Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 17.12.2007
Aktenzeichen: 13 U 159/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 222 Abs. 1
ZPO § 233
ZPO § 234
ZPO § 236
ZPO § 238 Abs. 1
ZPO § 520 Abs. 2 S. 1
ZPO § 522 Abs. 1
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 188 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist zur Begründung der Berufung gegen das am 6. September 2007 verkündete Urteil der Zivilkammer II des Landgerichts Detmold wird zurückgewiesen.

Die Berufung des Klägers gegen das am 6. September 2007 verkündete Urteil der Zivilkammer II des Landgerichts Detmold wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens und des Berufungsverfahrens.

Der Gegenstandswert wird auf 15.648,99 € festgesetzt.

Gründe:

I

Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Zahlung weiteren Schmerzensgeldes und weiteren materiellen Schadensersatzes aufgrund eines Verkehrsunfalles vom 2. November 2003 geltend; die dem Grunde nach uneingeschränkte Haftung der Beklagten ist unstreitig. Mit dem angefochtenen Urteils (Bl. 109 bis 114 GA) hat das Landgericht die Klage in überwiegendem Umfang abgewiesen.

Das Urteil des Landgerichts ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 14. September 2007 zugestellt worden (Empfangsbekenntnis Bl. 123 GA).

Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2007, am selben Tag per Telefax eingegangen (Bl. 124, 126 GA) hat der Kläger Berufung gegen das Urteils des Landgerichts eingelegt (Bl. 127 f GA). Mit Schriftsatz vom 15. November 2007 (Bl. 133 GA), am selben Tag per Telefax eingegangen (Bl. 134, 135 GA), hat der Kläger die Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis zum 17. Dezember 2007 "wegen urlaubs- und krankheitsbedingten Ausfall im Büro des Unterzeichners" beantragt. Der Senatsvorsitzende hat daraufhin den Kläger mit Schreiben vom 19. November 2007 darauf hingewiesen, dass die Frist zur Berufungsbegründung bereits mit dem 14. November 2007 abgelaufen sei, so dass der Fristverlängerungsantrag verspätet gestellt worden sei und der Senat beabsichtige, die Berufung als unzulässig zu verwerfen (Bl. 134 Rückseite GA). Dieses Schreiben hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 22. November 2007 erhalten (Empfangsbekenntnis Bl. 137 GA). Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2007, am selben Tag per Telefax eingegangen (Bl. 139, 145 GA), beantragt der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist zur Berufungsbegründung und begründet gleichzeitig die Berufung, mit der er über das landgerichtliche Urteil hinaus die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 15.6648,99 € anstrebt.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungantrages trägt der Kläger im wesentlichen vor (vgl. i.e. Bl. 147 GA):

Der Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung sei von der seit Jahren beanstandungsfrei im Büro seines Prozessbevollmächtigten tätigen Mitarbeiterin Frau K irrtümlich für den 15. November 2007 eingetragen worden. Diese Mitarbeiterin werde unregelmäßig alle ein bis zwei Monate im Hinblick auf die eingetragenen Fristen überprüft, ohne dass es zu Beanstandungen gekommen sei.

In der einwöchigen Vorfrist vor dem notierten Fristende habe die Berufungsbegründung unvorhersehbar krankheits- und urlaubsbedingt nicht gefertigt werden können. Sein - des Klägers - Prozessbevollmächtigter habe daher die Mitarbeiterin Frau H "angewiesen, die Berufungsbegründungsfrist um 1 Monat ... verlängern zu lassen". Frau H habe entsprechend den notierten Fristen die Verlängerung bis zum 17. Dezember 2007 beantragt.

Zur Glaubhaftmachung legt der Kläger eidesstattliche Versicherungen von Frau K (Bl. 156 GA) und seines Prozessbevollmächtigten (Bl. 157 GA) sowie verschiedene weitere Unterlagen (Bl. 152 bis 155, 158 GA) vor.

II

1.

a)

Der Kläger hat die Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Detmold versäumt.

Die Frist zur Begründung der Berufung gegen das am 6. September 2007 verkündete und den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 14. September 2007 zugestellte Urteil des Landgerichts Münster endete gemäß §§ 520 Abs.2 S.1, 222 Abs.1 ZPO, 188 Abs.2, 187 Abs.1 BGB mit dem 14. November 2007. Bis zum Ablauf dieser zweimonatigen Frist ab Zustellung des Urteils ist weder eine Berufungsbegründung noch ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungfrist eingegangen. Der Antrag auf Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung ist erst am 15. November 2007 gefertigt worden und beim Oberlandesgericht eingegangen. Eine bei Antragstellung bereits abgelaufene Frist kann nicht im nachhinein verlängert werden.

b)

Dem Kläger kann wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

aa)

Gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung ist zwar ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statthaft, § 233 ZPO. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, verbunden mit der nachgeholten Berufungsbegründung, ist von Seiten des Klägers auch form- und fristgerecht gemäß §§ 234, 236 ZPO gestellt worden und damit zulässig.

bb)

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist aber unbegründet.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann gemäß § 233 ZPO nur gewährt werden, wenn die Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Dabei kommt es nicht nur auf persönliches Verschulden der Partei an. Wegen der Regelung des § 85 Abs.2 ZPO, wonach das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleichsteht, verhindert ein Verschulden des oder der Prozessbevollmächtigten eine erfolgreichen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn das Verschulden für die Versäumung der Frist ursächlich war. Ist ein Verschulden von Mitarbeitern des oder der Prozessbevollmächtigten für die Fristversäumung ursächlich geworden, ist dies zwar der Partei nicht als eigenes Verschulden anzulasten. Beruht ein Verschulden eines Mitarbeiters aber auf einem Fehler des Prozessbevollmächtigten, insbesondere einer unzureichenden Einweisung bzw. Überwachung des Mitarbeiters oder auf einer mangelhaften Organisation des Bürobetriebs, liegt wiederum ein zu Lasten der Partei gehendes Verschulden des Prozessbevollmächtigten vor (vgl. allgemein Zöller/Greger, ZPO, 26. Auflage, § 233 Rn. 20, Rn. 23 "Büropersonal und -organisation").

Im vorliegenden Fall ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ein für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ursächliches Verschulden sowohl im Hinblick auf die Überwachung seiner Mitarbeiter als auch bei seinem Verhalten nach Beginn der Vorfrist zur Berufungsbegründung anzulasten.

(1)

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat bei der Überwachung seiner Mitarbeiterin Frau K im vorliegenden Fall nicht die Maßstäbe beachtet, die ansonsten von ihm selbst für erforderlich und notwendig erachtet worden sind. Durch diese Abweichung von seinem üblichen Vorgehen ist die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist bedingt. Das Vorbringen zu den maximalen Kontrollabständen und dem offensichtlichen Ausbleiben einer derartigen Kontrolle in diesem Fall ist letztlich sogar in sich widersprüchlich, weil bei Zugrundelegen der genannten maximalen Kontrollabstände die Berufungsbegründungsfrist im vorliegenden Fall nicht hätte versäumt werden können.

Nach seinem eigenen Vorbringen in der Begründung zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kontrolliert der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine für die Berechnung und Eintragung von zivilprozessualen Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen zuständige Mitarbeiterin Frau K "unregelmäßig in Abständen von 1 bis zu 2 Monaten". Es bedarf keiner Entscheidung des Senats, ob grundsätzlich bei einer bewährt zuverlässigen und beanstandungsfrei tätigen Arbeitskraft Kontrollen in diesen Zeitabständen generell erforderlich sind. Wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seinem Kanzleibetrieb solche Kontrollen für notwendig erachtet, muss er sich jedenfalls im Hinblick auf die Frage, ob eine Fristversäumung schuldhaft war oder nicht, hieran auch festhalten lassen; ein Abweichung müsste nachvollziehbar begründet werden. Jedenfalls hat er die sonst von ihm - warum auch immer - für notwendig erachteten Kontrollabstände vorliegend nicht eingehalten, weil ihm sonst innerhalb des Zeitraums von zwei Monaten zwischen der Zustellung des Urteils am 14. September 2007 und dem Ablauf der Begründungsfrist am 14. November 2007 zwingend der falsche Eintrag im Fristenkalender aufgefallen wäre. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers trägt nichts dazu vor, warum er innerhalb dieses Zeitraums, in dem er ansonsten nach seinem eigenen - durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachten - Vorbringen wenigstens eine, wenn nicht gar zwei Kontrollen durchgeführt hätte, gar keine Überprüfung der Eintragungen im Fristenkalender durchgeführt hat. Hätte der Prozessbevollmächtigte seine übliche Vorgehensweise beibehalten, wäre die falsche Eintragung des Ablaufs der Berufungsbegründungfrist noch innerhalb der laufenden Frist zumindest so rechtzeitig bemerkt worden, dass zumindest ein Fristverlängerungsantrag termingerecht und nicht erst nach Ablauf der Frist hätte gestellt werden können.

Sollte diese Auslassung auf dem "krankheits- und urlaubsbedingten Ausfall im Büro" des Prozessbevollmächtigten des Klägers beruhen, vermag ihn dies nicht zu entlasten.

Denn von einem Rechtsanwalt muss für die ordnungsgemäße Ausübung seiner anspruchs- und verantwortungsvollen Tätigkeit erwartet und verlangt werden, dass er für den Fall der Verhinderung durch Urlaub bzw. Krankheit - und zwar sowohl bei sich selbst als auch bei seinen Mitarbeitern - ausreichende Vorsorge trifft, insbesondere für die rechtzeitige Bearbeitung von Eil- und Fristsachen (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 233 Rn. 23 "Abwesenheit", "Krankheit"). Dies ist vorliegend offensichtlich nicht geschehen. Abgesehen davon, dass schon nicht konkret vorgetragen wird, wer, wann genau und wie lange denn nun krankheits- und wer urlaubsbedingt - wobei letzteres im übrigen bei ordnungsgemäßer Büroorganisation nie unvorhergesehen sein kann - ausgefallen ist, fehlen auch jegliche Angaben dazu, dass und welche Vorkehrungen und Anweisungen der Prozessbevollmächtigte des Klägers überhaupt für Fälle von Krankheits- und Urlaubsabwesenheit getroffen hat.

(2)

Im übrigen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach der Vorlage der Akte im Rahmen der einwöchigen Vorbegründungsfrist nicht die Sorgfalt walten lassen, die zur Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist geboten und erforderlich gewesen wäre.

Der Senat übersieht dabei nicht, dass jeder Rechtsanwalt Fristen grundsätzlich bis zum letzten Tag ausschöpfen kann und dass er nicht notwendigerweise sofort am ersten Tag der Vorbegründungsfrist überprüfen muss, ob die notierten Fristen zutreffend sind (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 233 Rn. 23 "Fristenbehandlung"). Je näher aber das Ende der Frist rückt und je klarer absehbar ist, dass ein Fristverlängerungsantrag erforderlich werden wird, desto größer werden die Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts im Hinblick auf die notwendige Sicherstellung der Fristwahrung. Das gilt erst recht dann, wenn innerhalb der Frist, deren Ablauf näher rückt, im Hinblick auf die Fristenkontrolle eine Abweichung vom routinemäßigen Bürobetrieb eingetreten ist. Das war vorliegend der Fall, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers seinen selbst vorgetragenen Maximalrahmen der Überwachung seiner für die Eintragung von Fristen zuständigen Mitarbeiterin Frau K hatte verstreichen lassen (vgl. oben (1)). Angesichts dieses Umstandes hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorliegend innerhalb der Vorbegründungsfrist prüfen müssen, ob das Fristende korrekt notiert worden ist. Das hat er nach seinem eigenen Vorbringen nicht getan. Dieses Versäumnis ist für das verspätete Stellen des - nach dem Vorbringen des Wiedereinsetzungsantrages noch dazu von einer Mitarbeiterin gestellten - Verlängerungsantrages ursächlich geworden.

c)

Gemäß § 238 Abs.1 ZPO ist gleichzeitig mit der Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung die Berufung als unzulässig zu verwerfen, § 522 Abs.1 ZPO.

2.

Lediglich ergänzend weist der Senat noch darauf hin, dass selbst - im hilfsweise unterstellten - Fall eines erfolgreichen Wiedereinsetzungsantrages und einer zulässigen Berufung die Berufung in der Sache keine Aussicht auf Erfolg hätte und vom Senat gemäß § 522 Abs.2 ZPO zurückgewiesen werden würde. Die Klage war allenfalls in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang schlüssig. Obwohl das Landgericht mit Hinweis vom 15. Mai 2007 ausführlich zur fehlenden Schlüssigkeit Stellung genommen hatte, hat der Kläger danach sein Vorbringen nur in unzureichender Weise ergänzt. Das Landgericht hat die Klage daher zu Recht in weitgehendem Umfang wegen unzureichenden Sachvortrages des Klägers zurückgewiesen. Das Vorbringen zur Berufungsbegründung ist nicht geeignet, über den vom Landgericht zuerkannten Betrag hinaus die Klage in größerem Umfang schlüssig zu machen. Die zur Begründung der Berufung wiederholt erhobene Aufklärungsrüge berücksichtigt nicht, dass das Gericht wegen des Wesens des Zivilprozesses als Parteiprozess Sachverhaltsfragen erst dann aufklären kann und darf, wenn die darlegungsbelastete Partei ausreichend vorgetragen hat. Das ist der Klägerseite trotz des ausführlichen Hinweises des Landgerichts nicht gelungen; angesichts des erteilten eingehenden Hinweises und des daraufhin nur dürftig ergänzten Vortrages war auch kein weiterer gerichtlicher Hinweis erforderlich. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, durch Beweiserhebung einen unzureichenden Sachvortrag schlüssig zu machen. Würde ein Zivilgericht ohne ausreichenden Sachvortrag Beweis erheben, würde es zu Lasten der anderen Partei gegen das Verbot des Ausforschungsbeweises verstoßen.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs.1, 238 Abs.4 ZPO

Die Wertfestsetzung ergibt sich aus dem Berufungsantrag.

Ende der Entscheidung

Zurück