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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.10.2002
Aktenzeichen: 13 U 119/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 812

Entscheidung wurde am 30.12.2002 korrigiert: Vorinstanz durch Verfahrensgang ersetzt
Die Vereinbarung einer "Spielsperre" zwischen Spielcasino und Spieler hat vertraglichen Charakter mit der Folge, daß kein Spielvertrag zustande kommt, wenn der Spieler sich gleichwohl Einlaß verschafft und am Glücksspiel teilnimmt. Gem. § 812 BGB kann der Spieler Rückzahlung seiner geleisteten Einsätze verlangen.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 119/02 OLG Hamm 4 O 394/00 LG Münster

Verkündet am 07. Oktober 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 07. Oktober 2002 durch die Richter am Oberlandesgericht Zumdick und Schwerdt und den Richter am Amtsgericht Mollenhauer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 18. April 2002 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der alle Maßnahmen fördert, die der Beratung und Behandlung Glücksspielsüchtiger dient. Die Beklagte betreibt öffentlichrechtlich konzessionierte Spielkasinos, unter anderem das Spielkasino in B .

Der Kläger macht aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Zahlung von 11.000,00 DM gegen die Beklagte geltend. Bei diesem Betrag handelt es sich um einen Teil der Einsätze, die der Zeuge F im Hause der Beklagten im September und Oktober 1999 verspielt haben soll.

Der Zeuge F , der in B wohnhaft war, besuchte schon seit Jahren zunächst unregelmäßig, im weiteren Verlauf jedoch immer häufiger und zuletzt regelmäßig das Spielkasino der Beklagten. Dabei wendete er sich nicht dem klassischen Glücksspiel, sondern dem Spiel an Geldautomaten zu. In der Spielbank befindet sich ein gesonderter Raum, in dem solche Automaten aufgestellt sind. Es gibt dort u.a. mehrere Kassen, an denen Geld gewechselt oder abgehoben werden kann, in dem der Gast des Spielkasinos seine EC-Karte vorlegt, seine Geheimnummer eingibt und unmittelbar Bargeld von einem Angestellten der Beklagten ausgezahlt bekommt.

Der Zeuge F soll durch das Glücksspiel viel Geld verloren haben. Im Jahre 1998 ließ er sich deshalb von der Beklagten für das Glücksspiel sperren. Gleichwohl spielte er weiter. In der Zeit vom 02.08.1999 bis zum 21.10.1999 erhielt er im Kasino der Beklagten durch Einsatz des o.g. Tele-Cash-Verfahren ca. 87.000,00 DM. Am 21.10.1999 bevollmächtigte der Zeuge F die Prozeßbevollmächtigte des Klägers, in seinem Namen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend zu machen. Die Prozeßbevollmächtigte schrieb noch am selben Tag die Beklagte an. Am 24.01.1999 trat der Zeuge F einen Anspruch in Höhe von 11.000,00 DM an den Kläger ab; diese Summe beruht auf Abbuchungen vom 22.08., 04.09. und 18.10.1999 (Blatt 80 d.A.). Die Beklagte lehnte die Zahlung ab.

Mit der Klage verfolgt der Kläger den Anspruch auf Rückzahlung eines Teils der verlorenen Einsätze des Zeugen F entsprechend der abgetretenen Forderung weiter.

Der Kläger hat behauptet, die im einzelnen bezeichneten Beträge, die der Zeuge F im Tele-Cash-Verfahren bei der Beklagten erhalten habe, habe er verspielt.

Deshalb sei der Beklagte zur Rückzahlung verpflichtet. Die Spielverträge seien nichtig, da der Zeuge F aufgrund krankhafter Spielsucht partiell geschäftsunfähig gewesen sei. Die abgeschlossenen Spielverträge seien auch nach § 138 BGB sittenwidrig, da die Beklagte den Zeugen F trotz der Spielsperre habe spielen lassen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.000,00 DM nebst 8,42 % Zinsen aus 10.000,00 DM seit dem 25.05.2000 und aus 1.000,00 DM seit dem 06.07.2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Unwirksamkeit der Abtretung geltend gemacht; insoweit liege nämlich ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz vor. Sie hat ferner bestritten, daß der Zeuge P alle angeblich abgehobenen Beträge im Kasino verspielt habe. Sie hat bestritten, daß der Zeuge F partiell gschäftsunfähig gewesen sei und deshalb Spielverträge nicht zustande gekommen seien. Die Spielverträge seien auch nicht sittenwidrig. Soweit sich der Zeuge F über die Spielsperre selbst hinweggesetzt habe, begründe dies keinen Anspruch auf Ersatz von Spielverlusten, da die Bank keine Schutzpflichten habe, die auf Wahrnehmung der Vermögensinteressen ihrer Gäste gerichtet seien.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen F und Einholung eines schriftlich erstatteten psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. M Und nach der Erläuterung dieses Gutachtens der Klage nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. i.V.m. §§ 105 Abs. 2, 398 BGB stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei berechtigt, die Klageforderung geltend zu machen. Darin liege insbesondere kein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 1 Abs. 1 Rechtsberatungsgesetz. Das Landgericht hat es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als bewiesen angesehen, daß der Zeuge F zu den angegebenen Zeiten die im einzelnen vorgetragenen Beträge über das Tele-Cash-Verfahren im Kasino der Beklagten nach Abbuchung von seinem Konto bar erhalten und sodann verspielt habe. Die mit diesem Geld abgeschlossenen Spielverträge seien abweichend von § 762 Abs. 1 BGB zwar grundsätzlich wirksam, sie seien im vorliegenden Fall jedoch deshalb nicht zustande gekommen, weil sich der Zeuge F nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bei Abschluß der jeweiligen Spielverträge in einem Zustand vorübergehender Störung der Geistestätigkeit befunden habe und deshalb geschäftsunfähig gewesen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die meint, das Landgericht habe zu Unrecht die Anspruchsvoraussetzungen des § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB bejaht. Einen Rechtsgrund für die Leistungen des Zeugen F , nämlich die Spieleinsätze, sieht sie in der Vereinbarung einer Spielsperre, die zwischen dem Zeugen F und der Bank getroffen worden sei. Danach komme ein Spielvertrag nicht zustande mit der Folge, daß Gewinne nicht ausgezahlt und Einsätze nicht zurückerstattet werden. Darauf habe sie durch ein Schild an der Eingangstür zu dem Saal der Spielautomaten hingewiesen. Sie wendet Entreicherung ein und meint, die verlorenen Einsätze seien auch nach § 814 BGB nicht zurückzuerstatten.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

Der Senat hat zur weiteren Erläuterung des Sachverhalts den Mitarbeiter F der Klägerin gehört sowie den Sachverständigen Dr. M der sein erstinstanzliches Gutachten erläutert und ergänzt hat. Wegen der Einzelheiten wird auf den Berichterstattervermerk vom 07.11.2002 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien und der Beweisaufnahme erster Instanz wird auf den Akteninhalt und auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht hat zu Recht die Klageforderung zuerkannt. Auch nach Auffassung des Senats sind Spielverträge infolge des Einsatzes der vom Kläger im einzelnen dargelegten Beträge nicht zustande gekommen, so daß die Beklagte nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB zur Rückerstattung verpflichtet ist. Der Kläger ist berechtigt, aus abgetretenem Recht den Anspruch auf Rückgewähr geltend zu machen.

1.

Der Kläger ist Inhaber der geltend gemachten Forderung. Aufgrund der Abtretungserklärungen vom 24.01.2000 und 31.05.2000 (Blatt 121, 122 d.A.) steht fest, daß der Kläger aktivlegitimiert ist. Die ersichtlich auch angenommene Abtretung ist nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot - § 134 BGB - nichtig. § 1 Abs. 1 Rechtsberatungsgesetz ist nicht anzuwenden. Der Kläger handelt mit der Geltendmachung der von vornherein begrenzten Forderung nicht geschäftsmäßig im Sinne dieser Bestimmung. Es handelt sich erkennbar um einen Einzelfall, in dem der Kläger im Wege der Abtretung eine Inkassotätigkeit aus besonderen Gründen vornimmt.

Im übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommenen, denen sich der Senat insoweit in vollem Umfange anschließt.

2.

Dem Zeugen F stand ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückzahlung der von ihm am 22.08., 04.09. und 18.10.1999 verspielten Gelder zu.

a)

Es bestehen nach den Darlegungen des Klägers und der Aussage des Zeugen F in erster Instanz keine Zweifel, daß die geltend gemachten Einsätze zu den angegebenen Zeiten verspielt worden sind. Die dahingehenden Feststellungen des Landgerichts werden von der Berufung auch nicht mehr angegriffen.

b)

Die unter Einsatz dieser Beträge abgeschlossenen Spielverträge an den einzelnen Automaten waren unwirksam. Dies ergibt sich in erster Linie aus der Spielsperre, die der Zeuge F und die Beklagte 1998 vereinbarten.

aa)

Die sogenannte Eigensperre ist der Abschluß eines Vertrages zwischen einem Spieler und einer Spielbank, wonach in Zukunft der Spieler nicht zugelassen werden soll. Es handelt sich um ein gebräuchliches Instrument, durch das ein Spieler sich selbst mit Hilfe der Spielbank den für ihn gefahrträchtig erkannten Zugang verstellen will. Die Spielbank geht mit der Annahme einer solchen Eigensperre eine vertragliche Bindung ein.

Dem Abschluß dieses Vertrages liegt die kritische Selbsterkenntnis eines durch Spielsucht gefährdeten Spielers in einer Phase zugrunde, in der er zu einer solchen Einschränkung und Selbstbeurteilung fähig ist. Auf Seiten der Institution der Spielbank wird diese Einsicht des Spielers, der für sie zunächst ein potentiell guter Kunde ist, akzeptiert, indem sie erklärt, ihn vom Spiel auszuschließen und keine Spielverträge mehr abzuschließen.

Diese Vereinbarung hat die Qualität eines Rechtsgeschäfts mit wechselseitigen Rechten und Pflichten. Zwar ist es untypisch, daß die Parteien eines Vertrages sich darüber einigen, daß in Zukunft keine Verträge bestimmter Art mehr zwischen ihnen zustanden kommen sollen und eine vorverlagerte Einigung darauf gerichtet ist, späteren Willenserklärungen vorab die rechtliche Verbindlichkeit zu nehmen. Es sind jedoch keine Gründe ersichtlich, daß dies von der Rechtsordnung nicht zugelassen werden dürfte. Das ungewöhnliche der von der Spielbank akzeptierten Eigensperre ergibt sich aus der Ungewöhnlichkeit der rechtlichen Verhältnisse, die aus der Zulassung des öffentlich-rechtlich konzessionierten Glücksspiels und aus den spezifischen Gefährdungstatbeständen folgen.

Grundsätzlich mißbilligt die Rechtsordnung das Glücksspiel, wie die Strafbewehrung der §§ 284 ff. StGB zeigt und wie sich aus § 762 BGB ergibt, wonach bei Spielverträgen nur unvollkommene Verbindlichkeiten entstehen. Die öffentlich-rechtliche Konzessionierung von Spielbanken wird von der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung dem Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zugeordnet (vgl. BVerfG 1 BvR 539/96). Mit der Zulassung einer an sich unerwünschten Tätigkeit der Spielbanken soll einerseits dem nicht völlig zu ignorierende Spieltrieb in der Bevölkerung Rechnung getragen werden, der jedoch durch die Beschränkungen auf wenige - hoheitlich zugelassene - Anbieter kanalisiert und kontrolliert ist. Die Gewinne der in privatrechtlicher Rechtsfolge betriebenen Unternehmen werden zu großen Teilen zu gemeinnützigen Zwecken abgeschöpft; dies ist jedoch nicht das erste Ziel der Zulassung von Spielbanken sondern deren Einbindung in das System der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

In diesem Lichte müssen folglich auch die mit der Kundschaft im einzelnen abgeschlossenen Spielverträge gesehen werden. Diese haben - über dem Rahmen des § 762 BGB hinaus - rechtverbindlichen Charakter, weil sich sonst die Spielbank wirtschaftlich und in ihrer dargelegten kanalisierenden Form überhaupt nicht betreiben ließe. Auf der anderen Seite besteht das unabweisbare Bedürfnis, die einzelnen abgeschlossenen Spielverträge unter die eigentümlichen Beschränkungen der öffentlich-rechtlichen Pflichtenbindung zu stellen, die sich aus der gesetzlich nur ausnahmsweise erfolgten Gestattung des Glücksspiels ergeben. Der innere Grund für die polizei- und ordnungsrechtliche Beschränkung des Glücksspiels liegt in der Gefahr der hoffnungslosen Überschuldung einzelner, die nach allgemeinem, traditionellem Erfahrungswissen dem Glücksspiel immanent ist und der vorgebeugt werden soll.

Dem wird einerseits durch die Befugnisse der Spielbanken Rechnung getragen, Kundenkarteien zu führen, von den Besuchern Auskünfte zu verlangen, den Zugang selbst zu kontrollieren und von sich aus einzelne Gäste auszuschließen. Zum anderen haben die Spielbanken unstreitig auch die Pflicht, ihnen bekannte Gefährdungstatbestände zu beachten und nicht zu ignorieren. Ihnen ist es nach den gesetzlichen Vorgaben ihrer öffentlich-rechtlichen Pflichtenstellung gerade nicht gestattet, im Interesse ihres privatwirtschaftlichen Erfolges unkontrolliert und schrankenlos ohne Berücksichtigung gefahrträchtiger Umstände im Einzelfall Spieler zuzulassen und mit ihnen schrankenlos zu kontrahieren. Dies begründet zwar - jedenfalls im Regelfall -nicht die rechtsgeschäftliche Pflicht im Sinne des Instituts der culpa in contrahendo, vorab zu prüfen, ob ein Spieler objektiv und subjektiv (finanziell und charakterlich) geeignet ist, den Gefahren des Glücksspiels zu widerstehen, seine Grenzen zu beachten und sich selbst zu beherrschen. Insoweit obliegt der Bank keine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber ihren einzelnen Kunden. Denn dies würde dazu führen, die Anforderungen in einem Maße zu überspannen, daß der Spielbetrieb schwerlich aufrechtzuerhalten wäre.

In diesem systematischen Zusammenhang hat die Eigensperre die objektiv erkennbare Funktion, den einzelnen Spieler darüber hinaus vor sich selbst zu schützen, indem er rechtsgeschäftlich im Zustand voller Geschäftsfähigkeit erklärt, in Zukunft keine Spielverträge mit der Spielbank mehr abschließen zu wollen. Der Ausgangspunkt ist dabei die - in diesem Zustand - freie Erkenntnis, daß er konkret gefährdet ist und in Zukunft eine Lage schaffen möchte, die ihm das Spielen objektiv unmöglich macht, weil er von dem Betreiber der Spielbank aufgrund der neu gewonnenen Kenntnis von der problematischen Lage nicht mehr zugelassen wird.

bb)

Daß die Eigensperre ein Vertrag mit rechtsgeschäftlicher Qualität ist, sieht auch die Beklagte so. Sie erkennt an, daß die Sperre ein geläufiges und gebotenes Mittel der Abwehr von Gefahren ist, die sich dem zugelassenen Glücksspiel ergeben. Es wird von den Spielbanken - auch von der Beklagten - ernst genommen und unstreitig zum Ausschluß eines solchen Spielers in ihrem Hause für das sog. große Spiel effektiv eingesetzt. Sie meint indes, aus der Spielsperre folge weiter, daß Einsätze nicht zurückverlangt werden können und Gewinne nicht ausgezahlt werden müssen, wenn es dem Spieler gleichwohl gelingt, sich Zugang zu der Spielbank zu verschaffen. Diese Auffassung zu Inhalt und Rechtsfolgen des Sperrvertrages trifft aber nicht zu. Demzufolge ist ein bereicherungsrechtlicher Ausgleich geboten. Alles andere würde dem Sinn und Zweck der Vereinbarung zuwider laufen, gegen die rechtsgeschäftlichen Auslegungsgrundsätze verstoßen, und die Beklagte würde sich auch in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten, ihren Erklärungen und ihrer institutionellen Pflichtenbindung setzen.

d)

Der Vertrag über die Eigensperre unterliegt den allgemeinen rechtsgeschäftlichen Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB. Wie dargelegt ergibt der objektive Erklärungsinhalt (§ 133 BGB) der Eigensperre des Zeugen F dessen Willen, im Zustand der Zurechnungsfähigkeit im Einvernehmen mit der Beklagten eine Lage herbeizuführen, die einen weiteren Zugang zum Spiel - und zwar zu gerade dem Automatenspiel, dem allein der Zeuge F verfallen war - ausschloß. Dies hat die Beklagte - unstreitig - akzeptiert. Etwaige Einschränkungen bei dieser Spielsperre gab es nicht. Wäre jedoch erklärt worden, daß der Eintritt in den Automatenspielsaal für den Zeugen F weiterhin ohne weiteres möglich sein würde, daß ihm Gewinne an Automaten bis zu einer bestimmten Höhe anstandslos zufließen, daß er im Tele-Cash-Verfahren der Spielbank nicht nur unkontrolliert, sondern sogar mit Hilfe der Beklagten weiterhin an Bargeld kommt und daß an überhaupt keiner Stelle irgendein Hindernis besteht, wie bisher exzessiv weiterzuspielen, hätte sich dem Zeugen F wie jedem anderen vernünftig Denkenden auch aufdrängen müssen, daß das Mittel der Eigensperre angesichts der regelmäßig einsetzenden Spielsucht völlig wertlos sein würde und es deshalb geboten sei, andere effektive Mittel einzusetzen, um dem persönlichen und wirtschaftlichen Verfall durch das Glücksspiel entgegenzuwirken.

Nach dem objektiven Erklärungsinhalt sollte jedoch die Spielsperre das Mittel sein, in wechselseitiger Bindung und Motivation den Zeugen F auszuschließen. Dies Ziel konnte nach Treu und Glauben und dem offenkundigen Vertragszweck nur erreicht werden, wenn für keinen der am Sperrvertrag Beteiligten ein wirtschaftlicher Vorteil verblieb, falls sich der Gesperrte (ausnahmsweise) doch Zugang verschaffen würde. Daß er sich von einer Aufschrift im Eingangsbereich nicht aufhalten lassen würde, lag dabei - ebenfalls nach objektiver Betrachtungsweise - auf der Hand.

Für diese Beurteilung kommt es nicht darauf an, daß die Eigensperre vom Zeugen F gerade deshalb erklärt wurde, weil er bereits in einen Zustand geraten war, bei dem die Gefahr hemmungslosen, unkontrollierten Spiels mit der Qualität zeitweiliger Geschäftsunfähigkeit im Sinne des § 105 Abs. 2 BGB vorlag. Maßgeblich für die Bestimmung des Sinn- und Zweckes der Eigensperre und deren Wirkung im Sinne einer rechtsgeschäftlich verbindlichen Übereinkunft, ist allein eine solche Gefahr. Die Geschäftsunfähigkeit sollte deshalb im Einzelfall nicht mehr geprüft und nachgewiesen werden. Die Grenze des Schutzes des Spielers kann allenfalls dort liegen, wo die Eigensperre keinen äußeren Anlaß einer Gefährdung hat oder von einem Glücksspieler aus anderen denkbaren Motiven als dem Anliegen seines anzuerkennenden Selbstschutzes angestrebt wird. So liegen die Dinge hier jedoch nicht. Aus den noch darzulegenden Ergebnissen des Sachverständigen Dr. M folgt im Gegenteil, daß der Zeuge F tatsächlich in hohem Maße gefährdet war. Es steht auch fest, daß er im Hause der Beklagten schon eine lange Zeit regelmäßig spielte und dies der Beklagten nicht verborgen geblieben sein konnte.

(2)

Aus dem Vorstehenden folgt, daß sich die Bedeutung der Sperre des Zeugen F nicht nur in einer Ausformung des Hausrechts der Beklagten erschöpfen kann, weil die Spielbank keine Pflicht zur Betreuung seines Vermögens übernehme. Diese in der Rechtsprechung vertretene Auffassung (BGH NJW 1996, 248; LG Leipzig NJW-RR 00, 1343; OLG Hamm, Urteil vom 17.07.2002 - 8 U 19/02; OLG Hamm Urteil vom 30.08.2001 - 22 U 39/01 - NJW-RR 2002, 447) überzeugt jedenfalls im vorliegenden Fall nicht. Dem steht nach Auffassung des Senats der nach dem erkennbaren Willen eindeutige Sinn und Zweck der sog. Eigensperre entgegen, den die Beklagte mit rechtskräftigem Bindungswillen vorgenommen hat. Es darf auch nicht vergessen werden, daß die Beklagte ein weit über das bloße Hausrecht hinausgehendes, durch ihre polizeirechtliche Pflichtenstellung begründetes Eigeninteresse an der Sperre eines gefährdeten Spielers haben mußte, das in vielen Spielordnungen der Länder zum Ausdruck gebracht wird (vgl. dazu Peters, Selbstsperre des Glücksspielers, JR 2002 178). Die Auslegung, in der Eigensperre nur die Möglichkeit der Ausübung des Hausrechtes anzunehmen, würde bedeuten, daß die Parteien eine Vereinbarung über eine Befugnis der Beklagten treffen, die sie ohnehin schon hat und daß der Beklagten völlig freie Hand bliebe, den Glücksspieler zuzulassen oder nicht. Daß dies nicht Sinn der Vereinbarung sein kann, ergibt sich auch daraus, daß die sog. Eigensperre von vielen Spielbanken anders gehandhabt wird, als dies in der in B betriebenen Einrichtung der Beklagten der Fall war. Der Kläger hat - von der Beklagten nicht substantiiert bestritten - durch Vorlage von Auskünften anderer Spielbanken dargelegt (Blatt 43 - 46 d.A.), daß die Eigensperre zu einer Erfassung der Daten, die auch zur Ermöglichung von Kontrollen in Automatenspielsälen führt, Auszahlungen im Tele-Cash-Verfahren vermieden und auch sonstige Maßnahmen ergriffen werden, gesperrte Spieler zu erkennen und auszuschließen.

Auch in dem zur Beklagten gehörenden Haus in D war dies der Fall (Blatt 45 der Akte) gewesen, und zwar während des dem Streitfall zugrunde liegenden Zeitraums.

(3)

Dem Sinngehalt der Eigensperre wird es auch nicht gerecht, einem Spieler, der sich entgegen der Vereinbarung Zugang verschafft, Gewinne zu versagen, die Einsätze jedoch nicht zurückzuerstatten, obwohl Spielverträge - worauf die Berufung ausdrücklich hinweist - auch nach Auffassung der Beklagten nicht zustande kommen. Die Berufung sieht in dem Sperrvertrag selbst den rechtlichen Grund dafür, daß die Spielbank Einsätze nicht zurückerstatten muß. Diese Begründung kann jedoch nicht überzeugen. Bei einer solchen Auslegung des Sperrvertrags wird nicht nur der Sinn und Zweck der Vereinbarung über den Ausschluß des Spielers verfehlt, sie wäre auch in hohem Maße widersprüchlich. Der Vertrag hätte nämlich dann die Bedeutung, eine sog. unvollkommene Verbindlichkeit im Sinne des § 762 BGB zu begründen. Bei dem unstreitig völlig freien Zugang, den die Beklagte trotz der Sperre dem Zeugen F ermöglichte, führte dies auf der einen Seite zu den bekannten hohen Verlusten, auf der anderen Seite würden die Gewinnchancen der Beklagten einseitig und zu Lasten des Zeugen F sogar maximiert. Denn bei höheren Gewinnen, die nicht durch die Automaten selbst ausgezahlt werden, sondern für die eine Barauszahlung an der Kasse erfolgen mußte, hätte eine bis zu diesem Zeitpunkt unterbliebene Kontrolle eingesetzt und die Gewinnauszahlung wäre versagt worden. Ein gefährdeter Spieler muß bei dieser Praxis nicht - wie die Berufung meint - fürchten, stets ohne Aussicht auf Gewinn sein Geld zu verlieren.

Das nach Auffassung des Senats allein sinngerechte Verständnis einer akzeptierten Eigensperre kann nicht darin liegen, die Spielverträge nur auf die Wirkung unvollkommener Verbindlichkeiten im Sinne des § 762 Abs. 1 BGB zu reduzieren, sondern es muß kraft Vereinbarung jedwede Rechtswirkung dem gleichwohl erschlichenen Spiel versagt bleiben. Erst dann wird dem der Sperre auch zugrunde liegenden Eigeninteresse der Beklagten die notwendige Bedeutung zugemessen, die diese akzeptierte, als sie die Erklärung des Zeugen F entgegennahm und bei der sie den Eindruck einer für den Zeugen F günstigen und tatsächlich möglichen effektiven Regelung erweckte. Die von ihr herangezogene Auslegung der vereinbarten Sperre liefe jedoch darauf hinaus, daß der Zeuge F getäuscht worden wäre.

(4)

Es sind schließlich keine Gründe ersichtlich, die im Interesse der Beklagten eine andere Auslegung gebieten. Die Beklagte verweist darauf, daß sie im Automatenspiel-saal kein Personal vorhält, das den Zugang kontrolliert und dies nur für das sog. große Spiel vorgesehen sei. Ihr Hinweis, solche Kontrollen, die zur Durchsetzung einer Sperre des Zugangs zu den Automaten erforderlich seien, sehen die einschlägigen Bestimmen nicht vor, ist in diesem Zusammenhang irrelevant. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte gesetzlich oder rechtsgeschäftlich verpflichtet war, dafür Sorge zu tragen, daß gesperrte Spieler keinen Zugang erhalten. Zur Bestimmung des Inhalts und der Wirkung des Sperrvertrages kommt es bei der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben über §§ 133, 157 BGB nur darauf an, ob der Beklagten zumutbare Mittel zur Verfügung standen, für die Durchsetzung der Sperre zu sorgen und damit die wechselseitigen Interessen am Ausschluß und an der Vermeidung der Rückforderung von Einsätzen zu wahren. Dies war ohne Zweifel der Fall, sei es durch Einsatz zusätzlichen Personals oder technische Einrichtungen (vgl. Hinweis von Peters a.a.O., Fußnote 26). Darauf kommt es im Streitfall noch nicht einmal entscheidend an. Da der Kläger nur eingesetztes und verspieltes Geld zurückfordert, das der Zeuge F mit Hilfe von Mitarbeitern der Beklagten im Tele-Cash-Verfahren abbuchen ließ, hätte spätestens hier ohne nennenswerten Aufwand eine Kontrolle und der Ausschluß erfolgen können.

cc)

Der Sperrvertrag ist nicht durch eine entsprechende Vereinbarung wieder aufgehoben worden. Indem der Zeuge F den Automatensaal aufsuchte, gab er keine dahingehende, konkludente Willenserklärung ab, unabhängig davon, ob er im Einzelfall überhaupt zu einer freien Willensbildung in der Lage war oder nicht. Das Hinweisschild der Beklagten am Eingang zum Automatensaal, auf welchem es u.a. heißt, daß bei einem gesperrten Spieler kein Anspruch auf Rückzahlung getätigter Einsätze besteht, führt zu keiner anderen Beurteilung. Dieser Hinweis enthält insoweit eine unzutreffende Feststellung der Rechtsfolge des § 812 Abs. 1 BGB. Der Hinweis hat schon von seinem Wortlaut hat nicht den Charakter einer vertraglichen Vereinbarung. Die Beklagte stellt vielmehr nur die Rechtsfolgen fest, die die Spielsperre nach ihrer Auffassung hat.

c)

Die Unwirksamkeit der Spielverträge führt zum bereicherungsrechtlichen Ausgleich nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB. Der Zeuge F wäre verpflichtet, erzielte Gewinne an die Beklagte zurückzuzahlen, die unstreitig nicht eintraten. Die Beklagte ist verpflichtet, die - wie oben dargelegt - nachgewiesenen Einsätze zurückzuzahlen. Ein geldwerter Vorteil ist dem Zeugen F im Form der Einräumung einer Gewinnchance nicht zugewachsen, da die Spielsperre auf den Ausschluß von Gewinnen angelegt war und nicht auf die Einräumung einer unvollkommenen Verbindlichkeit im Sinne des § 762 Abs. 1 BGB (s.o.). Da ihm nach dem ausdrücklich artikulierten Willen der Beklagten keine Gewinne verbleiben sollten, stellt sich die faktisch eingeräumte Gewinnmöglichkeit solcher Beträge, die die Automaten auszahlten, als eine durch die Beklagte aufgedrängte Bereicherung dar.

Dem Anspruch steht nicht § 814 BGB entgegen. Diese Bestimmung paßt schon tatbestandlich nicht, weil der Zeuge F nicht zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit leistete. Er hat die Geldmittel als Einsatz an den Automaten verwendet, um einen Gewinn zu erzielen, nicht um eine Verbindlichkeit zu erfüllen, die in Wahrheit nicht bestand. Außerdem verband er mit dem Einsatz die jedenfalls für kleinere Beträge nicht unbegründete Erwartung, tatsächlich Gewinne zu erzielen, die von der Beklagten im Wege der mechanischen Funktion der Automaten auch bis zu einer bestimmten Höhe bewirkt worden wären (vgl. Palandt-Thomas, § 814 BGB, Rn. 6).

Leistet aber jemand in der Erwartung, der Vertragspartner werde die Gegenleistung erbringen, d.h. hier den Gewinn auszahlen, der wird dann bei Fehlen des Rechtsgrundes durch § 814 BGB nicht von der Rückforderung ausgeschlossen (BGH NJW 1999, 2892).

Im übrigen würde die Berufung auf § 814 BGB insoweit gegen Treu und Glauben verstoßen.

3.

Der Anspruch des Zeugen F ist nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB auch deshalb begründet, weil er sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in einem Zustand vorübergehender Störung der Geistestätigkeit im Sinne des § 105 Abs. 2 BGB befand und auch deshalb keine wirksamen Spielverträge geschlossen werden konnten, als er die hier in Rede stehenden Einsätze verbrauchte. Der Senat schließt sich insoweit in vollem Umfang dem Landgericht an und nimmt zur weiteren Begründung auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils Bezug.

Die gegen die Beweiswürdigung erhobenen Einwände greifen nicht durch. Sie lassen insbesondere keine rechtsfehlerhaften Feststellungen erkennen. Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. M in seinem Gutachten vom 05.09.2001 (Blatt 143 ff. der Akte) überzeugen. Bei seiner ergänzenden Erläuterung vor dem Senat hat er nachvollziehbar dargelegt, daß die Schilderungen des Zeugen über den zwanghaften Drang zum Spiel schlüssig und nachvollziehbar sind und die Feststellung rechtfertigen, daß sich klare, nicht von Spielsucht beeinträchtigte Phasen im normalen Tagesablauf mit solchen ablösen, die eine freie Willensbildung ausschlössen und ihn zwanghaft veranlaßten, trotz der Spielsperre den Automatensaal der Beklagten aufzusuchen, dem Druck seiner Spielsucht nachzugeben und keine Möglichkeit bestand, diesem Drang entgegenzuwirken. Der Sachverständige hat diesen Phasen der Spielsucht pathologische Qualität beigemessen, aus der sich der Zeuge F nicht selbst habe befreien können. Das zwanghafte Nachgeben und die fehlenden Möglichkeiten der Eigenkorrektur haben jeweils schon vor dem Betreten des Spielsaales vorgelegen und setzen nicht erst nach dem Spielbeginn - also während des Spiels, ein. Aus den Feststellungen des Sachverständigen ergibt sich ferner, daß der Zeuge F gleichwohl in der Lage war, außerhalb der Einflußphsäre der die Sucht auslösenden Impulse Maßnahmen zu ergreifen, um dem von ihm erkannten Mißstand entgegenzuwirken. Dazu gehört das richtunggebende Gespräch mit seinem Sohn wie auch die unmittelbar im Anschluß an einen im Spielsaal verbrachten Abend erfolgte Auftragserteilung an seine Prozeßbevollmächtigte mit dem Ziel, rechtliche Hilfe einzuleiten, um die Spielsperre, an die er offensichtlich Hoffnungen geknüpft hatte, durchzusetzen.

Der Sachverständige hat seine Feststellung, daß die Symptome und Wirkungen der sog. Spielsucht mit denen andere Süchte vergleichbar seien und deshalb von fachlicher Seite die Spielsucht als echte Sucht eingeordnet werde, dahingehend ergänzt, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit hirnorganische Ursachen für den zeitweiligen Ausschluß einer freien Willensbildung verantwortlich sind, nämlich die auf Stimulanz beruhende intensive Ausschüttung sog. Lusttransmitter (Dopamin, Seretonin). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß an der Zuverlässigkeit und Richtigkeit dieser Feststellungen, die von der Berufung auch nicht mehr angegriffen worden sind, zu zweifeln.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.



Ende der Entscheidung

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