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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 19.11.1999
Aktenzeichen: 12 U 92/99
Rechtsgebiete: BGB, AHB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 635
AHB § 5 Nr. 7
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 91
ZPO § 101
ZPO § 70
ZPO § 66 Abs. 1
ZPO § 70 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 101 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 U 92/99 OLG Hamm 1 O 29/99 LG Bochum

Verkündet am 19. November 1999

Thomerczek, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 19. November 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Fischaleck, den Richter am Oberlandesgericht Beckmann und die Richterin am Landgericht Nagel

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 23.03.1999 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.

Auf die unständige Anschlußberufung der Klägerin wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weitere Schäden zu ersetzen, die ihr über den ausgeurteilten Betrag hinaus durch die Beseitigung der mangelhaften Abdichtung der Balkonkragplatten, die unsachgemäßen Anschlüsse der Wind- und Dampfsperren an den Dachflächenfenstern und die Mangelhaftigkeit des Außenputzes des Mehrfamilienhauses Straße in Recklinghausen entstehen werden.

Die Kosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin zu 7,55 % und der Beklagte zu 92,45 %.

Die durch die Streithilfe entstandenen Kosten trägt der Streithelfer selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Beteiligten erreicht die Revisionssumme nicht.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet, die unselbständige Anschlußberufung der Klägerin ist begründet.

I.

Die Klägerin kann vom beklagten Architekten entsprechend der landgerichtlichen Verurteilung über den bereits vorprozessual von der Haftpflichtversicherung des Beklagten gezahlten Betrag in Höhe von 15.225,00 DM hinaus Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 39.002,90 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25.02.1999 wegen fehlerhafter Bauüberwachung im Rahmen der Errichtung des Mehrfamilienhauses in Recklinghausen in den Jahren 1993/1994 verlangen. Der vom Landgericht ausgeurteilte Betrag ergibt sich aus der Differenz der vom Sachverständigen D festgestellten Beseitigungskosten in Höhe von brutto 60.900,00 DM abzüglich der Zahlung der Haftpflichtversicherung des Beklagten in Höhe von 15.225,00 DM abzüglich der Einbehalte der Klägerin von den Rechnungen der Fa. W in Höhe von 3.232,93 DM und des Streithelfers in Höhe von 3.439,17 DM.

1.

Der Anspruch folgt aus § 635 BGB. Der Beklagte war von der Klägerin mit der Planung und der Bauüberwachung beauftragt worden. Der Verpflichtung zur Objektüberwachung ist er nur mangelhaft nachgekommen, wie sich aus den Feststellungen des Sachverständigen D, die von der Haftpflichtversicherung des Beklagten anerkannt worden sind, ergibt. Ein Architekt muß grundsätzlich die Arbeiten der an der Baustelle tätigen Unternehmer und Handwerker gezielt überwachen, um zu erreichen, daß das Bauwerk frei von Mängeln und wie geplant durchgeführt wird. Der Sachverständige D hat in seinem im Beweissicherungsverfahren 1 OH 13/95 Landgericht Bochum erstatteten Gutachten vom 21.03.1998 die von der Klägerin beanstandeten Ausführungsfehler hinsichtlich der vom Dachdecker R ausgeführten Balkonabdichtung, dem von der Firma W ausgeführten Anschluß der Wind- und Dampfsperre an die Dachflächenfenster und des vom Streithelfer der Klägerin angebrachten Außenputzes des Gebäudes festgestellt und eine Verantwortlichkeit des Beklagten wegen fehlerhafter Bauüberwachung bejaht.

2.

Der Beklagte kann im vorliegenden Rechtsstreit, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat, nicht damit gehört werden, die Feststellungen des Sachverständigen im Beweissicherungsverfahren seien unzutreffend, seine Verantwortlichkeit für die festgestellten Mängel sei nicht gegeben, die vom Sachverständigen angesetzten Mängelbeseitigungskosten seien nicht erforderlich. Aufgrund des Schreibens der Haftpflichtversicherung des Beklagten vom 04.12.1998 ist die Haftung des Beklagten dem Streit der Parteien entzogen und endgültig festgelegt worden. Der Beklagte ist mit den nunmehr vorgebrachten Einwendungen ausgeschlossen.

a)

Bei dem Schreiben der Haftpflichtversicherung des Beklagte vom 04.12.1998 handelt es sich um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Darunter versteht man einen Vertrag, der im Unter, schied zum sogenannten konstitutiven Schuldanerkenntnis den in Frage stehenden Anspruch nicht auf eine neue Anspruchsgrundlage hebt, sondern diesen Anspruch unter Beibehaltung des Anspruchsgrundes dadurch verstärkt, daß er ihn Einwänden des Anspruchsgegners gegen den Grund des Anspruchs entzieht. Entzogen werden dem Anspruchsgegner Einwendungen und Einreden, die bei Abgabe der Erklärung bestanden und ihm bekannt waren oder mit denen er zumindest rechnete. Zweck eines solchen Anerkenntnisses ist es, das Schuldverhältnis insgesamt oder zumindest in bestimmten Beziehungen dem Streit oder der Ungewißheit zu entziehen und es insoweit endgültig festzulegen (BGH NJW 1984, 793; 1988, 1781; 1995, 960; 1998, 1492). Die Wirkungen eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses sind ausgehend von seinem Inhalt unter Berücksichtigung des Willens der Parteien, der Interessenlage, dem mit der Erklärung erkennbar verfolgten Zweck und der allgemeinen Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses auszulegen (vgl. Geigel/Kolb, Der Haftpflichtprozeß, 22. Aufl., 38. Kapitel Rdnr. 5 ff. m.w.N.).

Zwischen den Beteiligten bestand vor Abgabe der Erklärungen der Haftpflichtversicherung des Beklagten im Schreiben vom 09.12.1998. Streit über das Bestehen der Verantwortlichkeit des Beklagten wegen der von der Klägerin an ihrem Bauvorhaben gerügten Mängel. Zur Klärung der Streitfragen hatte die Klägerin im September 1995 ein selbständiges Beweisverfahren gegen den Beklagten und die beim Bau tätigen Unternehmer und Handwerker eingeleitet. Die Beweisfragen sind dann vom Sachverständigen D in seinem Gutachten vom 21.03.1998 beantwortet worden. Dieses Gutachten war Grundlage der Erklärung der Haftpflichtversicherung des Beklagten. Die Klägerin konnte diese Erklärungen der Haftpflichtversicherung des Beklagten nur dahin verstehen, daß die Haftung des Beklagten dem Grunde und der Höhe nach für die drei Mängel (Balkonabdichtung, Wind- und Dampfsperre an den Dachflächenfenstern, Außenputz) außer Streit gestellt werden sollte. Das Schreiben enthält keinerlei Einschränkungen, Insbesondere wird nicht darauf abgestellt, daß die Zahlung eines Teilbetrages des vom Sachverständigen errechneten Schadens in Höhe von 60.900,00 DM aus Kulanz, unter Vorbehalt oder - wie die Berufungsbegründung vorträgt, zur Begrenzung eines Kostenrisikos erfolgen sollte. Es wird lediglich die unzutreffende Rechtsauffassung geäußert, den Beklagten treffe "lediglich eine Haftungsquote von 25 %". Die Klägerin konnte und durfte deshalb davon ausgehen, daß die Haftung des Beklagten dem Grunde und der Höhe nach nicht mehr bestritten werden würde.

c)

Die Haftpflichtversicherung des Beklagten war im Außenverhältnis zur Klägerin gemäß § 5 Nr. 7 AHB auch bevollmächtigt, mit Wirkung für und gegen den Beklagten als ihren Versicherungsnehmer derartige Erklärungen abzugeben. Die Regulierungsvollmacht des Versicherers umfaßt auch die Abgabe eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses (BGH VersR 1963, 33; 1970, 549; 1981, 180; OLG Zweibrücken r + s 1996, 223; OLG Düsseldorf VersR 1979, 151; Prölss/Martin/Voit, Versicherungsvertragsgesetz, 26. Aufl., 158 WG Rdnr. 2).

d)

Entgegen der Rechtsauffassung des Versicherers des Beklagten beträgt die Haftungsquote des Beklagten nicht 25 %, sondern 100 %. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (NJW 1965, 1175; 1972, 447; 1996, 2370) haftet der Architekt dem Bauherrn bei Überwachungsfehlern gesamtschuldnerisch mit den Unternehmern im Außenverhältnis in voller Höhe. Ob hinsichtlich der im vorliegenden Rechtsstreit betroffenen Mängel im Innenverhältnis zwischen Architekt und Unternehmern eine andere Haftungsquote anzusetzen ist, kann dahinstehen.

II.

Die Klägerin kann auch - wie im Wege der unselbständigen Anschlußberufung geltend gemacht - die Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten hinsichtlich sämtlicher weiterer Schäden im Rahmen der Beseitigung der bezeichneten Mängel verlangen. Nachdem die Haftpflichtversicherung des Beklagten den vom Sachverständigen D geschätzten Beseitigungsaufwand in Höhe von 60.900,00 DM anerkannt und auf diesen Betrag unstreitig 15.225,00 DM gezahlt hat, ist der Beklagte verpflichtet, entsprechend den obigen Ausführungen zu I. und den Berechnungen des Landgerichts weitere 39.002,90 DM zu zahlen.

Ein weitergehendes Feststellungsinteresse der Klägerin im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO besteht schon deshalb, weil der Sachverständige D die Mängelbeseitigungskosten, worauf der Beklagte seinerseits schon in erster Instanz hingewiesen hat, nur grob unter Angabe eines Circa-Betrages geschätzt hat. Auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufs kann nicht ausgeschlossen werden, daß die vom Sachverständigen im März 1998 geschätzten Mängelbeseitigungskosten tatsächlich höher, ausfallen werden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Kosten des Streithelfers der Klägerin waren dem Streithelfer entsprechend § 91 ZPO selbst aufzuerlegen. § 101 ZPO ist nicht anzuwenden. Der Beitritt des Streithelfers auf seiten der Klägerin war gemäß § 70 ZPO unzulässig. Nachdem der Beklagte den ausführenden Handwerkern den Streit verkündete hatte, ist der Streithelfer statt dem Streitverkünder dessen Gegnerin als Streithelfer beigetreten. Dem hat in der mündlichen Verhandlung der Beklagte als Streitverkünder Widersprochen, Dies hat zur Folge, daß der Beitretende ein rechtliches Interesse am Beitritt auf der Gegenseite dartun muß (OLG Stuttgart MDR 1970, 148). Dies folgt aus § 66 Abs. 1 ZPO. Der der Gegenseite beitretende Streithelfer muß ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Partei haben, der er beitritt. Ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer Partei hat ein Streithelfer dann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits mittelbar oder unmittelbar auf seine Privat- oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt. Gemäß § 70 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist die bestimmte Angabe des Interesses des Streithelfers in dem Schriftsatz, mit dem der Beitritt erklärt wird, erforderlich. Der Prozeßbevollmächtigte des Streithelfers hat im Senatstermin vom 19.11.1999 lediglich das Kosteninteresse des Streithelfers hinsichtlich der Kosten der Streithilfe angeführt. Das ist nicht ausreichend. Der Dritte muß ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Partei, der er beitritt, haben.

Da der Dritte hier als Gesamtschuldner neben den Beklagten für die von der Klägerin gerügten Mängel der Außenputzarbeiten verantwortlich sein soll, hat er kein rechtlich schützenswertes Interesse am Obsiegen der Klägerin in diesem Rechtsstreit. Sein Beitritt hatte allein den rechtsmißbräuchlichen Zweck, sich einen Kostentitel zu verschaffen (vgl. zum Beitritt nach Vergleichsabschluß OLG Düsseldorf KoRspr ZPO 101 Nr. 28). Diesem Interesse kann nicht durch eine Kostenentscheidung gemäß § 101 Abs. 1 ZPO Rechnung getragen werden.

Ende der Entscheidung

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