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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 06.05.2002
Aktenzeichen: 13 U 223/01
Rechtsgebiete: PflVG, SGB X, StVO, StVG, BGB, VVG, ZPO
Vorschriften:
PflVG § 3 Nr. 1 | |
PflVG § 3 Nr. 2 | |
PflVG § 3 Nr. 3 | |
PflVG § 3 Nr. 3 S. 2 | |
PflVG § 3 Nr. 3 S. 3 | |
PflVG § 3 Nr. 8 | |
SGB X § 116 Abs. 1 | |
StVO § 3 Abs. 2a | |
StVG § 7 Abs. 1 | |
StVG § 9 | |
StVG § 14 | |
BGB § 205 | |
BGB § 217 | |
BGB § 425 | |
BGB § 852 | |
VVG § 12 Abs. 1 | |
ZPO § 91 | |
ZPO § 97 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 | |
ZPO § 543 Abs. 2 Nr. 1 n.F. |
Die Rechtskrafterstreckung gilt nämlich nicht nur dann, wenn die rechtskräftige Klageabweisung auf materiell-rechtlichen Gründen beruht, sondern auch dann, wenn der Versicherer zwar materiellrechtlich haftet, Ansprüche aber wegen Verjährung abgewiesen werden.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
13 U 223/01 OLG Hamm
Verkündet am 06. Mai 2002
in dem Rechtsstreit
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 06. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brück, den Richter am Oberlandesgericht Zumdick und den Richter am Amtsgericht Mollenhauer
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten zu 2) wird das am 18. Juli 2001 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Essen soweit es den Beklagten zu 2) betrifft abgeändert.
Die Klage wird auch gegenüber dem Beklagten zu 2) abgewiesen.
Die Kosten beider Instanzen des Rechtsstreits trägt - insoweit in teilweiser Abänderung der Kostenentscheidung des Landgerichts - der Kläger.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, jede Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Beiden Parteien bleibt nachgelassen, Sicherheit auch durch unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Es beschwert den Kläger um mehr als 20.000,00 €.
Tatbestand:
Der Kläger, ein überregionaler Sozialhilfeträger, nimmt die Beklagten aus nach § 116 Abs. 1 SGB X übergegangenem Recht auf Feststellung der Ersatzpflicht der ihm entstehenden zukünftigen materiellen Schäden aus einem Verkehrsunfall in Anspruch. Der Beklagte zu 2) befuhr am 27.03.1988 gegen 20.50 Uhr mit seinem seinerzeit bei dem Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Fahrzeug die B, in G. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug im dortigen Bereich 50 km/h. Aus seiner Sicht von rechts lief der damals 6 Jahre und 2 Monate alte A zwischen zwei am rechten Fahrbahnrand geparkten Autos hindurch auf die Straße und wurde von dem Fahrzeug des Beklagten zu 2) erfasst. Er erlitt u.a. ein schweres Schädel-Hirn-Trauma aufgrund dessen er lebenslang behindert ist. Es besteht insbesondere eine Störung der Grob- und Feinmotorik mit ataktischen Bewegungsabläufen und eine Verlangsamung sämtlicher Bewegungs- und Denkabläufe. Er kann nur gut strukturierte, einfache Arbeiten ausführen. Eine nennenswerte Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt besteht nicht. Seit dem 21.08.2000 befindet sich der Geschädigte im Arbeitstrainingsbereich der R Werkstätten. Kostenträger hierfür ist die Arbeitsverwaltung. Nach Beendigung dieser Maßnahme soll der Geschädigte in den Arbeitsbereich, dessen Kostenträger der Kläger ist, übernommen werden. Bis zu diesem Zeitpunkt bezieht der Kläger weiter Sozialhilfe durch das Sozialamt E.
Der Kläger erhielt nach seiner Behauptung erstmals am 19.06.2000 anlässlich einer Fachausschusssitzung in den R Werkstätten Kenntnis davon, dass die Behinderung des Geschädigten auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Mit Schreiben vom 9.01.2001 bat der Kläger den Beklagten zu 1) darum, ihm zur Prüfung eines Anspruchs des Geschädigten auf Schadensersatz die Aktenvorgänge des Verfahrens zur Verfügung zu stellen (Bl. 14 d.A.). Der Beklagte zu 1) wies mit Schreiben vom 22.01.2001 Ansprüche als unbegründet zurück, da das Unfallgeschehen für den Beklagten zu 2) unabwendbar gewesen sei (Bl. 15 d.A.). Mit Schreiben vom 30.01.2001 bat der Kläger den Beklagten zu 1) nochmals um Übersendung der Unterlagen über den Schadenshergang (Bl. 16 d.A.). Der Beklagte zu 1) berief sich daraufhin mit Schreiben vom 16.02.2001 u.a. auf Verjährung (Bl. 17 d.A.). Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 30.03.2001 die Ansicht vertreten hatte, es sei nicht erkennbar, dass der Anspruch verjährt sei, übersandte der Beklagte zu 1) dem Kläger mit Schreiben vom 5.04.2001, eingegangen beim Kläger am 10.04.2001, schließlich eine Kopie der Strafakte.
Der Kläger hat behauptet, der Unfall sei für den Beklagten zu 2) nicht unabwendbar gewesen. Der Beklagte zu 2) sei mit mindestens 64 km/h gefahren. Er habe auch gegen § 3 Abs. 2a StVO verstoßen. Ca. 4 Sekunden vor dem Unfallgeschehen sei bereits der seinerzeit 9-jährige I über die Straße gelaufen. Er müsse dabei im Blickfeld des Beklagten zu 2) gewesen sein. Der Beklagte zu 2) hätte ihn bei gehöriger Aufmerksamkeit bemerken können und hätte sich dann auf ein nachfolgendes Kind einstellen müssen. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) seien nicht verjährt, da vor Ablauf der 10-Jahres-frist des § 3 Nr. 3 PflVG die Ansprüche angemeldet worden seien und der Beklagte zu 1) spätestens mit Übersendung der Unfallakte an ihn erneut in die Sachprüfung eingetreten sei.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche materielle Schäden, die aus dem Unfallgeschehen vom 27.03.1988 auf der B in G künftig entstehen, zu ersetzen.
Die Beklagen haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, Ansprüche des Klägers seien verjährt. Für den Beginn der Verjährungsfrist sei die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters des Geschädigten von dem Schaden und dessen Verursacher entscheidend. Der Kläger müsse sich dessen Kenntnis zurechnen lassen. Mit Schreiben vom 21.01.1991 seien die von dem gesetzlichen Vertreter des Geschädigten geltend gemachten Ansprüche bereits von der Beklagten zu 1) zurückgewiesen worden (Bl. 98 d.A.). Die Beklagten haben behauptet, der Unfall sei für den Beklagten zu 2) unabwendbar gewesen. Dieser sei nicht zu schnell gefahren. Falls er zu schnell gefahren wäre, wäre dies für den Unfall nicht kausal gewesen. Er habe nicht gegen § 3 Abs. 2a StVO verstoßen. Den vor dem Geschädigten über die Straße gelaufenen Jungen habe der Beklagte zu 2) nicht sehen können, da dieser in einem größeren zeitlichen Abstand zu dem Geschädigten die Straße überquert habe. Dieser Junge habe zudem dunkle Kleidung getragen.
Das Landgericht hat mit Einverständnis der Parteien Zeugenaussagen zum Unfallhergang in dem strafrechtlichen Ermittlungsakte, die in Kopie vorgelegen haben, im Wege des Urkundenbeweises verwertet und daraufhin der Klage gegen den Beklagten zu 2) stattgegeben sowie die Klage gegen den Beklagten zu 1) abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt worden, dem Kläger stehe gegen den Beklagten zu 2) ein Anspruch aus § 116 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 7 Abs. 1 StVG zu. Der Anspruch sei auf den Kläger bereits im Unfallzeitpunkt übergegangen, da aufgrund der Schwere der Verletzungen bereits in diesem frühen Stadium die naheliegende Gefahr bestanden habe, dass der Geschädigte zum Pflegefall werden und dauerhaft auf Leistungen des Klägers angewiesen sein könnte. Der Unfall sei für den Beklagten zu 2) kein unabwendbares Ereignis gewesen. Dieser habe zwar den Geschädigten vor dem Unfall nicht sehen können. Es habe vor diesem jedoch der 9-jährige D die Straße überquert. Der Beklagte zu 2) habe deshalb mit dem Auftauchen weiterer Kinder rechnen müssen. Die Beklagten hätten weder ausreichend vorgetragen noch sei ihnen der Beweis gelungen, dass der Beklagte zu 2) bei der Annäherung an die Unfallstelle das über die Straße laufende Kind weder sehen konnte noch musste. Dies sei aufgrund der Aussagen der Zeugen in dem Strafverfahren nicht bewiesen. Der Anspruch gegen den Beklagten zu 2) sei nicht gemäß §§ 9 StVG, 852 BGB verjährt. Der Kläger habe erst am 19.06.2000 von seiner Kostentragungspflicht sowie dem hierfür ursächlichen Unfall Kenntnis erlangt. Eine Zurechnung der Kenntnis des Verletzten finde nicht statt und wäre nicht sachgerecht. Der Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 1) sei demgegenüber verjährt. Die Verjährungsfrist von 10 Jahren nach § 3 Nr. 3 S. 2 PflVG sei spätestens unter Berücksichtigung der Hemmung der Verjährung durch Anmeldung von Ansprüchen durch den Kläger und deren endgültiger Zurückweisung durch den Beklagten zu 1) gemäß § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG am 20.04.2001 abgelaufen. Die Klage sei demnach erst nach Ablauf der Verjährungsfrist bei Gericht eingegangen. Die Klageschrift ist am 27.04.2001 bei Gericht eingegangen.
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten zu 2), mit der er sein Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter verfolgt. Er ist der Ansicht, da die Klage gegen den Beklagten zu 1) rechtskräftig durch das Landgericht abgewiesen worden sei, wirke dies gemäß § 3 Nr. 8 PflVG auch zu seinen Gunsten. Die Rechtskrafterstreckung nach § 3 Nr. 8 PflVG verbiete sachlich unterschiedliche Entscheidungen zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer. Zum Anspruchsübergang auf den Kläger bestreitet der Beklagte zu 2), dass nach den konkreten Umständen ernsthaft mit einer Leistungspflicht des Klägers zu rechnen sei. Der Anspruch des Klägers sei auch ihm gegenüber verjährt, da der Kläger sich die Kenntnis des dem Geschädigten Sozialhilfe leistenden Sozialamts E zurechnen lassen müsse. Zum Unfallhergang behauptet der Kläger weiter, dieser sei für ihn unabwendbar gewesen.
Der Beklagte zu 2) beantragt,
abändernd auch die gegen ihn gerichtete Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er ist der Ansicht, eine Rechtskrafterstreckung nach § 3 Nr. 8 PflVG aufgrund der rechtskräftigen Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 1) komme zugunsten des Beklagten zu 2) nicht in Betracht. Die Rechtskrafterstreckung finde nur statt, wenn das klageabweisende rechtskräftige Urteil auf materiell-rechtlichen Erwägungen beruhe und nicht bei einer unrichtigen Abweisung wegen Verjährung. Bei der Klageabweisung wegen Verjährung bleibe die materiell-rechtliche Haftung des Versicherers unberührt. Er sei lediglich berechtigt, die Leistung zu verweigern.
Ansprüche gegen den Beklagten zu 2) selbst seien nicht verjährt. Es komme nicht auf die Kenntnis des Sozialamts E an, da dieses als örtlicher und er selbst als überörtlicher Sozialhilfeträger völlig getrennte Sozialleistungen mit unterschiedlichen Kompetenzbereichen zu erbringen hätten. Sie würden ihre Aufgaben insofern als Selbstverwaltungsangelegenheit ausführen. Ansprüche gegen den Beklagten zu 1) seien ebenfalls nicht verjährt. Der Kläger behauptet hierzu, seine Leistungspflicht werde am 21.08.2002 mit der Übernahme des Geschädigten in den Arbeitsbereich entstehen. Er ist weiter der Ansicht, es sei Verjährungshemmung bis zur Klageerhebung gemäß § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG eingetreten. Die Beklagte zu 1) habe zuvor nicht unzweifelhaft erkennen lassen, dass für sie die Regulierungsverhandlungen beendet seien.
Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
I.
Da die Klage gegen den Beklagten zu 1) durch das Landgericht rechtskräftig abgewiesen worden ist, der Kläger hat gegen das Urteil Berufung nicht eingelegt, ist aufgrund der nach § 3 Nr. 8 PflVG zugunsten des Beklagten zu 2) wirkenden Rechtskrafterstreckung auch die Klage gegen ihn abzuweisen.
1.
Der Rechtskrafterstreckung steht nicht entgegen, dass der Kläger die Beklagten zu 1) und 2) in demselben Rechtsstreit als Gesamtschuldner gemäß § 3 Nrn. 1, 2 PflVG in erster Instanz in Anspruch genommen hat. Dies ergibt sich aus dem Zweck des § 3 Nr. 8 PflVG. Durch die Rechtskrafterstreckung soll verhindert werden, dass abweichende Entscheidungen zur Frage der Haftung des Versicherten und des Versicherers ergehen. Dies wäre sonst möglich, da nach den Grundsätzen des § 425 BGB ein gegen einen Gesamtschuldner ergehendes Urteil nicht für und gegen den anderen Gesamtschuldner gilt. Zu solchen abweichenden Entscheidungen kann es auch kommen, wenn Versicherter und Versicherer zusammen in demselben Prozess verklagt werden, da sie als einfache Streitgenossen die Entscheidungsgrundlagen unterschiedlich gestalten können (BGH NJW, 1982, 999).
2.
Die Rechtskrafterstreckung wirkt zugunsten des Beklagten zu 2), obwohl das Landgericht die Klage gegen den Beklagten zu 1) allein mit der Begründung rechtskräftig abgewiesen hat, Ansprüche gegen diese seien nach § 3 Nr. 3 PflVG verjährt. Es hat damit über die eigentliche Haftungsfrage in Bezug auf den Beklagten zu 1), nämlich ob die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG vorliegen und der Beklagte zu 1) deshalb über § 3 Nr. 1 PflVG direkt für die entstandenen Schäden haftet, nicht entschieden. Die Frage, ob die Rechtskrafterstreckung nach § 3 Nr. 8 PflVG auch in einem solchen Fall gilt, ist bislang nicht eindeutig entschieden worden. Der BGH hat die Ansicht, ein mit seinem Ersatzanspruch gegen den Schädiger "nur" wegen Verjährung abgewiesener Geschädigter könne trotz § 3 Nr. 8 PflVG anschließend noch mit Erfolg gegen den Versicherer klagen, lediglich als sehr zweifelhaft bezeichnet (Urteil vom 29.05.1979, VersR 1979, 841). Sinn und Zweck des § 3 Nr. 8 PflVG erfordert die Rechtskrafterstreckung jedoch auch in dem Fall, in dem die Klage gegen den Versicherer oder Versicherten allein aus Verjährungsgründen abgewiesen wird. Die Rechtskrafterstreckung dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Sofern die Klage gegen den Versicherten oder den Versicherer aus welchen Gründen auch immer in der Sache rechtskräftig abgewiesen wurde, soll hierüber nicht erneut durch ein anderes Gericht entschieden werden, um abweichende Entscheidungen zu verhindern. Aus Sicht eines Rechtsunkundigen kann auch kaum nachvollzogen werden, aus welchen Gründen die Klage gegen einen Gesamtschuldner, den Versicherten oder den Versicherer, abgewiesen wurde, während die Verurteilung der anderen Gesamtschuldners erfolgt ist.
3.
Die für den Versicherer geltende Verjährungsfrist des § 3 Nr. 3 PflVG erfordert ebenfalls die Rechtskrafterstreckung. Diese kann sonst im Ergebnis leer laufen. Nach § 3 Nr. 3 S. 2 PflVG verjährt der Anspruch gegen den Versicherer spätestens in zehn Jahren von dem Schadensereignis an. Ansprüche gegen den Versicherten verjähren demgegenüber gemäß §§ 14 StVG, 852 BGB spätestens in 30 Jahren. Ist die Höchstfrist des § 3 Nr. 3 S. 2 PflVG abgelaufen, nicht jedoch die Höchstfrist des § 852 BGB und ist auch noch nicht die danach geltende grundsätzliche Verjährungsfrist von 3 Jahren überschritten, da der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen noch keine 3 Jahre Kenntnis hat, kann der Versicherte aus dem Versicherungsverhältnis mit dem Versicherer diesen dennoch in Anspruch nehmen. Wird der Versicherte - wie die Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit - nur auf Feststellung verklagt, kann sich der Versicherer im Verhältnis zu dem Versicherten nicht auf Verjährung berufen. Die zweijährige Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG beginnt erst mit dem Schluss des Jahres, in welchem die Leistung verlangt werden kann. Leistung kann der Versicherte noch nicht verlangen, wenn dem Verletzten - wie im vorliegenden Rechtsstreit dem Kläger - ein Schaden noch gar nicht entstanden ist. Daraus ergibt sich schließlich, dass die Rechtskrafterstreckung in einem Fall wie dem vorliegenden Rechtsstreit erforderlich ist, auch wenn man der in § 3 Nr. 3 S. 2 PflVG geregelten Höchstfrist von 10 Jahren versicherungswirtschaftliche Gründe beimisst.
Über die Rechtskrafterstreckung des § 3 Nr. 8 PflVG gilt letztlich für den Beklagten zu 2) auch die Höchstfrist von 10 Jahren des § 3 Nr. 3 S. 2 PflVG. Dies ist aus Gründen der Rechtssicherheit - wie oben ausgeführt - erforderlich. Unterschiedliche Höchstfristen führen gerade zur Rechtsunsicherheit.
4.
Der Geschädigte wird durch die Rechtskrafterstreckung nicht unbillig benachteiligt. Mit der Einführung der Direktklage gegen den Versicherer nach § 3 Nr. 1 PflVG soll der Schutz der Verkehrsopfer wirksamer gestaltet werden. Diesen soll eine schnellere und wirksamere Verfolgung ihrer Ersatzansprüche ermöglicht werden (BGH NJW 1982, 999, 1000). Dies rechtfertigt es, ihm dafür die Möglichkeit zu versagen, über eine zweite Klage eine ihm günstigere Entscheidung zu erhalten, nachdem seine Direktklage rechtskräftig abgewiesen wurde.
Werden Versicherer und Versicherter wie im vorliegenden Rechtsstreit in einem Prozess verklagt, kann der Geschädigte die Rechtskrafterstreckung selbst verhindern, indem er Berufung einlegt. Versäumt er dies, hat er den Nachteil der Rechtskrafterstreckung zu tragen. Ob dies auch dann gilt, wenn der Geschädigte eine Berufung selbst für unbegründet hält, kann offen bleiben. Dem Kläger war die Einlegung der Berufung jedenfalls zuzumuten, da er der Auffassung ist, Ansprüche gegen den Beklagten zu 1) seien nicht verjährt.
5.
Der Beklagte zu 2) handelt nicht arglistig, indem er sich auf die Rechtskrafterstreckung des § 3 Nr. 8 PflVG beruft. Arglist könnte nur angenommen werden, wenn der Beklagte zu 2) selbst die Klageabweisung gegen den Beklagten zu 1) als eindeutig unrichtig ansehen würde (vgl. BGH VersR 1979, 841, 842). Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Auffassung des Landgerichts, die 10-jährige Höchstfrist des § 3 Nr. 3 PflVG sei abgelaufen, ist auch nicht offensichtlich unrichtig. Der Unfall hat sich am 27.03.1988 ereignet, so dass die Frist am 27.03.1999 endete. Zuvor war gemäß § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG aufgrund der Anmeldung von Ansprüchen durch den Geschädigten die Verjährung gehemmt worden. Wann die Anmeldung erfolgt ist, ist nicht erkennbar. Es kann deshalb der Zeitraum der Hemmung, der nach § 205 BGB nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet wird, nicht bestimmt werden. Fest steht lediglich, dass Ansprüche des Geschädigten mit Schreiben der Beklagten zu 1) vom 21.01.1991 zurückgewiesen worden sind. Damit endete die Hemmung. Die Höchstfrist war um die nicht zu bestimmende Hemmungszeit zu verlängern (vgl. Palandt-Heinrichs § 205 BGB Rn. 1). Das Landgericht ist demgegenüber zu Unrecht offensichtlich von einer Unterbrechungswirkung nach § 217 BGB ausgegangen, da es davon ausgegangen ist, nach Eingang des Schreibens vom 21.01.1991 bei den Bevollmächtigten der Eltern des geschädigten Kindes sei Verjährung mit Ablauf des 22.01.2001 eingetreten. Da die Hemmungszeit nicht bestimmt werden kann, kann auch nicht festgestellt werden, ob die Höchstfrist bereits abgelaufen war, als der Kläger seinerseits mit Schreiben vom 9.01.2001 Ansprüche angemeldet hat.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F. zugelassen.
Ende der Entscheidung
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