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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 30.07.2003
Aktenzeichen: 11 WF 35/03
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 13 a Abs. 1 Satz 2
FGG § 20
FGG § 34
FGG § 57 Abs. 1 Nr. 8
FGG § 57 Abs. 2
FGG § 57 Nr. 8
FGG § 64 Abs. 3 Satz 3
BGB § 1666
BGB § 1666a
BGB § 1667
BGB § 1693
1)

Die Regelung des § 57 Nr. 8 FGG, die bestimmt, dass Verwandte und Verschwägerte der Kinder ein Beschwerderecht haben, wenn das Amtsgericht Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a, 1667 oder in § 1693 BGB vorgesehene Maßnahmen ablehnt oder aufhebt, findet keine Anwendung mehr.

2)

Bei Streitigkeiten über die Frage, ob das Vermögen der minderjährigen Kinder durch die Vermögensverwaltung der Eltern gefährdet ist, steht den Verwandten der Kinder in der Regel kein eigenes Beschwerderecht nach § 20 FGG gegen Verfügungen des Amtsgerichts zu.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

11 WF 35/03 OLG Hamm

In der Familiensache

betreffend die Vermögenssorge der Kinder

Tenor:

wird die Beschwerde der Beschwerdeführer vom 29.01.2003 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schwerte vom 24.01.2003 auf ihre Kosten

1)

als unzulässig verworfen, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Amtsgericht es abgelehnt hat, weitere Maßnahmen gemäß §§ 1667, 1666 BGB zu ergreifen,

2)

als unbegründet zurückgewiesen, soweit sie sich dagegen wenden, dass das Amtsgericht dem Antrag auf Akteneinsicht nicht stattgegeben hat.

Gründe:

1)

Die Kinder Frank und Elmar H sind die Neffen der Beschwerdeführer. Diese haben dem Amtsgericht angezeigt, das Vermögen der Kinder sei gefährdet, da deren Vater und gesetzlicher Vertreter es nicht ordnungsgemäß verwalte. Das Amtsgericht hat daraufhin mit dem Beschluss vom 12.09.2002 dem gesetzlichen Vertreter aufgegeben, ein Vermögensverzeichnis zu erstellen und Belege vorzulegen. Nach der Vorlage dieser Unterlagen hat das Amtsgericht mit dem Beschluss vom 24.01.2003 die Anordnung weiterer Maßnahmen abgelehnt, da sich keine Anhaltspunkte für eine nicht ordnungsgemäße Vermögenssorge ergeben hätten. Dem Antrag auf Akteneinsicht hat es nicht stattgegeben, weil es an einer Anspruchsgrundlage fehle.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beschwerdeführer mit der Beschwerde. Sie stützen ihr Beschwerderecht auf § 57 Nr. 8 FGG und das Recht auf Akteneinsicht auf § 34 FGG.

2)

Die Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts, keine weiteren Maßnahmen gegen den Vater der Kinder zu ergreifen, ist unzulässig. Zwar steht nach § 57 Nr. 8 FGG den Verwandten des Kindes die Beschwerde gegen Verfügungen zu, durch welche die Anordnung einer Maßnahme nach den §§ 1666, 1666a, 1667 BGB abgelehnt wird. Diese Vorschrift hat aber keinen Anwendungsbereich mehr und müsste deshalb gestrichen werden. Die in Nr. 8 genannten gesetzlichen Bestimmungen betreffen das Einschreiten des Familiengerichts bei der Verhinderung des Sorgerechtsinhabers in der Ausübung der elterlichen Sorge, bei der Gefährdung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes durch den Sorgerechtsinhaber, bei der Gefährdung des Vermögens des Kindes durch Pflichtverletzung oder Vermögensverfall des Sorgeberechtigten und bei Verstoß gegen die Pflicht zur Anfertigung eines Vermögensverzeichnisses. Andererseits findet aber nach §§ 64 Abs. 3 Satz 3, 57 Abs. 2 FGG die Regelung in § 57 Nr. 8 FGG keine Anwendung in Familiensachen. Um solche handelt es sich aber bei den obigen Vorschriften. Das hat der Gesetzgeber nicht bedacht, nachdem er in dem KindRG vom 16.12.1997 (BGBl. I 1942) die Zuständigkeiten für die in § 57 Nr. 8 FGG aufgeführten Anordnungen vom Vormundschaftsgericht auf das Familiengericht verlagert hat und anschließend durch das Gesetz vom 31.08.1998 (BGBl. 2600, 2607) in § 57 Abs. 2 FGG ergänzend die Nr. 8 aufgeführt hat mit der Folge, daß bei Beschwerden in Familiensachen - um eine solche handelt es sich hier - die Vorschrift des § 57 Abs. 1 Nr. 8 FGG keine Anwendung mehr findet, das weitgehende Beschwerderecht der Verwandten also nicht mehr besteht (Keidel/Engelhardt, FGG, 15. Auflage, § 57, Rn. 31; Bumiller/Winkler, FGG, 7. Auflage, § 57, Rn. 11; Bassenge/Herbst/Roth, FGG, 9. Auflage, §57, Rn. 27).

Die Beschwerdeführer sind auch nicht nach § 20 FGG beschwerdeberechtigt. Nach dieser Vorschrift steht die Beschwerde nur demjenigen zu, dessen Recht durch die Verfügung beeinträchtigt wird. Es genügt zur Anfechtung nicht, dass eine Person am Verfahren formell beteiligt ist oder dass die Verfügung auf die rechtlichen Beziehungen des Beschwerdeführers von Einfluss ist. Das beeinträchtigte Recht muss vielmehr dem Beschwerdeführer als eigenes Recht zustehen (OLG Schleswig SchlHA 1987, 56; Keidel/Kahl, aaO., § 20, Rn 12, 13; Bumiller/Winkler, aaO., § 20, Rn 5). Sein materielles Recht muss beeinträchtigt sein (BGH DNotZ 1996, 890; Bassenge/Herbst/Roth, aaO., § 20, Rn 6). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. In dem Verfahren geht es nur um den Schutz des Vermögens der beiden Kinder. Allein diesem Ziel dienen die Maßnahmen nach §§ 1666, 1667 BGB, wie sie nach dem Begehren der Beschwerdeführer vom Amtsgericht ergriffen werden sollen. Sie wollen das Vermögen der Kinder vor dem Zugriff ihres Vaters schützen, weil sie befürchten, er könnte diesen ihr Vermögen entziehen. Dass in die eigenen Rechte der Beteiligten zu 1) bis 4) eingegriffen wird, wird somit nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich.

Soweit es um das Vermögen des Kindes Frank H geht, ist die Beschwerde auch unbegründet. Frank ist am 04.08.1984 geboren, also inzwischen volljährig und kann selbst verfügen. Für die von den Beteiligten zu 1) bis 4) erstrebten Maßnahmen gibt es deshalb keine Rechtsgrundlage mehr, weil Frank von seinem Vater nicht mehr vertreten wird.

3)

Die Beschwerde gegen die Versagung der Akteneinsicht ist zulässig, sie ist aber nicht begründet.

Die Einsicht der Gerichtsakten kann jedem gestattet werden, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht (§ 34 Abs. 1 BGB). Verfahrensbeteiligte haben ein berechtigtes Interesse an Akteneinsicht. Daraus können die Beschwerdeführer den geltend gemachten Anspruch aber nicht herleiten, denn Verfahrensbeteiligte sind sie nicht. Das Verfahren betrifft die elterliche Sorge. An einem solchen Verfahren sind die Geschwister eines Elternteils nicht beteiligt. Sie werden durch das Verfahren nicht unmittelbar rechtlich beeinträchtigt (vgl. Bumiller/Winkler, aaO., § 12, Rn 56). Das Familiengericht schreitet um des Kindesschutzes willen von Amts wegen ein.

"Anträge" Dritter stellen Anregungen zum Einschreiten dar, aber keine Sachanträge im formellen Sinne (MünchKommBGB/Olzen, 4. Auflage § 1666, Rn 190).

Nicht am Verfahren beteiligten Personen kann das Gericht bei Vorliegen eines berechtigten Interesses Akteneinsicht gewähren. Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen (BayObLG FamRZ 1974, 44, 46). Gegeneinander abzuwägen sind die vom Antragsteller geltend gemachten Interessen mit den Interessen der am Verfahren Beteiligten (Keidel/Kahl, aaO., § 34, Rn 15). Die Beteiligten zu 1) bis 4) weisen darauf hin, ein wesentlicher Teil des den Kindern gehörenden Geldes sei aus der Erbengemeinschaft geflossen, der sie angehört hätten und sie seien Vertrauenspersonen der Kinder. Das rechtfertigt die Akteneinsicht nicht. Die Miterben haben keinen Anspruch darauf, über die weitere Verwendung des ererbten Geldes durch einen Erben unterrichtet zu bleiben. Das ist allem Sache dieses Erben. Dass zwischen den Kindern und den Verwandten ein Vertrauensverhältnis besteht, macht keinen Unterschied. Sonst müsste jedem den Kindern vertrauten Dritten ein Recht zugestanden werden, sich über deren Vermögensverhältnisse zu unterrichten, wenn der Antrag zum angeblichen Schutz der Kinder gestellt wird. Das Amtsgericht hat die Anlage und die Verwendung des Vermögens geprüft, keinen Anlass zur Beanstandung gefunden und dem Interesse der Kinder und deren Vater an der Geheimhaltung der Vermögensverhältnisse gegenüber dem Interesse der Beschwerdeführer an einer Unterrichtung über das Vermögen und dessen Entwicklung den Vorrang gegeben. Diese Abwägung ist nicht zu beanstanden und nicht ermessensfehlerhaft.

4)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Ende der Entscheidung

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