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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 13.05.2009
Aktenzeichen: 13 U 106/08
Rechtsgebiete: StVG, StVO, ZPO


Vorschriften:

StVG § 17
StVO § 3
StVO § 7 Abs. 5
ZPO § 286
ZPO § 529
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 15. Mai 2008 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufungsinstanz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Denn die Abwägung der Schadensverursachungsbeiträge gemäß § 17 StVG führt, wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, dazu, dass der Kläger den Schaden an seinem Pkw, der bei dem Unfall vom 09.02.2007 eingetreten ist, in vollem Umfang selbst zu tragen hat.

Im Rahmen der Abwägung der Verursachungsanteile war auf Seiten der Beklagten lediglich die einfache Betriebsgefahr des auf dem linken von drei Richtungsfahrstreifen der Bundesautobahn mit einer Geschwindigkeit von nicht mehr als feststellbaren 130 km/h geführten Pkw Porsche zu berücksichtigen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Betriebsgefahr des Porsche durch Unachtsamkeit des Beklagten zu 1) bzw. durch verspätete Reaktion des Beklagten zu 1) auf den Fahrstreifenwechsel des Klägers gesteigert gewesen ist. Denn der insoweit beweispflichtige Kläger vermag den Beweis dafür, dass sein Wechsel vom mittleren auf den linken Fahrstreifen für den nachfolgenden Beklagten zu 1) so rechtzeitig erkennbar gewesen ist, dass dem Beklagten zu 1) ein kollisionsvermeidendes Bremsen noch möglich gewesen wäre, nicht zu erbringen. Nach den Aussagen der Beifahrer im Pkw des Klägers, nämlich der Zeugen U und O, soll sich die Kollision der Fahrzeuge des Klägers und des Beklagten zu 1) zwar erst ca. 70 bis 80 m hinter der Unfallstelle ereignet haben, die die Parteien vor der Kollision ihrer eigenen Fahrzeuge passiert haben, und der Fahrstreifenwechsel des Klägers soll bereits in erheblicher Entfernung vor dem Ort des Erstunfalls erfolgt sein. Das würde dafür sprechen, dass der Beklagte zu 1) zu spät auf den Wechsel des klägerischen Pkw auf den linken Fahrstreifen reagiert hat. Bei den Angaben der Zeugen U und O handelt es sich aber, wie schon das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, lediglich um Schätzungen, die mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sind und sich daher für tragfähige Feststellungen kaum eignen. Abgesehen davon werden Zeugenaussagen von Beifahrern nicht selten auch unbewusst durch die Angaben des eigenen Fahrzeugführers beeinflusst, so dass auch unter diesem Aspekt durchgreifende Bedenken dagegen bestehen, die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit auf konkrete Entfernungsangaben der Zeugen zu stützen.

Die Betriebsgefahr des Pkw Porsche war ferner nicht durch einen Verstoß des Beklagten zu 1) gegen § 3 StVO erhöht. Nach dieser Vorschrift hat ein Fahrzeugführer seine Geschwindigkeit zwar den besonderen Straßen- und Verkehrsverhältnissen anzupassen, was bei unklaren Verkehrsverhältnissen bedeuten kann, dass auch auf einer Bundesautobahn die Geschwindigkeit auf deutlich unter 130 km/h zu verringern ist. In der vorliegenden Sache ergibt sich aus dem Vortrag der Parteien zur konkreten Verkehrslage, die durch den Erstunfall entstanden war, aber zu wenig Konkretes, um eine erkennbare Unklarheit der Verkehrslage zum Nachteil der Beklagten feststellen zu können. Folglich kann dem Beklagten zu 1) nicht angelastet werden, bei 130 km/h auf dem linken Fahrstreifen zu schnell gefahren zu sein. Auf die weitere Frage, ob eine Verpflichtung des Beklagten zu 1) zur Rücksichtnahme auf das verunfallte Fahrzeug und dessen Insassen auch zum Vorteil des Klägers Beachtung zu finden hat, kommt es daher nicht mehr an.

Der somit lediglich einfachen Betriebsgefahr des Pkw Porsche steht auf Seiten des Klägers die durch einen Verstoß des Klägers gegen § 7 Abs. 5 StVO gesteigerte Betriebsgefahr des Pkw Audi A 6 gegenüber. Nach § 7 Abs. 5 StVO hatte sich der Kläger beim Fahrstreifenwechsel so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Es spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Kläger diesen Anforderungen nicht gerecht geworden ist. Denn auch insoweit, als das Landgericht festgestellt hat, der Unfall habe sich schon unmittelbar nach der Vollendung des Fahrstreifenwechsels ereignet, folgt der Senat den Ausführungen des Landgerichts. Hierfür spricht nämlich eine verständige Würdigung der Angaben der am Unfall beteiligten Fahrer sowie der Angaben der Zeugen U und O. Denn der Kläger war seinen eigenen Angaben zufolge vor dem Fahrstreifenwechsel auf dem mittleren Fahrstreifen mit ca. 150 km/h gefahren. Er hatte dann stark abgebremst, und zwar nach Aussage des Zeugen U so stark, dass sich das ABS einschaltete. Trotz dieses starken Bremsmanövers hätte es nach Einschätzung des Zeugen U ohne den Fahrstreifenwechsel dazu kommen können, dass der Kläger auf ein voraus fahrendes Fahrzeug aufgefahren wäre. Bis zum Unfall hatte der Kläger sodann im Anschluss an den Fahrstreifenwechsel die Geschwindigkeit noch nicht wieder erhöht, so dass der Audi im Kollisionszeitpunkt noch lediglich 80 km/h schnell war. Alles dies erscheint bei lebensnaher Betrachtung eher plausibel, wenn sich die Kollision entsprechend der Darstellung des Beklagten zu 1) unmittelbar nach dem Fahrstreifenwechsel ereignet hat, als dann, wenn sie sich entsprechend der Darstellung des Klägers erst wesentlich später ereignet hätte. Nach alledem lässt die Beweiswürdigung des Landgerichts keinen Verstoß gegen § 286 ZPO erkennen, so dass von den Feststellungen des Landgerichts gemäß § 529 ZPO auch im Berufungsverfahren auszugehen war.

Gegenüber der somit durch verkehrswidriges Verhalten des Klägers gesteigerten Betriebsgefahr des Pkw Audi muss die einfache Betriebsgefahr des Pkw Porsche als Schadensverursachungsfaktor zurück treten. Etwas anderes gilt auch nicht vor dem Hintergrund, dass der Beklagte zu 1) einige Zeit vor dem Unfall die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h überschritten hatte. Denn dass der Beklagte zu 1) bei Erkennbarwerden der Kollisionsgefahr noch schneller war als 130 km/h, lässt sich nicht feststellen.

Die Berufung war daher mit den prozessualen Nebenentscheidungen aus §§ 97, 543, 708 Nr. 10 ZPO zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung liegen nicht vor.

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