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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 12.02.2001
Aktenzeichen: 13 U 147/00
Rechtsgebiete: ZPO, StVG, PflVG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 539
ZPO § 540
ZPO § 304 Abs. 1
ZPO § 287 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 2
StVG § 7 Abs. 1
StVG § 18 Abs. 1 S. 1
PflVG § 3 Nr. 1 u. 2
BGB § 823
BGB § 842
BGB § 843
BGB § 847 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1
Leitsatz:

Schmerzensgeldkapital von 90.000,00 DM, keine Schmerzensgeldrente bei folgenden Verletzungen einer 70-jährigen Frau:

- Thoraxtrauma mit beiseitigem Hämatothorax

- Spannungspneumothorax

- Lungenquetschung

- stumpfes Bauchtrauma mit Leberriss

- beidseitige Oberschenkeltrümmerfraktur

- Sprunggelenksfraktur rechts

- Fußquetschung links mit zahlreichen Frakturen und ausgedehntem Weichteilschaden

- Lebensgefahr, 1 Monat intensivmedizinische Betreuung

- 9 Operationen, 9 Monate Krankenhaus, 1 1/2. Monate Rehabilitationsbehandlung

- Dauerschaden: starke Gehbehinderung, reaktive Depression aufgrund des Unfalltods des Ehemanns

- bereits vor dem Unfall zu 70 % schwerbehindert


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES GRUND- UND TEILURTEIL

13 U 147/00 OLG Hamm 5 O 65/00 LG Siegen

Verkündet am 12. Februar 2001

Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brück, den Richter am Oberlandesgericht Zumdick und die Richterin am Landgericht Kirchhoff

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 14. Juni 2000 verkündete Teilurteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Siegen wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das angefochtene Urteil wie folgt neu gefaßt wird:

Die Beklagten bleiben verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin ein Schmerzensgeld von 90.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 14. Juni 1998 abzüglich am 1. April 1999 gezahlter 35.000,00 DM zu zahlen.

Im Übrigen bleibt der Klageantrag zu 1) (Schmerzensgeldkapital) abgewiesen.

Die Klageanträge zu 2) (Schmerzensgeldrente) und zu 3) (vererbter Schmerzensgeldanspruch) bleiben abgewiesen.

Die Klageanträge zu 4) (Unterhaltsrente), zu 5) (rückständiger Unterhalt), zu 6) (sonstiger materieller Schadensersatz) und zu 8) (vorgerichtliche Anwaltskosten) sind dem Grunde nach gerechtfertigt.

Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom Juni 1998 auf der B in in O zu ersetzen, materielle Ansprüche nur insoweit, als diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Der Rechtsstreit wird zur Entscheidung über die Höhe der Ansprüche zu 4), 5), 6) und 8) an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden haben wird.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten bleibt nachgelassen, jede Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin ihrerseits zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Parteien können Sicherheit auch durch die unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Sparkasse oder Genossenschaftsbank leisten.

Das Urteil beschwert beide Parteien um jeweils mehr als 60.000,00 DM.

Tatbestand:

Die am Februar 1928 geborene Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz, Schmerzensgeld und Feststellung der Haftung für Zukunftsschäden aus Anlaß eines Verkehrsunfalls in Anspruch, der sich am Juni 1998 auf der B bei O ereignete.

Die Klägerin war angeschnallte Beifahrerin im Pkw VW Golf ihres Ehemannes W. Der Beklagte zu 1) geriet mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw auf die Gegenfahrbahn der B und stieß frontal mit dem entgegenkommenden VW Golf zusammen. Die Klägerin wurde bei dem Unfall schwer verletzt, ihr Ehemann verstarb noch am Unfallort. Die alleinige Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen ist unstreitig.

Die Klägerin erlitt ein stumpfes Thoraxtrauma mit beidseitigem Hämatothorax, linksseitigem Spannungspneumothorax und einer beidseitigen ausgedehnten Lungenquetschung, ein stumpfes Bauchtrauma mit Leberriß, eine offene Oberschenkeltrümmerfraktur links, eine geschlossene Oberschenkeltrümmerfraktur rechts, eine Sprunggelenksfraktur rechts sowie eine Fußquetschung links mit Verrenkung im oberen Sprunggelenk sowie im Fußwurzelmittelfußgelenk, Fersenbeinfraktur, zahlreichen Fußknochenfrakturen und ausgedehntem Weichteilschaden. In einer Notfalloperation wurde der Bauchraum geöffnet und der Leberriß übernäht. Zugleich wurden die Sprunggelenks- und Fußwurzelverrenkungen links eingerenkt und mittels Gipsversorgung ruhiggestellt. Aufgrund des kritischen Gesundheitszustandes der Klägerin wurde sie intensivmedizinisch betreut, in ein künstliches Koma versetzt und künstlich beatmet. Am Juni 1998 erfolgte eine osteosynthetische Versorgung der beiden Oberschenkelfrakturen und am Juni 1998 eine geschlossene Einrichtung der Fußknochenfrakturen links mit Drahtfixation. Eine zwischenzeitlich aufgetretene Lungenentzündung beiderseits wurde erfolgreich behandelt. Da sich der Gesamtzustand der Klägerin anschließend deutlich besserte, konnte sie nach allmählicher Entwöhnung von der künstlichen Beatmung am Juli 1998 auf eine normale Station verlegt werden. Die Klägerin verblieb bis zum Oktober 1998 in stationärer Behandlung, während der am August 1998 die im Bereich des linken Fußes angebrachten Drähte entfernt wurden. Anschließend erfolgte bis zum November 1998 eine stationäre Rehabilitation.

Die Klägerin hat durch den Unfall dauerhafte Schäden erlitten. Sie befindet sich fortlaufend in ärztlicher und physiotherapeutischer Behandlung. Der linke Fuß ist erheblich deformiert und führt zu einer schmerzhaften Gehbehinderung. Die Klägerin kann sich nur mit orthopädischem Schuhwerk und zwei Unterarmgehstützen fortbewegen, innerhalb der Wohnung genügt für kleinere Strecken auch eine Stütze. Die Bauchdeckenmuskulatur ist im Narbenbereich ungenügend, so daß die Klägerin eine elastische Bandage tragen muß. Zudem diagnostizierte der Hausarzt der Klägerin Dr. med. M eine reaktive Depression als Reaktion auf den Verlust des Ehemannes. Das Versorgungsamt hat bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 100 % anerkannt. Vor dem Unfall lag der Grad der Behinderung der Klägerin u.a. aufgrund des Implantats von zwei künstlichen Hüftgelenken und einer Krebserkrankung bei 70 %.

Die Klägerin hat die Beklagten in erster Instanz auf Zahlung eines angemessenen, zeitlich bis zur Klageeinreichung begrenzten Schmerzensgeldkapitals in einer Größenordnung von 160.000,00 DM (Klageantrag zu 1)), einer Schmerzensgeldrente in Höhe von 300,00 DM monatlich (Klageantrag zu 2)), eines angemessenen Schmerzensgeldes für den verstorbenen Ehemann in einer Größenordnung von 7.000,00 DM (Klageantrag zu 3)), einer Unterhaltsrente in Höhe von 1.400,00 DM monatlich (Klageantrag zu 4)), rückständigen Unterhalts in Höhe von 30.100,00 DM (Klageantrag zu 5)), sonstigen materiellen Schadensersatzes in Höhe von 28.395,08 DM abzüglich vorprozessual gezahlter 5.000,00 DM (Klageantrag zu 6)), vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von noch 1.035,18 DM (Klageantrag zu 8)) sowie auf Feststellung der Haftung für sämtliche Zukunftsschäden (Klageantrag zu 7)) in Anspruch genommen. Sie hat sich auf den eigenen Schmerzensgeldanspruch eine vorprozessuale Zahlung der Beklagten zu 2) von 35.000,00 DM anrechnen lassen.

Die Beklagten haben im Rahmen der Begründung ihres Klageabweisungsantrages die Auffassung vertreten, zur Abgeltung der Verletzungen der Klägerin sei ein Schmerzensgeldkapital in Höhe von 40.000,00 DM angemessen. Dieser Anspruch sei bereits vollständig erfüllt, da eine weitere vorprozessuale Zahlung in Höhe von 5.000,00 DM zu berücksichtigen sei. Die geltend gemachten materiellen Schäden seien nicht entstanden.

Das Landgericht hat die Beklagten mit dem angefochtenen Teilurteil zur Zahlung eines zeitlich unbegrenzten Schmerzensgeldes in Höhe von 90.000,00 DM abzüglich bereits gezahlter 35.000,00 DM verurteilt (Klageantrag zu 1)) und die Haftung der Beklagten für sämtliche Zukunftsschäden festgestellt (Klageantrag zu 7)). Die Anträge auf Zahlung einer Schmerzensgeldrente (Klageantrag zu 2)) und eines Schmerzensgeldes für den verstorbenen Ehemann der Klägerin (Klageantrag zu 3)) hat das Landgericht abgewiesen. Über die Anträge zu 4)-6) und 8) hat das Landgericht nicht entschieden.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie rügt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, das Landgericht habe die Schwere ihrer erlittenen Verletzungen zwar erkannt, bei der Bemessung des Schmerzensgeldes aber nicht ausreichend gewürdigt. Durch den Unfall seien ihre vorherige Selbständigkeit und ihre Teilnahme im gesellschaftlichen Leben mit der damit verbundenen Lebensfreude praktisch völlig verloren gegangen. Dies wiege gerade in ihrem Alter besonders schwer und rechtfertige ein Schmerzensgeldkapital in Höhe von 160.000,00 DM. Aufgrund des ständigen Erlebens der schweren unfallbedingten Folgen sei auch eine Schmerzensgeldrente berechtigt.

Die Klägerin beantragt, teilweise abändernd,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nebst 4 % Zinsen seit dem 14. Juni 1998 abzüglich am 1. April 1999 gezahlter 35.000,00 DM zu verurteilen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 300,00 DM ab dem 14. Juni 1998 vierteljährlich im voraus zum 1. Januar, 1. April, 1. Juli und 1. Oktober eines jeden Jahres nebst 4 % Zinsen seit dem 14. Juni 1998 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat die Klägerin persönlich gehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen G. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Sie führt jedoch zu einer Grund- und Teilentscheidung und einer teilweisen Zurückverweisung an das Landgericht.

I.

Das angefochtene Urteil leidet an einem Verfahrensmangel. Der Erlaß des Teilurteils war unzulässig. Ein Teilurteil (§ 301 ZPO) darf nur ergehen, wenn die Entscheidung über den Teil unabhängig davon ist, wie das Schlußurteil über den Rest des noch anhängigen Streitgegenstands entscheidet. Es darf nicht die Gefahr bestehen, daß es im Teil- und Schlußurteil zu widersprüchlichen Entscheidungen kommt (st. Rspr., vgl. z.B. BGHZ 107, 236, 242).

Diese Gefahr ist hier gegeben. Die Klägerin macht mit ihrer Klage mehrere Ansprüche geltend, die aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitet werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß im Verlauf der weiteren Verhandlung über die von dem Teilurteil nicht erfaßten Ansprüche abweichende Erkenntnisse über die - bislang unstreitige - vollständige Einstandspflicht der Beklagten für die unfallbedingten Schäden der Klägerin zutage treten. Diese Gefahr macht den Erlaß eines Urteils über nur einen Teil der miteinander verbundenen Klageansprüche unzulässig (BGH NJW 1997, 3447; VersR 1997, 601; VersR 2000, 467; Senat VersR 2000, 1515 = NZV 2001, 41).

II.

Der Verfahrensmangel nötigt nicht dazu, das angefochtene Urteil gem. § 539 ZPO in vollem Umfang aufzuheben. Der Senat kann zum Teil selbst entscheiden und hält dies auch für sachgerecht, § 540 ZPO.

Zwar ist eine abschließende Entscheidung über den gesamten Rechtsstreit nicht möglich, da die mit den Klageanträgen zu 4), 5), 6) und 8) geltend gemachten Ansprüche bestritten sind und darüber noch Beweis zu erheben ist. Eine eigene Beweisaufnahme hält der Senat nicht für sachdienlich, weil den Parteien damit eine Instanz genommen würde. Der Senat kann aber über den Grund der Ansprüche selbst entscheiden, da insoweit Entscheidungsreife besteht. Die Beklagten sind der Klägerin unstreitig zum vollständigen Ausgleich ihres unfallbedingten materiellen und immateriellen Schadens verpflichtet, §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 1 StVG, 3 Nr. 1 und 2 PflVG, 823, 842, 843, 847 Abs. 1 BGB. Dem Erlaß eines Grundurteils steht nicht entgegen, daß die Einstandspflicht der Beklagten unstreitig ist. Die geltend gemachten materiellen Schadensersatzansprüche sind nach Grund und Betrag streitig i.S.v. § 304 Abs. 1 ZPO. Denn die Beklagten bestreiten, daß der Klägerin die geltend gemachten materiellen Schäden, insbesondere der Unterhaltsschaden, überhaupt entstanden sind. Diese Frage betrifft den Grund des Anspruchs (vgl. BGH VersR 1989, 603). Entsprechend der übereinstimmenden Erklärung der Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist aber in hohem Maße wahrscheinlich, daß die geltend gemachten Ansprüche auch unter Berücksichtigung der Einwendungen der Beklagten mindestens in Höhe von jeweils 1,00 DM bestehen. Über die Höhe der Ansprüche im einzelnen hat das Landgericht zu entscheiden.

III.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung eines über 90.000,00 DM hinausgehenden Schmerzensgeldkapitals aus §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB, 3 Nr. 1 und 2 PflVG.

Das gem. § 287 Abs. 1 ZPO nach billigem Ermessen zu bestimmende Schmerzensgeld dient in erster Linie als Ausgleich für die erlittenen physischen und psychischen Beeinträchtigungen. Nach den vorliegenden ärztlichen Berichten und Gutachten, deren Richtigkeit der Senat zugunsten der Klägerin zugrundegelegt hat, hat sich die Klägerin bei dem Verkehrsunfall schwerste Verletzungen zugezogen. Sie schwebte in Lebensgefahr und mußte einen Monat intensivmedizinisch betreut werden. Diese kritische Situation hat die Klägerin allerdings nicht bewußt wahrgenommen, da sie die ersten drei Wochen nach dem Unfall in ein künstliches Koma versetzt wurde. Die Verletzungen haben bisher 4 Operationen erforderlich gemacht. Die Klägerin befand sich 4 Monate in stationärer Krankenhausbehandlung und eineinhalb Monate in stationärer Rehabilitationsbehandlung. Trotz des zufriedenstellenden Heilungsverlaufs sind erhebliche Dauerschäden verblieben. Die Klägerin ist insbesondere stark gehbehindert. Hinzu kommt eine reaktive Depression aufgrund des Unfalltods ihres Ehemannes.

Der Senat verkennt nicht, daß die dargestellten Verletzungsfolgen zu gravierenden Veränderungen in der Lebensführung der Klägerin geführt haben. Die Klägerin ist aufgrund ihrer Gehbehinderung jetzt bei vielen Geschäften des täglichen Lebens auf fremde Hilfe angewiesen und in ihren Freizeitaktivitäten deutlich eingeschränkt. Diese Einschränkung in ihrer Selbständigkeit und die depressive Reaktion auf den Tod des Ehemannes haben zu einer massiven Verringerung ihrer Lebensfreude geführt. Hiervon hat sich der Senat durch die persönliche Anhörung der Klägerin und die Vernehmung des Zeugen G überzeugt. Das Landgericht hat bei der Bemessung des angemessenen Schmerzensgeldes aber zu Recht berücksichtigt, daß die Klägerin zum Unfallzeitpunkt bereits 70 Jahre alt war. Dauerschäden rechtfertigen bei jungen Menschen, die ihr Leben weitgehend noch vor sich haben, ein deutlich höheres Schmerzensgeld als bei älteren Menschen mit einem kürzeren Leidensweg (BGH VersR 1978, 36; VersR 1991, 350). Desweiteren war die Klägerin bereits vor dem Unfall aufgrund der Implantation von zwei künstlichen Hüftgelenken und einer Krebserkrankung zu 70 % schwerbehindert. Der Zeuge G hat bestätigt, daß die Klägerin in ihrer Mobilität eingeschränkt war und diejenigen Hausarbeiten, die mit längeren Wegen oder Kraftaufwand verbunden waren, von dem Ehemann erledigt wurden.

Der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes kann lediglich eine untergeordnete Bedeutung beigemessen werden. Die Tatsache, daß der Beklagte zu 1) auf der Gegenfahrbahn frontal mit dem Pkw des Ehemannes der Klägerin zusammengestoßen ist, deutet zwar auf ein erhebliches Verschulden des Beklagten zu 1) hin. Nähere Einzelheiten sind hierzu jedoch nicht dargelegt.

Bei Abwägung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls bewegt sich das vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 90.000,00 DM im Rahmen der Schmerzensgeldbeträge, die von der Rechtsprechung bei ähnlich gelagerten Sachverhalten zuerkannt worden sind. Die Schmerzensgeldvorstellung der Klägerin von 160.000,00 DM übersteigt die Grenze der Angemessenheit dagegen deutlich.

IV.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Schmerzensgeldrente. Grundsätzlich ist, auch bei schweren Schäden, das Schmerzensgeld in Kapitalform zuzusprechen. Schmerzensgeld in Form von Kapital und Rente kommt nach ständiger Rechtsprechung nur in Betracht, wenn schwerste, lebenslange Beeinträchtigungen des Geschädigten immer wieder erneut und immer wieder schmerzlich empfunden werden. Durch die Rente soll der Verletzte in die Lage versetzt werden, seinen Beeinträchtigungen durch zusätzliche Erleichterungen und Annehmlichkeiten ihre Schwere zu nehmen. Dabei darf der Gesamtwert des Kapitalbetrags und der Rente nicht die Größenordnung des Schmerzensgeldes überschreiten, das im Fall einer alleinigen Kapitalentschädigung angemessen wäre (BGH VersR 1957, 383; Senatsurteil vom 20.09.1995 - 13 U 198/94 -; Senat VersR 1990, 909).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die nach dem Unfall verbliebenen Dauerschäden sind bereits - ohne daß der Senat ihre erheblichen Auswirkungen auf das Leben der Klägerin verkennt - nicht derart schwerwiegend, daß sie eine Schmerzensgeldrente rechtfertigen. Dies wird von der Rechtsprechung in erster Linie bei jungen Menschen bejaht, deren weitere gesundheitliche Entwicklung aufgrund schwerster Verletzungen noch nicht überschaubar ist, oder bei Verletzten, die z.B. durch eine Querschnittslähmung, eine Erblindung oder massive Gehirnschäden außerordentlich tiefgreifend geschädigt und aus der normalen Lebensbahn geworfen wurden. So liegt der Fall hier nicht. Die Klägerin befindet sich in fortgeschrittenem Alter. Der Heilungsverlauf ist weitgehend abgeschlossen. Die Klägerin kann sich noch selbständig fortbewegen.

Zudem würde bei Zuerkennung einer Rente die Größenordnung des Schmerzensgeldes überschritten, das im Fall einer alleinigen Kapitalentschädigung angemessen wäre. Eine Rente von 300,00 DM pro Monat entspricht angesichts des Alters der Klägerin von 70 Jahren zum Unfallzeitpunkt und einem Zinssatz von 5-6 % einem Kapitalwert von etwa 34.400,00 DM bis 32.200,00 DM. Das würde angesichts des bereits rechtskräftig zuerkannten Schmerzensgeldkapitals von 90.000,00 DM zu einem Gesamtschmerzensgeld von ca. 120.000,00 DM führen. Dies überschreitet die Grenze der Angemessenheit.

V.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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