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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 14.10.2003
Aktenzeichen: 11 WF 171/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1579
BGB § 1579 Nr. 7
ZPO § 114
ZPO § 127 II
ZPO §§ 567 ff
ZPO § 767
1.)

Eine Versagung oder Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs der geschiedenen Ehefrau nach § 1579 BGB darf nur unter Wahrung der Kindesbelange erfolgen. Das bedeutet, dass dem betroffenen Ehegatten der Mindestbedarf verbleiben muss, der allerdings nicht notwendig durch Unterhaltszahlungen des geschiedenen Ehegatten gedeckt sein muss.

2.)

Dieser Mindestbedarf kann gem. Ziff. 21.4.2 der Hammer Leitlinien (Stand 1.7.2003) mit 730 € bemessen werden und ist im konkreten Fall gedeckt iHv 80 € durch Kostenersparnis infolge des Zusammenlebens mit dem neuen Partner, iHv 250 € durch Zahlungen des neuen Partners und iHv 400 € durch eigene (fiktive) Tätigkeit im Geringverdienerbereich, die hier zumutbar erscheint.


Oberlandesgericht Hamm Beschluss

11 WF 171/03 OLG Hamm

Hamm, den 14.10.2003

In der Familiensache

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten vom 17.09.2003 gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Hamm vom 17.09.2003 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Aus der Ehe sind die im Haushalt der Beklagten lebenden, am 08.01.1986, 04.10.1988 und 24.10.1991 geborenen Söhne Jonas, Matthes und Felix hervorgegangen, für die der Kläger Unterhalt nach Einkommensgruppe 8 der Düsseldorfer Tabelle zahlt.

In einem am 23.11.2001 vor dem Amtsgericht Kamen geschlossenen Vergleich hat sich der Kläger daneben u.a. verpflichtet, an die jedenfalls seit Frühjahr 2001 mit dem Zeugen B in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zusammenlebende Beklagte ab Dezember 2001 nachehelichen Unterhalt von monatlich 1.000,00 DM = 511,29 Euro zu zahlen.

Mit seiner Klage erstrebt der Kläger die Abänderung des genannten Vergleichs dahin, dass er der Beklagten mit Wirkung ab April 2003 keinen Unterhalt mehr schuldet. Zur Begründung verweist der Kläger darauf, dass auf Seiten der Beklagten inzwischen von dem Bestehen einer verfestigten Lebensgemeinschaft auszugehen sei, die zur Verwirkung des titulierten Unterhaltsanspruchs geführt habe.

Die Beklagte tritt dem entgegen. Sie wendet insbesondere ein, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erwerbsfähig und daher auf Unterhaltsleistungen des Klägers weiterhin angewiesen zu sein, zumal auch der Zeuge B aufgrund bestehender Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen Kindern und seiner geschiedenen Ehefrau nicht in der Lage sei, sie über einen monatlich gezahlten Haushaltszuschuss von 250,00 Euro hinaus zu unterhalten.

Die Beklagte hat beantragt, ihr zur Verteidigung gegen die Klage Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Das Amtsgericht hat diesen Antrag durch den angefochtenen Beschluss mangels hinreichender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung zurückgewiesen und zur Begründung unter näherer Darlegung ausgeführt, die Voraussetzungen einer Anspruchsverwirkung nach § 1579 Nr. 7 BGB seien im Hinblick auf das mehrjährige Zusammenleben der Beklagten in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit dem Zeugen B gegeben, auch unter Berücksichtigung der zu wahrenden Kindesbelange sei der Kläger zu keinen weiteren Unterhaltszahlungen mehr verpflichtet, da die Beklagte in der Lage sei, den ihr zuzubilligenden und in Ansehung einer gewissen Kostenersparnis durch das Zusammenleben mit dem Zeugen B mit monatlich 650,00 Euro zu bemessenden Mindestbedarf durch den seitens des Zeugen geleisteten Zuschuss zu den Kosten der Haushaltsführung sowie durch eigene Erwerbstätigkeit im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung zu decken. Dass die Beklagte aus gesundheitlichen Gründen wie behauptet erwerbsunfähig sei, lasse sich nach den von ihr vorgelegten Unterlagen nicht feststellen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die nach §§ 127 II, 567 ff ZPO zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Amtsgericht hat auf der Grundlage des bisherigem Sach- und Streitstandes hinreichende Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverteidigung der Beklagten als nach § 114 ZPO unabdingbare Voraussetzung einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Recht verneint.

1.

Die vom Kläger erhobene Klage dürfte ungeachtet abweichender Antragstellung als Vollstreckungsgegenklage i.S.d. § 767 ZPO auszulegen sein (vgl. nur Zöller-Vollkommer, ZPO, 23. Aufl. § 323 Rz. 16 m.w.N.; BGH FamRZ 1987, 261; BGH FamRZ 1991, 1175; Senat, Urteil vom 31.01.2003 -11 UF 125/02- m.w.N.).

2.

Gegen die Annahme des Amtsgerichts, dass nach mehrjährigem, durch gemeinsame Urlaubsreisen sowie die Anmietung einer gemeinsamen Wohnung auch nach außen dokumentiertem nichtehelichem Zusammenleben der Beklagten mit dem Zeugen B im Streitfall die Voraussetzungen einer Anspruchsverwirkung nach § 1579 Nr. 7 BGB gegeben sind, werden mit der Beschwerde keine substantiierten Einwände erhoben. Die diesbezügliche Einschätzung des Amtsgerichts steht zudem in Übereinstimmung mit der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. hierzu auch BGH MDR 1997, 648, 649 m.w.N.) und gibt dem Senat keine Veranlassung zur Beanstandung.

3.

Im Kern geht es danach im Rahmen der Beschwerde entscheidend allein noch um die Frage, ob der Unterhaltsanspruch der Beklagten tatsächlich -wie vom Kläger gefordert- ganz auszuschließend ist, weil seine weitere Inanspruchnahme sich auch in Ansehung der zu wahrenden Kindesbelange als grob unbillig darstellt. Das Amtsgericht hat dies nach bisherigem Sach- und Streitstand zu Recht bejaht, die mit der Beschwerde hiergegen vorgetragenen Einwände greifen nicht durch.

a)

Die Wahrung der Belange des Kindes verlangt nach anerkannt und vom Senat geteilter Auffassung nicht, dass dem betreuenden Elternteil ein angemessener oder den ehelichen Lebensverhältnissen entsprechender Unterhalt zur Verfügung steht. Eine Begrenzung des Unterhalts nach § 1579 BGB kommt daher schon dann in Betracht, wenn der Unterhalt das Maß dessen übersteigt, was der betroffene Ehegatte zur Deckung seines Mindestbedarfs benötigt (BGH MDR 1997, 648, 649; MDR 1990, 140 = FamRZ 1989, 1279; OLG Hamm -5. Fs-, FamRZ 1990, 1001; OLG Hamm -1. Fs-, OLGR Hamm 1993, 61 = FamRZ 1993, 1450; OLG Köln FamRZ 1998, 1236; OLG Nürnberg FamRZ 1995, 674; Wendl/Staudigl-Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl. § 4 Rz. 631).

Dieser Mindestbedarf muss im übrigen auch nicht durch die Unterhaltsleistung des geschiedenen Ehegatten gesichert werden. Es genügt, wenn die dazu erforderlichen Mittel von anderer Seite erlangt werden können (BGH MDR 1997, 648, 649; OLG Hamm FamRZ 1990, 1001; OLGR Hamm 1993, 61 = FamRZ 1993, 1450; Wendl-Gerhardt, aaO.), so etwa in Form von Sachleistungen oder sonstigen Vorteilen aus dem Zusammenleben mit einem leistungsfähigen nichtehelichen Partner oder auch durch bedarfsdeckende eigene Erwerbseinkünfte.

b)

Den der Beklagten zustehenden Mindestbedarf hat das Amtsgericht -ausgehend von einem aus Ziffer 21.4.2 HLL Stand 01.07.2003 hergeleiteten Ausgangsbetrag von monatlich 730,00 Euro- unter Hinweis auf eine mit monatlich 80,00 Euro bewertete Kostenersparnis der Beklagten als Folge gemeinsamer Haushaltsführung mit dem Zeugen B mit monatlich 650,00 Euro bewertet, was dem Grundgedanken der Regelung zu Ziffer 6.2 HLL Stand 01.07.2003 entspricht und von der Beschwerde gleichfalls nicht substantiiert angegriffen wird.

Auf ihren so ermittelten Mindestbedarf muss sich die Beklagte die von ihr selbst mit monatlich 250,00 Euro angegebenen Zahlungen des Zeugen B anrechnen lassen. Dass diese Zahlungen allein der Abgeltung durch den Zeugen verursachter Mehrkosten im Rahmen des Zusammenlebens dienen und sich für die Beklagte daher einkommensneutral darstellen, ist weder vorgetragen noch erkennbar.

Es verbleibt danach ein Restbedarf von monatlich 400,00 Euro, den die Beklagte -auch insoweit folgt der Senat dem Amtsgericht- durch eigene Erwerbstätigkeit decken könnte. Erforderlich, aber auch ausreichend wäre hierzu die Aufnahme einer Tätigkeit im Geringverdienerbereich, die von ihrem zeitlichen Aufwand deutlich unter einer halbschichtigen Beschäftigung liegen könnte und der Beklagten damit angesichts des Alters der von ihr betreuten Kinder durchaus zuzumuten wäre. Dass die Beklagte dagegen aus gesundheitlichen Gründen außerstande ist, einer solchen Geringverdienertätigkeit nachzugehen, hat sie bislang nicht hinreichend substantiiert dargetan. Ein derartiger Schluss lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten insbesondere auch nicht aus der vorgelegten Bescheinigung ihres Hausarztes Dr. med. S vom 22.04.2002 (Bl. 57 f GA) sowie dem zuvor im Auftrag des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Westfalen-Lippe erstellten sozialmedizinischen Gutachten des Dr. med. W vom 27.02.2002 (Bl. 70 ff) herleiten. Zwar bestätigen beide Ärzte hierhin durchaus gravierende gesundheitliche Beeinträchtigungen der Beklagten. Der Sachverständige Dr. med. W gelangt auf der Grundlage seiner erhobenen Befunde jedoch gleichwohl zu der Einschätzung, dass die Durchführung komplexer Therapieverfahren im Rahmen einer medizinischorthopädischen Reha-Maßnahme mit dem Ziel einer dauerhaften beruflichen und sozialen Integration der Beklagten sinnvoll erscheine, da bei der Beklagten "ein Reha-Potential vorhanden" sei, das "in erster Linie in einer umfangreichen Verbesserung der betroffenen Muskelabschnitte" sowie in einer "Schulung und Verbesserung des Eigenverhaltens" bestehe (S. 4 des Gutachtens vom 27.02.2002, Bl. 72 GA). Dementsprechend geht der Sachverständige auch lediglich von einer "erheblichen Gefährdung der Erwerbsfähigkeit" der Beklagten aus, nicht aber von einer bereits bestehenden Erwerbsunfähigkeit, wie sie die Beklagte hier -allerdings ohne substantielle Darlegung- geltend macht. Ihre mit der Beschwerde erhobene Behauptung, die bei ihr vorliegenden orthopädischen Leiden seien durch Behandlungsmaßnahmen nicht mehr rückgängig zu machen, allenfalls ließen sich die Schmerzen lindern und ein Fortschreiten der Erkrankung verhindern, erweist sich dementsprechend vor dem Hintergrund des vorgelegten sozialmedizinischen Gutachtens als unerheblich und nicht geeignet, die Feststellung des Amtsgerichts in Frage zu stellen, der Beklagten sei die Aufnahme einer "geringfügigen Beschäftigung leichterer Art" weiterhin möglich.

Ende der Entscheidung

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