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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 02.06.2004
Aktenzeichen: 11 WF 116/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 118 Abs. 1
ZPO § 114
1) Hat das Beschwerdegericht den ablehnenden PKH-Beschluss der 1. Instanz aufgehoben, diese angewiesen, von den erhobenen Bedenken Abstand zu nehmen und die Sache zur Prüfung der Einkommensverhältnisse zurückverwiesen, dann ist das Vordergericht gehindert, nunmehr Prozesskostenhilfe wegen Mutwilligkeit zu verneinen.

2.) Wird im Rahmen des PKH-Verfahrens dem Beklagten eine Abschrift der Klage auf Kindesunterhalt zur Stellungnahme übersandt und lässt er daraufhin sofort eine Jugendamtsurkunde über den Kindesunterhalt errichten, so kann er darauf vertrauen, dass die Klägerin diese ihr bekannten Tatsachen dem Gericht nicht vorenthält. Geschieht dies dennoch und kommt es im weiteren Verlauf zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe und zur Zustellung der Klage, dann kann dem Beklagten, der nunmehr mit einem Rechtsanwalt selbst Prozesskostenhilfe begehrt, nicht vorgeworfen werden, er hätte schon vor Zustellung der Klage die Errichtung der Jugendamtsurkunde vortragen müssen, so dass im Hinblick auf dieses Zurückhalten von Einwendungen seine Rechtsverteidigung mutwillig erscheine.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

11 WF 116/04 OLG Hamm

In der Familiensache

Tenor:

wird der Beschluss des Amtsgerichts Bottrop vom 03.05.2004 auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 06.05.2004 abgeändert.

Dem Beklagten wird rückwirkend ab Antragstellung unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. in Bottrop Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung bewilligt.

Die Anordnung einer Ratenzahlung bleibt dem Amtsgericht vorbehalten

Gründe:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten, mit der dieser sich dagegen wendet, dass das Amtsgericht seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen hat, ist zulässig und begründet.

1) Der Beschluss des Amtsgerichts ist schon deshalb zu beanstanden, weil es die in dieser Sache ergangene Entscheidung des Senats vom 17.03.2004 (11 WF 4/04) nicht beachtet hat.

a) Das Amtsgericht hatte bereits mit dem Beschluss vom 30.12.2003 den Prozesskostenhilfeantrag mit der Begründung zurückgewiesen, das Verfahren sei inzwischen durch Klagerücknahme abgeschlossen und deshalb könne Prozesskostenhilfe nicht mehr bewilligt werden. Auf die Beschwerde des Beklagten hat der Senat die Entscheidung aufgehoben und die Sache an die erste Instanz zur Prüfung der Einkommensverhältnisse des Beklagten und zur abschließenden Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückverwiesen. Der Senat hat das Amtsgericht angewiesen, von seinen Bedenken, dass rückwirkende Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden könne, Abstand zu nehmen und zur Begründung ausgeführt, eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch nach der Beendigung des Verfahrens sei möglich, wenn der Antrag vorher vollständig eingereicht worden sei und bis zur Beendigung des Verfahrens die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung zu bejahen gewesen sei. Ein solcher Fall liege hier vor. Mit dem Beschluss vom 03.05.2004 hat das Amtsgericht den Antrag erneut zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte hätte bereits im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren vortragen müssen, dass er eine Jugendamtsurkunde über den Kindesunterhalt errichtet habe; dann wäre der Klägerin Prozesskostenhilfe nicht bewilligt worden und die Klage wäre nicht zugestellt worden. Dass er sich erst nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und der Zustellung der Klage durch seinen Anwalt gemeldet habe und vorgetragen habe, dass bereits ein Titel bestehe, sei mutwillig. Deshalb sei Prozesskostenhilfe zu versagen.

b) Soweit das Beschwerdegericht - wie hier geschehen - teilweise in der Sache entscheidet und im Übrigen zurückverweist, ist das Untergericht an die Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts gebunden (BGH NJW 1994, 2956, 2957; OLG Hamm FamRZ 1986, 1136). Das gilt auch für das Prozesskostenhilfeverfahren (Zöller/Philippi, ZPO, 24. Auflage, § 127, Rn 40). Die Ansicht des Amtsgerichts, die Frage der Mutwilligkeit sei vom Oberlandesgericht nicht geprüft worden und deshalb sei das Amtsgericht nicht gebunden, geht fehl. Der Senat hat die Sache nur deshalb an das Amtsgericht zurückverwiesen, weil die Einkommensverhältnisse des Beklagten und damit die Frage der Anordnung von Raten noch zu prüfen war. Das ergibt sich eindeutig aus dem Beschlusstenor, in dem angegeben wird, welche Entscheidung vom Amtsgericht noch zu treffen ist. Selbst wenn das Amtsgericht jedoch Bedenken an dem Inhalt des Beschlusstenors gehabt hat, so hätte es in der Sache nicht neu entscheiden dürfen. Wie weit die Bindungswirkung eines Beschlusses reicht, muss nämlich bei Zweifeln durch Auslegung der Gründe des zurückverweisenden Beschwerdebeschlusses geklärt werden (Zöller/Gummer, aaO., § 572, Rn 35). Unter Ziffer 2) der Beschlussgründe wird ausgeführt, weshalb eine abschließende Entscheidung nicht getroffen worden ist, nämlich weil sich die Einkommensverhältnisse des Beklagten durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit geändert haben. Dass der Senat zur Frage der Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Übrigen umfassend und abschließend entschieden hat, kann nicht zweifelhaft sein. Wenn der Senat das Verhalten des Beklagten als mutwillig angesehen hätte, so hätten die Voraussetzungen für eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe ersichtlich nicht vorgelegen.

2) Selbst wenn der Ansicht des Amtsgerichts zu folgen wäre und die Entscheidung des Senats nicht bindend wäre, würden die Ausführungen des Amtsgerichts in seinem zweiten Beschluss nicht zu einer abweichenden Entscheidung führen.

Ob aus dem Umstand, dass der Gegner im Sinne des § 118 Abs. 1 ZPO es unterlässt, im Prozesskostenhilfeverfahren Stellung zu nehmen, überhaupt Nachteile für die spätere Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung erwachsen dürfen, ist streitig. Nach seiner Ansicht betrifft das Prozesskostenhilfeverfahren nur die Partei, die Klage erheben will und das Gericht, während der künftige Gegner im Hauptsacheverfahren nicht beteiligt ist und lediglich Gelegenheit zur Stellungnahme erhält. Deshalb könne ihm später nach Klageerhebung die Prozesskostenhilfe nicht wegen Mutwilligkeit versagt werden, wenn er im Prozesskostenhilfeverfahren nicht von der Möglichkeit zur Stellungnahme Gebrauch gemacht habe (OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1132; Baumbach/Hartmann, ZPO, 62. Auflage, § 114, Rn 128 a. E. und § 118, Rn 6 m. N.).

Nach der Gegenansicht kann die Rechtsverteidigung mutwillig sein, wenn eine Partei Einwendungen gegen eine Klage zurückhält, die nur zu einer eingeschränkten Bewilligung von Prozesskostenhilfe oder gar zu deren Verweigerung geführt hätten.

Dabei wird darauf abgestellt, dass eine Partei, die selbst für die Kosten aufkommen müsste, sich schon im Prozesskostenhilfeverfahren verteidigen würde, um die Kosten eines Rechtsstreits zu vermeiden (OLG Oldenburg OLG Report 2002, 177; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe, 3. Auflage, Rn 460).

b) Welcher Ansicht zu folgen ist, braucht der Senat schon deshalb nicht zu entscheiden, weil dem Beklagten ein Zurückhalten von Einwendungen nicht vorzuwerfen ist. Er durfte nämlich davon ausgehen, dass die Klägerin umfassend und wahrheitsgemäß vortragen würde und das Prozesskostenhilfeverfahren zunächst nicht weiter betreiben würde.

Das Amtsgericht hat die einfache Abschrift der Klage zur Stellungnahme im Prozesskostenhilfeverfahren binnen 2 Wochen zwar an den Beklagten am 05.11.2003 abgesandt. Der Beklagte hatte aber noch innerhalb der Frist am 14.11.2003 die Jugendamtsurkunde unterzeichnet und sein Anwalt hat unmittelbar nach dem Zugang einer vollstreckbaren Ausfertigung diese am 19.11.2003 dem Anwalt der Klägerin zugesandt. Der Beklagte hatte um so mehr Veranlassung, darauf zu vertrauen, dass die Klägerin das Verfahren nicht zügig weiter betreiben würde, weil er bereits mit Schreiben vom 15.10.2003 den verlangten Kindesunterhalt anerkannt hatte, diesen Betrag auch fortlaufend gezahlt und sich auch bereit erklärt hat, eine Jugendamtsurkunde zu erstellen. Der Klägerin war, wie sich ebenfalls aus dem erwähnten Schreiben ergibt, bekannt, dass der Beklagte wegen seiner Arbeitszeiten Schwierigkeiten hatte, innerhalb der Bürostunden beim Jugendamt zu erscheinen und die Klägerin hatte sich ihm gegenüber deshalb bereit erklärt, sich mit dem Jugendamt in Verbindung zu setzen und die Erstellung der Urkunden vorzubereiten. Eine Partei darf darauf vertrauen, dass die Gegenseite sich redlich verhält und ein Verfahren nicht ohne Notwendigkeit forciert, wenn außergerichtlich gemeinsam eine Lösung gefunden worden ist und die Vorbereitungen für die Erstellung des verlangten Titels bereits getroffen werden. Wenn die Klägerin die ihr bekannten Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass ein Rechtsstreit aller Voraussicht nach nicht notwendig ist, dem Gericht vorenthält und es deshalb, aus der Sicht des Beklagten wider erwarten zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe und zur Zustellung der Klage kommt, so kann daraus nicht hergeleitet werden, dass der Beklagte Einwendungen zurückgehalten hat. Alle Tatsachen, die dazu geführt haben, dass der Prozess sich erledigt hat und schon seine Einleitung sich als unnötig erwiesen hat, waren der Klägerin bekannt.

3) Der Senat hat bereits in dem Beschluss vom 17.03.2004 darauf hingewiesen, dass nach den Unterlagen davon auszugehen ist, dass der Beklagte inzwischen wieder berufstätig ist. Diese Frage muss vom Amtsgericht im Hinblick auf die Möglichkeit einer Ratenzahlungsanordnung noch geprüft werden.



Ende der Entscheidung

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