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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 30.04.2004
Aktenzeichen: 11 WF 76/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 323
1. Im Rahmen einer den Kindesunterhalt betreffenden Abänderungsklage ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse bereits dann schlüssig dargetan, wenn sich der Unterhaltsberechtigte zur Begründung seines Abänderungsverlangens auf die in regelmäßigen Abständen erfolgende Anpassung der Düsseldorfer Tabelle bezieht.

2. In einem solchen Fall kann bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen der Unterhaltsberechtigte eine Abänderung auch bei Veränderungen unterhalb der grundsätzlich zu beachtenden Wesentlichkeitsgrenze von 10 % verlangen.

3. Verlangt der Unterhaltsberechtigte mit der Abänderungsklage unter Hinweis auf eine Anhebung der Tabellenwerte erhöhten Unterhalt nach der Einkommensgruppe 1 (sog. Mindestunterhalt), ist der Unterhaltsverpflichtete - ebenso wie bei einer Erstklage - verpflichtet, seine fehlende Leistungsfähigkeit darzulegen und im Streitfall zu beweisen.


Oberlandesgericht Hamm Beschluss

11 WF 76/04 OLG Hamm

In der Familiensache

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsteller vom 17.03.2004 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ibbenbüren vom 12.02.2004 abgeändert. Den Antragstellern wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt L. in H. ratenfreie Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage nach Maßgabe der mit Schriftsatz vom 01.12.2003 angekündigten Anträge bewilligt. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die am 19.09.1990 und 06.01.1993 geborenen Antragsteller sind die Kinder des Antragsgegners. Dieser ist durch Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des Amtsgerichts Ibbenbüren vom 12.06.2001 (4 F 538/00) u.a. verurteilt worden, in Abänderung eines notariellen Schuldanerkenntnisses vom 30.08.1995 (UR.-Nr. 523/1995 des Notars H. in R.) an die Antragsteller ab Januar 2001 Kindesunterhalt in Höhe von monatlich je 447,00 DM zu zahlen. Mit ihrer beabsichtigten Abänderungsklage, für deren Erhebung sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragen, wollen die Antragsteller den Antragsgegner unter Hinweis auf die zum 01.07.2003 in Kraft getretene Anpassung der Düsseldorfer Tabelle in Abänderung des genannten Urteils vom 12.06.2001 mit Wirkung ab August 2003 auf erhöhte Unterhaltszahlung in Höhe von monatlich 284,00 € für den Antragsteller zu 1. und monatlich 241,00 € für den Antragsteller zu 2. in Anspruch nehmen.

Das Amtsgericht hat das Prozesskostenhilfegesuch der Antragsteller wegen fehlender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es fehle die Darlegung einer wesentlichen Veränderung der für die Unterhaltsberechnung bei Erlass des abzuändernden Urteils maßgebenden Verhältnisse. Insbesondere sei von den Antragstellern nicht dargelegt worden, wie sich die gegenwärtigen Einkommensverhältnisse des Antragsgegners darstellten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

Die nach § 127 II ZPO zulässige Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Das Amtsgericht hat der beabsichtigten Abänderungsklage der Antragsteller zu Unrecht hinreichende Erfolgsaussichten i.S.d. § 114 ZPO abgesprochen.

1. Die beabsichtigte Abänderungsklage ist zulässig und auf der Grundlage des Vortrags der Antragsteller auch begründet.

a) Zulässigkeitsvoraussetzung der Abänderungsklage ist zwar - insoweit ist dem Amtsgericht beizupflichten - die Behauptung einer wesentlichen Änderung der für die Unterhaltsbemessung relevanten Verhältnisse seit Erlass des abzuändernden Vorurteils. Diese liegt hier indes bereits in dem der Klagebegründung zugrundeliegenden Hinweis der Antragsteller auf die zum 01.07.2003 erfolgte Anpassung der Düsseldorfer Tabelle. Auch wenn Unterhaltsrichtlinien wie die Düsseldorfer Tabelle keine tatsächlichen Umstände darstellen, sondern lediglich richterliche Entscheidungshilfe sind (BGH NJW 1987, 516 = FamRZ 1987, 257, 258), so dass die Neufestsetzung der in solchen Tabellen festgelegten Bedarfssätze für sich allein genommen noch keine Abänderungsklage nach § 323 ZPO rechtfertigt, ist doch andererseits zu berücksichtigen, dass die in regelmäßigen Abständen erfolgende Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle dem Umstand Rechnung trägt, das sich die wirtschaftlichen Verhältnisse sowohl auf Seiten des Bedürftigen als auch auf Seiten des Verpflichteten infolge kontinuierlicher Änderungen der Lebenshaltungskosten und der Einkommensverhältnisses fortlaufend wandeln. So gesehen, ist die Anpassung der Tabellenwerte zugleich Ausdruck einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse (BGH NJW 1995, 534 ff, 535). In dem Vorbringen einer Partei, die ihr Abänderungsverlangen auf eine Änderung der Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle stützt, ist daher regelmäßig - und so auch hier - die Behauptung zu sehen, dass sich die Einkommen und/oder die Lebenshaltungskosten seit der vorausgegangenen Fassung dieser Tabelle allgemein in einem Maße verändert haben, wie es der Änderung der Bedarfssätze entspricht (BGH aaO.). Zugleich deutet die Notwendigkeit einer Neufassung der Unterhaltstabelle in aller Regel darauf hin, dass die ihr zugrunde liegende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse auch wesentlich i.S.d. § 323 ZPO ist (BGH aaO. unter Hinweis auf Derleder/Lenze, FamRZ 1989, 558 ff, 560; vgl. auch OLG Hamm - 10. FS - Beschluss vom 24.11.2003, OLGR 2004, 110 f).

Weiterer Abänderungsgrund ist in der Person des Antragstellers zu 1. daneben sein zwischenzeitliches "Hineinwachsen" in die Altersstufe 3 mit Vollendung des 12. Lebensjahres.

b) Das Abänderungsverlangen der Antragsteller erweist sich nach derzeitigem Sachstand auch in der Sache als begründet. Nach zum 01.07.2003 in Kraft getretener Anpassung der Düsseldorfer Tabelle ist der von ihnen geforderte Kindesunterhalt hinsichtlich des am 19.09.1990 geborenen Antragstellers zu 1. der Altersstufe 3, Einkommensgruppe 1 zu entnehmen und danach mit monatlich 284,00 € statt bislang titulierten 447,00 DM = 228,55 € zu bemessen, während sich für den am 06.01.1993 geborenen und damit weiterhin der Altersstufen zuzuordnenden Antragsteller zu 2. nunmehr ein Unterhaltsbetrag von 241,00 € ergibt. Da es sich bei den genannten (Abänderungs-)Beträgen jeweils um den sogenannten Mindestunterhalt entsprechend den damit übereinstimmenden Regelbeträgen der jeweiligen Altersstufe nach der RegelbetragsVO handelt, sind die Antragsteller im übrigen - anders als das Amtsgericht dies gesehen hat - auch im Rahmen der beabsichtigten Abänderungsklage der Verpflichtung zur Darlegung eines Bedarfs in dieser Höhe enthoben. Vielmehr ist es auch hier -entsprechend der anerkannten Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen einer Erstklage - Sache des Antragsgegners, seine geltend gemachte eingeschränkte Leistungsfähigkeit darzulegen und im Streitfall zu beweisen (vgl. hierzu auch BGH FamRZ 2002, 536; Senat, OLGR 2003, 173 f, 174; Wendl/Staudigl-Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl. § 2 Rz. 230, 127c).

Dass der von dem Antragsteller zu 2. geforderte Anhebungsbetrag von 12,45 € nur eine Mehrforderung von rund 5,4 % des titulierten Unterhalts darstellt und damit unter der in Rechtsprechung und Schrifttum weithin geforderten Wesentlichkeitsgrenze von 10 % liegt (vgl. hierzu nur Wendl/Staudigl-Thalmann, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl. § 6 Rz. 158), ist dagegen unerheblich, da dieser Grenzwert keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben und insbesondere dann nicht gelten kann, wenn beengte wirtschaftliche Verhältnisse vorliegen, die sich wie im Streitfall in der Geltendmachung (allein) des - noch unter dem Existenzminimum des Kindes liegenden - sogenannten Mindestkindesunterhalts niederschlagen (Wendl/Staudigl-Thalmann, aaO.; OLG Düsseldorf, FamRZ 1993, 1103 f; OLG Stuttgart, FamRZ 2000, 377 f unter Hinweis auf BGH FamRZ 1986, 791; vgl. auch OLG Hamm - 10. FS - OLGR 2004, 110, 111).

c) Schließlich ergibt sich auch mit Blick auf die bei - wie hier - bestehender Unterhaltstitulierung durch Urteil zu beachtenden Zeitschranke des § 323 III ZPO keine Einschränkung der Erfolgsaussichten des beabsichtigten Abänderungsverlangens der Antragsteller. Nach ihrem Vortrag ist der Antragsgegner bereits vorprozessual mit Schreiben ihrer gesetzlichen Vertreterin vom 13.08.2003 unter Fristsetzung auf den 29.08.2003 in einer den Anforderungen des § 1613 I BGB genügenden Form zur Zahlung erhöhten Unterhalts aufgefordert worden.

2. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 1 GKG, 127 IV ZPO



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