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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.09.2001
Aktenzeichen: 13 U 30/00
Rechtsgebiete: BGB, StVG, PflVG, AuslPflVG


Vorschriften:

BGB § 209
BGB § 852
StVG § 14
PflVG § 3 Nr. 3 S. 4
AuslPflVG § 6 Abs. 1
Verjährungsunterbrechung durch Klageerhebung gegen den Versicherer

1. Die Verjährung gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer wird gem. § 3 Nr. 3 S. 4 PflVG auch dann unterbrochen, wenn der Geschädigte nur Klage gegen den Versicherer erhebt. Die verjährungsunterbrechende Wirkung tritt insoweit unabhängig davon ein, ob der Geschädigte irgendwann zum Ausdruck gebracht hat, den Versicherer neben dem Versicherungsnehmer als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen zu wollen.

2. Nach § 6 Abs. 1 AuslPflVG tritt die verjährungsunterbrechende Wirkung des § 3 Nr. 3 S. 4 PflVG gegenüber dem ersatzpflichtigen ausländischen Versicherungsnehmer dann ein, wenn Klage gegen den inländischen Versicherer erhoben wird, der die Pflichten des zuständigen ausländischen Versicherers übernommen hat.

3. Der Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger kann nicht allein deshalb als verwirkt angesehen werden, weil der Schadensfall zum Zeitpunkt der Anspruchserhebung bereits 12 Jahre zurückliegt. Vielmehr muß der Schädiger auch darauf vertraut haben, daß der Geschädigte sein (vermeintliches) Recht nicht mehr geltend machen werde (Umstandsmoment). Für die Annahme eines solchen Vertrauens reicht die abstrakte Möglichkeit, daß der Schädiger bei Kenntnis von seiner späteren Inanspruchnahme Rücklagen hätte bilden können, nicht aus.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 30/00 OLG Hamm

Verkündet am 10. September 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2001 durch die Richter am Oberlandesgericht Zumdick und Walter sowie den Direktor des Amtsgerichts Woyte

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 03.12.1999 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Feststellungstenor wie folgt neu gefaßt wird:

Es wird festgestellt, daß die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, dem Kläger allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Verkehrsunfall mit dem Fahrer der Beklagten zu 2) B am 07.04.1987 zwischen S und N entstanden ist und noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht durch den zwischen der Beklagten zu 2) und ihrem Haftpflichtversicherer bestehenden Versicherungsvertrag gedeckt ist und soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen ist.

Die Kosten der Berufung werden der Beklagten zu 2) auferlegt Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten zu 2) wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beide Parteien können Sicherheit durch Bankbürgschaft leisten.

Die Beschwer der Beklagten zu 2) beträgt 100.000,00 DM.

Tatbestand:

Am 07.04.1987 wurde der Kläger als Autofahrer bei einem Verkehrsunfall auf der Kreisstraße zwischen S und N durch einen LKW, dessen Halterin die Beklagte zu 2) ist, schwer verletzt. Die alleinige Haftung der Beklagten zu 2) ist zwischen den Parteien dem Grunde nach außer Streit. Der Kläger nahm zunächst den nach dem Gesetz über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Anhänger (AuslPflVersG) auf Schadensersatz in Anspruch und erhob gegen diesen in unverjährter Zeit Klage. Während ein die volle Haftung des feststellendes Grundurteil in dritter Instanz rechtskräftig geworden ist (LG Münster v. 02.09.1991, 16 O 358/90; OLG Hamm v. 23.09.1992; BGH v. 08.06.1993; VI ZR 276/92), schwebt das Betragsverfahren derzeit in der Berufungsinstanz (OLG Hamm 26 U 12/99). Streitgegenständlich sind dort umfangreiche Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche sowie die Feststellung materieller und immaterieller Zukunftsschäden.

Unstreitig besteht die Möglichkeit, daß der gesamte Personenschaden des Klägers die bei dem niederländischen Haftpflichtversicherer bestehende Deckungssumme in Höhe von 1 Millionen holländischer Gulden bzw. derzeit nach deutschem Recht bestehende Mindestdeckung in Höhe von 1 Millionen DM für Personenschäden übersteigen wird.

Der Kläger begehrt deshalb Feststellung, daß die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihm alle materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis zu ersetzen, soweit kein Anspruchsübergang stattgefunden hat oder stattfindet und soweit der Anspruch nicht durch die Haftpflichtversicherung gedeckt ist. Er hat insoweit die Auffassung vertreten, daß der - unstreitig bestehende - geltend gemachte Anspruch nicht verjährt sei. Er hat zunächst die namensähnliche Beklagte zu 1) in Anspruch genommen, die Klage jedoch später zurückgenommen und die jetzige Beklagte zu 2) in Anspruch genommen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Verkehrsunfall mit dem Fahrer der Beklagten B am 07.04.1987 zwischen S und N entstanden ist und noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht durch den zwischen der Beklagten und ihrem Haftpflichtversicherer bestehenden Versicherungsvertrag gedeckt ist und soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen ist.

Die Beklagte zu 2) hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erhebt die Einrede der Verjährung und vertritt die Auffassung, daß die unstreitige Verjährungsunterbrechung gegenüber dem ihr gegenüber keine Wirkung entfalte, weil sie nicht als Gesamtschuldnerin neben der Haftpflichtversicherung in Anspruch genommen worden sei. § 3 Nr. 3 PflVG finde insoweit keine Anwendung. Eine Verjährungsunterbrechung komme auch ohnehin nicht in Betracht, soweit die Deckungssumme überschritten werde. Schließlich sei der Anspruch auch verwirkt, da sie nach 12 Jahren nicht mehr mit einer Inanspruchnahme habe rechnen müssen und auch keinen Einfluß auf den Rechtsstreit zwischen Kläger und gehabt habe.

Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 03.12.1999 stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, daß die Inanspruchnahme des zu einer Verjährungsunterbrechung auch gegenüber der Beklagten zu 2) geführt habe und keine Anhaltspunkte für eine Verwirkung vorlägen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten zu 2), mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft. Insbesondere vertritt sie weiter die Auffassung, daß zur Verjährungsunterbrechung ihre gesamtschuldnerische Inanspruchnahme erforderlich gewesen sei und daß jedenfalls deshalb Verwirkung vorliege, weil sie mangels rechtzeitiger Kenntnis des Parallelverfahrens keine Rückstellungen habe bilden können, wodurch ihr wirtschaftliche Schwierigkeiten drohten.

Die Beklagte beantragt,

abändernd die Klage abzuweisen

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

I.

Die Beklagte zu 1) ist nicht mehr Partei des Rechtsstreits. Vielmehr ist die Beklagte zu 2) im Wege des zulässigen Parteiwechsels gem. § 263 ZPO an ihre Stelle getreten. Einer Zustimmung der Beklagten zu 2) bedurfte es dazu in erster Instanz nicht (Zöller-Greger, ZPO, § 263 ZPO, Rn. 23).

Im übrigen ist die Klage zulässig.

Rechtshängigkeit i.S.d. § 261 Abs. 3 ZPO ist mit Eingang der Klageschrift vom 16.08.1999 bei den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten zu 2) eingetreten. Auch wenn dies vor Vollmachtserteilung durch die Beklagte zu 2) gewesen sein sollte, sind eventuelle Zustellungsmängel jedenfalls gem. § 187 ZPO durch die spätere Bevollmächtigung und anschließende schriftsätzliche Einlassung geheilt worden (vgl. BGH MDR 1989, 345).

II.

Die Klage ist auch begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2) Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1, 831 BGB.

1.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Fahrer der Beklagten B den Kläger im Rahmen des Verkehrsunfalls vom 07.04.1987 schwer verletzt und die Beklagte zu 2) als Fahrzeughalterin für die Folgen dem Grunde nach einzustehen hat.

2.

Insoweit ist auch der Feststellungsantrag begründet. Denn an die sachliche Begründetheit einer Feststellungsklage bezüglich materieller und immaterieller Zukunftsschäden sind nur maßvolle Anforderungen zu stellen (BGH NJW-RR 1989, 1367, BGH VersR 2001, 874). Sie ist nur dann unbegründet, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Beurteilung kein Grund bestehen kann, mit weiteren Unfallfolgen zu rechnen. Davon kann hier keine Rede sein. Vielmehr muß angesichts der massiven unfallbedingten Verletzungen und Dauerschäden des Klägers vom Eintritt weiterer Schäden ausgegangen werden.

3.

Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2) sind Ansprüche des Klägers auch nicht gemäß §§ 852 BGB, 14 StVG verjährt.

a.

Unstreitig hat der Kläger seine Ansprüche gegenüber dem für die Schadensregulierung zuständigen Haftpflichtversicherer, dem, in unverjährter Zeit durch Klageerhebung geltend gemacht.

b.

Die dadurch gem. § 209 Abs. 1 BGB bewirkte Unterbrechung der Verjährung wirkt gem. § 3 Nr. 3 S. 4 PflVG i.V.m. § 6 Abs. 1 AuslPflVG auch gegenüber der Beklagten zu 2).

aa.

Gem. § 3 Nr. 3 S. 4 PflVG bewirkt die (nach allgemeinen Grundsätzen eingetretene) Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung des Anspruchs gegen den Versicherer auch die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung des Anspruchs gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer und umgekehrt.

Entgegen der Ansicht der Berufung kommt es nicht darauf an, daß bei einer Inanspruchnahme des Versicherers deutlich gemacht wird, daß er als Gesamtschuldner neben den übrigen bei ihm Versicherten in Anspruch genommen wird. Der eindeutige Wortlaut dieser Vorschrift gibt für eine solche Annahme nichts her. Wesentlich ist allein, daß zwischen dem Versicherer und dem Geschädigten ein Rechtsverhältnis besteht, daß den Versicherer als Folge aus einem Versicherungsvertrag verpflichtet, für den Unfallschaden einzustehen (BGHZ 83, 166). Der Gesetzgeber hat bewußt die Verjährungsfristen für den Anspruch gegen den Schädiger und denjenigen gegen den Versicherer entgegen § 425 BGB gekoppelt. Nur auf diese Weise wird verhindert, daß dem Verletzten Nachteile etwa dadurch entstehen, daß Regulierungsverhandlungen über den Schadensausgleich nur mit dem Versicherer geführt werden und daß dieser - jedenfalls zunächst - Leistungen auf die Schadensersatzschuld erbringt, während der Schädiger selbst untätig bleibt und daher eine die Unterbrechung der für ihn laufenden Verjährungsfrist bewirkende Handlung im Sinne von §§ 208 f. BGB nicht vornimmt. Der Gesetzestext läßt keinen Zweifel darüber aufkommen, daß diese Regelung für die Ansprüche gegen den Schädiger und gegen den Versicherer im jeweiligen Gesamtumfang gilt. Nach der gesetzlichen Regelung kommt es auch nicht auf die Frage an, ob der Versicherer, falls er Hemmungs- oder Unterbrechungstatbestände setzt, auch namens seines Versicherten handeln wollte. Auf einen dahin gerichteten Willen kommt es nicht an; das Gesetz knüpft die Folge der Verjährungshemmung uneingeschränkt an einen objektiven Tatbestand, nämlich die Anmeldung des Schadensersatzanspruchs beim Versicherer, an (BGHZ a.a.O.).

Soweit die Berufung auf die Kommentierung bei Prölss/Martin (§ 3 Nr. 3 PflVG, Anm. 1 c) verweist, wo darauf abgestellt wird, daß die Wirkungen des § 3 Nr. 3 S. 4 PflVG davon abhängen, daß der Geschädigte den Versicherer als Gesamtschuldner neben dem Schädiger in Anspruch genommen hat, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Kommentierung verweist auf ein Urteil des BGH vom 21.12.1971 (VersR 1972, 271 f.), in dem die Rede davon ist, daß der Geschädigte den Versicherer als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen wollte. Abgesehen davon, daß in dieser Entscheidung nur auf den Willen und nicht auf eine tatsächliche gesamtschuldnerische Inanspruchnahme abgestellt wird, führt der BGH auch aus, daß eine solche gesamtschuldnerische Inanspruchnahme im Rahmen des § 3 Nr. 3 S. 4 PflVG zu vermuten ist.

Damit kommt aber nach Ansicht des Senats nichts anderes zum Ausdruck als die Intention des Gesetzgebers, der § 3 Nr. 3 S. 4 PflVG durch Koppelung der Verjährungsfristen so ausgestaltet hat, als wenn eine gesamtschuldnerische Inanspruchnahme erfolgt. Wollte man die Regelung anders verstehen, würde der gesetzgeberische Zweck, nämlich zu verhindern, daß dem Geschädigten durch langwierige Auseinandersetzungen mit der Versicherung Nachteile entstehen, unterlaufen.

bb.

Gem. § 6 Abs. 1 AuslPflVG ist § 3 Nr. 3 PflVG auf den vorliegenden Fall auch ohne jede Einschränkung anwendbar. Denn in § 6 Abs. 1 AuslPflVG erfolgt eine uneingeschränkte Verweisung auf diese Regelung.

Aus § 2 Abs. 1 b AuslPflVG läßt sich im übrigen entnehmen, daß der zugelassene Haftpflichtversicherer (hier:) neben den ausländischen Versicherer tritt und damit eine gleichwertige Position der Versicherer vorliegt. Auch das spricht für eine uneingeschränkte Anwendbarkeit des § 3 Nr. 3 PflVG. Dem entspricht letztlich auch das sog. Londoner Abkommen. Nr. 3 dieses Musterabkommens zwischen den Dachverbänden der Haftpflichtversicherer - in dem der Dachverband des Landes, in dem das KFZ zugelassen ist, als "Zahlendes Büro" und der Dachverband des Landes, in dem sich der Schadenfall ereignet, als "Behandelndes Büro" bezeichnet wird - bestimmt nämlich, daß das "Behandelnde Büro" sich u. a. verpflichtet, die Schadenersatzansprüche zu bearbeiten und zu regulieren, als ob die Versicherungspolice von ihm selbst ausgestellt worden wäre (vgl. Senat in VersR 72, 1040).

c.

Die Verjährungsunterbrechung ist auch entgegen der Ansicht der Berufung nicht auf denjenigen Teil beschränkt, der mit der Deckungsverpflichtung des Versicherers korrespondiert.

Eine solche Beschränkung widerspräche dem gesetzgeberischen Zweck der Einführung des Direktanspruchs und der sich daraus ergebenden Möglichkeit einer unmittelbar gegen den Versicherer gerichteten Klage. Die verjährungshemmende Wirkung der Forderungsanmeldung bei dem Versicherer erstreckt sich nach Neufassung des Pflichtversicherungsgesetzes im Jahre 1965 auf den gesamten Ersatzanspruch gegen den Schädiger und nicht nur auf den Teil, für den auch der Versicherer im Rahmen der vereinbarten Deckungssumme einzustehen hat (BGHZ 83, 166; BGH VersR 84, 226 und 441; VersR 77, 282).

4.

Der geltend gemachte Anspruch ist auch nicht verwirkt.

Zwar können auch Ansprüche, die noch nicht verjährt sind, verwirkt werden. Die Nichtgeltendmachung eines Anspruchs während einer längeren Zeit führt jedoch allein noch nicht zu dessen Verwirkung. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Recht illoyal so verspätet noch beansprucht wird, daß seine Aufrechterhaltung Treu und Glauben widerspricht (BGHZ 25, 47 (51 f.), BGH VersR 77, 335). Neben dem Zeitmoment muß auch noch das sog. Umstandsmoment gegeben sein, d. h., der Verpflichtete muß sich aufgrund eines Verhaltens des Dritten darauf eingestellt haben, daß dieser sein (vermeintliches) Recht nicht mehr geltend machen werde (Palandt-Heinrichs; § 242 BGB, Rn. 95).

Hiervon kann nicht ausgegangen werden. Denn dadurch, daß der Kläger allein den in Anspruch nahm, brachte er noch nicht zum Ausdruck, daß er auf eine Inanspruchnahme der Beklagten zu 2) verzichten wollte. Erklärungen gegenüber der Beklagten zu 2) erfolgten gar nicht. Diese konnte deshalb zu keinem Zeitpunkt darauf vertrauen, nicht in Anspruch genommen zu werden. Vielmehr mußte sie solange mit einer eigenen Inanspruchnahme rechnen, wie nicht der Rechtsstreit zwischen Kläger und beschlossen war.

Zwar kann eine Verwirkung u. U. auch dann angenommen werden, wenn im Hinblick auf die Nichtgeltendmachung eines Rechts Vermögensdispositionen getroffen werden (Palandt a.a.O.). So ist z.B. im Unterhaltsrecht anerkannt, daß Verwirkung vorliegen kann, wenn ein Verpflichteter, der bei rechtzeitiger Anspruchsanmeldung seine Lebensführung hätte anpassen können, durch eine hohe Nachforderung in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät (vgl. BGHZ 103, 71). Daß die Beklagte keine Rückstellungen bildete, ist mit dieser Konstellation aber nicht vergleichbar. Denn daß die Mindestdeckungssumme der Haftpflichtversicherung überschritten werden könnte, stellte sich erst im Laufe des Parallelverfahrens heraus. Im unmittelbaren Zusammenhang damit wurde die Klage gegen die Beklagte zu 2) erhoben. Warum die Beklagte zu 2), die bis dahin davon ausgehen konnte, daß der Schaden durch ihre Versicherung übernommen würde, angesichts dieses Umstandes Rückstellungen hätte bilden sollen, ist nicht dargelegt. Spätestens ab Inanspruchnahme war es ihr aber unbenommen, entsprechende Rückstellungen zu bilden.

Schließlich ist auch unerheblich, daß die Beklagte zu 2) auf die Prozeßführung des keinen Einfluß nehmen konnte. Denn nach den Bestimmung des § 10 Abs. 5 AKB war sie ohnehin verpflichtet, die Prozeßführung dem Versicherer zu überlassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO, die über die Festsetzung der Beschwer auf § 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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