00 Euro entfiel auf die Beklagte dabei entsprechend ihrem monatlichen Bedarf von 228,00 Euro ein Anteil von rund 1/3, der trotz angehobener Tabellenbeträge (199,00 Euro + 241,00 Euro + 284,00 Euro) und eines Gesamtbedarfs von nun 724,00 Euro - auch für die Zeit ab 01.07.2003 fortzuschreiben ist. Für März 2003 kann die Beklagte danach Unterhalt in Höhe von (51,73 Euro : 3 =) rund 17,00 Euro beanspruchen, für April dagegen (32,64 Euro : 3 =) rund 11,00 Euro, während für Februar 2003 kein Anspruch besteht.

(2) Zeitraum Mai - Dezember 2003:

Seit Mai 2003 befindet sich der Kläger im offenen Vollzug (Bl. 89 GA), wobei er im Mai 2003 ohne eigenes Verschulden einkommenslos und daher auch hier leistungsunfähig war.

In der Zeit vom 02.06.2003 bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 15.11.2003 durch Kündigung des Arbeitgebers war der Kläger dagegen auf der Grundlage des vorgelegten Arbeitsvertrages Bl. 162 f GA bei der Fa. R als Bauarbeiter beschäftigt. Das dort erzielte Erwerbseinkommen des Klägers ist belegt durch die gemäß Senatsbeschluss vom 31.10.2003 eingeholten Verdienstabrechnungen des Arbeitgebers und belief sich danach in dieser Zeit auf netto insgesamt 4.384,26 Euro, was einem monatsdurchschnittlichen Nettoverdienst von 730,71 Euro entspricht, der sich anhand der in der Verdienstabrechnung für November 2003 (Bl. 168 GA) aufgeführten Jahreszahlen im einzelnen wie folgt errechnet:

Gesamtbrutto 5.756,50 Euro ./. Lohnsteuer - 128,94 Euro ./. Kirchensteuer - 11,33 Euro ./. SolZ. - 5,80 Euro ./. Krankenversicherung - 428,86 Euro ./. Pflegeversicherung - 48,95 Euro ./. Rentenversicherung - 561,27 Euro ./. Arbeitslosenversicherung - 187,09 Euro Nettoeinkommen 4.384,26 Euro d.h. monatsdurchschnittlich (: 6) 730,71 Euro

Angesichts des in der Lohnabrechnung für November (Bl. 168 GA) ausgewiesenen Urlaubsanspruchs des Klägers von brutto 853,12 Euro für 14 Arbeitstage, der nach durch Kündigung bedingter vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.12.2003 nun durch Zahlung auszugleichen ist, hält es der Senat dabei für gerechtfertigt, ein Nettoeinkommen in v.g. Höhe auch für Dezember 2003 zugrunde zu legen.

Berufsbedingte Aufwendungen sind dem Kläger dagegen nach eigenen Angaben nicht angefallen, während von ihm behauptete Einbehalte des Arbeitgebers wegen eines angeblichen Schadensfalls in der Arbeitgeberbescheinigung vom 11.12.2003 (Bl. 159 GA) keine Bestätigung finden, in den Verdienstabrechnungen ausgewiesene Nettobeträge sind hiernach vielmehr ungekürzt zur Auszahlung gebracht worden.

Bei einem dem Kläger in Ansehung seiner im Rahmen der Haftunterbringung weitgehend gedeckten Unterkunfts- und Verpflegungskosten von seinem Einkommen zu belassenden Betrag von monatlich 326,75 Euro war danach im Unterhaltszeitraum Juni - Dezember 2003 zur Deckung bestehender Unterhaltsansprüche ein Betrag von monatsdurchschnittlich (730,71 Euro ./. 326,75 Euro =) 403,96 Euro verfügbar, der - wie dargelegt - mit einem Anteil von 1/3 = monatlich rund 135,00 Euro auf die Beklagte entfiel. Allein in Höhe des titulierten Mehrbetrages beruft sich der Kläger zu Recht auf fehlende Leistungsfähigkeit. Die Forderung der Beklagte nach einer Ausweitung der Erwerbstätigkeit des Klägers oder nach Aufnahme einer zusätzlichen Nebentätigkeit scheitert hingegen trotz gesteigerter Erwerbsobliegenheit des Klägers an den zeitlichen Beschränkungen aufgrund der Haftbedingungen sowie den ohnehin eingeschränkten Erwerbschancen eines Gefangenen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Zeitraum 01.01. - 02.05.2004:

Nach unverschuldetem Verlust seiner Anstellung bei der Fa. R ist dem Kläger vor Zurechnung fiktiver Einkünfte wie jedem anderen arbeitslosen Unterhaltspflichtigen eine angemessene Orientierungs- und Bewerbungsfrist zuzubilligen, die dabei hier den schon angesprochenen Einschränkungen Rechnung zu tragen hat, denen der Kläger auch bei einer Haftverbüßung im offenen Strafvollzug unterliegt, und damit keinesfalls unter 5-6 Monaten anzusetzen ist. Dass der Kläger bei zumutbarer Anstrengung bis zu seiner Haftentlassung zum 02.05.2004 eine neue Arbeitsstelle finden kann, lässt sich danach auch bei unterstellte frühzeitiger Kenntnis von der zu erwartenden Kündigung und danach unverzüglich aufzunehmenden Bemühungen um eine neue Stelle aus heutiger Sicht nicht hinreichend sicher feststellen. Entsprechendes gilt auch für einen etwaigen Bezug von Arbeitslosengeld. Insoweit ist sowohl zweifelhaft, ob der Kläger überhaupt die Bewilligungsvoraussetzungen erfüllt, als auch, ob, wann und ggfs. in welcher Höhe ein etwaiges Arbeitslosengeld bewilligt werden wird. Unterhaltsansprüche der Beklagten entfallen daher auch für diesen Zeitraum.

5.

Die Zeit ab Haftentlassung des Klägers, die nach seinen Angaben vor dem Senat auf den 02.05.2004 zu datieren ist, da etwaige Verzögerungen ebenso ungewiss sind wie anderseits auch die Möglichkeit einer vom Kläger betriebenen vorzeitigen Haftentlassung bei Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung, ist dagegen nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens, da der Kläger mit seiner Berufung unbeanstandet hinnimmt, dass das Amtsgericht seine Unterhaltsverpflichtung in Abänderung des Urteils vom 28.05.2002 (13 F 7/00) allein für die Dauer seiner Strafhaft hat entfallen lassen. Aus Gründen der hinreichenden Bestimmtheit des Urteilstenors war insoweit allerdings die Abänderung kalendermäßig genau zu befristen.

6.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 8, 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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