Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.12.2007
Aktenzeichen: 11 W 18/05
Rechtsgebiete: ZPO, InsO


Vorschriften:

ZPO § 80
ZPO § 240
ZPO § 249
ZPO § 269 Abs. 3 S. 2
ZPO § 269 Abs. 3 S. 3
ZPO § 269 Abs. 4
ZPO § 172
InsO § 117
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 4. Februar 2005 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger hat den ehemaligen Notar U durch die am 06.10.2003 beim Landgericht eingereichte Klage auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Klageschrift vom 30.09.2003 ist ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 24.10.2003 zunächst unter der ehemaligen Kanzleianschrift des Notars in den Briefkasten eingelegt worden. Zwischenzeitlich war durch Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 17.10.2003 über das Vermögen des Notars das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt B zum Insolvenzverwalter ernannt worden (vgl. Bl. 21 d.A.). Mit Schriftsatz vom 10.11.2003 haben sich die Rechtsanwälte I pp. als Prozessbevollmächtigte des früheren Notars U bestellt. Diesen ist die Klage am 13.11.2003 zugestellt worden (Bl. 24 d.A.).

Mit Schriftsätzen vom 10.11.2003, 27.11.2003 und 02.01.2004 hat sich der Insolvenzverwalter B zur Akte gemeldet und unter Hinweis auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Auffassung vertrteten, dass der Rechtsstreit gem. § 240 ZPO unterbrochen sei.

Rechtsanwalt I hat mit Schriftsatz vom 15.12.2003 den Antrag angekündigt, die gegen seinen Mandanten U erhobene Klage abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 14.01.2004 hat der Kläger die Rücknahme der Klage erklären (Bl. 37 d.A.) und mitteilen lassen, dass der Insolvenzverwalter einen Kostenantrag nicht stellen werde. Mit Schriftsatz vom 12.02.2004 hat er im Hinblick auf die Tätigkeit der Rechtsanwälte I pp. Vollmachtsrüge mit der Begründung erhoben, dass die Rechtsanwälte I pp. von dem ursprünglichen Beklagten U beauftragt worden seien. Er hat bestritten, dass die Rechtsanwälte auch von dem Insolvenzverwalter B beauftragt worden seien.

Mit Schriftsatz vom 17.02.2004 hat Rechtsanwalt I beantragt, dem Kläger nach Klagerücknahme die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen (Bl. 46 d.A.).

Die Parteien streiten unter anderem darüber, ob dieser Kostenantrag noch Wirksamkeit hat erlangen können und ob insoweit ein wirksames Mandatsverhältnis bestanden hat.

Das Landgericht hat dem Kläger durch den angefochtenen Beschluss die Kosten des Verfahrens gem. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO auferlegt und hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass der für den Erlass des Kostenbeschlusses erforderliche Antrag gem. § 269 Abs. 4 ZPO wirksam gestellt worden, der Insolvenzverwalter am vorliegenden Prozessrechtsverhältnis nicht beteiligt und ein wirksames Prozessrechtsverhältnis nur zwischen dem Kläger und dem früheren Notar U begründet worden sei.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers. Er ist der Auffassung, dass der Rechtsstreit durch die Insolvenzeröffnung unterbrochen sei und hierzu bereits die Anhängigkeit des Rechtsstreites ausreiche. Daher sei die Mandatserteilung durch den Insolvenzschuldner unwirksam und es fehle an einem wirksamen Kostenantrag i.S.d. § 269 Abs. 4 ZPO.

Im Übrigen fehle dem Kostenantrag das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Insolvenzschuldner nicht berechtigt sei, den Kostenerstattungsanspruch geltend zu machen. Er hält die Vereinbarung zwischen ihm und dem Insolvenzverwalter auch gegenüber dem Insolvenzschuldner für bindend.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 4. Februar 2005 aufzuheben.

Der Insolvenzschuldner U beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Seiner Auffassung nach sei allein zwischen dem Kläger und ihm ein Prozessrechtsverhältnis begründet worden.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Sein Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine vom Ergebnis der angefochtenen Entscheidung abweichende Beurteilung.

Die zulässige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts, mit dem ihm gem. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO nach Klagerücknahme die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden sind, ist unbegründet.

Die Voraussetzungen für den Erlass des Kostenbeschlusses gem. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO liegen vor. Auf Antrag einer Partei des Rechtsstreits hat das Gericht gem. § 269 Abs. 4 ZPO über diese Folge durch Beschluss zu entscheiden. Dieser Antrag ist von den Prozessbevollmächtigten des Insolvenzschuldners U, den Rechtsanwälten I pp., wirksam gestellt worden.

Nach Rücknahme seiner gegen den ehemaligen Notar U erhobenen Klage hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

1.

Nach zutreffender Auffassung des Landgerichts ist das Prozessrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem früheren Notar U begründet worden. Unabhängig davon, ob die - ebenfalls erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte - Übermittlung der Klageschrift an die ehemalige Kanzlei des beklagten Notars schon eine ordnungsgemäße Zustellung bewirkt hat, führt jedenfalls die Zustellung der Klage an die Rechtsanwälte I pp. am 13.11.2003 zur Begründung des Prozessrechtsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem Notar U.

a)

Durch die Zustellung an die Rechtsanwälte I pp. ist die Zustellung der Klageschrift gem. § 172 ZPO wirksam geworden. Bei den Rechtsanwälten I pp. handelt es sich um die von dem früheren Notar U durch Erteilung einer Prozessvollmacht gem. § 80 ZPO bestellten Prozessbevollmächtigten. Die Erteilung der Prozessvollmacht gem. § 80 ZPO setzt lediglich voraus, dass die Partei prozessfähig ist. Das steht hier außer Frage. Die Prozessfähigkeit und die Geschäftsfähigkeit werden durch den Wegfall der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzschuldners nicht berührt.

Der wirksamen Erteilung der Prozessvollmacht steht auch die Bestimmung des § 117 InsO nicht entgegen. Hiernach erlischt lediglich eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erteilte Vollmacht mit dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Angesichts der nach dem Zustellungsversuch unter der ehemaligen Kanzleianschrift des ehemaligen Notars U erfolgten Mitteilungen der amtlich bestellten Vertreterin des ehemaligen Notars vom 30.10.2003 und des Notariatsverwalters vom 28.10.2003 sowie der erst am 10.11.2003 von Rechtsanwalt I angezeigten Bevollmächtigung erscheint es ausgeschlossen, dass der ehemalige Notar U bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen (am 17.10.2003) den Rechtsanwälten I pp. für diesen Rechtsstreit Prozessvollmacht erteilt hatte.

Der Wirksamkeit der erteilten Prozessvollmacht steht auch nicht die von dem Kläger mit Schriftsatz vom 12.02.2004 (Bl. 41 d.A.) erhobene Vollmachtsrüge entgegen. Die Vollmachtsrüge des Klägers bezog sich allein auf die Frage, ob die Rechtsanwälte I pp. von dem Insolvenzverwalter Rechtsanwalt B beauftragt worden waren. Der Kläger hat insoweit aber eingeräumt, dass der ehemalige Notar U seinerseits die Rechtsanwälte I pp. beauftragt hatte.

b)

Dem durch die Zustellung der Klageschrift an die Prozessbevollmächtigten des ehemaligen Notars U begründeten Prozessrechtsverhältnisses stehen die Bestimmungen der §§ 240, 249 ZPO über die Unterbrechung des Verfahrens im Falle der Insolvenzeröffnung nicht entgegen.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor Zustellung der Klage verhindert die erst mit der Zustellung der Klage wirksame Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses nicht, weil die zwischenzeitliche Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Wirksamkeit der Klagezustellung nicht berührt (vgl. BGH NJW 1994, 3232, 3233; KG Rpfleger 1990, 310, 311; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 240 Rdn. 4; § 253 Rdn. 26).

Der Senat folgt der hierzu abweichend vertretenen Auffassung, die insoweit eine Vorwirkung der Unterbrechungswirkung des § 240 ZPO für notwendig erachtet, nicht (vgl. K. Schmidt, NJW 1995, 911, 915). Hiernach soll unter Anwendung des § 240 ZPO bei Eintritt eines die Unterbrechung eines laufenden Rechtsstreits begründenden Ereignisses vor der Zustellung die Sache solange nicht rechtshängig werden, bis der Kläger sich darüber erklärt, ob er den Rechtsstreit massebezogen gegen den Insolvenzverwalter oder gegen den Gemeinschuldner persönlich betreibe.

Es besteht indes nach Auffassung des Senats kein sachlich gerechtfertigter Grund dafür, dem Kläger das wirtschaftliche Risiko dafür abzunehmen, seine Klage auf Feststellung zur Insolvenzmasse umstellen oder zurücknehmen zu müssen, falls das Insolvenzverfahrens über das Vermögen des ursprünglich verklagten Gemeinschuldners eröffnet wird, bevor die Klageschrift zugestellt worden ist. Denn die aus dieser Situation erwachsenden Risiken decken sich mit dem allgemeinen Risiko, das jeder Kläger bei einer Klageerhebung gegen einen späteren Gemeinschuldner eingeht, wenn über dessen Vermögen (erst) nach Zustellung der Klage im Verlaufe des Rechtsstreits das Insolvenzverfahren eröffnet wird.

Zudem hat der Kläger bereits durch die Bezeichnung des Beklagten in der Klageschrift ausreichend deutlich erklärt, dass das Prozessrechtsverhältnis mit diesem begründet werden sollte. Wenn durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor Klagezustellung die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses verhindert werden würde, hätte dies auch zur Folge, dass die kostenerstattungsrechtlich anerkennenswerte Befugnis des verklagten späteren Gemeinschuldners unterlaufen werden würde, sich nach Zustellung der Klage an ihn solange gegen die Klage zu verteidigen, bis eine Umstellung des Klageantrages durch den Kläger erfolgt (vgl. KG Rpfleger 1990, 310, 311).

c)

Eine Kostenentscheidung nach billigem Ermessen auf der Grundlage unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO kommt nicht in Betracht, weil die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Klageforderung als solche in ihrem materiellrechtlichen Bestand unberührt lässt und lediglich die Umstellung des Klageantrags (Feststellung zur Insolvenztabelle statt Zahlung) gebietet, falls der Rechtsstreit gegen den Insolvenzverwalter fortgeführt werden soll. Es liegt deshalb weder ein Fall der Erledigung der Hauptsache (vor Rechtshängigkeit) vor noch entfällt durch die Insolvenzeröffnung der Anlass zur Klageerhebung. (Zu den gesetzgeberischen Intentionen des neugefassten § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO: Musielak, Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2007, § 269 Rdn. 13 ff; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 269 Rdn. 18 d ff).

2.

Die weitere Voraussetzung für den Erlass des Kostenbeschlusses gem. § 269 Abs. 4 ZPO ist nach wirksamer Rücknahme der Klage durch den Kläger mit Schriftsatz vom 14.01.2004 ebenfalls erfüllt.

3.

Der für die Entscheidung gem. § 269 Abs. 4 ZPO erforderliche Antrag einer Partei ist von dem Beklagten durch seine Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 17.02.2004 (Bl. 46 d.A.) nach Klagerücknahme wirksam gestellt worden.

Aus diesen Gründen sind dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits gem. § 269 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 ZPO aufzuerlegen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegen vor, weil die Rechtssache hinsichtlich der Anwendung der Bestimmung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO bzw. des darin enthaltenen Rechtsgedankens grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

Zurück