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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.05.2006
Aktenzeichen: 12 U 58/05
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 308 Abs. 1 S. 1
ZPO § 313 a Abs. 1
ZPO § 256
ZPO § 520 Abs. 3
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 540 Abs. 2
EGZPO § 26 Nr. 8
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 162
BGB § 162 Abs. 1
BGB § 142 Abs. 1
BGB § 241 Abs. 2
BGB § 280
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 281
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 2
BGB § 311 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 631
BGB § 634 Nr. 4
BGB § 649
BGB § 649 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 08.04.2005 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.717,12 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2004 zu zahlen.

Im Übrigen werden die Klage und die Widerklage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 18 % und der Beklagte zu 82 %.

Die Kosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin zu 27 % und der Beklagte zu 73 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO verzichtet.

II.

Die Berufung des Beklagten hat teilweise Erfolg.

1.

Die Klägerin kann von dem Beklagten Zahlung von 3.717,12 € verlangen.

Der Anspruch ergibt sich aus den §§ 631, 649 BGB.

a) Zwischen den Parteien ist ein Vertrag betreffend die Lieferung und Installation der N-Kanzleisoftware sowie die Umstellung des Betriebssystems der EDV in der Kanzlei des Beklagten zustande gekommen. Der Beklagte hat durch Rücksendung des von ihm am 04.11.03 unterzeichneten und um den Zusatz "+ Scanner für E-Akte" ergänzten Angebots der Klägerin vom 09.10.03 seinerseits der Klägerin ein Vertragsangebot unterbreitet, welches diese schlüssig angenommen hat.

Dass der Beklagte das ihm mit dem Antragsschreiben vom 09.10.03 übersandte Formular des Lizenzvertrags der Software-Lieferantin N Software GmbH nicht unterzeichnete, steht der Annahme eines wirksamen Vertragsschlusses nicht entgegen.

Zwar war der Abschluss des Lizenzvertrags von den Parteien als aufschiebende Bedingung für die Verbindlichkeit des Liefer- und Installationsvertrags vereinbart, wie die Auslegung der Vertragserklärungen nach §§ 133, 157 BGB ergibt, jedoch kann sich der Beklagte gemäß § 162 Abs. 1 BGB nach Treu und Glauben nicht auf den Nichteintritt der Bedingung berufen. Entgegen der Ansicht des Beklagten handelte es sich bei der Unterzeichnung des Lizenzvertrags nicht um eine in sein Belieben gestellte Wollensbedingung, auf die die Regelung des § 162 BGB nicht anwendbar wäre.

Vielmehr hatte sich der Beklagte bereits durch sein Vertragsangebot vom 04.11.03 gegenüber der Klägerin zum Abschluss des Lizenzvertrags, welcher Voraussetzung für die Verschaffung der Nutzerrechte an der Software war, verpflichtet. Anders konnte, durfte und musste sie seine Erklärung nicht verstehen, weil das zugrunde liegende Angebot ausdrücklich auf die - im Einzelfall nicht verhandelbaren - Lizenzbedingungen der Software-Lieferantin Bezug nahm und der Beklagte in seiner Vertragserklärung in keiner Weise zum Ausdruck brachte, dass er diese Bedingungen nicht für akzeptabel hielt.

Die Nichtunterzeichnung des Lizenzvertrags durch den Beklagten erscheint treuwidrig. Gegenüber der Klägerin kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, die Lizenzbedingungen der Lizenzgeberin beinhalteten eine unangemessene Benachteiligung des Lizenznehmers. Der Beklagte kann auch nicht geltend machen, die Klägerin habe einen zeitlich früher erteilten Installationsauftrag nicht fachgerecht ausgeführt. Nach seinem eigenen Vorbringen waren dem Beklagten die angeblichen Fehler der bis Ende September 03 ausgeführten früheren Arbeiten bereits bekannt, als er am 04.11.03 das Vertragsangebot unterzeichnete.

Im Übrigen lässt sich auch nicht feststellen, dass die Wirksamkeit des Liefer- und Installationsvertrags aus Okt./Nov. 03 von der mangelfreien Abwicklung der früher beauftragten Arbeiten an der EDV abhängig sein sollte. Diese von dem Beklagten behauptete Bedingung ergibt sich nicht aus den schriftlichen Vertragsunterlagen. Eine dahingehende mündliche Absprache hat der Beklagte nicht substanziiert dargelegt.

Der Vertrag ist auch nicht gemäß § 142 Abs. 1 BGB als nichtig anzusehen. Der von dem Beklagten erklärten Anfechtung fehlt der Anfechtungsgrund. Eine arglistige Täuschung durch die Klägerin, wie sie der Beklagte in der Berufung geltend macht, ist nicht festzustellen.

Soweit der Beklagte hierzu in der Berufungsbegründung ausführt, die Klägerin habe ihn vor Vertragsschluss darüber getäuscht, welche Systemvoraussetzungen die EDV für die vertragsgegenständliche Software benötige, handelt es sich um ein neues Tatsachenvorbringen i.S. des § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, welches nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen ist. Dass dem Beklagten die Notwendigkeit der Umstellung des Betriebssystems bekannt war, war in erster Instanz unstreitig und geht im Übrigen aus dem Dienstleistungsbericht vom 30.09.03 und dem Vertrag selbst hervor.

Die weitere Darlegung des Beklagten, seitens der Klägerin sei ihm vorgespiegelt worden, die neue Software sei für die Umrechnung von DM auf Euro notwendig, ist unsubstanziiert. Wann, wo, wer die irreführenden Angaben gemacht haben soll, lässt sich dem Vortrag des Beklagten nicht entnehmen.

Aus den vorgenannten Gründen scheidet auch eine Loslösung des Beklagten vom Vertrag unter dem Gesichtspunkt einer Pflichtverletzung der Klägerin bei den Vertragsverhandlungen gemäß den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB aus.

b) Die Klägerin kann nicht, wie mit der Klage begehrt, Zahlung des vereinbarten Pauschalpreises von 4.350,-- € zzgl. MWSt, d.s. 5.046,-- €, verlangen, weil sie sich nach § 649 S. 2 BGB ihre durch die Nichtdurchführung des Vertrag ersparten Aufwendungen anrechnen lassen muss.

Bei dem Vertragsverhältnis der Parteien handelt es sich um einen typengemischten Vertrag, der Elemente des Kaufs und der Werkerstellung aufweist. Der wirtschaftliche Schwerpunkt liegt in der werkvertraglichen Komponente, da die Installations- und Umstellungsarbeiten die gelieferte Software für den Beklagten erst nutzbar machen sollten. Infolgedessen findet § 649 BGB Anwendung.

Der Beklagte hat von dem sich daraus ergebenden Recht zur jederzeitigen Kündigung konkludent Gebrauch gemacht, indem er die Entgegennahme der Software und der übrigen Leistungen der Klägerin ablehnte.

Basis des nach § 649 S. 2 BGB zu berechnenden Zahlungsanspruchs ist der Nettobetrag der vereinbarten Vergütung in Höhe von 4.350,-- €. Auf die Vergütung für nicht erbrachte Leistungen entfällt keine Umsatzsteuer (BGH NJW 99, 3261, 3262).

Die im Übrigen seitens der Klägerin ersparten Aufwendungen belaufen sich auf je 200,-- € für den Bezug von drei Nutzerlizenzen, insgesamt also 600,-- €.

Des weiteren sind die Kosten für die vom Pauschalpreis umfassten, wegen der Kündigung nicht erbrachten 2,5 Technikerstunden in Abzug zu bringen. Diese hat die Klägerin mit insgesamt 32,88 € beziffert (13,15 €/Std. x 2,5 Std.). Dem ist der Beklagte nicht mit erheblichen Einwendungen entgegen getreten. Soweit er geltend macht, die Klägerin hätte für die geschuldeten Installationsarbeiten mehrere Tage benötigt, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Pauschalpreis lediglich 2,5 Arbeitsstunden beinhaltete und jegliche Mehrarbeit gesondert hätte vergütet werden müssen. Auf etwaige Nachbesserungsarbeiten, die aufgrund eines früheren Installationsauftrags angeblich notwendig sind, kommt es für die Berechnung der Vergütung nach § 649 S. 2 BGB nicht an.

Der Hinweis des Beklagten auf die im Vertrag vereinbarte Stundenlohnhöhe von 95,-- € ist gleichfalls unerheblich, da es nicht auf die Preisvereinbarung der Parteien, sondern nur auf die Aufwandsersparnis der Klägerin ankommt.

Nach Abzug der bezeichneten Beträge von insgesamt 632,88 € verbleibt ein Zahlbetrag von 3.717,12 €.

c) Der Beklagte kann sich gegenüber der Klageforderung nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen.

Nachdem er den Vertrag gekündigt hat, kann er nicht mehr, wie er es im Prozess hilfsweise geltend macht, Lieferung und Installation der vertragsgegenständlichen Software verlangen.

Der Beklagte dringt auch mit seinem erstmals im Schriftsatz vom 16.02.06 geltend gemachten Begehren, ihn nur Zug um Zug gegen fachgerechte Nachbesserung der misslungenen Installation eines Arbeitsplatzcomputers und Wiederherstellung der durch die Fehlinstallation entstandenen Datenverluste zu verurteilen, nicht durch.

Abgesehen davon, dass es sich ohnehin um ein nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassendes neues Verteidigungsmittel handelt, sind die Voraussetzungen des Zurückbehaltungsrechts nicht dargelegt. Ein Nachbesserungsanspruch des Beklagten aus einem früheren Installationsauftrag ist nicht schlüssig vorgetragen. Das gilt bereits für die behauptete Mangelhaftigkeit jener Arbeiten; im Übrigen hat das Landgericht - aufgrund der eigenen Erklärungen des Beklagten u.a. in der mündlichen Verhandlung - festgestellt, dass die angeblichen Mängel beseitigt worden seien und dass die Rekonstruktion angeblich vernichteter Daten unmöglich sei. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden; der Beklagte hat nicht erklärt, warum er in der Berufung von seiner erstinstanzlichen Sachdarstellung abrückt.

2.

Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 288 Abs. 1 und 2 BGB.

3.

Hinsichtlich der in dem angefochtenen Urteil enthaltenen Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten ist die Berufung begründet.

Es kann dahin gestellt bleiben, ob das Landgericht durch diese Feststellung, die lediglich Gegenstand eines Hilfsbegehrens gewesen sein dürfte, gegen § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO verstoßen hat. Spätestens durch den Antrag auf Berufungszurückweisung hat die Klägerin den Feststellungsantrag zu einem Hauptbegehren erhoben.

Der Antrag ist unzulässig.

Es fehlt an dem nach § 256 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse. Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs wird bei Zug-um-Zug-Verurteilungen zur Erleichterung der Zwangsvollstreckung für zulässig erachtet. Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor. Ein schützenswertes Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung ist nicht ersichtlich.

4.

Die Berufung hat keinen Erfolg, soweit der Beklagte sein Widerklagebegehren in Höhe eines Teilbetrags von 200,-- € weiterverfolgt.

Abgesehen davon, dass bereits zweifelhaft erscheint, ob die Berufungsbegründung insoweit den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO genügt, ist das Rechtsmittel in der Sache erfolglos.

Als Anspruchsgrundlage für die verlangte Zahlung in Höhe von 200,-- € kommen die §§ 634 Nr. 4, 280 bzw. 281 BGB in Betracht. Wie bereits in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt ist, hat der Beklagte nicht substanziiert dargelegt, welche konkrete Pflichtverletzung er der Klägerin vorwirft und worin sein Schaden besteht. Der Verweis auf eine nicht bei den Akten befindliche Mängelliste ersetzt den Sachvortrag nicht. Dem Berufungsvorbringen lassen sich die Anspruchsvoraussetzungen ebenso wenig schlüssig entnehmen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, § 543 Nr. 1 ZPO. Ebenso wenig erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Nr. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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