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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.03.2009
Aktenzeichen: 11 W 106/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, StPO, StVollzG, VorschverfG NW, StrEG, GKG


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 138 Abs. 3
BGB § 215
BGB § 242
BGB § 253 Abs. 2
BGB § 254
BGB § 393
BGB § 839
BGB § 839 Abs. 3
StPO § 119 Abs. 2
StPO § 119 Abs. 2 S. 3
StVollzG § 18
StVollzG § 18 Abs. 1 Satz 1
StVollzG § 109
StVollzG § 114
StVollzG § 114 Abs. 1
StVollzG § 114 Abs. 2
StVollzG § 114 Abs. 3
StVollzG § 144 Abs. 2
StVollzG § 201 Nr. 3
StVollzG § 201 Nr. 3 S. 1
VorschverfG NW § 1 Abs. 3 Satz 2
StrEG § 7 Abs. 3
GKG § 3 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 15.08.2008 wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 25.07.2008 abgeändert.

Dem Antragsteller wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt C2 aus E ratenfreie Prozesskostenhilfe für den Antrag bewilligt, das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 4.885,00 € zu zahlen.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren ist auf die Hälfte zu ermäßigen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, der in der vor dem 01.01.1977 errichteten JVA I2 vom 06.05.2005 - 07.12.2005 in Untersuchungshaft war und anschließend dort bis zum 13.02.2006 eine Freiheitsstrafe verbüßte, begehrt mit seiner beabsichtigten Klage vom Land Nordrhein-Westfalen (= Antragsgegner) die Zuerkennung einer Entschädigung wegen seines Erachtens menschenunwürdigiger Haftunterbringung über einen Zeitraum von nach seinen Angaben zunächst (Antragsschrift vom 06.02.2008) 284 Tagen, später (Schreiben vom 10.05.2008) insgesamt 266 Tagen in Höhe von kalendertäglich 100,00 € (Schreiben vom 08.05.2008).

Nach Vortrag des Antragstellers sowie unter Berücksichtigung des unwidersprochen gebliebenen und daher nach § 138 III ZPO als zugestanden anzusehenden Vortrags des Antragsgegners (Schriftsatz vom 18.04.2008) war der Antragsteller in der von seinem Entschädigungsbegehren umfassten Zeit wie folgt untergebracht:

- in der Zeit vom 06.05. - 15.05.2005 (= 10 Tage) zusammen mit zwei weiteren Mitgefangenen in den jeweils 16,7 m² großen Gemeinschaftshafträumen 259 und 256; die mit einer Toilette ausgestattet waren, die weder baulich abgetrennt noch gesondert entlüftet war;

- in der Zeit vom 15.05 - 01.06.2005 als besondere Sicherungsmaßnahme allein in dem speziell gesicherten Haftraum 313; Angaben zu dessen Größe und Ausstattung fehlen;

- vom 01.06. - 11.10.2005 (= 132 Tage) zusammen mit zwei Mitgefangenen in dem 14,8 m² großen Haftraum 441, die dortige sanitäre Ausstattung entsprach derjenigen in den Hafträumen 259 und 256;

- vom 11.10 - 17.10.2005 (= 6 Tage) zusammen mit 3 Mitgefangenen in dem 16,33 m² großen Gemeinschaftshaftraum 478; auch dieser Haftraum war mit einer Toilette ausgestattet, die weder baulich abgetrennt noch gesondert entlüftet war;

- am 19.10.2005 (= 1 Tag) zusammen mit zwei Mitgefangenen in dem 12,99 m² großen Haftraum 446, sanitäre Ausstattung wie vorstehend beschrieben;

- vom 19.10. - 22.11.2005 (= 34 Tage) zusammen mit drei Mitgefangenen in dem 16,33 m² großen Haftraum 478, sanitäre Ausstattung wie vorstehend beschrieben;

- vom 25.11. - 28.11.2005 (= 4 Tage) zusammen mit zwei Mitgefangenen in dem 12,99 m² großen Haftraum 546, sanitäre Ausstattung wie vorstehend beschrieben;

- vom 30.11. - 01.12.2005 (= 2 Tage) zusammen mit zwei Mitgefangenen in dem 12,99 m² großen Haftraum 626, sanitäre Ausstattung wie vorstehend beschrieben;

- vom 01.12. - 06.12.2005 (= 5 Tage) zusammen mit drei Mitgefangenen in dem 16,33 m² großen Haftraum 478, sanitäre Ausstattung wie vorstehend beschrieben;

- vom 06.12.2005 - 01.02.2006 (= 57 Tage) zusammen mit drei Mitgefangenen in dem 16,7 m² großen Haftraum 259, sanitäre Ausstattung wie vorstehend beschrieben;

- vom 01.02. - 03.02.2006 befand sich der Antragsteller in Einzelhaft; Angaben zu Größe und Ausstattung des Haftraums fehlen;

- vom 03.02. - 13.02.2006 (= 10 Tage) zusammen mit drei weiteren Mitgefangenen in dem 14,33 m² großen Gemeinschaftshaftraum 501, sanitäre Ausstattung wie vorstehend beschrieben.

Die Belegungssituation in der JVA Hagen war im hier interessierenden Zeitraum nach Angaben des Landes angespannt. Ein Antrag auf Einzelunterbringung wurde vom Antragsteller nach unwidersprochenem Vortrag des Landes nicht gestellt. Rechtsmittel gegen seine Unterbringung in Gemeinschaftshafträumen hat der Antragsteller gleichfalls nicht ergriffen.

Der Antragsteller macht geltend, seine gemeinschaftliche Unterbringung in der JVA Hagen habe gegen das Gebot menschenwürdiger Unterbringung verstoßen. Hierin liege eine Amtspflichtverletzung, für die das Land hafte. Die ihm zuzubilligende Geldentschädigung sei mit 100,00 € pro Tag anzusetzen.

Das Land tritt dem entgegen und bestreitet unter näher Darlegung eine ihm zur Last fallende Amtspflichtverletzung. Hilfsweise hat es die Aufrechnung mit ihm zustehenden Kostenerstattungsansprüchen in Höhe von 19.010,08 € erklärt.

Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, ob eine menschenunwürdige Unterbringung des Antragstellers vorgelegen habe, könne letztlich dahin stehen, da eine Entschädigungspflicht nur in Fällen besonders massiver Beeinträchtigung des Gefangenen durch die Umstände seiner Haftunterbringung bestehe, an der es hier fehle, was nicht zuletzt die unterbliebene Einlegung eines dagegen gerichteten Rechtsbehelfs belege. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Mit seiner hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, verfolgt der Antragsteller seinen ursprünglichen Antrag unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages weiter.

II.

Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde ist teilweise begründet. Die beabsichtigte Klage des Antragstellers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 114 ZPO.

1.

Auf der Grundlage des für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe maßgeblichen Vortrags des Antragstellers sowie des unbestritten gebliebenen Vortrags des Antragsgegners liegen die Voraussetzungen für einen Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB in Verbindung mit Art 34 GG vor.

1.1

Die gemeinschaftliche Haftunterbringung des Antragstellers war in der von seinem Klagebegehren erfassten Zeit vom 06.05.2005 - 13.02.2006 für die Dauer von insgesamt 230 Tagen aufgrund einer bei der Anzahl der hierin untergebrachten Häftlinge unzureichender Größe der jeweiligen Hafträume und/oder deren ungenügender sanitärer Ausstattung rechtswidrig. Sie verstieß gegen Art. 1 und 2 Abs. 1 GG sowie Art 3 EMRK und stellt eine entschädigungspflichtige Amtspflichtverletzung dar.

1.1.1

Allerdings ergibt sich eine solche Amtspflichtverletzung nicht schon aus der gemeinschaftlichen Unterbringung als solcher.

1.1.1.1

Die gemeinschaftliche Unterbringung des Antragstellers für die Dauer seiner bis zum 07.12.2005 währenden Untersuchungshaft war nach bisherigem Sach- und Streitstand nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil die dafür nach § 119 Abs. 2 StPO maßgeblichen Voraussetzungen nicht feststellbar sind. Zwar ist weder vom Land vorgetragen noch dem weiteren Akteninhalt zu entnehmen, dass der Antragsteller einer gemeinschaftlichen Unterbringung schriftlich zugestimmt hätte, als er sich in Untersuchungshaft befand (§ 119 Abs. 2 S. 1 StPO). Nach unwidersprochenem Vortrag des Landes war der Antragsteller jedoch als suizidgefährdet eingestuft und danach gemäß § 119 Abs. 2 S. 3 StPO aufgrund seines "körperlichen oder geistigen Zustands" eine Gemeinschaftsunterbringung erforderlich.

Die für die Zeit der Strafhaft des Antragstellers, d.h. die Zeit ab dem 08.12.2005 maßgebliche Bestimmung des § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG sieht dagegen zwar grundsätzlich gleichfalls eine Einzelunterbringung von Strafgefangenen während der Ruhezeiten vor. Jedoch gilt für Anstalten, mit deren Errichtung bereits vor Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes am 01.01.1977 begonnen wurde, was auf die Justizvollzugsanstalt I2 zutrifft, gem. § 201 Nr. 3 StVollzG eine Ausnahme. Danach dürfen abweichend von § 18 StVollzG während der Ruhezeiten Gefangene auch gemeinsam untergebracht werden, solange die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern.

Die Vorschrift verfolgt damit das Ziel, in den vor dem genannten Zeitpunkt errichteten Anstalten die Anwendung des § 18 Abs. 1 S. 1 StVollzG zu suspendieren. Der Gesetzgeber will damit verhindern, dass Strafgefangene in diesen Anstalten ohne eine Einschränkungsmöglichkeit im Einzelfall einen einfachgesetzlichen Anspruch auf Einzelunterbringung erfolgreich geltend machen können (BGH NJW 2006, 306 ff, 309). Mit dieser Regelung wird demnach auch einem in der Anstalt bestehendem Platzmangel begegnet (OLG Celle, NJW 2004, 2766). Gefangene dürfen danach, falls dies die beschränkten Raumverhältnisse erfordern und es die persönliche Disposition des Gefangenen erlaubt, in Altanstalten weiterhin mit bis zu sieben weiteren Personen untergebracht werden (vgl. auch BGH NJW 2006, 306 ff, 309). Zwar handelt es sich bei der Vorschrift des § 201 Nr. 3 S. 1 StVollzG um ein Zeitgesetz, der Zeitpunkt des Außer-Kraft-Tretens wird hierin indes nicht bestimmt. Dieser Mangel beeinträchtigt indes die Wirksamkeit der Norm nicht, da die fehlende Befristung innerhalb des Gestaltungsermessens des Gesetzgebers liegt und von sachlichen Erwägungen getragen wird (vgl. BGH NJW 2006, 306, ff, 307).

Kann wegen Überbelegung der Anstalt -von der nach dem Vortrag des Antragstellers für die JVA I2 im hier interessierenden Zeitraum zwischen Mai 2005 und Februar 2006 auszugehen ist- nicht jedem Gefangenen ein Einzelhaftraum zur Verfügung gestellt werden, hat die Justizvollzugsanstalt im Anwendungsbereich des § 201 Nr. 3 StVollzG das ihr im Rahmen ihrer Organisationshoheit zustehende Ermessen in zwei Stufen auszuüben: Zunächst ist zu klären, ob dem Gefangenen aus besonderen Gründen ein Einzelhaftraum zugewiesen werden kann bzw. muss. Ist dies nicht der Fall, ist zu klären, mit wie vielen und welchen Gefangenen er in einer Zelle untergebracht wird. Das bei beiden Entscheidungen eröffnete Ermessen ist dabei an nachvollziehbaren und mit dem Strafvollzugsgesetz in Einklang stehenden Kriterien auszurichten (OLG Celle NJW 2004, 2766).

2.1.2.

Dass dem beklagten Land (bereits) unter diesem Gesichtspunkt eine Amtspflichtverletzung vorzuwerfen ist, ist weder vom Antragsteller dargetan noch erkennbar. Auch der Antragsteller macht nicht geltend, die Entscheidung, ihn gemeinschaftlich unterzubringen und/oder die Auswahl der Gefangenen, mit denen er zusammen untergebracht wurde, beruhe auf Ermessensfehlern.

2.2.

Dem beklagten Land ist hier jedoch als Amtspflichtverletzung vorzuwerfen, dass die gemeinschaftliche Haftunterbringung des Antragstellers in den im Schriftsatz des Antragsgegners vom 18.04.2008 aufgelisteten Hafträumen, deren Dauer sich auf insgesamt 230 Tage summiert, unter Bedingungen erfolgte, die menschenunwürdig waren, was einen Verstoß gegen Art. 1 und 2 Abs. 1 GG sowie zugleich gegen Art 3 EMRK begründet.

2.2.1.

Nach verbreiteter Auffassung, der der Senat in ständiger Rechtsprechung folgt, kann (allein schon) die gemeinschaftliche Unterbringung eines Gefangenen mit anderen Mitgefangenen gegen die Menschenwürde des betroffenen Strafgefangenen verstoßen.

Das Recht auf Achtung seiner Würde kann selbst dem Straftäter nicht abgesprochen werden, mag er sich auch in noch so schwerer und unerträglicher Weise gegen die Werteordnung der Verfassung vergangen haben (BVerfG NJW 2002, 2700 f, 2701 m.w.N.). Strafgefangene haben einen Anspruch auf eine menschenwürdige Unterbringung (BVerfG NJW 2006, 1580 m.w.N.). In der Strafvollstreckung ist zu beachten, dass die menschliche Würde unmenschliches, erniedrigendes Strafen verbietet und der Täter nicht unter Verletzung seines verfassungsrechtlich geschützten sozialen Wert- und Ausgleichsanspruchs zum bloßen Objekt der Vollstreckung herabgewürdigt werden darf. Aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip ist daher gerade für den Strafvollzug die Verpflichtung des Staates herzuleiten, jenes Existenzminimum zu gewähren, das ein menschenwürdiges Dasein überhaupt erst ausmacht (BVerfG NJW 2006, 1580 f, 1581 m.w.N.).

Daraus lässt sich allerdings noch nicht ableiten, dass jede gemeinschaftliche Unterbringung schon deshalb von vornherein menschenunwürdig ist. Der Bundesgerichtshof hat selbst bei einer durch die Strafvollstreckungskammer bindend ausgesprochenen Feststellung eines Verstoßes gegen den Anspruch auf Einzelunterbringung gem. § 18 Abs. 1 S. 1 StVollzG ausgeführt, dass die bloße gemeinsame Unterbringung eines Gefangenen entgegen § 18 Abs. 1 S. 1 StVollzG ohne Hinzutreten erschwerender, den Gefangenen benachteiligender Umstände nicht als Verstoß gegen die Menschenwürde anzunehmen ist (BGH NJW 2006, 3572). Dem folgt der Senat.

Die Frage, ob solche erschwerenden Umstände vorliegen, stellt eine Beurteilung des Einzelfalls dar. Sie ist abhängig von der Größe (Grundfläche und Rauminhalt) und Ausstattung (insbesondere in sanitärer Hinsicht) sowie Belegung (Anzahl der in dem Haftraum gleichzeitig untergebrachten Gefangenen) des Haftraums. Dabei sind an den Haftraum bestimmte Mindestanforderungen zu stellen. Er muss hinsichtlich seiner Größe und Ausgestaltung so beschaffen sein, dass das Recht auf Achtung der Menschenwürde gewahrt bleibt. Das schließt die Pflicht ein, die Privat- und Intimsphäre des Gefangenen als Ausdruck seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) tunlichst zu wahren (BVerfG ZfStrVo 1997, 111). Daneben kann aber auch von Bedeutung sein, in welchen Zeiträumen und zu welchen Zwecken sich der einzelne Gefangene in dem betreffenden Haftraum aufhalten muss bzw. musste. Folgt allerdings bereits aus der Art der (gemeinsamen) Unterbringung, dass die Menschenwürde des Gefangenen berührt ist, kommt es für die verfassungsrechtliche Beurteilung auf die Dauer der Mehrfachunterbringung nicht mehr an; dann sind auch die genauen Aufenthaltszeiten in der Zelle für die Frage einer menschenunwürdigen Unterbringung rechtlich unerheblich (vgl. OLG Frankfurt NJW 2003, 2843 ff, 2845). Denn Achtung und Schutz der Menschenwürde ist aller staatlichen Gewalt gem. Art 1 Abs. 1 Satz 2 GG auferlegt und verbietet dem gemäß auch eine nur vorübergehende menschenunwürdige Behandlung (BVerfG NJW 2002, 2699f, 2700). Bedeutung hat die Dauer der Unterbringung daher lediglich für die Frage, ob aus den menschenunwürdigen Haftbedingungen auch ein Entschädigungsanspruch folgt.

Eine menschenunwürdige Unterbringung ist im Übrigen nach Art. 1 und 2 Abs. 1 GG rechtswidrig. Ferner verstößt sie zugleich gegen den innerstaatlich mit Gesetzeskraft geltenden (BGH NJW 1993, 2927) Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf. Diese Regelung legt den Staaten die Verpflichtung auf sicherzustellen, dass Gefangene ausschließlich unter Bedingungen inhaftiert werden, die mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind, und zugleich -wenn auch unter Berücksichtigung der praktischen Erfordernisse der Haft- sicherstellen, dass Gesundheit und Wohlbefinden des einzelnen Gefangenen angemessen beachtet und gewahrt werden (EGMR NJOZ 2007, 2934 und NJW 2001, 2694).

Die Bestimmung des Art. 5 EMRK ist im Streitfall dagegen nicht einschlägig. Sie erfasst allein den rechtswidrigen Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßnahme als solcher, nicht aber die Modalitäten des Strafvollzugs (BGH NJW 1993, 2927 f, 2928). Zwar ist anerkannt, dass auch die Umstände des Vollzugs die Rechtmäßigkeit der Haft in Frage stellen können, etwa wenn infolge der Haftbedingungen Vollzugsuntauglichkeit eintritt (BGH a.a.O.). Eine solche Konstellation liegt hier jedoch nicht vor. Die beanstandete Unterbringung in einer Gemeinschaftszelle führt nicht zur Rechtswidrigkeit des mit der Vollstreckung der Strafhaft einhergehenden Freiheitsentzugs. Soweit dies teilweise anders gesehen wird (OLG Celle, NJW-RR 2004, 380), vermag der Senat dem nicht zu folgen.

2.2.2.

Bei Anwendung der vorstehend dargelegten Maßstäbe verstieß die Unterbringung des Antragstellers in der JVA I2 im Zeitraum vom 06.05.2005 bis Februar 2006, soweit sie gemeinschaftlich zusammen mit weiteren Mitgefangenen erfolgte, gegen die Menschenwürde des Antragstellers. Denn die Gemeinschaftshafträume, in denen der Antragsteller untergebracht war, waren mit Rücksicht auf die jeweilige Belegung in den meisten Fällen (Einzelheiten hierzu an späterer Stelle) zu klein, da auf den einzelnen Gefangenen umgerechnet eine Grundfläche von weniger als 5 m² entfiel.

2.2.2.1.

Allerdings enthält das StVollzG keine konkreten Anforderungen an die Mindestgröße eines Haftraums. Eine zur Festlegung einer solchen Größe nach § 144 Abs. 2 StVollzG mögliche Rechtsverordnung fehlt bislang. Auch in der Rechtsprechung hat sich noch keine einheitliche Meinung dazu herausgebildet, welche Mindestgröße der Haftraum bei dessen Mehrfachbelegung nicht unterschreiten darf (vgl. die Zusammenstellung bei Arloth/Lückemann, StVollzG, § 144 Rn 2 und Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 10. Aufl., § 144 Rn 1). So ist teilweise (OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2005, 224 und OLG Celle NStZ-RR 2003, 316) die Belegung eines Haftraums mit zwei Gefangenen bei einer Zellengröße von 9 m² bzw. 9,82 m² mit räumlich abgetrennter Nasszelle mit Toilette und Waschbecken von 1,3 m² bzw. 1,42 m² nur als eine Verletzung einfachen Rechts, nicht hingegen von Art. 1 Abs. 1 GG, angesehen worden. Demgegenüber hat das OLG Frankfurt (OLG Frankfurt, NStZ-RR 2005, 155) eine menschenunwürdige Unterbringung in einem Fall angenommen worden, in dem sich drei Gefangene eine Zelle teilen mussten, die abzüglich der Fläche für die abgetrennte Toilette eine Gesamtgröße von ca. 9 m² aufwies. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2006, 306 ff, 308 unter Hinweis auf OLG Frankfurt a.M., NJW 2003, 2843 ff, 2845, jeweils m.w.N.) ist eine die Menschenwürde des Gefangenen missachtende Unterbringung dagegen zu bejahen, soweit bei gemeinschaftlicher Unterbringung zweier Gefangener in einem Haftraum mit einer nicht (baulich) abgetrennten oder nicht gesondert entlüfteten Toilette ein Luftraum von 16 m³ oder eine Bodenfläche von 12 m² unterschritten wird.

Nach Auffassung des Senats liegt ein Verstoß gegen die Menschenwürde selbst bei Ausstattung des Haftraums mit einer räumlich abgetrennten, gesondert entlüfteten und damit den insoweit zu stellenden Anforderungen genügenden Toilette -wie hier in den Hafträumen B-216 und B-259 durch Einbau einer Toilettenkabine- jedenfalls dann vor, wenn jedem Gefangenen eine (Zellen-) Grundfläche von rechnerisch weniger als 5 m² zur Verfügung steht, wie dies hier im Zeitraum Juni 2006 bis März 2007 in den Hafträumen B-216 mit (17,74 m² für 4 Gefangene =) 4,435 m² pro Gefangenem und B-259 mit (9,06 m² für 2 Gefangene =) 4,53 m² pro Gefangenem der Fall war. Denn bei einer solchen Unterbringung wird die Mindestgröße von Hafträumen, die in der Literatur als Untergrenze ernsthaft erwogen wird (Kaiser/Kerner/Schöch, Strafvollzug, 5. Aufl., § 7 Rdnr. 86: mindestens 7 m² pro Gefangenem; vgl. auch OLG Frankfurt, aa0. m.w.N.), deutlich unterschritten, wobei erschwerend hinzu kommt, dass die den Gefangenen zur Verfügung stehende Nutzfläche durch die Möblierung des Haftraums mit einer der Kopfzahl der untergebrachten Gefangenen entsprechenden Anzahl von Betten, Spinden, Stühlen und Tischen noch zusätzlich eingeschränkt wird, ebenso wie auch durch die im Haftraum installierte Toilettenkabine (vgl. hierzu auch OLG Hamm -Beschluss des 1 Strafsenats vom 20.01.2005 -1 Vollz (Ws) 147/04-, ZfStrVo 2005, 301 ff = StV 2006, 152 f). Davon ausgehend, ist bei einer Grundfläche des Haftraums von -wie hier- weniger als 5 m² der dem einzelnen Gefangenen unter Berücksichtigung des für die Möblierung notwendigen Flächenbedarfs verbleibende Bewegungsfreiraum so weitgehend eingeschränkt, dass eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung kaum noch möglich und der -auch bei Strafhaft fortbestehende- Anspruch des Gefangenen auf Wahrung eines Mindestmaßes an persönlicher Eingeständigkeit und Intimität in einer Weise beschnitten wird, die mit den Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung nicht mehr vereinbar ist.

2.2.2.2.

Unabhängig von der Zellengröße führt auch die sanitäre Ausstattung der dem Antragsteller zugewiesenen Gemeinschaftshafträume zur Annahme einer menschenunwürdigen Unterbringung, da die in den Hafträumen installierte Toilette vom restlichen Haftraum nach der Stellungnahme des Antragsgegners durchgängig nur mit einer Schamwand vom übrigen Haftraum abgetrennt war, die allenfalls einen gewissen Sicht-, nicht dagegen ausreichenden Geräusch- oder Geruchsschutz bot. Jede Toilettenbenutzung führte so dazu, dass sämtlichen Mitgefangenen in unzumutbarer Weise jeder Rückzugsraum genommen, in ihre Intimsphäre eingegriffen und ihre Menschenwürde negiert wurde.

2.3.

Die dem beklagten Land wegen menschenunwürdiger Unterbringung des Antragstellers vorzuwerfende Amtspflichtverletzung ist auch schuldhaft begangen worden.

Bei der Beurteilung des Verschuldens ist hier nicht auf die an Ort und Stelle zuständigen Justizbediensteten abzustellen, denen angesichts der Überbelegung der Justizvollzugsanstalt keine andere Wahl der Unterbringung geblieben sein dürfte. Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn geeignete Hafträume zur Verfügung standen, die eine Unterbringung zu menschenwürdigen Bedingungen ermöglichten, weil sich dann eine gleichwohl erfolgte Zuweisung eines Haftraumes, dessen Größe oder Ausstattung eine menschenunwürdige Unterbringung begründet, als vorsätzliche Verletzung der Amtspflicht darstellt, die Menschenwürde zu achten und zu schützen. Fehlt es dagegen - wie hier nach Vortrag des Antragstellers - an einer ausreichenden Zahl an Haftplätzen, die den Mindestanforderungen für eine menschenwürdige Unterbringung entsprechen, beruht dies auf einem Organisationsverschulden des beklagten Landes. Ein erheblicher Mangel an Einzelhaftplätzen stellt nämlich keinen hinreichenden Grund dafür dar, geltendes Recht zu unterlaufen (BGH NJW 2005, 58 f, 59). Das gilt unabhängig vom jeweiligen Grund für den Mangel an Einzelhaftplätzen in der betreffenden Justizvollzugsanstalt. Ein solcher Mangel mag eine gemeinschaftliche Unterbringung rechtfertigen, keinesfalls aber eine solche zu menschenunwürdigen Bedingungen (ebenso OLG Hamburg, a.a.O.). Dass und weshalb das beklagte Land aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen außerstande war, Haftbedingungen wie die dem Antragsteller zugemuteten durch -rechtzeitig veranlasste- bauliche und/oder organisatorische Maßnahmen abzuwenden, ist weder dargetan noch erkennbar. Zu berücksichtigen ist dabei, dass allein ein Mangel an Haftplätzen keine Rechtfertigung für eine -und sei es auch nur vorübergehende- menschenunwürdige Unterbringung der Gefangenen ist, ebenso wenig wie fiskalische Gründe.

Das beklagte Land kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg darauf zurückziehen, dass man auf Seiten der Verantwortlichen die Grenzen des Vertretbaren in Bezug auf die Größe des Haftraumes hier noch nicht als überschritten angesehen habe, da es sich hierbei gegebenenfalls um einen vermeidbaren Verbotsirrtum gehandelt hätte. Weiterhin ist ein Verschulden hier auch nicht aus dem Gesichtspunkt der sogenannten Kollegialgerichts-Richtlinie zu verneinen, da diese nur gilt, wenn der konkrete Fall beurteilt worden ist, nicht dagegen auch dann, wenn der Amtsträger sich allgemein auf Gerichtsentscheidungen berufen kann, die seine Rechtsauffassung stützen (Staudinger/Wurm, BGB, Neubearbeitung 2007, § 839 Rn. 212 unter Hinweis auf BGH NVwZ-RR 2003, 166).

2.4.

Der dem Antragsteller zustehende Entschädigungsanspruch ist weiterhin nach derzeitigem Sach- und Streitstand nicht nach § 839 Abs. 3 BGB ganz oder teilweise ausgeschlossen, weil der Antragsteller es versäumt hat, sich gegen die ihm zugemuteten Haftbedingungen zur Wehr zu setzten.

Dass ein solcher -teilweiser oder auch gänzlicher- Anspruchsausschluss nach § 839 Abs. 3 BGB in Betracht kommt, wenn der Gefangene es versäumt, durch den zumutbaren Gebrauch von Rechtsmitteln die Dauer seiner Unterbringung zu menschenunwürdigen Bedingungen zu verkürzen, kann im Ausgangspunkt nicht zweifelhaft sein und entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (unlängst noch Urteil vom 18.03.2009 - I-11 U 88/08 -), der zugleich aber immer wieder darauf hingewiesen hat, dass es in Fallkonstellationen wie der hier zu beurteilenden dem beklagten Land obliegt, darzulegen und im Bestreitensfall auch nachzuweisen, dass mögliche Rechtsmittel des Gefangenen -und so auch hier solche des Antragstellers- Erfolg gehabt und zur Beendigung seiner menschenunwürdigen Haftunterbringung geführt hätten.

2.4.1.

Nach § 839 Abs. 3 BGB tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Es handelt sich dabei um eine besondere Ausprägung des Mitverschuldensprinzips, das in seiner allgemeinen Form in § 254 BGB niedergelegt ist. Die Bestimmung geht davon aus, dass nur demjenigen Schadensersatz zuerkannt werden kann, der sich in gehörigem und ihm zumutbaren Maße für seine eigenen Belange eingesetzt und damit den Schaden abzuwenden bemüht hat (vgl. BGH NJW 1971, 1694 f, 1695). Es soll nicht erlaubt sein, den Schaden entstehen oder größer werden zu lassen, um ihn schließlich gewissermaßen als Lohn für eigene Untätigkeit, dem Beamten oder dem Staat in Rechnung zu stellen (BGH NJW 1971, 1694 f, 1695). Der Betroffene hat kein freies Wahlrecht zwischen dem primären Rechtsschutz und der sekundären Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen (BVerfG NJW 2000, 1402). Anders als § 254 BGB führt die Regelung in § 839 Abs. 3 BGB bei jeder Form schuldhafter Mitverursachung zum völligen Anspruchsverlust (MünchKomm/Papier, BGB, 4. Auflage, § 839 Rdn. 329).

Rechtsmittel i.S.d. § 839 Abs. 3 BGB sind dabei alle Rechtsbehelfe im weitesten Sinne, die sich unmittelbar gegen ein bereits erfolgtes, sich als Amtspflichtverletzung darstellendes Verhalten richten und darauf abzielen und geeignet sind, einen Schaden dadurch abzuwenden oder zu mindern, dass dieses schädigende Verhalten beseitigt oder berichtigt wird (BGH NJW 2003, 1208 f 1212 und NJW-RR 2004, 706; Palandt/Sprau, BGB, 68. Auflage (2009), § 839 Rdn. 69). Dazu gehören insbesondere auch Gegenvorstellungen, Erinnerungen, Beschwerden und Dienstaufsichtsbeschwerden (BGH NJW 1974, 639 f, 640) oder -hier von Interesse- Verlegungsanträge an die Anstaltsleitung sowie Anträge nach §§ 109, 114 StVollzG.

Die Kausalität zwischen der Nichteinlegung des Rechtsbehelfs und dem Schadenseintritt ist in der Regel zu bejahen, wenn über den Rechtsbehelf voraussichtlich zugunsten des Geschädigten entschieden worden wäre; sie ist zu verneinen, wenn die schädigende Amtspflichtverletzung durch den Rechtsbehelf nicht mehr hätte beseitigt oder berichtigt werden können. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, wie die Behörde oder das Gericht richtigerweise hätte entscheiden müssen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, nur, wenn eine Verwaltungsbehörde zur Überprüfung ihres eigenen Handelns veranlasst werden soll (BGH NJW 1986, 1924) oder wenn es um die (hypothetische) Entscheidung eines Gerichts geht und ersichtlich eine einigermaßen zuverlässige Beurteilung, wie richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre, nicht ohne weiteres möglich ist (vgl. BGH NJW 2003, 1308 f, 1313).

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Betroffene den Schaden durch Einlegung eines Rechtsmittels hätte abwenden können, trägt der in Anspruch genommene Schädiger (BGH NJW 1986, 1924 f, 1925; MünchKomm/Papier, BGB, 4. Auflage (2004), § 839 Rdn. 333).

2.4.2.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist im Streitfall nach derzeitigem Sachstand ein Anspruchsausschluss nach § 839 Abs. 3 BGB zu verneinen.

2.4.2.1.

Dem Antragsteller standen folgende Rechtsmittel zur Verfügung:

Gegen die Verlegung/Einweisung in den konkreten Haftraum konnte er sich beim Leiter der Justizvollzugsanstalt über die ihm menschenunwürdig erscheinenden Umstände beschweren. Blieb eine solche Beschwerde erfolglos, war während der Geltungsdauer des Vorschaltverfahrensgesetzes NW (VorschverfG NW) binnen einer Woche Widerspruch einzulegen (§ 3 II VorschverfG NW), der aber keine aufschiebende Wirkung hatte (§ 2 I VorschVerfG NW). Half die Behörde dem Widerspruch nicht ab, hatte sie ihn mit einer Stellungnahme der nächsthöheren Behörde vorzulegen, die eine Widerspruchsentscheidung erließ. Gab diese dem Beschwerdebegehren nicht statt, konnte dagegen binnen einer Frist von 2 Wochen nach § 109 StVollzG gerichtliche Entscheidung beantragt werden, wobei auch dieser Antrag nach § 114 Abs. 1 StVollzG keine aufschiebende Wirkung hatte. Allerdings bestand die Möglichkeit, nach § 114 Abs. 2 StVollzG die Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Maßnahme oder den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu beantragen, wobei dieser Antrag nach § 114 Abs. 3 StVollzG auch schon vor Stellung des Antrags nach § 109 StVollzG und gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 VorschverfG NW auch schon vor Entscheidung über den Widerspruch zulässig war, soweit das wegen der besonderen Umstände des Falles geboten war.

2.4.2.2

Die Nichtergreifung dieser zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats regelmäßig als schuldhaft anzusehen.

Wird bewusst davon abgesehen, bestehende Rechtsmittel zu ergreifen, liegt hierin ein vorsätzliches Unterlassen. Soweit dem Gefangenen das dargelegte Rechtsmittelsystem dagegen unbekannt gewesen sein sollte, ist ihm gleichwohl Fahrlässigkeit anzulasten, da insoweit eine Erkundigungspflicht durch Nachfrage bei fachkundigen Mitarbeitern in der Anstalt (Sozialarbeiter, Betreuungspersonal) oder auch bei Mitgefangenen besteht, zur Not auch die Hilfe eines Rechtsanwaltes in Anspruch zu nehmen ist, was dem Antragsteller auch nicht unzumutbar war.

Ein Verschulden könnte allerdings ausgeschlossen sein, wenn die Ergreifung bestehender Rechtsmittel unzumutbar war, was regelmäßig indes nicht der Fall ist. Eine Unzumutbarkeit ergibt sich namentlich nicht bereits daraus, dass wegen permanenter Überbelegung der Justizvollzugsanstalt die Anstaltsleitung eine einem Rechtsmittel stattgebende Entscheidung nur unter Verstoß gegen die Menschenwürde eines anderen Gefangenen, der an Stelle des Antragstellers in den betreffenden Haftraum hätte verlegt werden müssen, hätte erfolgen können. In dieser Situation stellt sich das Absehen von Rechtsmitteln vielmehr so dar, dass der Antragsteller -statt anderer Gefangener- die menschenunwürdige Behandlung hinnimmt und für dieses für ihn freiwillige Opfer eine Entschädigung begehrt, was im Ergebnis auf ein dem Amtshaftungsrecht fremdes, weil § 839 Abs. 3 BGB widersprechendes Wahlrecht zwischen einerseits der Ergreifung von Rechtsmitteln und andererseits der Duldung und anschließender Liquidation hinausliefe (Palandt-Sprau, aa0. § 839 Rn. 68).

2.4.2.3.

Es lässt sich indes nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass der Antragsteller im Falle der Ergreifung ihm zur Verfügung stehender Rechtsmittel die Fortdauer seiner menschenunwürdigen Unterbringung zeitlich vor deren tatsächlicher Beendigung hätte beenden können, was zu Lasten des insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Landes geht.

Dass bereits einem schlichten Verlegungsantrag des Antragstellers seitens der Anstaltsleitung stattgegeben worden wäre, erscheint vor dem Hintergrund der ersichtlich stark angespannten Belegungssituation in der JVA I2 und der hieraus resultierenden Notwendigkeit einer gemeinschaftlichen Unterbringung des Antragstellers in nach ihrer Größe unzureichenden Hafträumen ausgeschlossen. Auch für die Annahme, einem allein auf die als menschenunwürdig beanstandeten Haftbedingungen gestützten Eilantrag des Antragstellers wäre kurzfristig entsprochen worden, fehlt es an der erforderlichen Tatsachengrundlage.

Jedenfalls im Rahmen des vorliegenden Prozesskostenhilfeverfahrens ist hier nicht auszuschließen, dass ein Rechtsmittel des Antragstellers vor dem Hintergrund der Entscheidung des 1. Strafsenats des OLG Hamm vom 20.01.2005 (1 Vollz (Ws) 147/04 OLG) erst im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens Erfolg gehabt hätte, was nach Einschätzung des Senats eine mehrwöchige Verfahrensdauer bis zur Entscheidung mit sich gebracht hätte.

Dass eine etwaige, dem Antrag des Antragstellers entsprechende Entscheidung anschließend zeitnah umgesetzt und hierdurch die menschenunwürdige Haftunterbringung des Antragstellers beendet worden wäre, lässt sich dabei allerdings nicht mit der gebotenen Sicherheit feststellen. So ist offen, wie viele Gefangene im maßgeblichen Zeitraum in der JVA I2 vergleichbaren -und damit ebenfalls menschenunwürdigen- Haftbedingungen ausgesetzt waren und deshalb -wie der Antragsteller- eine Verlegung in angemessene Hafträume beanspruchten oder denen nunmehr aus Anlass einer ebenfalls geltend gemachten Entschädigung entgegengehalten wird, eine solche Verlegung nicht beansprucht zu haben. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die dem Antragsteller vorgeworfene Versäumung bestehender Rechtsmittel schon dann nicht als ursächlich für die Fortdauer seiner menschenunwürdigen Haftbedingungen angesehen werden kann, wenn auch nur bei einem der betroffenen Gefangenen mangels ausreichender Kapazitäten der JVA eine zeitnahe Beendigung der menschenunwürdigen Unterbringung nicht möglich war, da in diesem Fall nicht auszuschließen ist, dass der Antragsteller derjenige gewesen wäre, dessen Unterbringungssituation die JVA I2 nicht zu seinem Vorteil verändern konnte.

Unerheblich ist auch, ob die menschenunwürdige Unterbringung des Antragstellers durch einen Platztausch mit einem Gefangenen beendet werden konnte, der in einem nicht zu beanstandenden Haftraum untergebracht war. Auch wenn ein Teil der Gefangenen freiwillig bereit sei mag, sich zur Vermeidung von Eintönigkeit, Langeweile oder Einsamkeit gemeinschaftlich mit anderen Häftlingen unterbringen zu lassen, führt dies nicht an der Feststellung vorbei, dass es dem beklagten Land von Rechts wegen verwehrt ist, sich auf Handlungsalternativen - hier die Umsetzung eines anderen Gefangenen in einen menschenunwürdigen Haftraum an Stelle des Antragstellers - zu berufen, die ihrerseits wegen Verstoßes gegen die unantastbare und nicht disponible Menschenwürde rechtswidrig sind und damit gegen den Schutzauftrag aus Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen.

2.5.

Der Höhe nach rechtfertigt die gegen die Menschenwürde verstoßende, nach den insoweit unwidersprochenen Darlegungen des Antragsgegners insgesamt 230 Tage währende gemeinschaftliche Unterbringung des Antragstellers in zu kleinen und/oder mit einer baulich nicht abgetrennten und nicht gesondert entlüfteten Toilette ausgestatteten Hafträumen im Zeitraum von Mai 2005 bis Februar 2006 eine Geldentschädigung in Höhe von 4.265,00 €.

2.5.1.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2005, 58 f, 59) ist der geltend gemachte Schaden einerseits kein Vermögensschaden, andererseits auch kein bloßes Schmerzensgeld im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB. Es geht vielmehr um den Ausgleich einer Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und des aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG hergeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Zubilligung einer Geldentschädigung in bestimmten Fällen der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben, mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (BGH a.a.O.). Anders als beim Schmerzensgeldanspruch steht bei dem Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund.

Allerdings besteht zwischen der Feststellung einer Verletzung der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie der Zuerkennung einer Geldentschädigung kein zwingendes Junktim. Auch wenn dem Recht des Einzelnen auf Achtung seiner Menschenwürde nach der Verfassung höchste Bedeutung zukommt, fordert eine festgestellte Menschenrechtsverletzung nicht zwangsläufig eine Wiedergutmachung durch Zuerkennung einer Geldentschädigung. Vielmehr steht ein dahin gehender Anspruch des Betroffenen unter der weiteren Voraussetzung, dass die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann und zudem die Verletzung der Menschenwürde ein Mindestmaß an Schwere erreicht, d.h. die sogenannte Erheblichkeitsschwelle überschreitet. Um das festzustellen, sind Bedeutung und Tragweite des Eingriffs ebenso in die Betrachtung einzubeziehen wie Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad des ihm anzulastenden Verschuldens (OLG Karlsruhe, NJW-RR 2005, 1267 f, 1268; OLG Karlsruhe, VersR 2009, 360). Geht es wie hier um die menschenunwürdige Unterbringung eines Strafgefangenen, ist für die Feststellung einer die Erheblichkeitsschwelle überschreitenden Verletzung der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf die Gesamtumstände des Einzelfalls abzustellen und danach neben der Dauer der Unterbringung deren physische oder psychische Folgen für den Betroffenen in den Blick zu nehmen, wobei allerdings festzustellen ist, dass die Zubilligung einer Geldentschädigung entgegen der Auffassung des beklagten Landes nicht davon abhängt, dass durch die menschenunwürdige Haftunterbringung körperliche und/oder psychische Schäden verursacht wurden, da aus dargelegten Gründen die Genugtuungsfunktion im Vordergrund stehen muss, um so einen angemessenen Rechtsschutz der Persönlichkeit zu gewährleisten, der zu verkümmern drohte, falls Verletzungen der Würde und der Ehre sanktionslos blieben. Wesentlich sind danach vor allem das Ausmaß der dem betroffenen Strafgefangenen zugemuteten Beeinträchtigung auf der einen sowie der Grad des hierfür verantwortlichen Organisationsverschuldens des beklagten Landes auf der anderen Seite.

Dass die Inhaftierung in einem Haftraum mit einer Grundfläche von weniger als 5 m² pro Gefangenem und/oder einer baulich nicht abgetrennten und auch nicht gesondert entlüfteten Toilette sich für den Betroffenen aufgrund der daraus resultierenden Einschränkung seines Bewegungsfreiraums wie auch des fast gänzlichen Verlustes jeglicher Intimsphäre sich als schwerwiegender Eingriff in die Menschenwürde darstellt, liegt nach Auffassung des Senats in der Natur der Sache und lässt sich insbesondere nicht mit dem Einwand in Frage stellen, da der Antragsteller sich nicht durch Einlegung von Rechtsmitteln gegen seine menschenunwürdige Haftunterbringung zur Wehr gesetzt habe, könne er diese auch nicht als besonders schlimm empfunden haben. Denn damit würde zu Unrecht der Umstand negiert, dass mögliche Rechtsmittel des Antragstellers aus dargelegten Gründen nur ungewisse Aussicht auf Erfolg boten.

Demgegenüber misst der Senat dem Organisationsverschulden des beklagten Landes, das es versäumt hat, rechtzeitig geeignete Vorkehrungen zu treffen, um für jeden Gefangenen die (räumlichen und sachlichen) Voraussetzungen einer menschenwürdigen Haftunterbringung zu schaffen, durchaus erhebliches Gewicht bei, weshalb es im Streitfall geboten erscheint, dem Antragsteller zur Vermittlung einer angemessenen Genugtuung für die ihm zugefügte Verletzung seiner Menschenwürde und seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Geldentschädigung zuzubilligen. Auch wenn die gegen die Menschenwürde verstoßende Unterbringung des Antragstellers hier aus dem Zwang einer akuten Überbelegung der JVA I2 resultiert haben mögen und nicht etwa Ausfluss einer bewusst schikanöse Behandlung gerade des Antragstellers war, beruhte sie doch letztlich auf einem durchaus erheblichen Versäumnis des beklagten Landes, die seit Jahren bekannte Problematik der Überbelegung der Justizvollzugsanstalten (zutreffend schon OLG Celle, NJW-RR 2004, 380) durch geeignete Maßnahmen in den Griff zu bekommen und trotz beengter finanzieller Verhältnisse -gerade auch mit Blick auf die Verhältnisse in der JVA I2- die Voraussetzungen für eine menschenwürdige Unterbringung aller Gefangenen zu schaffen.

2.5.2.

Der Senat zieht in ständiger Rechtsprechung, von der abzuweichen der Streitfall keine Veranlassung gibt, unter den dargelegten Voraussetzungen eine Entschädigung in Höhe einer Bandbreite von 10 € bis zu 30 € je Tag für menschenunwürdige Unterbringungen der hier in Rede stehenden Art in Betracht. Welcher Betrag innerhalb dieser Bandbreite im konkreten Fall angemessen ist, hängt jeweils von den konkreten Umständen der Unterbringung ab. Der Senat hält dabei trotz vereinzelter Kritik an dem Tagessatzsystem fest, weil allein dies vom Ansatz her die gebotene Gleichbehandlung vergleichbarer Fallgestaltungen sicherstellt. Die genannte Bandbreite von 10 € bis 30 € eröffnet die Möglichkeit, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs im Einzelfall angemessen zu berücksichtigen und trägt zudem dem nicht unerheblichen Organisationsverschulden des haftenden Landes Rechnung. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, dass aufgrund der mangelnden Kapazitäten der Justizvollzugsanstalt zwangsläufig ständig eine bestimmte Anzahl an Gefangenen menschenunwürdig untergebracht war und die jeweiligen Gefangenen, denen diese Unterbringung auferlegt wurde, das als Zusatzstrafe empfinden mussten.

Dagegen hält der Senat es nicht für sachgerecht, die Höhe der zuzubilligenden Entschädigung an der Höhe der durch das Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) für den Fall unschuldig erlittener Haft geregelten Geldentschädigung auszurichten und so gemäß § 7 Abs. 3 StrEG mit pauschal 11,00 € täglich zu bemessen. Nach der Intention des StrEG, das einen Aufopferungsanspruch gesetzlich regelt (BGHZ 72, 302 ff, 305), sollen nur die üblichen Unzuträglichkeiten, die die Haft mit sich bringt, ausgeglichen werden. Daneben bleiben aber Ansprüche außerhalb des StrEG wegen atypischer Folgen des Vollzugs oder der rechtswidrigen Anordnung der Haft bestehen (BGH VersR 1993, 972).

Auch wenn es hier um Ausgleich und Genugtuung für eine schuldhafte Beeinträchtigung durch unzulässige Haftbedingungen geht, muss dieser Eingriff nicht ohne Weiteres schwerer wiegen als der Verlust der Freiheit (vgl. KG, OLGReport 2005, 813 f, 814). Zu beachten ist daneben, dass die Entschädigung nach dem StrEG verschuldensunabhängig gewährt wird, während eine Entschädigung unter Amtshaftungsgesichtspunkten ein Verschulden voraussetzt. Hinzu kommt, dass in den nach StrEG zu entschädigenden Fällen die Untersuchungs- bzw. Strafhaft nur bei rückblickender Betrachtung als ungerechtfertigt anzusehen ist, während es hier um einen von vornherein rechtswidrigen Eingriff handelt (OLG Hamburg, OLG-Report 2005, 306), der dem betroffenen Gefangenen infolge von Organisationsmängeln des Landes bewusst zugefügt worden ist.

Die Abwägung dieser Umstände lässt allein aufgrund der objektiven Gegebenheiten der Unterbringung -ohne die zusätzliche Berücksichtigung im Einzelfall etwa in Betracht kommender weiterer subjektiver Beeinträchtigungen- eine Entschädigung von unter 10 € oder über 30 € täglich regelmäßig ausgeschlossen erscheinen.

2.5.3.

Welcher Betrag innerhalb der genannten Bandbreite im Einzelfall angemessen ist, hängt jeweils von den konkreten Umständen der in Rede stehenden Unterbringung ab.

Dabei ist insbesondere das Ausmaß der Beeinträchtigungen in den Blick zu nehmen und auch die Frage, in welchem zeitlichen Umfang der Gefangene täglich den menschenunwürdigen Bedingungen ausgesetzt war, ohne sich dem in zumutbarer Weise entziehen zu können, zu berücksichtigen. Soweit Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit der Person und oder dem Verhalten des oder der Mitgefangenen hergeleitet werden -die der Antragsteller aber ohnehin nicht geltend macht-, kommt dem regelmäßig eine Entschädigungsrelevanz nur zu, wenn der Gefangene gerade dadurch in seiner körperlichen Unversehrtheit oder in seinem körperlichen Wohlbefinden (zusätzlich) unzumutbar beeinträchtigt ist. Wenn sich dagegen keine Besonderheiten aus den konkreten Umständen der Unterbringung ergeben, die die Beeinträchtigung als besonders erschwerend oder andererseits als weniger gravierend erscheinen lassen, erscheint in den Augen des Senats bei einer gemeinschaftlichen Unterbringung in Überbelegung ohne hinreichend abgetrennten und/oder gesondert entlüfteten Sanitärbereich in der Regel ein Mittelwert von 20 € pro Tag als Entschädigung angemessen, während die Unterbringung in einer Zelle ohne Überbelegung mit nicht abgetrennter und nicht gesondert entlüfteter Toilette im Regelfall einen Betrag von 15 € pro Tag rechtfertigt. Der Senat steht mit dieser Beurteilung im Einklang mit der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte, die in vergleichbaren Fällen einer gemeinschaftlichen Unterbringung ohne hinreichend abgetrennten Sanitärbereich Entschädigungsbeträge von 20 € (KG OLG Report, 2005, 813; OLG Karlsruhe NJW-RR 2005, 1267 <2.000,00 € für 98 Tage>) bzw. 25 € (OLG Hamburg OLG Report 2005, 306) in Betracht gezogen haben. Soweit darüber hinaus auch Beträge von 50 € (OLG München NJW 2007, 1986) oder gar 100 € (OLG Celle NJW 2003, 2463) diskutiert worden sind, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen.

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die beabsichtigte Klage des Antragstellers für den insgesamt 230 Tage währenden Zeitraum seiner Unterbringung in für die jeweilige Belegung zu kleinen und/oder mit einer nicht den zu stellenden Anforderungen genügenden Toilette ausgestatteten Hafträumen im Zeitraum Mai 2005 bis Februar 2006 in Höhe eines Entschädigungsanspruchs von 4.265,00 € hinreichende Erfolgsaussichten bietet. Der genannte Betrag setzt sich dabei unter Berücksichtigung der jeweiligen Haftbedingungen im einzelnen wie folgt zusammen:

 Tage Haftraum Größe Belegung Tagessatz 
06.05. - 15.05.200510259/25616,7 m²3 15,00 €150,00 €
01.06. - 11.10.200513244114,8 m²320,00 €2.640,00 €
11.10. - 17.10.2005647816,33 m²420,00 €120,00 €
19.10. - 19.10.2005144612,99 m²320,00 €20,00 €
19.10. - 22.11.20053447816,33 m ²420,00 €680,00 €
25.11. - 28.11.2005454612,99 m²320,00 €80,00 €
30.11. - 01.12.2005262612,99 m²320,00 €40,00 €
01.12. - 06.12.2005547816,33 m²420,00 €100,00 €
06.12.05 - 01.02.065725916,7 m²3 15,00 €855,00 €
03.02. - 13.02.20061050114,33 m²420,00 €200,00 €
 230    4.885,00 €

3.

Die Erfolgsaussichten der Klage sind auch nicht im Hinblick auf die Hilfsaufrechnung des Landes zu verneinen.

3.1

Allerdings ergibt sich das nicht schon aus dem Umstand, dass das Land ohne gerichtliche Entscheidung über einen Entschädigungsanspruch weiter berechtigt bliebe, die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen geltend zu machen. Denn insoweit würde der beabsichtigten Rechtsverfolgung der Einwand der Mutwilligkeit im Sinne von § 114 ZPO entgegenstehen. Eine Partei, die die Kosten des Rechtsstreits selbst aufzubringen hätte, würde in dieser Situation von der -mit Blick auf die die erfolgversprechende Klageforderung übersteigenden unstreitigen Gegenforderungen- im Ergebnis aussichtslosen Amtshaftungsklage absehen und allenfalls selbst gegen die unstreitigen Gegenforderungen des Landes mit dem Entschädigungsanspruch aufrechnen und bei einem Streit über die Berechtigung der Entschädigungsforderung eine Vollstreckungsgegenklage erwägen. Dem steht auch nicht eine etwa drohende Verjährung des Amtshaftungsanspruchs entgegen, weil das gem. § 215 BGB die (spätere) Aufrechnung nicht hindert.

3.2.

Ob die Aufrechnung des Landes dagegen bereits aufgrund der Bestimmung des § 393 BGB ausgeschlossen ist, die eine Aufrechnung gegen eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung für unzulässig erklärt, mag nicht unzweifelhaft erscheinen, kann letztlich aber dahin stehen, da die Aufrechnung jedenfalls an § 242 BGB scheitert. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des OLG Karlsruhe (VersR 2009, 360), das zu Recht feststellt, dass die Aufrechnung des beklagten Landes sich in Fallkonstellationen wie der hier zu beurteilenden als unzulässige Rechtsausübung darstellt. Zur Begründung wird dabei zutreffend darauf verwiesen, dass den Grundrechten und hier vor allem dem -vorliegend verletzten- Grundrecht auf Menschenwürde (Art. 1 GG) bei der im Rahmen der Generalklausel des § 242 BGB erforderlichen Interessenabwägung eine entscheidende Bedeutung zukommt, da sie das Ergebnis gesellschaftlicher und gesetzgeberischer Grundentscheidungen sind. Schon von daher erscheint es nicht gerechtfertigt, dem Land die Möglichkeit zu eröffnen, gegen einen durch die Verletzung der Menschenwürde begründeten Entschädigungsanspruch des Betroffenen mit einer Gegenforderung aus einer einfachgesetzlichen Bestimmung aufzurechnen. Dies um so weniger vor dem Hintergrund, dass eine finanzielle Entschädigung bei Verletzung der Menschenwürde wie dargelegt ohnehin nur unter der Voraussetzung gewährt wird, dass die Beeinträchtigung erheblich war und nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann, zudem aber auch auf der Erwägung beruht, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktionen blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde, überdies aber auch bei dem Anspruch auf immaterielle Entschädigung wegen Verletzung der Menschenwürde die Genugtuungsfunktion des Verletzten im Vordergrund steht (OLG Karlsruhe, aa0. unter Hinweis auf BGHZ 161, 33). Diese Genugtuungsfunktion würde konterkariert, ließe man eine Aufrechnung des beklagten Landes mit einem bestehenden Anspruch auf Erstattung angefallener Strafverfahrenskosten zu.

Gegenteiliges ergibt sich hier auch nicht aus der Art des Anspruchs, den das beklagte Land gegen den Antragsteller hat. Auch wenn im Rahmen des § 242 BGB stets eine "Gegenabwägung" durchzuführen, hier also in die Gesamtbetrachtung auch einzustellen ist, aus welchem Anspruchsgrund die Forderung des beklagten Landes gegen den Antragsteller herrührt, führt dies vorliegend allein zu der Feststellung, dass die hier zur Aufrechnung gestellten Strafverfahrenskosten zwar im Zusammenhang mit einer durch den Antragsteller begangenen Straftat stehen, dessen ungeachtet aber nicht angenommen werden kann, dass der Antragsteller diese Kosten im Verhältnis zum beklagten Land vorsätzlich verursacht hat (OLG Karlsruhe, aa0.).

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO und Nr. 1811 Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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