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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 17.12.2003
Aktenzeichen: 11 WF 153/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1361 I
BGB § 1361 III
BGB § 1579
BGB § 1579 Ziff. 6
BGB § 1606 III 1
BGB § 1615 l
BGB § 1615 l II
BGB § 1615 l II S. 3
ZPO § 114
ZPO § 127 II
1. Eine teilweise oder gänzliche Unterhaltsverwirkung gemäß § 1579 BGB kann nur nach einer umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls bejaht werden. Eine solche Gesamtwürdigung erfordert in der Regel auch die Feststellung, in welchem Umfang Unterhaltsansprüche überhaupt gegeben sind.

2. Die für die Feststellung einer Unterhaltsverwirkung gebotene Gesamtwürdigung wird im allgemeinen nicht bereits im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens vorgenommen werden können, sondern ist dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

11 WF 153/03 OLG Hamm

Hamm, den 17.12.2003

In der Familiensache

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 26.08.2003 wird der Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Bottrop vom 18.08.2003 abgeändert.

Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin H in B Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage bewilligt, mit der sie den Antragsgegner auf Trennungsunterhalt und Krankenvorsorgeunterhalt in Höhe nachfolgender Beträge in Anspruch nehmen will:

- für die Zeit vom 01.01. - 31.03.2003 Elementarunterhalt in Höhe von monatlich 955,00 Euro;

- für April 2003 Elementarunterhalt in Höhe von 850,00 Euro;

- für die Zeit vom 01.05. - 30.06.2003 Elementarunterhalt in Höhe von monatlich 765,00 Euro;

- für Juli 2003 Elementarunterhalt in Höhe von 740,00 Euro;

- für August 2003 Elementarunterhalt in Höhe von 1.160,00 Euro und Krankenvorsorgeunterhalt von 107,88 Euro und

- ab September 2003 Elementarunterhalt in Höhe von 1.230,00 Euro und Krankenvorsorgeunterhalt von 107,88 Euro.

Die Entscheidung über die Anordnung von Ratenzahlungen wird dem Amtsgericht vorbehalten.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Aus ihrer am 06.06.1989 geschlossenen Ehe sind die gemeinsamen Kinder Julia, geboren am 21.10.1989 und Jens, geboren am 02.04.1991, hervorgegangen. Julia lebte nach der Trennung zunächst bei der Antragstellerin, bevor sie im Mai 2003 in den Haushalt des Antragsgegners wechselte, Jens lebt seit der Trennung durchgängig im Haushalt der Antragstellerin. Diese hat aus einer außerehelichen Beziehung ein weiteres, am 18.05.2001 geborenes Kind. Kindesvater ist Herr Christoph R, der seine Vaterschaft nach Vaterschaftsanfechtung durch den Antragsgegner und nach durch Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Bottrop vom 04.02.2003 (19a F 359/02) erfolgter Feststellung, dass dieser nicht der Vater des Kindes ist, inzwischen anerkannt hat.

Die Antragstellerin ist gelernte Altenpflegerin, hat ihre Berufstätigkeit aber schon vor der Geburt der gemeinsamen Tochter im Jahr 1989 aufgegeben. Nach der Trennung hat sie ab dem 01.04.2003 vorübergehend in ihrem erlernten Beruf gearbeitet, wurde aber noch während der Probezeit zum 31.07.2003 gekündigt. Seitdem ist sie arbeitslos.

Auf Antrag der Antragstellerin hat das Amtsgericht dem Antragsgegner unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags durch einstweilige Anordnung vom 29.07.2003 (19a F 19/03) aufgegeben, an die Antragstellerin - jeweils befristet bis zum 31.12.2003 - ab dem 01.06.2003 Elementarunterhalt in Höhe von monatlich 127,00 Euro und ab dem 01.08.2003 zusätzlich Krankenvorsorgeunterhalt in Höhe von monatlich 107,88 Euro zu zahlen. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den Beschluss vom 29.07.2003 (Bl. 25 ff GA) Bezug genommen.

Im vorliegenden Verfahren will die Antragstellerin den Antragsgegner mit ihrer beabsichtigten Klage, für deren Erhebung sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt, unter näherer Darlegung ihres Anspruchs auf Trennungselementarunterhalt in Höhe von insgesamt 6.400,00 Euro für die Zeit von Januar - August 2003 und monatlich 1.500,00 Euro ab September 2003 sowie daneben ab August 2003 auf Krankenvorsorgeunterhalt in Höhe von monatlich 107,88 Euro in Anspruch nehmen.

Das Amtsgericht hat den Antrag durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und zur Begründung unter Bezugnahme auf die einstweiligen Anordnung vom 29.07.2003 und deren Begründung ausgeführt, im Umfang der hierdurch titulierten Unterhaltsbeträge sei die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig, hinsichtlich der weitergehenden Unterhaltsansprüche der Antragstellerin habe ihre Klage dagegen wegen einer Verwirkung bestehender Unterhaltsansprüche nach § 1579 Ziffer 6 BGB und anteiliger Mithaftung des nichtehelichen Kindesvaters R keine Aussicht auf Erfolg.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die nach § 127 II ZPO zulässige Beschwerde ist auch in der Sache teilweise begründet. Die beabsichtigte Klage bietet entgegen der Auffassung des Amtsgericht in Höhe der im Tenor ausgewiesenen - jeweils maßvoll aufgerundeten - Beträge hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint insoweit auch nicht mutwillig, § 114 ZPO.

1.

Der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner ergibt sich dem Grunde nach aus § 1361 I BGB. Er besteht unabhängig von dem daneben gegebenen Anspruch nach § 1615 l II BGB gegen den Zeugen R als Vater ihres am 18.05.2001 in der Ehe geborenen Sohnes Jonas, der gemäß § 1615 l II S. 3 BGB ohnehin im Regelfall 3 Jahre nach der Geburt und damit hier voraussichtlich am 18.05.2004 endet.

Mit welchem Anteil der Antragsgegner und der Zeuge R für den Unterhalt der Antragstellerin haften, bestimmt sich dagegen in entsprechender Anwendung des § 1606 III 1 BGB (BGH FamRZ 1998, 541 ff, 543 f), wobei der Haftungsgrad nicht schematisch ausschließlich nach den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der beiden Pflichtigen zu bestimmen ist, sondern einer differenzierten Verteilung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls zugänglich ist (BGH, aaO, S. 544; Wendl/Staudigl-Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl. § 6 Rz. 769).

2.

Ob und ggfs. in welchem Umfang der gegen den Antragsgegner bestehende Unterhaltsanspruch der Antragstellerin - wie es das Amtsgericht gesehen hat - aus dem Gesichtspunkt der Verwirkung nach §§ 1361 III, 1579 Ziffer 6 BGB herabzusetzen und nach kurzer Zeit ganz zu versagen ist, weil eine weitergehende Inanspruchnahme des Antragsgegners auch unter Beachtung der zu wahrenden Belange der von der Antragstellerin betreuten gemeinsamen Kinder i.S.d. genannten Bestimmung grob unbillig wäre, bedarf nach Auffassung des Senats weiterer Aufklärung der abzuwägenden Gesamtumstände und entzieht sich schon von daher einer abschließenden Beurteilung im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens.

a)

Dabei teilt der Senat im Ausgangspunkt die Einschätzung des Amtsgerichts, dass aus den in der einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts vom 29.07.2003 (19a F 19/03) im einzelnen dargelegten Gründen nach bisherigem Sach- und Streitstand vieles für die Annahme eines der Antragstellerin zur Last fallenden offensichtlich schwerwiegenden, eindeutig bei ihr liegenden Fehlverhaltens gegen den Antragsgegner spricht, das den Härtegrund des § 1579 Ziffer 6 BGB erfüllt.

Aufgrund der im Verfahren 19a F 359/02 durch Urteil des Amtsgerichts vom 04.02.2003 festgestellten nichtehelichen Abstammung des am 18.05.2001 geborenen Sohnes Jonas folgt bereits nach dem Beweis des ersten Anscheins (BGH FamRZ 1985, 267 ff), dass die Antragstellerin -wie von ihr im übrigen auch zugestanden wird- während bestehender Ehe außerehelichen Geschlechtsverkehr gehabt hat. Daraus folgt die weitere Feststellung, dass sie mit der nichtehelichen Abstammung des Kindes gerechnet hat - nach eigenem Vortrag war sich die Antragstellerin dessen sogar sicher, da sie nach ihrer Darstellung im Empfängniszeitraum keinen ehelichen Verkehr mehr mit dem Antragsgegner gehabt haben will, was dieser allerdings in Abrede stellt -, so dass sie dem Antragsgegner das Kind vorsätzlich untergeschoben hat. Hierin liegt ein schwerwiegendes, eindeutig der Antragstellerin zuzuordnendes Fehlverhalten i.S.d. § 1579 Ziffer 6 BGB (BGH, aaO.).

b)

Die Vorwerfbarkeit des der Antragstellerin zur Last zu legenden Fehlverhaltens mit den hieran geknüpften Rechtsfolgen nach § 1579 BGB entfällt weiterhin nicht schon deshalb, weil der Antragsgegner das Fehlverhalten der Antragstellerin jedenfalls nach deren Vortrag hätte erkennen können (OLG Frankfurt, OLGR 1998, 176, 177).

Mit Recht hat das Amtsgericht insoweit maßgeblich auf die vorgelegten E-Mails der Antragstellerin vom 26.09. und 29.09.2003 (Bl. 61 f, 63 GA) abgestellt, deren inhaltliche Richtigkeit und Authentizität die Beschwerde nicht weiter in Frage stellt. Hiernach muss davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegner auch aus Sicht der Antragstellerin keine Veranlassung hatte, bezüglich des Kindes Jonas ernsthafte Zweifel an seiner Vaterschaft zu hegen, sondern im Gegenteil in dem Glauben war - und von der Antragstellerin auch bewusst gelassen wurde -, Erzeuger des Kindes zu sein.

c)

Weitere, jeweils gesondert zu prüfende Voraussetzung für die Annahme einer Anspruchsverwirkung nach § 1579 BGB ist indes, dass die (uneingeschränkte) Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen grob unbillig wäre, was dann der Fall ist, wenn und soweit nach den Verhältnissen des konkreten Einzelfalls die Zuerkennung eines Unterhaltsanspruchs dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde (BGH NJW1982, 2064 = FamRZ 1982, 582). Dies erfordert eine umfassende Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls (BGH FamRZ 2002, 810 unter Hinweis auf BGH FamRZ 1983, 670, 672; Wendl/Staudigl-Gerhardt, aaO. § 4 Rz. 615 m.w.N.; Weinreich/Klein, Familienrecht, § 1579 Rz. 117; Kalthoener/Büttner-Niepmann, 8. Aufl. Rz. 1127 ff, 1135 ff). Der Tatrichter hat zu diesem Zweck alle für die Interessenabwägung erforderlichen Tatsachen festzustellen und zu gewichten (Wendl/Staudigl-Gerhardt, aaO. Rz. 616], was abschließend und mit der erforderlichen Sicherheit regelmäßig nur im Rahmen des Hauptsacheverfahrens möglich sein wird.

Zu berücksichtigen sind dabei u.a. die Dauer der Ehe, die von dem unterhaltsberechtigten Ehegatten - hier der Antragstellerin - wahrgenommene Aufgabe der Kindererziehung und -betreuung sowie die Auswirkungen einer Unterhaltsherabsetzung auf ihre Lebensverhältnisse. Hinzu tritt als Besonderheit des Streitfalls der Umstand, dass die Ehe der Parteien - wovon auch das Amtsgericht ausgegangen ist - nach Vortrag der Antragstellerin bereits seit Ende 1999/Anfang 2000 und damit schon im Zeitpunkt der Aufnahme ihrer Beziehung zu dem Zeugen R de facto gescheitert war oder sich doch jedenfalls in einer tiefgreifenden Krise befand, die sich auch nach außen hin in der räumlichen Trennung der jeweiligen Lebensbereiche der Parteien manifestiert hatte. Gemeinsamkeiten wie etwa die Einnahme gemeinsamer Mahlzeiten bestanden - so jedenfalls der im Prozesskostenhilfeverfahren als richtig zu unterstellende Vortrag der Antragstellerin - nur noch in geringem Umfang und im wesentlichen allein im Interesse der gemeinsamen Kinder, denen so ein familiärer Rahmen erhalten werden sollte. Überdies soll der Antragsgegner seine finanziellen Zuwendungen an die Antragstellerin stark eingeschränkt haben, ab Januar 2002 will die Antragstellerin unter Einschluss des an sie gezahlten Kindergeldes in der Regel nur noch einen Betrag von monatlich gut 1.500,00 Euro zur Verfügung gehabt haben. Dass und in welchem Maße dem Antragsgegner durch die der Antragstellerin nach bisherigem Sachstand vorzuwerfende Kindesunterschiebung überhaupt ein finanzieller Nachteil entstanden ist, lässt sich danach derzeit nicht sicher beurteilen.

Die aufgezeigten Gesichtspunkte lassen es nach Auffassung des Senats geboten erscheinen, die Entscheidung über die Rechtsfolgen der dem Grunde nach vom Amtsgericht zu Recht bejahten Anspruchsverwirkung dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten mit der Folge, dass dem Prozesskostenhilfegesuch der Antragstellerin zunächst einmal im Umfang ihrer auf der Grundlage ihres bisherigen Vertrags ohne eine Anspruchsverwirkung gerechtfertigten Unterhaltsansprüche stattzugeben ist. Zu berücksichtigen ist dabei zudem, dass die Annahme einer teilweisen oder gänzlichen Anspruchsverwirkung in der Regel die Feststellung voraussetzt, in welchem Umfang Unterhaltsansprüche überhaupt gegeben sind.

3.

Der gegen den Antragsgegner gerichtete Unterhaltsanspruch der Antragstellerin nach § 1361 I BGB bestimmt sich nach den gemeinsamen Lebensverhältnissen der Parteien, die hier in erster Linie durch das Erwerbseinkommen des Antragsgegner, die mietfreie Nutzung einer mit erheblichen Fremdmitteln finanzierten Immobilie sowie den Kindesunterhalt geprägt wurden.

Zu berücksichtigen ist daneben das in der Zeit von April - Juli 2003 erzielte eigene Erwerbseinkommen der Antragstellerin. Ob und in welcher Höhe der Antragstellerin unter Zubilligung einer üblichen Karenzzeit für die Suche nach einer zumutbaren Arbeitsstelle - und damit im Zweifel frühestens ab Anfang 2004 - fiktiv ein Erwerbseinkommen zuzurechnen ist, bedarf gleichfalls noch weiterer Aufklärung.

Auf Seiten beider Parteien ergibt sich zudem die weitere Besonderheit, dass ihr Erwerbseinkommen sich im Hinblick auf die daneben wahrgenommene Betreuung minderjähriger gemeinsamer Kinder als in Teilen überobligatorisch darstellt. Das Amtsgericht und dem folgend die Antragstellerin tragen dem durch Abzug eines pauschalen Betreuungsbonus von 100,00 Euro je betreutem Kind Rechnung, was vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung des BGH zur Behandlung überobligationsmäßig erzielten Einkommens (BGH MDR 2003, 697) und der hiernach gebotenen Prüfung, inwieweit ein überobligationsmäßig erzielter Einkommensanteil unter Billigkeitsgesichtspunkten (§ 1577 II BGB) bedarfsdeckend anzurechnen ist, nicht unbedenklich erscheint, im Rahmen des vorliegenden Prozesskostenverfahrens aber zunächst einmal als jedenfalls vom Ergebnis her richtig unterstellt werden mag.

a) Einkommen des Antragsgegners:

Das Erwerbseinkommen des Antragsgegners im Jahr 2003 beziffert die Antragstellerin im Anschluss an die Berechnungen des Amtsgerichts und die dem zugrunde liegende Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2002 mit insgesamt brutto 100.053,83 Euro, hiervon abzusetzen sind vorläufig - auch insoweit der Berechnung des Amtsgerichts folgend - die bei Ansatz steuerlicher Absetzungen von insgesamt rund 40.000,00 Euro anfallenden Steuern und Sozialabgaben, wobei allerdings nach bislang unwidersprochenem Vortrag des Antragsgegners (Schriftsatz vom 09.10.2003, Bl. 56 f GA) für das Jahr 2003 von einer Besteuerung nach Steuerklasse 2/1,0 auszugehen ist. Inwieweit hier im Hinblick auf den erst zum 10.05.2003 erfolgten Wechsel der Tochter Julia in den Haushalt des Antragsgegners eine Korrektur geboten ist, bedarf noch weiterer Aufklärung, ebenso wie auch die Frage, ob und ggfs. in welcher Höhe das unterhaltsrelevante Einkommen des Antragsgegners um Einbehalt für eine bestehende Direktversicherung zu mindern ist. Die zu den - vom Senat beigezogenen - Akten des Scheidungsverfahren eingereichten Verdienstabrechnungen des Antragsgegners für die Monate Januar - März 2003 weisen insoweit Abzüge von monatlich 580,00 Euro (Januar und Februar) bzw. 582,48 Euro (März) aus, eine entsprechende Kürzung des zur Auszahlung gelangten Nettoentgelts wäre im Zweifel bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen, da die hiervon erfassten Verdienstanteile auch bei Fortbestand der ehelichen Gemeinschaft nicht zur Finanzierung der gemeinsamen Lebensführung verfügbar gewesen wären.

Vorläufig ergibt sich danach folgende Einkommensberechnung:

Gesamtbrutto 100.053,83 Euro ./. Lohnsteuer (stpfl. Brutto 60.000,00, StKl. 2/1,0) - 16.606,00 Euro ./. Kirchensteuer rund - 1.250,00 Euro ./. SolZ. rund - 764,00 Euro ./. Kranken- und Pflegeversicherung (mtl. 241,00 Euro) - 2.892,00 Euro ./. Sozialabgaben - 6.912,00 Euro Nettoeinkommen 71.629,83 Euro

Die Antragstellerin geht statt dessen in Anlehnung an die Berechnungen des Amtsgerichts von einem Jahresnettoeinkommen von 70.540,87 Euro aus, das auch unter Berücksichtigung der noch abzusetzenden vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers jedenfalls nicht zu hoch gegriffen erscheint und daher auch hier der weiteren Berechnung zugrunde gelegt werden soll. Dies führt dann zu einem monatlichen Nettoeinkommen des Antragsgegners von 5.878,41 Euro, von dem noch die berufsbedingten Fahrtkosten des Antragsgegners abzusetzen sind. Diese belaufen sich, ausgehend von einer einfachen Wegstrecke zwischen Wohnort und Arbeitsstelle von 55 km wie auch im Steuerbescheid der Parteien für das Jahr 2000 ausgewiesen auf monatlich 346,50 Euro (30 km x 2 x 0,24 Euro x 220 :12 = 264,00 Euro; 25 x 2 x 0,09 Euro x 220 :12 = 82,50 Euro). Soweit die Antragstellerin vortragen lässt, der Antragsgegner arbeite nun von zu Hause aus, weshalb berufsbedingte Aufwendungen mit monatlich pauschal 100,00 Euro ausreichend berücksichtigt seien, fehlt jeder substantiierte Vortrag dazu, vor welchem Hintergrund die behauptete Änderung der Arbeitsverhältnisse und Arbeitsweise zu sehen ist und weshalb gleichwohl noch Kosten (wofür ?) anfallen.

Bei abzugsfähigen Hauskosten von jährlich 22.553,00 Euro = monatsanteilig 1.879,42 Euro sowie einem dem Antragsgegner in der Trennungszeit -durchgängigzuzurechnenden Wohnvorteil in Höhe der ersparten Aufwendungen für eine angemessene kleinere Wohnung (BGH MDR 2000, 215 /), den das Amtsgericht zutreffend auf 500,00 Euro geschätzt hat, ergibt sich dann ein unterhaltsrelevantes Einkommen des Antragsgegners von monatlich

5.878,41 Euro ./. berufsbedingte Fahrtkosten - 346,50 Euro ./. verbrauchsunabhängige Hauslasten - 1.878,42 Euro zzgl. Wohnvorteil 500,00 Euro 4.153,49 Euro

Dieses Einkommen reduziert sich in den Monaten Januar - März nach Vortrag der Antragstellerin noch um vom Antragsgegner getragene Krankenversicherungskosten der Antragstellerin und der Kinder von 450,00 Euro auf dann noch 3.703,49 Euro.

b) Kindesunterhalt:

Bei einem Nettoeinkommen des Antragsgegners in vorgenannter Höhe ist der Kindesunterhalt in der Zeit von Januar bis März 2003 der Einkommensgruppe 11 und ab April der Einkommensgruppe 12 der Düsseldorfer Tabelle zu entnehmen, während das Amtsgericht in seiner einstweiligen Anordnung vom 29.07.2003 - für die Antragstellerin hinsichtlich ihres eigenen Unterhaltsanspruchs insoweit günstiger - nur mit Tabellenbeträgen nach der Einkommensgruppe 10 gerechnet hat.

Der Auffassung der Antragstellerin, nach im Mai 2003 erfolgtem Wechsel der Tochter Julia in den Haushalt des Antragsgegners könne deren Unterhalt im Hinblick auf ihre eigene - der Antragstellerin - eingeschränkte und insoweit maßgebliche Leistungsfähigkeit nur noch nach Einkommensgruppe 1 in Ansatz gebracht werden, ist nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass die Antragstellerin unberücksichtigt lässt, dass auch ein etwaiger Unterhaltsanspruch gegen den Antragsteller ebenso wie auch der gegen den Zeugen R unterhaltsrelevantes Einkommen darstellt, ist Grundlage für eine etwaige Barunterhaltspflicht des betreuenden Elternteils der Unterhalt, den er nach seinen Einkommensverhältnissen zu entrichten hat (Kalthoener/Büttner-Niepmann, aaO. Rz. 926; BGH NJW 1984, 303). Zur Begründung ist darauf zu verweisen, dass das Kind auch am Lebensstandard des betreuenden Elternteils teilnimmt, wobei unterstellt werden kann, dass dieser bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit des anderen - an sich barunterhaltspflichtigen - Elternteils aus seinem Einkommen auftretende Deckungslücken ausgleicht (BGH, aaO.).

Zu rechnen ist danach für die Bemessung des der Antragstellerin zustehenden Trennungsunterhalts vorläufig für die am 21.10.1989 geborene Tochter Julia mit Tabellenbeträgen von monatlich 485,00 Euro im Zeitraum 01.01.-31.03.2003, 512,00 Euro im Zeitraum 01.01. - 30.06.2003 und monatlich 540,00 Euro ab 01.07.2003, während der Unterhalt für den am 02.04.1991 geborenen und damit im April 2003 in die Altersstufe 3 aufgerückter) Sohn Jens für die Zeit vom 01.01. -31.03.2003 mit monatlich 411,00 Euro, für die Zeit vom 01.04. - 30.06.2003 mit monatlich 512,00 Euro und ab 01.07.2003 mit monatlich 540,00 Euro zu veranschlagen ist.

c) Einkommen der Antragstellerin:

Ihr in der Zeit vom 01.04. - 31.07.2003 erzieltes eigenes Erwerbseinkommen gibt die Antragstellerin mit monatsdurchschnittlich 850,00 Euro netto an, nach Abzug berufsbedingter Fahrtkosten von monatlich 61,40 Euro und Kosten für die Anschaffung Reinigung von Berufskleidung in Höhe von monatlich 20,00 Euro stellt sich ihr Einkommen danach auf 768,60 Euro.

Hinzu zu rechnen ist daneben für die Zeit bis zu ihrem per 09.08.2003 erfolgten Auszug aus der vormaligen Ehewohnung der durch deren mietfreie Nutzung gezogene Wohnvorteil, den die Antragstellerin selbst mit monatlich 500,00 Euro ansetzt, was angemessen erscheint.

d) Bedarfsbemessung:

aa) Zeitraum 01.01. - 31.03.2003:

anrechenbares Nettoeinkommen des Antragsgegners 3.703,49 Euro ./. Kindesunterhalt (EG 11, ASt. 3) - 485,00 Euro ./. Kindesunterhalt Jens (EG 11, ASt. 2) - 411,00 Euro 2.807,49 Euro ./. Erwerbstätigenbonus 1/7 - 401,07 Euro ./. Wohnvorteil der Antragstellerin - 500,00 Euro 1.906,42 Euro Aufstockungsbedarf der Antragstellerin = 1/2 953,21 Euro

bb) Zeitraum 01.04. - 31.04.2003:

Eine Änderung ergibt sich durch den Wegfall der vom Antragsgegner getragenen Krankenversicherungskosten, die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Antragstellerin und das Aufrücken des Sohnes in die Alterstufe 3. Die Bedarfsberechnung sieht danach wie folgt aus:

anrechenbares Nettoeinkommen des Antragsgegners 4.153,49 Euro ./. Kindesunterhalt (EG 12, ASt. 3) - 512,00 Euro ./. Kindesunterhalt Jens (EG 12, ASt. 3) - 512,00 Euro 3.129,49 Euro ./. Erwerbstätigenbonus 1/7 - 447,07 Euro ./. Erwerbseinkommen der Antragstellerin (768,60 Euro - 200,00 Euro Betreuungsbonus) zu 6/7 - 487,37 Euro ./. Wohnvorteil der Antragstellerin - 500,00 Euro 1.695,05 Euro Aufstockungsbedarf der Antragstellerin = 1/2 847,52 Euro

cc) Zeitraum 01.05. - 30.06.2003:

Der Wechsel der Tochter Julia in den Haushalt des Antragsgegners führt aufgrund eines nun auf Seiten beider Parteien in Ansatz zu bringenden Betreuungsbonus von 100,00 Euro zu folgender Veränderung der Bedarfsberechnung:

anrechenbares Nettoeinkommen des Antragsgegners 4.153,49 Euro ./. Betreuungsbonus - 100,00 Euro ./. Kindesunterhalt (EG 12, ASt. 3) - 512,00 Euro ./. Kindesunterhalt Jens (EG 12, ASt. 3) - 512,00 Euro 3.029,49 Euro ./. Erwerbstätigenbonus 1/7 - 432,78 Euro ./. Erwerbseinkommen der Antragstellerin (768,60 Euro - 100,00 Euro Betreuungsbonus) zu 6/7 - 573,09 Euro ./. Wohnvorteil der Antragstellerin - 500,00 Euro 1.523,62 Euro Aufstockungsbedarf der Antragstellerin = 1/2 761,81 Euro

dd) Zeitraum 01.07. - 31.07.2003:

Geänderte Tabellenbeträge für den Kindesunterhalt aufgrund der zum 01.07.2003 neugefassten Düsseldorfer Tabelle wirken sich auf den Unterhaltsbedarf der Antragstellerin wie folgt aus:

anrechenbares Nettoeinkommen des Antragsgegners 4.153,49 Euro ./. Betreuungsbonus - 100,00 Euro ./. Kindesunterhalt (EG 12, ASt. 3) - 540,00 Euro ./. Kindesunterhalt Jens (EG 12, ASt. 3) - 540,00 Euro 2.973,49 Euro ./. Erwerbstätigenbonus 1/7 - 424,78 Euro ./. Erwerbseinkommen der Antragstellerin (768,60 Euro - 100,00 Euro Betreuungsbonus) zu 6/7 - 573,09 Euro ./. Wohnvorteil der Antragstellerin - 500,00 Euro 1.475,62 Euro Aufstockungsbedarf der Antragstellerin = 1/2 737,81 Euro

ee) Zeitraum 01.08. - 31.08.2003:

Das Erwerbseinkommen der Antragstellerin entfällt, zudem ist die Antragstellerin zum 09.08.2003 aus der vormaligen Ehewohnung ausgezogen, unter Berücksichtigung des geltend gemachten Krankenvorsorgunterhalts von monatlich 107,88 Euro ist daher nun wie folgt zu rechnen:

anrechenbares Nettoeinkommen des Antragsgegners 4.153,49 Euro ./. Betreuungsbonus - 100,00 Euro ./. Krankenvorsorgeunterhalt - 107,88 Euro ./. Kindesunterhalt (EG 12, ASt. 3) - 540,00 Euro ./. Kindesunterhalt Jens (EG 12, ASt. 3) - 540,00 Euro 2.865,61 Euro ./. Erwerbstätigenbonus 1/7 - 409,37 Euro ./. Wohnvorteil der Antragstellerin (500,00 Euro x 9/31) - 145,16 Euro 2.311,08 Euro Aufstockungsbedarf der Antragstellerin = 1/2 1.155,54 Euro

ff) Zeitraum ab 01.09.2003:

Ohne Zurechnung eines anteiligen Wohnvorteils stellt sich der Aufstockungsbedarf der Antragstellerin nun auf

anrechenbares Nettoeinkommen des Antragsgegners 4.153,49 Euro ./. Betreuungsbonus - 100,00 Euro ./. Krankenvorsorgeunterhalt - 107,88 Euro ./. Kindesunterhalt (EG 12, ASt. 3) - 540,00 Euro ./. Kindesunterhalt Jens (EG 12, ASt. 3) - 540,00 Euro 2.865,61 Euro ./. Erwerbstätigenbonus 1/7 - 409,37 Euro 2.456,24 Euro Aufstockungsbedarf der Antragstellerin = 1/2 1.228,12 Euro

4.

Der gegen den Zeugen R bestehende Unterhaltsanspruch der Antragstellerin nach § 1615 l II BGB richtet sich nach der Lebensstellung der Bedürftigen, hier mithin der Antragstellerin (§ 1615 l III S. 1 BGB i.V.m. § 1610 l BGB), die geprägt ist durch deren eheliche Lebensverhältnisse, die daher auch den Maßstab für den Unterhaltsanspruch aus § 1615 l BGB gegen den Vater des nichtehelichen Kindes bilden (BGH FamRZ 1998, 541 ff, 544).

Für die Bemessung der auf den Zeugen R entfallenden Haftungsquote kommt es dabei in erster Linie auf dessen Leistungsfähigkeit an (BGH aaO.), dessen Einkünfte aus seiner Tätigkeit als selbständiger Architekt und Teilhaber der N & R GbR Architektur- u. Ingenieurbüro hier indes nach Vortrag der Antragstellerin nicht ausreichen sollen, neben dem ihr gegenüber vorrangigen Unterhalt der beiden unterhaltsberechtigten Kinder des Zeugen (§ 1615 III 2 BGB) unter Wahrung des ihm im Verhältnis zur Antragstellerin zuzubilligenden Selbstbehalts von monatlich 1000,00 Euro (Ziffer 21.3.1 HLL Stand 01.07.2003) Unterhaltsleistungen nach § 1615 l BGB zu erbringen. Ob dem in vollem Umfang gefolgt werden kann, ist aus den in der einstweiligen Anordnung vom 29.07.2003 angesprochene Gründen nicht unzweifelhaft und bedarf ggfs. noch weiterer Aufklärung im Hauptsacheverfahren.

Andererseits lassen die vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen der GbR den diesbezüglichen Vortrag der Antragstellerin jedenfalls im Rahmen des vorliegenden Prozesskostenhilfeverfahrens als hinreichend schlüssig erscheinen. Hiernach erwirtschaftete die GbR in den für die Einkommensberechnung auf Seiten des Zeugen R heranzuziehenden Jahren 2000 - 2002 Gewinne in folgender Höhe:

2000: 180.461,28 DM = 92.268,39 Euro 2001: 75.841,73 DM = 38.777,26 Euro 2002: 50.436,58 Euro 181.482,23 Euro

Bei unterstellter hälftiger Beteiligung des Zeugen R ergibt sich so ein monatsdurchschnittliches Bruttoeinkommen von (181.482,23 Euro : 2 : 36 Monate =) rund 2.520,00 Euro, von dem neben anfallenden Steuern entsprechend der Bl. 12 GA vorgelegten Aufstellung der Antragstellerin jedenfalls die Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung von monatlich 296,58 Euro, Beitragszahlungen für die Altersversorgung von monatlich 478,00 Euro sowie vorrangige Unterhaltsverpflichtungen für die beiden am 21.05.2000 und 18.05.2001 geborenen Kinder des Zeugen mit monatlich mindestens 376,00 Euro bis zum 30.06.2003 (je 188,00 Euro als Regelbetrag der Alterstufe 1) und monatlich 398,00 Euro ab 01.07.2003 (je 199,00 Euro) abzusetzen sind. Für Unterhaltsansprüche der Antragstellerin bleibt danach angesichts des dem Zeugen R ihr gegenüber zustehenden Selbstbehalts kein Raum.

5.

Die vom Antragsgegner in der Zeit von Januar - März geleisteten Unterhaltszahlungen entfallen bei einkommensorientierter Unterhaltsbemessung voll auf den Kindesunterhalt, so dass es für die Zeit ab Januar 2003 bei den o.g. Unterhaltsbeträgen verbleibt.

Ende der Entscheidung

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