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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 28.09.2007
Aktenzeichen: 12 U 115/06
Rechtsgebiete: ZPO, EGBGB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 304 Abs. 1
ZPO § 529 Abs. 1 Ziff. 1
ZPO § 533
ZPO § 540 Abs. 1 Ziff. 1
EGBGB Art. 229 § 5
BGB § 264 Nr. 2
BGB § 280
BGB § 281
BGB § 633 Abs. 3 a. F.
BGB § 634 Abs. 1 Satz 1
BGB § 635 a. F.
BGB § 637 n. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der bezifferte Klageanspruch (Berufungsantrag zu Ziff. 1) ist dem Grunde nach berechtigt.

Unter Abweisung der weitergehenden Feststellungsklage wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die weiteren Ersatzvornahmekosten für die noch erforderlichen Restarbeiten im Zuge der Sanierung der Bauabschnitte 2 und 3 sowie für die vollständige Sanierung des 1. Bauabschnitts des Städtischen Gymnasiums der Stadt C, für den Aufbau und die Gestellung einer Container-Anlage, für Bodenbelagsarbeiten, für das Aus- und Einräumen von Inventar im Rahmen der Bodenbelagsarbeiten sowie weitere Gutachter- und Analytikleistungen zu tragen, soweit es sich nicht um Sowiesokosten handelt.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil verwiesen, mit welchem das Landgericht die auf Zahlung von bereits entstandenen Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 797.388,86 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.12.2004 sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht im Hinblick auf noch zu erwartende weitere Mängelbeseitigungskosten gerichtete Klage mit der Begründung zurückgewiesen hat, der von der Klägerin mit der PCB-Untersuchung und -sanierung des von ihr betriebenen Städtischen Gymnasiums beauftragten und wegen angeblich mangelhafter Durchführung dieses Werks in Anspruch genommenen Beklagten sei keine angemessene Frist zum Mängelbeseitigung eingeräumt worden.

Die Klägerin begründet ihre gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung wie folgt:

Die Beklagte sei bereits während des selbstständigen Beweisverfahrens in Verzug gewesen. Angesichts der vertraglichen Pflicht zur gutachterlichen Betreuung und Erfolgskontrolle sei eine Fristsetzung überhaupt nicht erforderlich gewesen, weil die Beklagte die überhöhten und stetig steigenden Messwerte gekannt habe. Noch nach Übersendung des eingeholten Privatgutachtens des Sachverständigen Dr. S, welches erhebliche Mängel nachgewiesen habe, habe die Beklagte die Mängelbeseitigung trotz der erfolgten Fristsetzung zum 09.02.2004 verweigert. Selbst nach Zugang der ergänzenden gutachterlichen Schadstofferhebung des Sachverständigen Dr. S vom 03.02.2004 habe sie nichts getan.

Erst in den Osterferien des Jahres 2004 habe die Beklagte partielle Mängelbeseitigungsversuche im Bereich der Türzargen im dritten Bauabschnitt unternommen, welche wiederum mangelhaft gewesen und nicht abgenommen worden seien. Die bereits unter Fristsetzung zum 9.02.2004 angemahnte Mängelbeseitigung sei auch am Ende der Osterferien 2004 immer noch nicht erbracht worden.

Danach hätten die Parteien sich lediglich darauf verständigt, dass von der Begutachtung im selbstständigen Beweisverfahren die von der Beklagten grundsätzlich akzeptierte Mängelbeseitigungspflicht im Umfang der in den Osterferien versuchten Durchführung ausgenommen werden sollte. Eine Vereinbarung, weitergehende Mängelbeseitigungsarbeiten erst nach Maßgabe des im selbstständigen Beweisverfahren zu erwartenden Gutachtens durchzuführen, habe es dagegen nie gegeben.

Mit Herannahen der Sommerferien habe sie - die Klägerin - mit Schreiben vom 09.07.2004 erneut versucht, die Beklagte zu einer weiteren Mängelbeseitigung zu bewegen. Da die Beklagte auch hierauf nicht reagiert habe, sei ihr mit Schreiben vom 28.07.2004 nochmals eine Frist zum 30.07.2004 gesetzt worden, auf welche die Beklagte wiederum nur mit Ausflüchten reagiert habe. Von einer voreiligen Ersatzvornahme könne bei dieser Sachlage keine Rede sein. Bereits der Fristsetzung mit Schreiben vom 09.07.2004 habe es nicht bedurft.

Die "Komplexität und Schwierigkeit der Materie" habe es nicht rechtfertigen können, das Gutachten des Sachverständigen Dr. T abzuwarten. Die Beklagte selbst habe von Anfang an ein taugliches Konzept und seine mangelfreie Durchführung einschließlich der gutachterlichen Betreuung und Erfolgskontrolle geschuldet. Ein vermeintlicher "Abstimmungsbedarf" habe bei pflichtgemäßer Entwicklung eines tauglichen Konzept überhaupt nicht entstehen können. Keinesfalls könne daher für den Beginn einer "gedachten angemessenen Frist" auf den Eingang des Gutachtens des Sachverständigen Dr. T abgestellt werden. Mit ihr, der nicht fachkundigen Klägerin, sei allenfalls der Zugang zu den Räumen zwecks Abarbeitung eines Sanierungsplanes abzustimmen gewesen. Einen solchen Plan habe die Beklagte aber gar nicht erst entwickelt.

Unter Erweiterung ihrer Feststellungsklage auf alle aus der mangelhaften Sanierung resultierenden Schäden beantragt die Klägerin, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 797.388,86 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.12.2004 zu zahlen,

a) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren Schäden zu ersetzen, die ihr aus der von der Beklagten durchgeführten mangelhaften PCB-Untersuchung und Sanierung des Städtischen Gymnasiums in C entstanden sind und noch entstehen werden,

b) hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auch die weiteren Ersatzvornahmekosten in Höhe von voraussichtlich 214.104,34 € brutto für die noch erforderlichen Restarbeiten im Zuge der Sanierung der Bauabschnitte (BA) 2 und 3 sowie für die vollständige Sanierung des 1. BA des Städtischen Gymnasiums der Stadt C, für den Aufbau und die Gestellung einer Container-Anlage, für Bodenbelagsarbeiten, für das Aus- und Einräumen von Inventar im Rahmen der Bodenbelagsarbeiten sowie weitere Gutachter- und Analytikleistungen zu tragen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die landgerichtliche Entscheidung.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. In der Sache hat sie hinsichtlich der Zahlungsklage dem Grunde nach Erfolg (§ 304 ZPO). Im Hinblick auf das Feststellungsbegehren hat sie in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise Erfolg.

1.

Hinsichtlich der 2001 in Auftrag gegebenen Bearbeitung des Bauabschnittes 3 gilt gemäß Art. 229 § 5 EGBGB das BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung. Angesichts der am 5.2.2002 erfolgten Auftragserteilung hinsichtlich der Bauabschnitte 1 und 2 gilt insoweit das BGB in der aktuellen Fassung.

2.

Die auf Zahlung von Mängelbeseitigungskosten hinsichtlich des 3. Bauabschnittes gerichtete Klage ist dem Grunde nach gemäß § 633 Abs. 3 BGB a. F. begründet.

Dies war gemäß § 304 Abs. 1 ZPO auszusprechen, da der Anspruch der Klägerin nach Grund und Höhe streitig ist und der Grund entscheidungsreif ist.

a)

Dass das Werk der Beklagten mangelbehaftet ist, hat das Landgericht unter Hinweis auf die auch nach Auffassung des Senats überzeugenden Ausführungen des im selbstständigen Beweisverfahren beauftragten Sachverständigen Dr. T mit Bindungswirkung für das Berufungsverfahren festgestellt, § 529 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO. Darauf, ob - wofür angesichts der mehrfachen Erwähnung dieser Richtlinie in den Vertragsunterlagen einiges spricht - der sich aus der PCB-Richtlinie Nordrhein-Westfalen ergebende Sanierungszielwert von 300 ng PCB/m ³ gleichzeitig der werkvertraglich geschuldete Erfolg sein sollte, kommt es dabei aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht entscheidend an.

Die vom Sachverständigen Dr. T gerügten Mängel beziehen sich zu einem erheblichen Teil auf die handwerkliche Ausführung der tatsächlich erledigten Arbeiten, für welche die Beklagte in jedem Fall einzustehen hat.

Weiter geht es um den berechtigten Vorwurf des Nichterkennens von erheblich PCB-belasteten Materialien. Auf die zutreffenden Ausführungen hierzu im angefochtenen Urteil wird verwiesen. Angesichts der von der Beklagten übernommenen gutachterlichen Betreuung des Sanierungsvorhabens musste diese die als Primär- und Sekundärquellen in Betracht kommenden Materialien jedenfalls insoweit überprüfen, als dies ohne die nach ihrer Darstellung nicht gewünschte Komplettentkernung möglich war. Erkannte Quellen hätten in das fortzuentwickelnde Sanierungskonzept einbezogen werden müssen. Im Ergebnis hätte daher die Erkenntnisse, welche der Sachverständige Dr. T ohne Komplettentkernung des Gebäudes gewonnen hat, auch die Beklagte gewinnen und in ihr Sanierungskonzept einarbeiten müssen.

b)

Die erforderliche Fristsetzung hinsichtlich der Mängelbeseitigung erfolgte bereits mit Schreiben vom 12. Januar 2004. Die nachfolgend verabredete Durchführung von einzelnen Mängelbeseitigungsarbeiten in den Osterferien 2004 bezog sich nur auf diejenigen Mängel, welche die Beklagte freiwillig zu beheben bereit war.

Dass in einer der früheren Fristsetzung ihre Wirkung nehmenden Weise hinsichtlich der nicht anerkannten Mängel eine Verabredung getroffen wurde, wonach zunächst das Gutachten des Sachverständigen Dr. T abgewartet werden sollte, ist nicht ersichtlich. Der Beklagtenvortrag hierzu ist ohne Substanz. Es fehlt jeder Vortrag dazu, wer auf Klägerseite wann eine solche Erklärung, für die sich in den gewechselten Schreiben keinerlei Anhaltspunkt findet, abgegeben haben soll.

Hinsichtlich dieser Mängel war die mit Schreiben der Klägerin vom 9.7.2004 zur Aufnahme der Arbeiten ausgesprochene Frist zum 22.7.2004 nicht unangemessen, da ein anerkennenswertes Interesse daran bestand, die an diesem Tag beginnenden Sommerferien für die Arbeiten auszunutzen, um den Schulbetrieb möglichst unbeeinträchtigt zu lassen.

Für die Klägerin bestand auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben keine Verpflichtung, der Beklagten die Möglichkeit zu geben, vor Aufnahme irgendwelcher Arbeiten zunächst das Gutachten Dr. T abzuwarten und inhaltlich zu überprüfen. Zum einen weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass es im Rahmen der von der Beklagten übernommenen gutachterlichen Verpflichtungen deren eigene Aufgabe war, ein taugliches Sanierungskonzept zu entwickeln. Zum anderen hätten auch parallel zur Prüfung des der Beklagten am 27. Juli 2004 zugegangenen Gutachtens bereits Arbeiten in Angriff genommen werden können und müssen, so etwa die Baustelleneinrichtung und die Beseitigung zumindest der unstreitigen, ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 5. Mai 2004 in den Osterferien 2004 aber noch nicht vollständig beseitigten Mängel. Angesichts des engen Zeitfensters für Mängelbeseitigungsarbeiten ohne Beeinträchtigung des Schulbetriebes und des Umfangs der anstehenden Arbeiten musste die Klägerin nicht hinnehmen, dass die Beklagte bei Beginn der Schulferien untätig blieb.

3.

Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens ist entsprechend dem schon erstinstanzlich gestellten Hilfsantrag zu erkennen, wobei klarzustellen ist, dass die anfallenden Sanierungsaufwendungen um etwaige Sowiesokosten zu bereinigen sind. Da dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten besteht - soweit neues Recht anzuwenden ist, entsprechen die sich aus § 637 BGB n. F. ergebenden Anspruchsvoraussetzungen denen aus § 633 Abs. 3 BGB a.F. ergebenden - und diese abschließend erst nach vollständiger Durchführung der Arbeiten beziffert werden können, besteht ein Feststellungsinteresse.

Soweit der in erster Instanz auf noch zu erwartende Mängelbeseitigungskosten begrenzte Feststellungsantrag zweitinstanzlich dahin erweitert worden ist, dass er sich nunmehr auf alle auf der Mangelhaftigkeit des Werks beruhende Schäden, insbesondere auch auf Gesundheitsschäden, für welche die Klägerin als Schulträgerin einzustehen hat, erstreckt, handelt es sich nicht lediglich um eine Erweiterung des Klageantrages im Sinne von § 264 Nr. 2 BGB, sondern um eine nach § 533 ZPO von der Einwilligung des Gegners oder der Bejahung der Sachdienlichkeit durch das Gericht abhängige Klageänderung, wobei die zweitinstanzliche Zulassung dieser Klageänderung weiter voraussetzt, dass sie auf Tatsachen gestützt ist, welche der Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen sind.

Daran fehlt es. Für von § 635 BGB a. F. erfasste Schäden setzt ein Schadensersatzanspruch eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB sowie weiter voraus, dass der Unternehmer den Mangel zu vertreten hat.

Für die vom Antrag umfassten Gesundheitsschäden Dritter sind nach altem Recht nicht die werkvertraglichen Gewährleistungsregeln maßgebend. Insoweit kommt ein verschuldensabhängiger Anspruch aus positiver Vertragsverletzung in Betracht.

Auch nach neuem Recht sind Schadensersatzansprüche gemäß den §§ 280, 281 BGB verschuldensabhängig.

Aus den vorgenannten Bestimmungen ergeben sich mithin weitergehende Anspruchsvoraussetzungen als für den bisher geltend gemachten Anspruch auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten. Die zweitinstanzliche Klageänderung ist deshalb unzulässig.

III.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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