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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.04.2000
Aktenzeichen: 13 U 176/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 812
BGB § 814 BGB
BGB § 242 BGB
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Leitsatz:

Auffahren mit gemietetem LKW auf ein vor einer Ampelanlage stehendes Fahrzeug.

Unfallmanipulation aufgrund folgender Indizien vom Versicherer bewiesen:

1.) Behauptetes Abrutschen vom Bremspedal nach Sachverständigengutachten und nach Auswertung der Tachoscheibe ausgeschlossen.

2.) Kein plausibler Grund für Anmietung des LKW.

3.) Nicht erklärbares Anhalten des LKW kurz vor dem Unfall.

4.) Geschädigtes Fahrzeug: älterer PKW der gehobenen Klasse mit hoher Laufleistung; hohe Reparaturkosten; Abrechnung auf Reparaturkostenbasis.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 176/99 OLG Hamm 2 O 697/98 LG Bielefeld

Verkündet am 10. April 2000

Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 10. April 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brück und die Richter am Oberlandesgericht Zumdick und Pauge

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 19. August 1999 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert den Kläger in Höhe von 49.555,12 DM.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger verlangt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 1996. Die Beklagte, die Unfallmanipulation einwendet, verlangt Rückzahlung bereits geleisteter Entschädigung.

Der Zeuge B hatte am 1996 einen Lkw Mercedes Benz 814 angemietet. Mit diesem fuhr er vor einer Ampelanlage auf den BMW M 5 des Klägers auf, der sich dann auf den BMW 735 des Widerbeklagten zu 2) aufschob. Die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Lkw zahlte an den Kläger und an den Widerbeklagten zu 2) Sachschäden in Höhe von insgesamt 44.020,51 DM. Der Kläger begehrt mit der Klage restliche Arztkosten sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 3.000,00 DM.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme und nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen R eine Unfallverabredung zumindest zwischen dem Kläger und dem Zeugen B als bewiesen angesehen und infolgedessen der Widerklage gegen den Kläger stattgegeben. Die Widerklage gegen den Widerbeklagten zu 2) hat das Landgericht abgewiesen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter. Er stellt in Abrede, den Unfall manipuliert zu haben.

Die Berufung ist unbegründet.

Aufgrund des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der in beiden Instanzen durchgeführten Beweisaufnahme ist der Senat mit dem Landgericht der Überzeugung, daß es sich hier um einen gestellten Unfall gehandelt hat. Damit entfällt die Rechtswidrigkeit der schädigenden Handlung und eine Eintrittspflicht der Beklagten besteht nicht.

Der Beweis einer Unfallmanipulation kann durch den Nachweis einer ungewöhnlichen Häufung von typischen Umständen erbracht werden, die für sich betrachtet auch eine andere Erklärung finden mögen, in ihrem Zusammenwirken vernünftigerweise jedoch nur den Schluß zulassen, daß der Anspruchsteller in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt hat. Eine solche ungewöhnliche Häufung von Umständen ist im vorliegenden Fall gegeben.

1.

Mit den Gutachten der beiden gerichtlichen Sachverständigen R und B ist sicher davon auszugehen, daß sich der Unfall so, wie dies der Zeuge B angegeben hat, nicht ereignet haben kann. Der Zeuge B hat erklärt, er sei vom Bremspedal abgerutscht. Das ist nach Auswertung der Tachoscheibe beim Lkw ausgeschlossen. Die beiden Sachverständigen haben übereinstimmend festgestellt, daß eine Unterbrechung des Bremsvorganges kurz vor dem Unfall aufgrund eines Abrutschens vom Bremspedal nicht stattgefunden haben kann. Soweit der Zeuge B bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht angegeben hat, er könne sich nicht mehr so recht erinnern, hält der Senat diese Angaben mit dem Landgericht für unrichtig. Der Zeuge B hat sich bei seiner Vernehmung durch die Polizei und in seinem Schreiben vom 1996 eindeutig festgelegt. Danach habe er den Lkw vor der roten Ampel rechtzeitig abgebremst. Dann sei er plötzlich wegen nasser Schuhsohlen von der Bremse abgerutscht. Soweit die Berufung versucht, dies als Schutzbehauptung des Zeugen B darzustellen, damit er nicht wegen grober Fahrlässigkeit in Regreß genommen werde, überzeugt dies den Senat nicht.

2.

Der Zeuge hat keine plausible Erklärung für die Anmietung des Lkw's. Das Landgericht hat dies im einzelnen zutreffend dargelegt. Der Senat folgt dem. Der Zeuge B will den Lkw angemietet haben, um für einen Bekannten ein Sportgerät transportieren zu können. Der Zeuge B verfügte zu diesem Zeitpunkt über wenig Geld, da er arbeitslos war. Den Bekannten kann er nur mit Vornamen benennen und weiß auch sonst nichts über ihn. Das Fitnessgerät, das abgeholt werden sollte, war zudem noch gar nicht gekauft. Nach dem Unfall, bei dem der Lkw nahezu überhaupt nicht beschädigt wurde, wurde dann die Fahrt nicht mehr durchgeführt. Der Lkw wurde vielmehr an die Mietwagenfirma zurückgegeben. Diese Umstände sind ein starkes Indiz für einen vorgetäuschten Unfall.

3.

Die weiteren Umstände sprechen ebenfalls für eine Unfallmanipulation. Nach der Auswertung der Tachoscheibe hat der Lkw kurz vor dem Unfall gehalten. Dies kann - wie der Zeuge B im Ermittlungsverfahren angegeben hat - nicht die Imbißbude gewesen sein, in der er kurz zuvor gewesen sein will. Im Bereich von etwa 200 m vor der Unfallstelle befindet sich keine Imbißbude, wie der Sachverständige B festgestellt hat.

Die Art der Fahrzeuge, nämlich ein älterer Pkw der gehobenen Klasse mit hoher Laufleistung sowie ein Lkw als Schadensverursacher, ist typisch für eine Unfallmanipulation. An dem auffahrenden Lkw entsteht kein großer Sachschaden; die Reparatur des voranfahrenden Fahrzeuges verursacht dagegen hohe Kosten. Die Tatsache, daß der Kläger auf Reparaturkostenbasis abgerechnet hat, rundet das Bild eines manipulierten Unfalls ab.

4.

Die Tatsache, daß das Fahrzeug nach dem Unfall repariert worden ist, spricht nicht gegen eine Unfallmanipulation. Zunächst ist der genaue Umfang der Reparatur nicht bekannt. Die vom Senat vernommenen Zeugen F und M, die das Fahrzeug repariert haben, haben sich bei ihrer Aussage bemerkenswert zurückgehalten. Obwohl beide das Fahrzeug des Klägers genau kannten und beide Meister sind, wollten sie sich an den genauen Umfang der Reparatur nicht mehr erinnern können. Auch über die Größenordnung der Reparaturkosten wollen sie nicht Bescheid gewußt haben. Der Kläger selbst gibt die Größenordnung der Schäden nur mit 10.000,00 bis 14.000,00 DM an, das liegt erheblich unter den vom Gutachter festgestellten Kosten.

Soweit die Beklagte behauptet, der Zeuge B habe bei der Mietwagenfirma gezielt nach einer Vollkaskoversicherung mit niedriger Selbstbeteiligung gefragt und der Kläger habe weiterhin bewußt Vorschäden als unfallursächlich mit angegeben, hat der Senat dies bei seiner Überzeugungsbildung nicht berücksichtigt. Diese Tatsachen stehen bislang nicht fest und hätten einer weiteren Beweisaufnahme bedurft.

Die vom Sachverständigen B überlegte Möglichkeit, der Zeuge B könne schon vor dem eigentlichen Bremsbeginn vom Bremspedal abgerutscht sein, so daß sich dann der Unfall erklären lasse, hat der Senat ausgeschlossen. Einen solchen tatsächlichen Ablauf hat der Zeuge B nicht geschildert. Nach den Angaben des Zeugen B erfolgte zunächst der Bremsvorgang und dann rutschte er während dieses Bremsvorgangs von der Bremse ab.

5.

Nach alledem hat der Senat bei zusammenfassender Würdigung keine vernünftigen Zweifel, daß hier ein manipulierter Unfall vorliegt. Die Widerklage ist aus § 812 BGB begründet. Dem Rückforderungsanspruch steht weder § 814 BGB noch § 242 BGB entgegen. Die Beklagte hat nicht in Kenntnis der Unfallmanipulation gezahlt. Es sind auch keinerlei Umstände ersichtlich, die es als treuwidrig erscheinen lassen könnten, daß die Beklagte vom Kläger die zu Unrecht geleistete Entschädigung zurückfordert.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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