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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 06.06.2007
Aktenzeichen: 12 U 33/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 4
ZPO § 540 Abs. 1
BGB § 634 a
BGB § 634 a Abs. 1 Nr. 1
BGB § 634 a Abs. 1 Nr. 2
BGB § 634 a Nr. 1
BGB § 634 a Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 6. Februar 2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bochum aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Berufung - an das Landgericht Bochum zurückverwiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger betreibt in Dänemark eine Reitschule. Mit Vertrag vom 07.10. 2002 erwarb er für diese Reitschule von der unter dem Namen A handelnden GbR, deren Gesellschafter die Beklagten waren, ein gebrauchtes großes Zirkuszelt mit einer Fläche von 1017 m ² zum Preise von 39.000 €, welches von den Beklagten vertragsgemäß nach Dänemark verbracht und dort aufgebaut wurde. Dieses Zelt wurde am 8.1.2005 bei einem starken Wind zerstört.

Der Kläger verlangt deswegen mit seiner Klage von den Beklagten als Gesamtschuldnern Schadensersatz in Höhe von 44.924,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.12.2005. Er behauptet, die Zerstörung sei auf Fehler beim Aufbau des Zeltes durch Mitarbeiter der Beklagten zurückzuführen. Ein hochbelastetes Drahtseil sei mit einem etwa ein Meter langen Seilrest aus Kunststoff an einer scharfkantigen Stahlplatte festgeknotet worden. Diese Konstruktion sei für eine dauerhafte Sicherung unter Volllast nicht geeignet gewesen. Bei dem Sturm sei deshalb das Kunststoffseil gerissen und die Konstruktion des Zeltes insgesamt instabil geworden.

Die Beklagten, welche Klageabweisung beantragt haben, haben eine Verantwortung für die Zerstörung des Zeltes sowie die Schadenshöhe bestritten und sich auf Verjährung berufen.

Das Landgericht, auf dessen Urteil gem. § 540 Abs. 1 ZPO wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, hat die Klage wegen Verjährung etwaiger Gewährleistungsansprüche abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es gelte die zweijährige Verjährungsfrist gem. § 634 a Nr. 1 BGB, welche spätestens nach Beendigung des Zeltaufbaus Mitte Oktober 2002 begonnen habe und zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Dezember 2006 längst abgelaufen gewesen sei.

Die längere Verjährungsfrist gem. § 634 a Nr. 2 BGB gelte nicht, weil es sich bei einem Zirkuszelt nicht um ein Bauwerk handele. Auch wenn dieses durch eine Vielzahl von Stütz- und Spannvorrichtungen möglichst fest mit dem Boden verbunden werde, so sei diese Verbindung doch auf jederzeitige Trennbarkeit ausgerichtet. Beim typischen Einsatz eines Zirkuszeltes werde dieses ständig auf- und wieder abgebaut. Dass dieser Auf- und Abbau den Einsatz von mehreren Arbeitskräften über eine nicht unerhebliche Zeit erfordere, sei im Ergebnis nicht relevant.

Wenngleich das Zelt hier mehr als zwei Jahre bis zu seiner Zerstörung im Besitz des Klägers geblieben sei, so habe dieser doch nach eigenem Vortrag das Zelt nicht dauerhaft am Aufstellort belassen wollen, sondern die Weiterveräußerung beabsichtigt. Auch dies spreche gegen eine bauwerksähnliche Verbindung mit dem Grund.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung rügt der Kläger, das Landgericht habe die vorgetragenen Tatsachen unzulänglich gewürdigt und § 634 a BGB falsch angewandt.

Unstreitig bestehe das Zelt aus 5 Hauptmasten, welche 16 Meter hoch und mit mehreren Kilometer langen Drahtseilen miteinander bzw. mit in den Boden eingelassenen Pfosten verbunden worden seien. Zur besonderen Sicherung wegen der auf Dauer angelegten Nutzung und der Witterungsverhältnisse vor Ort seien die Hauptmasten tiefer als gewöhnlich in dem Boden eingesetzt worden, was die Hinzuziehung des Tiefbauamtes erforderlich gemacht habe. Weitere 40 Seile seien an etwa 2 Meter langen Holzpfosten, welche ebenfalls tief in dem Boden eingerammt worden seien, angebracht worden. Darüber hinaus seien zusätzliche Stahlspinnen in den Boden gerammt worden, an denen das Dach über spezielle Nylonseile zusätzlich befestigt worden sei. Weiter seien ca. 100 Erdanker aus Holz gesetzt worden.

Auf Grund seiner Ausmaße, der Befestigung mit dem Erdboden und der von einem solchen Gewerk drohenden Gefahren benötige ein derartiges Zelt in Deutschland einer baurechtlichen Genehmigung. Erforderlich seien auch aufwändige statische Berechnungen.

Zum Aufbau des Zeltes in der Zeit vom 8.10. bis zum 12.10.2002 seien insgesamt 11 Personen und verschiedene Baumaschinen, darunter ein Baustellenkompressor und zwei Radlader, eingesetzt worden.

Das Zelt habe nach den übereinstimmenden Vorstellungen der Parteien als Reitschule dienen sollen und sei dementsprechend für eine dauerhafte Nutzung mit dem Boden verbunden worden. Eine Weiterveräußerung nach mehrjähriger Nutzung sei zwar in Erwägung gezogen, bei Vertragsschluss aber nicht erwähnt worden.

Angesichts dieser Umstände handele es sich bei den Zelt um ein Bauwerk im Sinne von § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB. Das für die längere Verjährungsfrist bei Bauwerken maßgebliche Risiko häufig erst spät erkennbarer Mängel aus dem Bereich Planung und Statik bestehe auch hier. Die beim Aufbau zu beachtenden planerischen und statischen Anforderungen seien hoch.

Der Kläger, welcher in der Sache seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiter verfolgt, beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zu weiteren Sachaufklärung.

Die Beklagten, welche die Zurückweisung der Berufung beantragen, verteidigen die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Ein Zirkuszelt werde typischerweise nur vorübergehend aufgestellt und nach einer gewissen Zeit wieder abgebaut. Es sei nicht richtig, dass hier die Hauptmasten besonders tief eingebaut worden seien.

Welche konkreten Nutzungsabsichten der Kläger gehabt habe, sei nicht von Belang. Von dessen unbekannt gebliebenen Absichten könne die Dauer der Verjährungsfrist nicht abhängen. Bei Beginn des Aufbaus sei von einem Verbleib des Zeltes am Aufstellort für etwa sechs Monate die Rede gewesen.

Es gebe auch keine bauwerkstypische Risikolage des Bestellers. Auf Grund der Bauweise des Zeltes seien Mängel sehr viel leichter zu erkennen als bei einem Gebäude.

Wegen der Einzelheiten des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Beide Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Die Zurückverweisungsvoraussetzungen gem. § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO liegen vor:

1.

Die landgerichtliche Klageabweisung wegen Verjährung etwaiger Gewährleistungsrechte des Klägers hat keinen Bestand, weil das Landgericht den Bauwerkscharakter des Zirkuszeltes verkannt hat und deshalb fehlerhaft von einer zweijährigen Verjährung gem. § § 634 a Abs. 1 Nr. 1 BGB ausgegangen ist. Tatsächlich ist von einer bei Klageerhebung noch nicht abgelaufenen fünfjährigen Verjährungsfrist gem. § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB auszugehen.

Ein Bauwerk im Sinne des § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB ist eine unbewegliche, durch Verwendung von Arbeit und Material in Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache. Auf die sachenrechtliche Einordnung als Grundstücksbestandteil kommt es ebensowenig an wie auf die Frage, ob es sich bei der Sache um eine bauliche Anlage im Sinne des öffentlichen Baurechts handelt. Auch technische Anlagen oder Container können nach gefestigter Rechtsprechung ein Bauwerk darstellen (vgl. BGH NJW 1992,1445 f).

Die für eine unbewegliche Sache nötige enge Verbindung mit dem Erdboden liegt hier vor. Das zum Aufenthalt von Menschen und Tieren bestimmte Zelt ist mit nicht unerheblichem Personalaufwand durch eine Vielzahl von Konstruktionselementen mit dem Erdboden verbunden worden, um die notwendige Standsicherheit zu erreichen. Die Darstellung des Klägers hierzu ist weitgehend unstreitig. Der Streit darüber, ob mit Rücksicht auf eine geplante dauerhafte Nutzung am Aufstellort die Hauptmasten besonders tief eingesetzt wurden, kann dahingestellt bleiben. Auch ohne eine solche besondere Vorsichtsmaßnahme ist eine enge Verbindung mit dem Boden zu bejahen.

Dass das Zelt zerstörungsfrei wieder abgebaut und anderweitig erneut aufgebaut werden kann, ist nicht von entscheidender Bedeutung. Es reicht, dass die Sache wie hier - von ihrer Größe und ihrem Gewicht her so beschaffen ist, dass eine Trennung vom Grundstück nur mit größerem Aufwand möglich ist, weil bei derartigen Sachen typischerweise Mängel aus dem Bereich von Planung und Statik in Betracht zu ziehen sind, die sich oft erst nach längerer Zeit zeigen (vgl. BGH BauR 2003, 1391-1393).

Die Nutzung des Zeltes am Aufstellort war hier auch längerfristig geplant und rechtfertigt auch unter diesem Gesichtspunkt die Bejahung eines bauwerkstypischen Risikos des Bestellers. Maßgeblich für die bei Bauwerken längere Verjährungsfrist ist neben der vergleichsweise hohen Gefahr von sich erst spät zeigenden Mängeln aus dem Bereich von Planung und Statik auch die Gefahr, dass Mängel erst nach einer längeren Nutzungsdauer unter den standorttypischen Witterungsbedingungen erkannt werden. Gerade um solche Mängel geht es hier nach dem Klagevorbringen.

Zu Unrecht hat das Landgericht in diesem Zusammenhang darauf abgestellt, dass ein Zirkuszelt üblicherweise ständig auf- und wieder abgebaut wird. Unstreitig betreibt der Kläger keinen Zirkus, sondern eine ortsfeste Reitschule. Die konkrete Verwendungsabsicht ist nicht außer Betracht zu lassen. So hat der BGH in dem bereits genannten Urteil vom 30.01.1992 - VII ZR 86/90 - (NJW 1992, 1445 f) bei zum Aufenthalt von Menschen vorgesehenen Containern danach differenziert, ob die Grundstückverbindung, wie etwa bei einem als Bauhütte genutzten Baucontainer, nur kurzfristig gewollt oder auf längere Dauer angelegt war.

Auf längere Dauer war die Verbindung hier angelegt. Dass eine ortsfeste Nutzung der Sache von vornherein für deren gesamte Lebensdauer beabsichtigt ist, ist nicht zu fordern, so dass die vom Kläger zugestandenen Überlegungen, das Zelt nach einer gewissen Nutzungsdauer wieder zu veräußern, unschädlich sind. Im Übrigen gehen etwaige Zweifel hinsichtlich der beabsichtigten Nutzungsdauer zu Lasten der Beklagten. Von der zweijährigen Verjährungsfrist ist nur dann auszugehen, wenn etwaige Zweifel hinsichtlich der Bauwerkseigenschaft vom Schuldner ausgeräumt werden (BGH BauR 2003, 1391).

2.

In der Sache bedarf es umfangreicher weiterer Aufklärung zur Ursache und Höhe der vorgetragenen Schäden. Beide Parteien haben insoweit Zeugen- und Sachverständigenbeweis angetreten. Im Hinblick auf die noch durchzuführende aufwändige Beweisaufnahme erscheint die vom Kläger beantragte Zurückverweisung sachgerecht.

III.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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