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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.12.2001
Aktenzeichen: 13 U 132/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 249 Satz 1
BGB § 249 Satz 2
ZPO § 92
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
Entschließt sich der Geschädigte im Rahmen der Toleranzgrenze von 130 % zur Reparatur des Fahrzeuges, dann kann er den gutachtlich ermittelten Reparaturaufwand auch dann verlangen, wenn er die Reparatur in eigener Regie durchführt, die Kosten also tatsächlich nicht anfallen. Voraussetzung ist allerdings, daß die Reparatur Sach- und fachgerecht ausgeführt wird. Grundlage der Abrechnung bleiben dann die vom Sachverständigen ermittelten Kosten und nicht etwa der tatsächlich entstandene Herstellungsaufwand (entgegen OLG Hamm - 6. Zivilsenat - VRS 98, 64, 65).
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 132/01 OLG Hamm

Verkündet am 17. Dezember 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brück, den Richter am Oberlandesgericht Zumdick und den Direktor des Amtsgerichts Woyte

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das am 1. Juni 2001 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einschließlich der landgerichtlichen Verurteilung 8.500,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 19.10.1999 zu zahlen.

Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin 53 % und der Beklagte 47 %.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 74 % und der Beklagte 26 %.

Es beschwert den Beklagten in Höhe von 3.500,00 DM und die Klägerin um 9.714,26 DM.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin verlangt Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall vom 28. September 1999, für den der beklagte Versicherer unstreitig in vollem Umfang eintrittspflichtig ist.

Das Fahrzeug der Klägerin, ein Mercedes E 300 TD in AMG-Ausstattung erlitt bei dem Unfall einen schweren linksseitigen Streifanstoß, bei dem der gesamte Vorderwagen rechts abgeknickt wurde. Der Sachverständige B ermittelte den Reparaturkostenaufwand auf 47.114,26 DM, die Wertminderung auf 4.000,00 DM, den Wiederbeschaffungswert auf 79.900,00 DM und den Restwert auf 27.000,00 DM. Die Klägerin ließ das Fahrzeug in der Zeit vom 14.10. bis zum 04.11.1999 in der Karrosseriewerkstatt S reparieren. Einzelheiten der Reparatur, insbesondere die Höhe der Reparaturkosten sind nicht bekannt bzw. von der Klägerin nicht mitgeteilt. Das Fahrzeug wurde dann weiter benutzt. Am 04.01.2000 ereignete sich ein weiterer Unfall, der nach Angaben des Kfz-Meisters C Reparaturkosten in Höhe von ca. 9.000,00 DM erforderlich machte. Der Wagen hatte nach dem ersten Unfall bis zum zweiten Unfall ca. 10.000 km zurückgelegt. Ende Januar nach Durchführung der zweiten Reparatur wurde das Fahrzeug veräußert.

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin nach gutachterlich ermittelten Reparaturaufwand oder nur nach dem Wiederbeschaffungsaufwand abrechnen kann.

Der Beklagte hält den Restwert von 27.000,00 DM für zu niedrig und gibt einen Restwert von 47.000,00 DM an. Demgemäß hat der Beklagte bei seiner Abrechnung für das Fahrzeug nur einen Betrag von (Wiederbeschaffungswert in Höhe von 79.900,00 DM abzüglich Restwert in Höhe von 47.000,00 DM =) 32.900,00 DM zugrundegelegt.

Die Klägerin verlangt mit der Klage (Reparaturkosten in Höhe von 47.114,26 DM sowie Wertminderung in Höhe von 4.000,00 DM abzüglich Zahlung des Beklagten in Höhe von 32.900,00 DM =) 18.214,26 DM.

Das Landgericht hat nach Sachverständigenbeweis einen Restwert von 42.000,00 DM zugrundegelegt und weitere 5.000,00 DM zugesprochen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren ursprünglichen Zahlungsantrag weiter verfolgt.

II.

Die Berufung ist zum Teil begründet.

Die Klägerin kann über den vom Beklagten gezahlten Betrag in Höhe von 32.900,00 DM weitere 8.500,00 DM verlangen.

1.

Gemäß § 249 Satz 1 BGB kann der Geschädigte Wiederherstellung des früheren Zustandes verlangen. Dieser frühere Zustand kann sowohl durch Ersatzbeschaffung als auch durch Reparatur wieder hergestellt werden. Der Geschädigte kann die Schadensbehebung selbst, in die Hand nehmen und gemäß § 249 Satz 2 BGB vom Schädiger statt der Wiederherstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag ersetzt verlangen. Grundsätzlich ist der Geschädigte gehalten die wirtschaftlich günstigste Alternative (Wirtschaftlichkeitspostulat) zu wählen. Das bedeutet, daß Reparaturaufwand (Reparaturkosten und Minderwert) mit dem Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) verglichen werden müssen.

Ist der vom Gutachter ermittelte Reparaturaufwand niedriger als der Wiederbeschaffungsaufwand, dann kann der Geschädigte entweder die tatsächlich entstandenen Reparaturkosten oder aber die vom Gutachter ermittelten Reparaturkosten abrechnen. Ob und wie er in diesem zweiten Fall den Schaden beseitigt, bleibt ihm überlassen.

Grundsätzlich bildet der Wiederbeschaffungsaufwand die Obergrenze des zu ersetzenden Schadens. Allerdings wird das Interesse des Geschädigten, sein ihm vertrautes Fahrzeug weiter benutzen zu wollen geschützt. Entschließt sich der Geschädigte, sein Fahrzeug weiter zu benutzen, dann wird dieses Intigritätsinteresse bis zu einer Toleranzgrenze von 130 % geschützt. Bei dieser Toleranzgrenze werden die Reparaturkosten zuzüglich Minderwert mit den Wiederbeschaffungskosten (ohne Berücksichtigung des Restwertes) verglichen. Liegen Reparaturkosten und Minderwert nicht mehr als 30 % über dem Wiederbeschaffungswert dann darf der Geschädigte zu Lasten des Schädigers reparieren (einhellige Meinung, vgl. etwa BGH VersR 92, 61; 92, 64).

Entschließt sich der Geschädigte zu einer Reparatur, dann kann er grundsätzlich den erforderlichen Reparaturkostenaufwand auch dann ersetzt verlangen, wenn er die Reparatur in eigener Regie durchführt, die Kosten also tatsächlich nicht anfallen. Diese Abrechnung auf Reparaturkostenbasis gilt aber nur dann, wenn der Geschädigte nachweist, daß der Schaden auf diese Weise voll beseitigt ist, d.h. daß die Reparatur sach- und fachgerecht durchgeführt worden ist (BGH VersR 92, 710 mit Anmerkung Lemke in r+s 92, 234; Hamm (9. Senat) r+s 96, 100; Düsseldorf r+s 95, 416; Karlsruhe MDR 2000, 697). Hat der Geschädigte nachgewiesen, daß das Fahrzeug sach- und fachgerecht repariert worden ist, dann kann er die vom Sachverständigen ermittelten Instandsetzungskosten auch dann verlangen, wenn er ihre Entstehung im einzelnen nicht belegen kann (BGH VersR 92, 710). Soweit der 6. Senat des OLG Hamm in einer Entscheidung (r+s 98, 64, 65) ausgeführt hat, daß Grundlage der Abrechnung dann der tatsächlich entstandene Herstellungsaufwand sei, so kann dem nicht gefolgt werden. Auch bei einer Reparatur unter Inanspruchnahme der Toleranzgrenze von 130 % bleibt es dabei, daß der Geschädigte grundsätzlich die Wahl hat, ob er nach den tatsächlich entstandenen Reparaturkosten oder aber auf Gutachtenbasis abrechnet. Entscheidend ist allein, daß das Intigritätsinteresse durch die tatsächlich durchgeführte Reparatur belegt wird und das die Reparatur sach- und fachgerecht durchgeführt wird. Kann der Geschädigte dies nachweisen, dann steht einer Abrechnung auf Gutachtenbasis nichts im Wege. Der Geschädigte, der zum Beispiel selbst auf Grund seiner Kenntnisse als Kfz-Mechaniker das Fahrzeug in Eigenregie und unter Aufopferung von Freizeit selbst wieder ordnungsgemäß instand setzt, ist nicht gehalten, diese besonderen Anstrengungen zur Schadenbehebung dem Schädiger zugute kommen zu lassen.

2.

Bei Anwendung dieser Grundsätze gilt hier folgendes:

Das Intigritätsinteresse der Klägerin ist infolge der Weiterbenutzung des Fahrzeuges nicht zweifelhaft. An diesen Weiterbenutzungswillen sind keine großen Anforderungen zu stellen. Die Klägerin hat nach dem ersten Unfall mit dem Fahrzeug weitere 10.000 km zurückgelegt. Weiterhin ist das Fahrzeug tatsächlich repariert worden und war Anfang November wieder hergestellt. Die Klägerin hat dann dieses Fahrzeug sogar noch bis Ende Januar benutzt. Das reicht aus, um das Intigritätsinteresse zu belegen.

Die weitere Voraussetzung, daß das Fahrzeug sach- und fachgerecht instand gesetzt ist, ist dagegen nicht dargetan und bewiesen. Unterlagen zur Reparatur hat die Klägerin nicht vorgelegt. Die Aussage des Zeugen S, in dessen Karrosseriewerkstatt die Reparatur durchgeführt worden ist, war wenig konkret. Der Zeuge konnte sich nicht mehr an viel erinnern und hat im Kern nur versichert, daß ordnungsgemäß repariert worden sein soll. Dies reicht dem Senat nicht aus.

Nach dem Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen U ist bei dem Fahrzeug von einem Restwert in Höhe von 38.500,00 DM auszugehen. Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, daß der Restwert des Fahrzeuges immer in Verbindung mit den zu erwartenden Reparaturkosten steht. Bei einer Reparatur in einer Mercedes Fachwerkstatt, die bekanntermaßen mit hohen Stundenlöhnen kalkuliert, würde sich in der Tat ein Restwert von 27.000,00 DM - so wie vom Sachverständigen B ermittelt - ergeben. Tatsächlich ist aber auf dem freien Markt ein höherer Restwert zu erzielen. Kann ein Aufkäufer mit niedrigeren Stundenlöhnen kalkulieren, dann kann er auch einen höheren Restwert zahlen. Der Sachverständige U hat Restwertangebote eingeholt und hat einen Restwert von 38.500,00 DM ermittelt. Der Senat schließt sich dem an.

Nach alledem kann die Klägerin daher noch (Wiederbeschaffungswert in Höhe von 79.900,00 DM abzüglich Restwert in Höhe von 38.500,00 DM abzüglich geleisteter Zahlungen in Höhe von 32.900,00 DM =) 8.500,00 DM verlangen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 92, 708 Nr. 10, 711, 713, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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