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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.02.2001
Aktenzeichen: 13 U 159/00
Rechtsgebiete: SGB VII, ZPO, BGB, StVG, PflVG


Vorschriften:

SGB VII § 106 Abs. 3
SGB VII § 109 Abs. 1
SGB VII § 105 Abs. 1
SGB VII § 106 Abs. 3, 3. Fall
SGB VII § 105 Abs. 1 S. 2
SGB VII § 4 Abs. 1 Nr. 1
SGB VII § 104 Abs. 1
SGB VII § 105
SGB VII § 104
SGB VII § 9 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 538 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 138 Abs. 4
ZPO § 287 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 259 Abs. 1
BGB § 897 Abs. 1
BGB § 847 Abs. 1
BGB § 831 Abs. 1
BGB § 840 Abs. 1
BGB § 831 Abs. 1 S. 2
StVG § 7 Abs. 1
PflVG § 3 Nr. 1
PflVG § 2
Leitsatz:

1.)

Eine gemeinsame Betriebsstätte iSd § 106 Abs. 3 SGB VII, die ein bewußtes und gewolltes Ineinandergreifen bei einzelnen Maßnahmen erfordert, liegt dann nicht vor, wenn der Geschädigte ein Tor öffnet, um einen LKW durchfahren zu lassen und dann der LKW-Fahrer beim Durchfahren des Tors mit dem Ladekran hängenbleibt, so daß der Torbogen zusammenbricht und zu erheblichen Verletzungen des Geschädigten führt.

2.)

Ist der Geschädigte ein Beamter, dann scheidet eine Haftungsprivilegierung des Schädigers gem. § 106 Abs. 3 SGB VII aus. Ein Beamter ist kein Versicherter im Sinne dieser Vorschrift.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES GRUND- UND TEILURTEIL

13 U 159/00 OLG Hamm 1 O 509/99 LG Arnsberg

Verkündet am 7. Februar 2001

Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brück, den Richter am Oberlandesgericht Zumdick und den Richter am Amtsgericht Walter

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 25. Mai 2000 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts abgeändert.

Das Schmerzensgeldbegehren des Klägers (Berufungsantrag zu 1) ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Der Berufungsantrag zu 2) (materieller Ersatz) ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 1998 zu ersetzen; materielle Ansprüche nur, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Der Rechtsstreit wird zur Entscheidung über die Höhe der Berufungsanträge zu 1) und 2) an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden haben wird.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Beklagten in Höhe von 78.122,12 DM.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von den Beklagten materiellen und immateriellen Schadenersatz sowie Feststellung der Ersatzpflicht aufgrund eines Unfalls am 1998 in W.

Der am 4.6.1996 geborene Kläger war und ist als beamteter Justizvollzugshauptsekretär Bediensteter der Justizvollzugsanstalt W.

Am 1998 morgens bei Dämmerung fuhr der bei der Beklagten zu 2) angestellte Beklagte zu 1) mit einem LKW nebst Kranauflieger der Beklagten zu 2), welcher bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert war, auf das Gelände der JVA. Es sollten im Auftrag der JVA Streusalz und Granulat angeliefert werden. Um in das Innere der JVA zu gelangen, mussten mehrere Tore durchfahren werden. Der Kläger war an diesem Tag für die Begleitung des Ladeverkehrs eingeteilt. Er stieg in den Lkw vom Beklagten zu 1) geführten Lkw ein und veranlasste bei den elektrisch zu Öffnenden Toren durch Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Überwachungspersonal per Funk die Öffnung der Tore. Das fünfte zu passierende Tor konnte aus Sicherheitsgründen, weil es einen Innenhof abriegelte, der von Gefangenen betreten wurde, nicht per Funkanforderung automatisch geöffnet werden. Der Kläger stieg daher aus dem Lkw aus und betrat den Innenhof, indem er eine Fußgängertür öffnete. Sodann schloss er das Schiebetor auf, schob es zur Seite und stellte sich neben einen Mauervorsprung am Tor. Beim Durchfahren des Torbogens stieß der LKW mit dem Ladekran gegen den oberen Torbogen, wodurch dieser zusammenbrach und Mauerteile auf den Kläger fielen. Wegen der Unfallörtlichkeiten wird auf die Lichtbilder Schutzhülle 58 d.A. Bezug genommen.

Der Kläger erlitt aufgrund des Unfallgeschehens einen zweitgradig offenen Schienenbein- und Wadenbeinbruch im mittleren Drittel rechts, der operativ (Einbringung eines Tibianagels mit Verriegelung) versorgt wurde. Der Kläger war unfallbedingt mehrfach in stationärer Behandlung und zwar in der Zeit vom 5.11.1999 bis zum 30.11.1998 (Bericht Bl. 16, 17 d.A.), 28.12. bis 25.1.1999 (Anschlussheilbehandlung in der Klinik S) 18.3. bis 24.3.99 (Bericht Bl. 18, 19 d.A.) und 13.6. bis 17.6.2000 (Metallentfernung, vgl. Bl. 137 d.A.). Die Knochenverletzung wurde darüber hinaus ambulant behandelt (ärztliche Bescheinigungen Bl. 63, 65 d.A.). Die Heilbehandlung verlief nicht komplikationslos; während des stationären Krankenhausaufenthalts vom 18.3. bis zum 24.3.1999 wurde zur Sicherstellung der knöchernen Konsolidierung eine Decortikation des Knochens sowie eine partielle Knochenresektion eines ausgesprengten Knochenfragments durchgeführt. Zudem befindet sich der Kläger seit dem 18.2.1999 in ambulanter nervenärztlicher Betreuung. Nach den Bescheinigungen des behandelnden Arztes S leidet der Kläger an durch den Unfall ausgelösten posttraumatischen Störungen (Bl. 22, 23; 66; 91, 166, 167 d.A.), die eine Dienstunfähigkeit begründeten. Der Kläger übt bis heute seinen Dienst nicht aus. Mit Bescheid vom 14.9.1999 bewertete das Versorgungsamt S den Grad der Behinderung des Klägers mit 50 % (Bl. 26 d.A.); mit Bescheid vom 23.10.2000 bestätigte das Versorgungsamt den Behinderungsgrad (Bl. 162 d.A.). In dem fachorthopädisch-traumatologischen Gutachten des Dr. A vom 20.7.00 (Bl. 124 f. d.A.) wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit ab dem 20.7.2000 auf 30 % und nach Abschluss des zweiten Unfalljahres auf 20 % geschätzt.

Gemäß ärztlicher Bescheinigung des Dr. B vom 15.01.2001 (Bl. 164, 165 d.A.) befindet sich der Kläger weiterhin wegen posttraumatischer belastungsabhängiger Schmerzen in ambulanter ärztlicher Behandlung.

Der Kläger hat behauptet, er habe nur die Aufgabe gehabt, durch das Öffnen und Schließen der Tore dem LKW die Durchfahrt zu ermöglichen und für die notwendige Sicherheit zu sorgen. Er, der Kläger, habe den Beklagten zu 1) in keiner Weise beim Durchfahren der Tore durch Einweisungen oder andere Maßnahmen unterstützt.

Der Unfall habe bei ihm posttraumatische Störungen ausgelöst. Er leide weiterhin an den psychischen und physischen Folgen des Unfalls und sei deshalb auf unabsehbare Zeit dienstunfähig. Der Kläger hat ein Schmerzensgeld von mindestens 65.000 DM für angemessen gehalten. Den materiellen Schadenersatzanspruch in Höhe von 3.122,12 DM hat er mit durch ärztliche Behandlungen ausgelöste Begleitkosten begründet (Aufstellung Bl. 90 d.A.).

Der Kläger hat beantragt,

I.

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 1998 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen;

II.

hilfsweise,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines in das Ermessen der Kammer gestellten Teilschmerzensgeldes nebst 4 % Zinsen seit dem 1.1.1999 zu verurteilen, und zwar zeitlich begrenzt bis zur letzten mündlichen Verhandlung 1. Instanz;

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche weiteren materiellen und zukünftigen immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 1998 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen,

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung des Betrages von 3.122,12 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, der Kläger habe den Beklagten zu 1) jeweils durch die Tore gelotst. Das fünfte Tor sei schmal gewesen. Der Kläger habe dem Beklagten zu 1) signalisiert, dass er weiterfahren könne. Daraufhin sei der Beklagte zu 1) gefahren und mit dem oberen Bereich des LKW gegen das Mauerwerk gestoßen. Die Beklagten haben bestritten, dass der Kläger arbeitsunfähig sei und gravierende Folgebeschwerden bestünden.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 25.5.2000 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, Ansprüche des Klägers seien gem. § 106 Abs. 3 SGB VII ausgeschlossen, weil der Kläger und der Beklagte zu 1) auf einer gemeinsamen Betriebsstätte tätig gewesen seien.

Gegen dieses Urteil, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 97 bis 101 d.A. Bezug genommen wird, wendet sich die Berufung des Klägers. Er greift unter Wiederholung und Vertiefung des Vorbringen erster Instanz die rechtliche Würdigung des Landgerichts an.

Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 1) sei als Platzmeister bei der Beklagten zu 2) beschäftigt gewesen; es werde bestritten, dass der Beklagte zu 1) von der Beklagten zu 2) ordnungsgemäß ausgesucht und beaufsichtigt worden sei.

Zu den Unfallfolgen trägt der Kläger vor, er sei nach wie vor dienstunfähig und auf unabsehbare Zeit arbeitsunfähig krank geschrieben.

Nach einem entsprechenden Hinweis des Senats hat der Kläger die Klage geändert und beantragt nunmehr unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 1.1.1999 zu zahlen,

2.

die Beklagten darüber hinaus als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 3.122,12 DM nebst 4 % Zinsen seit Zustellung des Schriftsatzes vom 22.5.2000 zu zahlen,

3.

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche zukünftige materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 1998 in W zu ersetzen; die materiellen Schäden nur, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen die rechtlichen Ausführungen des Landgerichts. Die Beklagten sind der Auffassung, dass ein Haftungsausschluss eingreife und tragen hilfsweise vor, die Beklagte zu 2) hafte nicht für immaterielle Schäden, weil sie den Beklagten zu 1) ordnungsgemäß ausgewählt und stetig beaufsichtigt sowie belehrt habe. Sämtliche Bestimmungen über den Betrieb der vom Beklagten zu 1) geführten Fahrzeuge seien diesem regelmäßig ausgehändigt worden. Der Beklagte zu 1) sei verkehrsrechtlich nicht auffällig gewesen. Außerdem sei dem Kläger ein Mitverschulden vorzuwerfen, weil er im Bereich des Torbogens stehen geblieben sei. Die immateriellen Schäden blieben bestritten. Die materiellen Schäden bestreiten die Beklagten mit Nichtwissen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt des gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat den Kläger und den Beklagten zu 1) persönlich angehört. Bezüglich des Ergebnisses der Parteianhörung wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks vom 7.2.2001 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld und Ersatz von nicht auf Dritte übergegangenen materiellen Schäden zu (I. bis IV.); da eine Entscheidungsreife bezüglich des Betrages der Ansprüche nicht besteht, ist insoweit der Rechtsstreit gem. § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen (V.).

Das Feststellungsbegehren zu 3. der Berufungsanträge ist zulässig und begründet (VI.).

I.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten zu 1) gem. § 823 Abs. 1 BGB dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz der materiellen Schäden aus dem streitgegenständlichen Unfall zu.

1.

Der Beklagte zu 1) hat rechtswidrig und schuldhaft den Körper und die Gesundheit des Klägers verletzt.

Denn er fuhr mit dem LKW durch den zu niedrigen Torbogen ohne sich zuvor vergewissert zu haben, ob dieser unter Berücksichtigung des auf dem Lkw montierten Ladekrans eine ausreichende Höhe aufwies. Als Fahrer war der Beklagte zu 1) zu einer gründlichen Überprüfung verpflichtet. Notfalls hätte er die Hilfe Dritter in Anspruch nehmen müssen, um seinen Sorgfaltspflichten zu genügen, was aber, wie der persönlich angehörte Beklagte zu 1) eingeräumt hat, nicht geschah. Folge des sorgfaltswidrigen Durchfahrens der Toröffnung war der Zusammenbruch des Mauerwerks und die hierdurch verursachte Verletzung des Klägers.

2.

Entgegen der Ansicht der Beklagten muss sich der Kläger nicht ein Mitverschulden gem. § 259 Abs. 1 BGB anrechnen lassen.

Der Kläger hat keine Sorgfaltspflicht verletzt. Denn er war als für den Iransport eingeteilte Begleitperson dienstlich verpflichtet, sich in unmittelbarer Nähe des Torbogens aufzuhalten, um aus Sicherheitsgründen das Tor sofort nach Durchfahren des Torbogens durch den Lkw wieder abschließen zu können. Dies war auch besonders deshalb angezeigt, weil der vom Tor abgeriegelte Innenhof von Insassen der JVA betreten werden konnte. Der Kläger konnte und durfte darauf vertrauen, dass der Beklagte zu 1) als verantwortlicher, mit dem Lkw vertrauter Fahrer und damit Fachkraft das Höhenmaß richtig einschätzen und nur dann fahren werde, weine dies gefahrlos möglich sei.

II.

Der Beklagte zu 1) ist weiterhin gem. § 897 Abs. 1 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB dem Grunde nach verpflichtet, dem Kläger ein Schmerzensgeld zu zahlen.

Wie vorangehend ausgeführt, haftet der Beklagte zu 1) gem. § 823 Abs. 1 BGB im vollen Umfang. Infolge des deliktischen Handelns hat der Kläger eine - hinsichtlich der primären Folgen unstreitige - erhebliche Körperverletzung erlitten, die einen Schmerzensgeldanspruch begründet.

III.

Dem Kläger steht darüber hinaus gegen die Beklagte zu 2) dem Grunde nach ein Schadenersatzanspruch auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden zu.

1.

Soweit es um den Ersatz materieller Schäden geht, folgt die Haftung der Beklagten bereits aus § 7 Abs. 1 StVG, weil die Schädigung beim Betrieb des von ihr gehaltenen Lkw verursacht wurde.

2.

Die Beklagte zu 2) ist darüber hinaus gem. §§ 847 Abs. 1, 831 Abs. 1, 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldnerin neben dem Beklagten zu 1) zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an den Kläger verpflichtet.

a)

Der Beklagte zu 1) war als Angestellter der Beklagten zu 2) deren Verrichtungsgehilfe und schädigte bei Ausführung der Verrichtung widerrechtlich und objektiv sorgfaltswidrig den Kläger.

b)

Die Beklagte zu 2) ist nicht gem. § 831 Abs. 1 S. 2 BGB von der Haftung befreit.

Wegen der großen Gefahren, die von dem Führen eines Kraftfahrzeuges ausgehen, sind strenge Anforderungen an die Auswahl und Überwachung eines Fahrzeugführers zu stellen (vgl. hierzu etwa BGH r + s 1997, 364; OLG Hamm NJW-RR 1998, 1402, 1403; Palandt-Thomas, 60. Auflage, Rnr. 13, 14 zu § 931 BGB).

Das Vorbringen der darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten ist nicht geeignet, eine Entlastung zu begründen. Denn es erschöpft sich in pauschalen, substanzlosen Angaben allgemeiner Art, die es dem Senat mangels eines konkreten Tatsachenvortrages nicht ermöglichen zu beurteilen, ob die Beklagte zu 2) im ausreichenden Maße ihren Auswahl- und Überwachungspflichten nachgekommen ist. So hat die Beklagte beispielsweise nicht dargelegt, wann zuletzt und in welcher Art und Weise eine Kontrolle des Beklagten zu 1) stattfand.

Im übrigen hat die Beklagte trotz des Bestreitens des Klägers keinen Beweis für ihre diesbezüglichen Behauptungen angetreten.

III.

Gem. § 3 Nr. 1, 2 PflVG hat die Beklagte zu 3) als Haftpflichtversicherer des schadensursächlichen Lkw für die gegen die Beklagten zu 1) und 2) bestehenden Ansprüche als Gesamtschuldnerin einzustehen.

IV.

Die Geltendmachung der oben angeführten Ansprüche ist nicht gem. §§ 109 Abs. 1, 105 Abs. 1, 106 Abs. 3, 3. Fall SGB VII ausgeschlossen.

1.

Ein Haftungsausschluss gem. § 109 Abs. 1 SGB VII (im Verhältnis zur Beklagten zu 2)] und § 105 Abs. 1 SGB VII (im Verhältnis zum Beklagten zu 1)] besteht nicht, weil der Kläger nicht wie der Beklagte zu 1) im Betrieb und Unternehmen der Beklagten zu 2) zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses tätig war.

§ 105 Abs. 1 SGB VII regelt die Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen. Er greift bei Menschen ein, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebes verursacht haben. Gem. § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII sind ebenso Geschädigte, die gem. § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherungsfrei sind, also auch Beamte, von der Haftungseinschränkung erfasst. Eine entsprechende Regelung findet sich in § 104 Abs. 1 SGB VII, der die Haftungsbeschränkung des Unternehmers zum Gegenstand hat, wobei hier nicht auf eine Tätigkeit im Betrieb, sondern auf eine solche für das Unternehmen abgestellt wird.

Ist - wie vorliegend - der Betroffene Angehöriger eines anderen Unternehmens, kommt es für die Zuordnung der Tätigkeit darauf an, ob diese dem Aufgabenbereich des Unfallbetriebes und nicht dem des Stammbetriebes unterfällt (vgl. OLG Hamm r + s 2000, 286, 287 und OLG Karlsruhe VersR 2000, 99, 100).

Nach der persönlichen Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 1) im Senatstermin am 7. Februar 2001 steht fest, dass der Kläger zum Zeitpunkt des schadensstiftenden Ereignisses ausschließlich für seinen Diensthernn und nicht für die Beklagte zu 2) arbeitete: Der Kläger schloss in Ausführung seines ihm zugewiesenen Aufgabenbereiches als sichernde Begleitperson für Transporte im Bereich der JVA das Tor auf. Er beteiligte sich in keiner Weise weder an einer fahrerischen noch einer Belade- oder Entladetätigkeit des Beklagten zu 1).

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist auch nicht gem. § 106 Abs. 3, 3. Fall SGB VII eine Haftungsbeschränkung gegeben.

§ 106 Abs. 3, 3. Fall SGB VII beschränkt die Haftung in Erweiterung von § 105 SGB VII, wenn Versicherte verschiedener Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichten.

a)

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 17.10.2000, VI ZR 67/00), die mit der restriktiven Auslegung des § 106 Abs. 3, 3. Fall SGB VII durch den Senat übereinstimmt (vgl. Urteil vom 15.12.1999, 13 U 116/99), erfasst die Vorschrift über die Fälle der Arbeitsgemeinschaften hinaus (nur) betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrere Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt.

Eine betriebliche Tätigkeit im oben genannten Sinne lag dem Unglücksfall nicht zugrunde.

Wie bereits vorangehend dargelegt, war der Kläger ausschließlich zur Wahrnehmung seines eigenen Arbeitsbereiches tätig geworden. Seine Aufgabe bestand darin, dem Beklagten zu 1) die Zufahrt auf das Gelände der JVA zu ermöglichen und dabei die Sicherheitsbelange seines Dienstherrn zu wahren. Der Beklagte zu 1) halte den Auftrag, die Ladung auf das Gelände der JVA zu verbringen und dort abzuladen. Der Kläger wirkte nicht an der Arbeit des Beklagten zu 1) mit. Er half ihm weder beim Fahren noch bei einer Be- und Entladetätigkeit. Ein Zusammenhang zwischen den beiden Aufgabenbereichen bestand nur insoweit, als der Beklagte zu 1) nicht zu seinem Zielort ohne die Öffnung der Tore gelangen konnte. Eine solche, nur den äußeren Rahmen der einzelnen Tätigkeiten bildende objektive Abhängigkeit genügt zur Verwirklichung einer gemeinsamen Betriebsstätte nicht. Wie sich aus der Bestimmung der Begriffs "gemeinsame Betriebsstätte" durch den BGH ergibt, ist entscheidend auf die objektive und subjektive Verknüpfung bei einzelnen Maßnahmen abzustellen. Beim Durchfahren des Tores hat der Kläger in keiner Weise in den Tätigkeitsbereich des Beklagten zu 1) eingewirkt. Er hielt sich zum Zeitpunkt des Unglücks nur deshalb in der Nähe des LKW und damit des Arbeitsumfeldes des Beklagten zu 1) auf, weil er hierzu in Ausübung seiner dienstlichen Verrichtung verpflichtet war. Er konnte sich nur aus diesem Grunde der von dem Lkw ausgehenden Gefährdung nicht entziehen; ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken zwischen ihm und dem Beklagten zu 1) bestand nicht.

Die Anwendung des § 106 Abs. 3, 3. Fall SGB VII in einer solchen Lage führte nach Auffassung des Senats zu einer - auch im Hinblick auf die berechtigten Interessen des Geschädigten - unangemessenen und verfassungsrechtlich bedenklichen Ausweitung der Haftungsbeschränkung. Sie hätte zur Folge, dass in einer unübersehbaren Vielzahl von - gerade auch alltäglichen - Fällen die Haftungsbeschränkung wirksam würde mit dem Resultat einer Haftungsverlagerung von den Haftpflichtversicherern auf die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, welche von der Solidargemeinschaft der Versicherten finanziert werden.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber in der dritten Alternative des § 106 Abs. 3 SGB VII eine derartig weitgehende Regelung treffen wollte.

b)

§ 106 Abs. 3, 3. F. SGB VII greift darüber hinaus deshalb nicht ein, weil der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls Beamter war.

Die Norm setzt für die entsprechende Anwendung der §§ 104, 105 SGB VII voraus, dass auf beiden Seiten Versicherte i.S. des SGB VII tätig sind. Eine Erweiterung des Haftungsausschlusses auf Nichtversicherte entsprechend § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII ist nicht angeordnet. Diese unterschiedliche Bestimmung der vom Haftungsausschluss Betroffenen findet eine Erklärung darin, dass es bei § 106 Abs. 3, 3. Fall SGB VII an dem Anknüpfungspunkt der Betriebsgemeinschaft fehlt; hier wirkt als Begründung für die Beschränkung der Haftung nur die Solidargemeinschaft der Unfallversicherten.

Beamte gehören gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nicht zum Kreis der Versicherten i.S. des SGB VII. § 106 Abs. 3, 3. f. SGB VII findet daher keine Anwendung, wenn auf der einen oder anderen Seite ein Beamter beteiligt ist (vgl. Kater/Leube, SGB VII, Rnr. 20 zu § 106 SGB VII).

V.

Soweit Leistungsanträge Gegenstand der Klage sind, hat der Senat gem. § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO über die Ansprüche dem Grunde nach entschieden und im übrigen den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.

Gem. § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hat das Berufungsgericht die Sache, insofern ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen, wenn im fall eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist.

1.

Das Landgericht hat wegen der Befürwortung eines Haftungsausschlusses auch die Leistungsanträge für unbegründet erachtet, ohne über die Höbe der Ansprüche zu entscheiden.

2.

Sowohl der Schmerzensgeldanspruch als auch der Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens waren dem Grunde und der Höhe nach in erster Instanz streitig:

Neben der Geltendmachung des Haftungsausschlussses haben die Beklagten in erster Instanz ausdrücklich die Höhe des nach den Vorstellungen des Klägers mindestens mit 65.000 DM zu beziffernden Schmerzensgeldes angegriffen, indem sie bestritten haben, dass der Kläger dienstunfähig sei und gravierende Folgeschäden bestünden.

Bezüglich des materiellen Schadenersatzanspruches fehlt es zwar an einem ausdrücklichen Bestreiten; indessen kann dem Akteninhalt der gem. § 138 Abs. 3 ZPO ausreichende Wille der Beklagten zu bestreiten entnommen werden. Der den Leistungsantrag enthaltende Schriftsatz vom 22.5.2000 wurde dem Beklagtenvertreter erst in der letzten mündlichen Verhandlung am 25.5.2000 ausgehändigt. Die Beklagten beantragten daraufhin Klageabweisung. Eine Möglichkeit, den Inhalt des Schriftsatzes mit der notwendigen Gründlichkeit zu prüfen, bestand in dieser Lage für die Beklagten nicht. Nach alledem kann bei verständiger Würdigung aus dem uneingeschränkten Klageabweisungsantrag nur der Wille der Beklagten entnommen werden, auch die Höhe des geltend gemachten Schadenersatzanspruches zu bestreiten. Ein bloßes Bestreiten war zudem gem. § 138 Abs. 4 ZPO statthaft, weil die Schadenspositionen nicht einen Gegenstand eigener Wahrnehmung darstellten.

Der Erlass eines Grundurteils ist auch im übrigen statthaft. Denn es ist im hohen Maße wahrscheinlich, dass die gegenständlichen Ansprüche in irgendeiner Höhe bestehen.

Die primäre Beinverletzung als Grundlage für einen Schmerzensgeldanspruch des Klägers ist zwischen den Parteien unstreitig. Mit Krankenbehandlungen verbundene Fahrt- und Besuchskosten von Angehörigen sind grundsätzlich ersatzfähig. Dass derartige Kosten in noch nicht bestimmter Höhe beim Kläger in Anbetracht der langandauernden und wiederholten Heilbehandlungen angefallen sind, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden.

4.

In der Berufungsinstanz ist eine Entscheidungsreife nicht gegeben.

Die Parteien bestreiten nach wie vor die Höhe der Ansprüche. Auch unter Berücksichtigung von § 287 Abs. 1 ZPO hält es der Senat nicht für angemessen, über die Höhe der Ansprüche abschließend zu entscheiden:

Der Kläger macht eine andauernde Dienstunfähigkeit geltend; verantwortlich hierfür seien sowohl die physischen als auch psychischen Folgen der Verletzung. Außergerichtlich ist kein Gutachten eingeholt worden, welches sich über die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers unter Einbeziehung der angeblichen - psychischen - Unfallfolgen verhält. Es ist daher nach Auffassung des Senats notwendig, ein gerichtliches Gutachten über die vom Kläger behaupteten Folgeschäden einzuholen.

Bezüglich der materiellen Schäden hat der Kläger noch nicht substantiiert genug vorgetragen, um eine zuverlässige Schätzung des Schadens zu ermöglichen. Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben werden müssen, zu dem Schaden ergänzend ggf. unter Beweisantritten vorzutragen.

VI.

Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet.

Im Hinblick auf den möglichen Eintritt der Verjährung sind an ein auf die Feststellung einer zukünftigen Ersatzpflicht gerichtetes Feststellungsbegehren nur maßvolle Anforderungen zu stellen.

Der Feststellungsantrag ist schon dann zulässig und begründet, wenn aus dem festzustellenden Rechtsverhältnis mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Ansprüche entstanden sind oder entstehen können. Bei schweren Verletzungen ist der Feststellungsantrag nur dann abzuweisen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Beurteilung kein Grund bestehen kann, mit Spätfolgen wenigstens zu rechnen (ständige Rspr., z.B. BGH NJW 1998, 160 m.w.N.).

Der Kläger hat unstreitig eine schwere Verletzung erlitten. Er ist nach wie vor in ärztlicher Behandlung. Im Hinblick darauf können Spätfolgen, die materielle oder immaterielle Ansprüche auszulösen vermögen, nicht ausgeschlossen werden.

VII.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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