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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 10.11.2004
Aktenzeichen: 11 WF 161/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 127 Abs. 2 S. 2 | |
ZPO § 114 S. 1 | |
BGB § 242 | |
BGB § 1569 | |
BGB § 1570 | |
BGB § 1572 |
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS
11 WF 161/04 OLG Hamm
In der Familiensache
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 14.06.2004 wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Ibbenbüren vom 12. Mai 2004 abgeändert.
Der Klägerin wird ab Antragstellung unter Beiordnung von Rechtsanwältin V aus Osnabrück Prozeßkostenhilfe bewilligt.
Von der Anordnung einer Ratenzahlung wird abgesehen. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Zahlung nachehelichen Unterhalts ab Rechtskraft des Scheidungsverfahrens.
Trennungs- und Kindesunterhalt wurden tituliert. Dem vor dem Familiengericht Ibbenbüren geschlossenen Vergleich vom 10.04.2003 (4 F 602/02) wurde ein Gesamteinkommen des Beklagten von 2.469,68 € zu Grunde gelegt. Der Beklagte war zu dieser Zeit bei einer Firma in Wallenhorst als Kraftfahrer tätig.
Der Beklagte befindet sich seit dem 10.01.2004 in Untersuchungshaft, weil er am 09.01.2004 versucht haben soll, die Klägerin umzubringen. Am 30.06.2004 ist er vom Schwurgericht des Landgerichts Münster wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Er hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt.
Das Amtsgericht hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen, daß der Beklagte leistungsunfähig sei, weil er sich in Untersuchungshaft befindet.
II.
Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Klägerin gem. § 114 S. 1 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Der nacheheliche Unterhaltsanspruch ergibt sich aus §§ 1569, 1570, 1572 BGB.
Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte nicht leistungsfähig ist, weil er sich derzeit in Untersuchungshaft befindet. Er erzielt zwar kein Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit (als Kraftfahrer) mehr, die im Vergleich angegebenen Mieteinkünfte in Höhe von monatlich 850,00 € dürften ihm aber verblieben sein. Nach Auffassung des Senats ist dem Beklagten das bis Ende des Jahres 2003 erzielte Einkommen als Kraftfahrer jedenfalls fiktiv hinzuzurechnen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Leistungsunfähigkeit grundsätzlich zu beachten, auch wenn sie schuldhaft herbeigeführt worden ist (BGH FamRZ 1985, 158). Ausnahmsweise darf sich der Unterhaltspflichtige gem. § 242 BGB nicht auf die Leistungsunfähigkeit berufen, wenn ihm ein verantwortungsloses, zumindest leichtfertiges Verhalten von erheblichem Gewicht vorgeworfen werden kann. Die Berufung des Unterhaltspflichtigen auf seine Leistungsunfähigkeit verstößt dann gegen Treu und Glauben, wenn das für den Verlust des Arbeitsplatzes ursächliche Verhalten des Unterhaltspflichtigen sich seinerseits als eine Verletzung seiner Unterhaltspflicht darstellt (BGH FamRZ 1982, 913, 914). Für den erforderlichen unterhaltsrechtlichen Bezug, einer Straftat reicht es nicht aus, wie vom Amtsgericht zutreffend erkannt, daß sie für den Arbeitsplatzverlust kausal geworden ist. Vielmehr ist erforderlich, daß die Straftat auf einem Fehlverhalten des Unterhaltspflichtigen beruht, das sich gerade auf seine Unterhaltspflicht bezieht. Diese Voraussetzung ist z. B. dann erfüllt, wenn der Unterhaltsschuldner sich gerade deshalb in Strafhaft befindet, weil er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Berechtigten verletzt hat, oder wenn gerade die bestrafte vorsätzliche Tat dazu geführt hat, daß der Unterhaltsberechtigte - etwa durch Schädigung seines Vermögens, durch eine Körperverletzung oder durch die Tötung eines vorrangig Unterhaltspflichtigen - (vermehrt) unterhaltsbedürftig geworden ist (BGH FamRZ 1982, 913, 914; 2002, 813, 814).
Ein objektiver Unterhaltsbezug der dem Beklagten zur Last gelegten Straftat liegt nach - vorläufiger Bewertung im Prozeßkostenhilfeverfahren - vor. Es ist zumindest anzunehmen, daß die Klägerin durch die Körperverletzung und die damit verbundenen physischen und psychischen Folgen (vermehrt) unterhaltsbedürftig geworden ist.
Einer abschließenden Bewertung dieser Fragen bedurfte es im Prozeßkostenhilfeverfahren nicht. Jedenfalls darf Prozeßkostenhilfe dann nicht versagt werden, wenn entscheidungserhebliche schwierige Rechts- und Tatfragen bislang nicht hinreichend geklärt sind (BVerfG NJW 1994, 241; NJW RR 2002, 793; BGH NJW 1998, 82). Daß die Berufung eines Strafgefangenen auf seine Leistungsfähigkeit eine schwierige Rechtsfrage darstellt, ist vom Bundesgerichtshof zuletzt in der Entscheidung vom 20.02.2002 (BGH FamRZ 2002, 813) hervorgehoben worden.
Hamm, den 10. November 2004
Ende der Entscheidung
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