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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 01.03.2004
Aktenzeichen: 13 U 223/03
Rechtsgebiete: AGBG, BGB


Vorschriften:

AGBG § 3
AGBG § 4
AGBG a.F. § 9
BGB § 305 c Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt
BGB n.F. § 307
Eine Regelung in den AGB, die die Zahlungspflicht bezüglich der Leasingraten vor dem Vertragsbeginn festsetzt und so den angegebenen Vertragszeitraum von 36 Monaten überschreitet, ist überraschend und verstößt mit der Folge der Nichtigkeit gegen das Wahrheits- und Transparenzgebot.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23.10.2003 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Paderborn wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Beschwer der Klägerin übersteigt 20.000,00 EUR.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte aus ihrer Rechnung vom 03.12.2002, Bl. 33 ff d.A.; auf Bl. 8, 9 d.A. bezeichnete Leasingraten in Höhe von insgesamt 26.285,44 EUR geltend. Am 14.12.1999 / 02.02.2000 schlossen die Klägerin einerseits und die B GmbH sowie die I andererseits einen Leasingvertrag (Nr. ####). Leasinggegenstände waren gemäß dem Leasingschein Nr. 003 zum Leasingvertrag #### ca. 2.000 Computer "##########", ca. 2.000 Monitore #### 17ŽŽ und ca. 2.000 Monitore 21 ŽŽ. Die Beklagte hat diesen Vertrag auf der Seite der Leasingnehmerin weitergeführt. Die Beklagte wiederum verleaste die genannten Gegenstände weiter an einen Stromversorger aus E. In den Allgemeinen Leasingbedingungen (ALB) der Klägerin sind u.a. folgende Regelungen enthalten:

* Ziffer II, 2.:

Der Tag der Überlassung bestimmt bei Nichtbeanstandung der überlassenen Geräte den Berechnungsbeginn für die Leasingraten. Fällt der Tag der Überlassung der Geräte auf einen der ersten 14 Kalendertage eines Monats, so ist der Berechnungsbeginn für die Leasingraten der 01. dieses Monats. Fällt der Tag der Überlassung auf einen Tag nach dem 14. eines Monats, so ist der Berechnungsbeginn für die Leasingraten der 01., der auf den Tag der Überlassung folgt.

Die Vertragsdauer beginnt für alle Geräte - unabhängig vom Tag der Überlassung bzw. des Berechnungsbeginns der einzelnen Geräte - stets einheitlich am 01. des Kalenderquartals, der auf den jeweiligen Berechnungsbeginn folgt.

* Ziffer IV, 1.:

Die monatlichen Leasingraten und die Leasingdauer (Grundmietzeit) ergeben sich aus den jeweiligen Leasingscheinen.

Der jeweilige Leasingvertrag ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Er kann jedoch von jeder Vertragspartei durch eingeschriebenen Brief gegenüber der anderen Vertragspartei bis 3 Monate vor Ablauf der Grundmietzeit ordentlich gekündigt werden.

* Ziffer IV, 5.:

Die Leasingraten sind ab Berechnungsbeginn (vgl. II.2) durch den Leasingnehmer zu zahlen.

In dem Leasingschein Nr. 003 zum Leasingvertrag Nr. ####, findet sich folgende Regelung:

Leasingdauer / 36 Monate

Mindestvertragsdauer: 36

Tag der Überlassung: siehe Übernahmeerklärung

Durch Kaufvertrag vom 04.07./17.07.2001 erwarb die Beklagte die ursprünglich geleasten Gegenstände.

Auf die Urkunde Bl. 30 d.A. wird Bezug genommen.

Auf die weiteren tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Regelungen zur Leasingdauer in den Ziffern II und IV gegen das früher in § 3 AGBG und jetzt in § 305 c Abs. 1 BGB verankerte Verbot von überraschenden Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoße. Es müsse daher bei der in dem Leasingschein ausgeführten Leasingdauer von 36 Monaten bleiben. Eine darüber hinausgehende Leasingdauer aufgrund der in den ALB der Klägerin niedergelegten Konstruktion komme nicht in Betracht.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Klägerin ist der Ansicht, das Landgericht habe die Regelung IV Ziffer 1 Abs. 2 Satz 1 der ALB ("Der jeweilige Leasingvertrag ist auf unbestimmte Zeit geschlossen") sowie die Formulierung "Leasingdauer (Grundmietzeit)" nicht hinreichend beachtet. Mit diesen Formulierungen sei lediglich eine Mindestdauer von 36 Monaten vereinbart worden. Die Klägerin bestreitet, dass vorvertraglich eine 36-monatige Leasingzeit vereinbart worden sei. Die Klägerin ist der Ansicht, dass angesichts der Vereinbarung einer unbestimmten Laufzeit die Regelungen in den ALB weder gegen das Verbot der Verwendung überraschender Klauseln (§ 3 AGBG a.F.; § 305 c BGB) noch gegen das Benachteiligungsverbot des § 9 AGBG a.F., § 307 BGB n.F. verstoße.

Die Klägerin ist des Weiteren der Ansicht, dass die Leasingdauer unabhängig von alllen Regelungen zur Leasingdauer im Leasingvertrag durch folgende Formulierung in dem Kaufvertrag der Parteien vom 04.07. / 17.07.2001 - so wie es der klägerischen Berechnung zugrunde liege - neu geregelt worden sei:

"Die Auflösung des Leasingvertrages wird wirksam mit Eingang des jeweiligen Kaufpreises zu den jeweiligen Terminen bei der T GmbH & Co. KG."

Außerdem hätten die Leasinggegenstände der Beklagten bis zu den jeweils in dem Kaufvertrag bzw. seiner Anlage berechneten und aufgeführten Zeitpunkten zur Verfügung gestanden.

Die Klägerin verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren weiter und beantragt,

unter Abänderung des am 23.10.2003 verkündeten Urteils des Landgerichts Paderborn die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 26.285,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 10.219,32 EUR seit dem 01.02.2003 und aus 16.066,12 EUR seit dem 01.03.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung restlicher Leasingraten in Höhe von 26.285,44 EUR aus Leasingvertrag gemäß §§ 305 / 535 BGB a.F.).

a.

Zwar sind die Parteien durch den Leasingvertrag Nr. #### vom 14.12.1999 / 02.02.2000 miteinander verbunden gewesen, den die Beklagte als Leasingnehmerin fortgeführt hat; die Passivlegitimation der Beklagten ist zwischen den Parteien mithin nicht streitig.

Ein Anspruch aus diesem Leasingvertrag ist bereits deshalb fraglich, weil nach dem Kaufvertrag zwischen den Parteien vom 04.07. / 17.07.2001 der Leasingvertrag mit Eingang des jeweiligen Kaufpreises zu den jeweiligen Terminen der Klägerin wirksam aufgelöst worden ist und der Eingang bezüglich der Kaufpreisraten Schein 001 bis 003/3 bis 30.09.2003 erfolgt sein sollte.

b.

Unabhängig davon hat die Beklagte mit der unstreitigen Zahlung von 36 Leasingraten sämtliche ihr obliegenden Verpflichtungen aus dem Leasingvertrag erfüllt. Denn es ist nur eine zu zahlende Vertragsdauer von 36 Monaten vereinbart worden. Die Regelung in Ziffer II Nr. 2 der ALB, die zwischen der Zahlungspflicht bzw. dem Berechnungsbeginn einerseits und der Vertragsdauer andererseits unterscheidet, ist unwirksam.

Diese Regelung kommt schon deshalb nicht zum Zug, weil hinsichtlich der Leasingdauer eine Individualabrede getroffen wurde, der gemäß § 4 des früheren AGBG, der auch im Handelsverkehr Anwendung findet, der Vorrang einzuräumen ist. Denn in dem Leasingschein Nr. 003 zum Leasingvertrag, der gemäß Ziffer I der ALB mit den ALB Vertragsgrundlage geworden ist, ist eine 36-monatige Laufzeit vereinbart worden. Diese Vereinbarung ist dahin auszulegen, dass die Vertragsdauer von 36 Monaten mit eben einem Berechnungszeitraum von 36 Monaten übereinstimmt. Dies entspricht den in Mietverträgen und Leasingverträgen üblichen Regelungen, wonach die Vertragsdauer mit dem Überlassungstag bzw. mit dem Ersten des Überlassungsmonats beginnt oder sich auf die dem Überlassungstag folgenden 36 Monate erstreckt. Üblicherweise ist mit einer solchen Vereinbarung wie in dem Leasingschein 003 nicht ein unter gewissen Umständen über 36 Monate hinausgehender Berechnungszeitraum festgesetzt.

Die Tatsache, dass auf dem Leasingschein - Nr. 003 auch auf die Geltung der Allgemeinen Leasingbedingungen im Übrigen hingewiesen worden ist, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Zunächst ist festzustellen, dass die Regelung in dem Leasingschein mit Ziffer IV Nr. 1 der ALB übereinstimmt, wonach die Leasingdauer (Grundmietzeit) sich aus dem jeweiligen Leasingschein ergibt. Im Übrigen ergibt sich ein Widerspruch zwischen der eindeutigen Regelung im Leasingschein und den Regelungen in Ziffer II Nr. 2 der ALB betreffend den Berechnungsbeginn und den Beginn der Vertragsdauer, die voneinander abweichen. Denn während der Leasingschein eine fest befristete Mietzeit bestimmt, die ab Überlassungstag anzunehmen ist, schiebt Ziff. II der ALB den Vertragsbeginn, nicht aber den Zahlungsbeginn hinaus. Gegen die Geltung dieser Regelung im vorliegenden Vertragsverhältnis spricht gerade, dass die Parteien im Leasingschein eine vorgehende Individualabrede getroffen haben.

Unabhängig davon verstoßen die Regelungen der Ziffern II Nr. 2, IV Nr. 1 u. 5 der ALB gegen das Klarheitsgebot und das Transparenzgebot; außerdem setzen sie sich in Widerspruch zu der Regelung in dem Leasingschein Nr. 003. Nach der Regelung in dem Leasingschein war eine Leasingdauer von lediglich 36 Monaten vorgesehen; allenfalls sollte ab dem 36. Monat eine Verlängerung möglich sein. Die oben genannten Regelungen in den ALB sahen eine unbestimmte Vertragslaufzeit sowie eine völlig ungewöhnliche Trennung zwischen Zahlungsverpflichtung und Vertragsdauer vor.

Diese Vertragsgestaltung erfüllt weder den Vertragstyp des Vollamortisationsvertrages noch den des Teilamortisatisationsvertrages. Vollamortisationsverträge zeichnen sich durch eine bestimmte Laufzeit aus und dadurch, dass sie nicht gekündigt werden müssen (unkündbare Grundmietzeit oder Vertragsfrist). Teilamortisationsverträge haben eine unbestimmte Laufzeit und können zu bestimmten Zeitpunkten gekündigt werden. Die vorliegende Vertragsgestaltung mit den Ziffern II Nr. 2 und IV Nr. 1 und 5 der ALB weist einerseits eine unbestimmte Vertragslaufzeit, aber andererseits im Leasingschein eine feste Mietzeit aus.

Schließlich wird in den ALB die vorgenommene Unterscheidung zwischen der Zahlungspflicht (Berechnungszeitraum) einerseits und der Vertragsdauer andererseits nicht hinreichend deutlich gemacht.

Deshalb hat das Landgericht diese Regelung auch zu Recht als Überraschungsklausel gemäß § 3 des früheren AGBG, der auch im Handelsverkehr Anwendung findet, bewertet. Grundsätzlich wird im Wirtschaftsleben die vereinbarte Leasingdauer, die Nutzungsdauer, die Dauer des Zahlungszeitraumes sowie letztlich auch die Vertragsdauer als ein einheitlicher Zeitraum angenommen. Es ist völlig ungewöhnlich, bei einer "Vertragsdauer" von 36 Monaten auf eine Nutzungsdauer und auch eine Dauer des Zahlungszeitraumes von bis zu 39 Monaten zu kommen. Soll eine in derart erheblicher Weise von den Normen, Gewohnheiten und Gebräuchen des Geschäftslebens abweichende Regelung getroffen werden, kann dies nicht nebenbei in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschehen. Eine solche Regelung ist ungewöhnlich und überrumpelnd; mit einer solchen Regelung brauchte die Beklagte angesichts der dargestellten Gewohnheiten im Wirtschaftsleben nicht zu rechnen (§ 3 AGBG). Außerdem musste sich die Beklagte auf die vereinbarte 36-monatige Vertragsdauer verlassen können, weil sie auf dieser Basis die Gegenstände ihrerseits an einen Stromversorger aus E weiterverleast hatte. Aus dieser Situation heraus wären Verluste der Beklagten vorprogrammiert gewesen, wenn sie sich nicht auf eine feste Vertragsdauer hätte verlassen können.

c.

Das Argument der Klägerin, durch Abschluss des Kaufvertrages vom 04.07.2001 (Bl. 30, 31 d.A.) sei die Leasingdauer unabhängig von allen Regelungen zur Leasingdauer im Leasingvertrag neu geregelt worden, gereift nicht durch. Anknüpfungspunkt für dieses Argument ist folgender Satz in dem Angebot des Klägers vom 04.07.2001:

"Die Auflösung des Leasingvertrages wird wirksam mit Eingang des jeweiligen Kaufpreises zu den jeweiligen Terminen bei der T GmbH & Co. KG."

Bei diesem Satz handelt es sich aber nicht um eine neue Vereinbarung zur Leasingdauer. Vielmehr musste die Beklagte diesen Satz aus ihrem Empfängerhorizont so verstehen, dass die Klägerin in der Anlage zum Angebot das Ende der jeweiligen Laufzeiten für die verschiedenen Gegenstände berechnet hat (unter Zugrundelegung einer Leasingdauer von 36 Monaten) und eine insofern verspätete Kaufpreiszahlung dann zur entsprechenden Verlängerung der Nutzungszeit führen würde, was auch weitere Leasingraten hätte zur Folge haben können. Das bedeutet, dass die Beklagte davon ausgehen durfte, bei pünktlicher Zahlung des Kaufpreises zu den von der Klägerin festgesetzten Fälligkeitszeitpunkten, bleibe es bei einer Nutzungs- und Vertragsdauer sowie vor allem einer Zahlungsdauer von 36 Monaten.

Unabhängig davon bedurfte es nicht mehr einer Regelung zum Wirksamwerden der Auflösung des Leasingvertrages, weil die Beklagte den Leasingvertrag mit Schreiben vom 29.06.2001 (Bl. 29 d.A) wirksam gekündigt hat, und zwar mit der seitens der Klägerin vorgeschlagenen Formulierung "hiermit kündigen wir die Leasingscheine nach Ablauf der jeweiligen Mindestdauer von 36 Monaten". Damit war frühzeitig klargestellt, dass die Beklagte eine über 36 Monate hinausgehende Laufzeit des Leasingvertrages nicht wollte.

2.

Der Klägerin steht auch kein Zahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt BGB zu. Denn die Beklagte hatte die geleasten Gegenstände in der Zeit zwischen Ablauf des Leasingvertrages und der Fälligkeit der jeweiligen Kaufpreise für die einzelnen Gegenstände nicht ohne Rechtsgrund in Besitz. Denn der Rechtsgrund zum Besitz ergab sich zwanglos aus dem Kaufvertrag über die Gegenstände vom 04.07. / 17.07.2001. Zwischen den Parteien ist keine Vereinbarung dahingehend getroffen worden, dass für die Zeit zwischen Ablauf des Leasingvertrages und Kaufpreisfälligkeitszeitpunkt (31.03.2001) noch Leasingraten oder ein anderes Entgelt zu zahlen ist.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.



Ende der Entscheidung

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