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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 09.01.2008
Aktenzeichen: 13 U 71/07
Rechtsgebiete: ZPO, StVG, StVO


Vorschriften:

ZPO § 313 a Abs. 1
ZPO § 531
ZPO § 540 Abs. 2
StVG § 17
StVO § 1
StVO § 9 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - das am 06.12.2006 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Essen teilweise abgeändert.

Die Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger 12.839,04 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.12.2005 zu zahlen, abzüglich am 20.02.2006 geleisteter 9.868,96 Euro und am 12.04.2006 geleisteter weiterer 1.119,89 Euro.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 25 % und die Beklagte 75 %.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 15 % und die Beklagte 85 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Die Berufung der Beklagten hat zum Teil Erfolg.

Dem Grunde nach hat die Beklagte dem Kläger den Schaden aus dem Unfall vom 28.10.2005 zu 75 % zu ersetzen. Das ergibt die Abwägung der Schadensverursachungsanteile gemäß § 17 StVG.

Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Betriebsgefahr des Pkw Mazda der Zeugin F erhöht war, weil die Zeugin dem entgegenkommenden Kläger die Vorfahrt genommen hat, indem sie nach links abgebogen ist. Aber auch die Betriebsgefahr des Pkw Opel des Klägers war gesteigert, weil der Kläger durch irreführendes Verhalten unter Verstoß gegen § 1 StVO zum Unfall beigetragen hat.

Die im Berufungsverfahren vernommene Zeugin F hat den Vortrag der Beklagten, der Kläger sei geradeaus gefahren, obwohl er den linken Fahrtrichtungsanzeiger eingeschaltet gehabt und so den Eindruck erweckt habe, er wolle vor der Zeugin seinerseits nach links einbiegen, so dass sich die Fahrlinien der Fahrzeuge nicht hätten schneiden können, bestätigt. Der Senat folgt der Aussage dieser Zeugin. Dabei verkennt der Senat nicht, dass diese Zeugin als Fahrerin eines der am Unfall beteiligten Fahrzeuge naturgemäß ein Interesse daran hat, ihren eigenen Fehler in einem möglichst milden Licht erscheinen zu lassen, und dass die Schadensregulierung bezüglich des von der Zeugin geführten Mazda noch nicht abgeschlossen sondern vom Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits abhängig gemacht worden ist. Das Aussageverhalten der Zeugin rechtfertigt es aber, die Aussage als glaubhaft zu qualifizieren. Hinzu kommt, dass die Richtigkeit der Aussage dadurch bestätigt wird, dass der Kläger ausweislich der Aufzeichnungen der zur Unfallstelle gerufenen Polizeibeamten an der Unfallstelle selbst eingeräumt hat, vor dem Unfall in Abbiegeabsicht den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt zu haben. Dass er sich in diesem Sinne geäußert hat, sieht der Senat dadurch bestätigt, dass der Kläger eine solche Äußerung bei seiner Anhörung durch den Senat letztlich nicht bestritten sondern sich nur darauf berufen hat, unter einem Schock gestanden zu haben. Einer Vernehmung zum Beweis für eine entsprechende Äußerung des Klägers benannten Zeugin L bedurfte es daher nicht mehr. Der vom Kläger erstmals im Berufungsverfahren benannte Zeuge X war wegen verspäteter Benennung dieses Beweismittels gemäß § 531 ZPO nicht zu vernehmen, weil dem Kläger die Anschrift dieses Zeugen schon vor Abschluss der ersten Instanz bekannt war.

Die Abwägung der Schadensverursachungsanteile führt dazu, dass die Betriebsgefahr des Pkw des Klägers trotz dessen Verschuldens nur mit 25 % Prozent in Ansatz zu bringen ist. Denn wegen der besonderen Bedeutung der Vorrangregelungen im Straßenverkehr muss die zentrale Ursache des Unfalls in dem Verstoß der Zeugin F gegen § 9 Abs. 3 StVO gesehen werden. Zudem war der Zeugin die Sperrung der U-Straße bekannt, so dass sie auch unter diesem Aspekt Veranlassung gehabt hätte, mit einem Geradeausfahren des Klägers trotz eingeschalteten Fahrtrichtungsanzeigers zu rechnen.

Der Gesamtschaden des Klägers beträgt 17.118,72 Euro. Er setzt sich zusammen aus Nebenkosten, die nach der Rechtsprechung des Senats pauschal mit 25,00 Euro berücksichtigungsfähig sind, den unstreitigen Positionen Reparaturkosten (12.588,64 Euro), Wertminderung (850,00 Euro) und Sachverständigenkosten (887,71 Euro), ferner Mietwagenkosten in Höhe von 2.767,90 Euro, bei denen es sich um erforderlichen Herstellungsaufwand handelt, bezüglich dessen sich der Kläger nicht auf einen Freistellungsanspruch verweisen lassen muss sondern Leistung verlangen kann, obwohl er die Mietwagenrechnung bisher nicht bezahlt hat.

Die dem Kläger in Rechnung gestellten Mietwagenkosten sind in vollem Umfang zu berücksichtigen. Ohne Erfolg wendet sich die Beklagte dagegen, dass Mietwagenkosten für 29 statt nur 25 Tage berechnet worden sind. Unstreitig hat der Kläger sein Fahrzeug reparaturbedingt 29 Tage entbehren müssen. Die Verzögerung der Reparatur beruht auf Umständen aus dem Bereich der Reparaturwerkstatt, für deren etwaiges Fehlverhalten der Kläger nicht einzustehen hat.

Auch mit ihren gegen den berechneten Mietwagentarif erhobenen Einwendungen vermag die Beklagte nicht durchzudringen. Der Kläger verlangt mit den ihm in Rechnung gestellten Mietwagenkosten einen Tagessatz von brutto 95,44 Euro. Die Beklagte hat bei ihrer Schadensteilregulierung einen Tagessatz von 53,59 Euro brutto angesetzt.

Bei der Bestimmung der erforderlichen Mietwagenkosten ist zunächst einmal vom Normaltarif auszugehen, also von einem Tarif, der für Selbstzahler Anwendung findet (vgl. BGH VersR 05, 568). Dabei darf der Normaltarif auf der Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Mietpreisspiegels im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermittelt werden (vgl. BGH r+s 06, 467). Nach dem Vortrag des Klägers ergibt sich danach ein Tarif in Höhe von 165,21 Euro täglich. Es kann dahinstehen, ob mit dem Vortrag der Beklagten davon auszugehen ist, dass der Schwacke-Mietpreisspiegel den Normaltarif nicht ganz exakt wiedergibt. Immerhin räumt aber auch die Beklagte ein, dass diese Liste als Anhaltspunkt für das Preisniveau auf dem örtlichen Markt herangezogen werden kann. Jedenfalls aber zeigt die Gegenüberstellung des Wertes aus dem Schwacke-Mietpreisspiegel mit dem vom Kläger geforderten Tagestarif, dass letzterer nicht oberhalb des Normaltarifs liegen kann und somit auch nicht als besonders hoher Unfallersatztarif zu qualifizieren ist. Folglich sind die zu ersetzenden Mietwagenkosten nach diesem Tarif zu bestimmen. Denn soweit Mietwagenkosten nicht aus dem Rahmen des Üblichen fallen, sind sie zu ersetzen; nur dann, wenn für den Geschädigten ohne Weiteres erkennbar ist, dass das von ihm ausgewählte Unternehmen Mietwagensätze verlangt, die außerhalb des Üblichen liegen, darf er einen Mietvertrag zu solchen Bedingungen nicht auf Kosten des Schädigers abschließen (BGHZ 132, 373; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Auflage, StVG § 12 Rn 35). Ein Verstoß des Klägers gegen seine Pflicht zur Geringhaltung des Schadens ist nicht ersichtlich. Dass der Kläger bei Anmietung des Pkw, also an einem Freitagnachmittag kurz vor dem Beginn seiner Arbeitsschicht ohne überobligationsmäßige Anstrengungen einen Pkw zu einem wesentlich günstigeren Tarif als tatsächlich geschehen hätte anmieten können, hat die Beklagte nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

Nach alldem stand dem Kläger ursprünglich ein Schadensersatzanspruch in Höhe von (75 % von 17.118,72 Euro =) 12.839,04 Euro zu. Darauf hat die Beklagte am 20.02.2006 gemäß Abrechnungsschreiben vom 14.02.2006 (GA 63) 9.868,96 Euro gezahlt, so dass ein Restanspruch von 2.970,08 Euro verblieb.

Aus dem Abrechungsschreiben der B AG vom 12.04.2006 geht hervor, dass der Fahrzeugschaden des Klägers (Reparaturkosten und Wertminderung) durch die Zahlungen der B vollständig ausgeglichen ist. Folglich entfielen von den 4.479,54 Euro, die die B noch gezahlt hat, 4.196,21 Euro auf die Reparaturkosten und 283,33 Euro auf die Wertminderung.

Hieraus resultiert folgendes: Mit der Zahlung der B verlor der Kläger seine Aktivlegitimation durch Anspruchsübergang lediglich im Umfang seines Restanspruchs wegen des Fahrzeugschadens. Der Fahrzeugschaden (Reparaturkosten plus Wertminderung) betrug 13.438,64 Euro. Davon hatte die Beklagte 75 %, also 10.078,98 Euro zu tragen. Gezahlt hat sie darauf aber nur zwei Drittel also 8.959,09 Euro. Lediglich im Umfang der Differenz der beiden zuletzt genannten Zahlen, also in Höhe von 1.119,89 Euro hat die Zahlung der B folglich zu einem Anspruchsübergang auf die B geführt, so dass der Kläger im Umfange von (2.970,08 minus 1.119,89 =) 1.850,19 Euro Forderungsinhaber blieb.

In entsprechendem Umfang war die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung folglich zu bestätigen, während die Klage im Übrigen abändernd abzuweisen war.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 543, 708 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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