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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 30.01.2004
Aktenzeichen: 11 WF 207/03
Rechtsgebiete: BGB, GSiG
Vorschriften:
BGB § 1601 | |
BGB § 1602 | |
BGB § 1610 | |
GSiG § 1 | |
GSiG § 3 |
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS
11 WF 207/03 OLG Hamm
Hamm, 30. Januar 2004
In der Familiensache
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 27.11.2003 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bottrop vom 12.11.2003 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin, geboren am 04.12.1980, ist die Tochter des Antragsgegners. Seit dem Abschluss der Schule mit der mittleren Reife im Sommer 2000 hat sie weder ihre Ausbildung fortgesetzt noch eine Erwerbstätigkeit aufgenommen. Sie hat zuletzt einen eigenen Hausstand gehabt und von den Unterhaltszahlungen ihres Vaters, dem Kindergeld und finanzieller Unterstützung durch die Mutter gelebt. Der Antragsgegner hat seine Unterhaltszahlungen von monatlich 309,00 € ab August 2003 eingestellt. Das hat die Antragstellerin zum Anlass genommen, Prozesskostenhilfe für eine Stufenklage auf Auskunft und Unterhaltszahlung zu erheben.
Sie hat geltend gemacht, sie sei seit 17 Jahren schwer zuckerkrank und daher erwerbsunfähig. Folglich sei sie nach wie vor bedürftig und könne Unterhalt verlangen, den sie erst nach Auskunft über das Einkommen ihres Vaters näher beziffern könne.
Das Amtsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 12.11.2003 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es auf fehlende Unterlagen zum Gesundheitszustand der Antragstellerin verwiesen.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt und zum Beleg ihrer Erwerbsunfähigkeit ein ärztliches Attest beigefügt.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und ergänzend ausgeführt, die beabsichtigte Klage sei auch dann aussichtslos, wenn man davon ausgehe, dass die Antragstellerin erwerbsunfähig sei. Sie könne dann nämlich ihren Bedarf, der einkommensunabhängig in Höhe des Existenzminimums bestehe, durch einen Antrag auf Zahlung von Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz decken.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, bleibt aber ohne Erfolg. Das Amtsgericht hat die Antragstellerin zu Recht darauf verwiesen, ihren Bedarf durch Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz zu decken.
1.
Ist die volljährige Antragstellerin, wie sie behauptet, voll erwerbsgemindert, kann sie grundsätzlich Leistungen nach § 1 GSiG beanspruchen, die sich gem. § 3 GSiG nach dem Regelsatz zuzüglich 15 % eines Haushaltsvorstandes nach dem BSHG richten. Daneben umfasst die Grundsicherung die angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung.
Der Höhe nach sind das - nach den für 2002 gültigen Zahlen - zwischen 279,00 und 294,00 € + 15 % (vgl. Münder, Grundsicherungsgesetz, NJW 2002, S. 3664) + Kosten der Unterkunft, die hier mit 329,00 € beziffert worden sind.
2.
Die Träger der Grundsicherung sind zwar nicht eintrittspflichtig, wenn der Bedürftige eigene Einkünfte hat. Dabei bleiben aber dessen Unterhaltsansprüche gegenüber seinen Eltern unberücksichtigt, sofern deren jährliches Einkommen unter einem Betrag von 100.000,00 € liegt (§ 2 Abs. 1 GSiG). Hier ist unstreitig, dass weder die Einkünfte des Antragsgegners noch die der Mutter der Antragstellerin diese Beträge überschreiten.
3.
Das Amtsgericht hat gemeint, die Antragstellerin sei auf die vorrangige Inanspruchnahme der Grundsicherung zu verweisen und habe daher keinen Unterhaltsanspruch mehr, weil sich ihr Unterhaltsanspruch nach Beendigung ihrer Ausbildung und Erlangung einer selbständigen Lebensstellung auf das bereits durch die Grundsicherung gewährleistete Existenzminimum beschränke. Das ist jedenfalls im Ergebnis richtig.
a)
Die Auffassung, der Bedarf der Antragstellerin richte sich nach ihrer eigenen Lebensstellung und nicht nach der ihrer Eltern, ist allerdings zweifelhaft. Sie hat nach Beendigung ihrer Schulausbildung zu keiner Zeit eine Erwerbstätigkeit aufnehmen können, sondern war wegen ihrer Krankheit durchgehend auf Unterstützung durch ihre Eltern angewiesen, so dass sich ihr Bedarf weiter nach deren Lebensstellung richtet. Gleichwohl ist ihr Bedarf unabhängig von den konkreten Einkünften der Eltern gemäß Ziffer 13.1.2 der Hammer Leitlinien pauschal mit 600,00 € zu bemessen, weil sie unstreitig einen eigenen Hausstand führt. Krankheitsbedingter Mehrbedarf ist nicht substantiiert dargelegt und kann daher nicht zusätzlich berücksichtigt werden.
Die Verpflichtung zur vorrangigen Inanspruchnahme der Leistungen nach dem GSiG versteht sich nicht von selbst, denn in der Begründung zu diesem Gesetz ist ausdrücklich angeführt, Ziel sei die Verbesserung der Situation der Hilfsempfänger, nicht aber die Entlastung der Unterhaltspflichtigen (BR-Drucksache 764/00, Seite 169). Die Unterhaltsansprüche bleiben also unberührt, so dass grundsätzlich in Betracht käme, dem Bedürftigen die Entscheidung zu überlassen, welche Ansprüche er geltend machen will.
Damit bliebe aber unberücksichtigt, dass die Ansprüche nach dem Grundsicherungsgesetz, anders als Ansprüche nach dem BSHG, nicht nachrangig sind und dem Berechtigten auf Dauer eine würdige und unabhängige Existenz sichern sollen. Dann aber entspricht es in Anbetracht der Unterhaltsleistungen, die die Eltern ihrem erwerbsunfähigen Kind bereits bis zu dessen Volljährigkeit und gegebenenfalls darüber hinaus erbracht haben, der allgemeinen Pflicht zur Rücksichtnahme und Loyalität, wenn das nunmehr volljährige Kind darauf verwiesen wird, vorrangig die neuen Sozialleistungen nach dem Grundsicherungsgesetz in Anspruch zu nehmen. Der Senat folgt in dieser Frage - veröffentlichte Rechtsprechung liegt noch nicht vor - den überzeugenden Überlegungen von Klinkhammer (Klinkhammer, Die bedarfsorientierte Grundsicherung nach dem GSiG, FamRZ 2002, S. 1002; derselbe, Grundsicherung und Unterhalt, FamRZ 2003, S. 1793, 1795).
c)
Da die Ansprüche nach dem Grundsicherungsgesetz den Lebensbedarf von 600,00 € übersteigen, gibt es keine ungedeckten Bedürfnisse, für die der (leistungsfähige) Antragsgegner aufzukommen hätte.
Ende der Entscheidung
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