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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 30.08.2000
Aktenzeichen: 13 U 8/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2
Leitsatz:

Zur Ursächlichkeit von zwei Heckanstößen mit Geschwindigkeitsänderungen von jeweils unter 8 km/h für HWS-Beschwerden.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 8/00 OLG Hamm 16 O 87/98 LG Essen

Verkündet am 30. August 2000

Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 30. August 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brück, den Richter am Oberlandesgericht Pauge und die Richterin am Landgericht Kirchhoff

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. September 1999 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Klägerin in Höhe von 2.510,00 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls geltend, der sich am 05.1996 in E ereignete.

Die am 1949 geborene Klägerin war angeschnallte Beifahrerin im Pkw Mercedes Benz ihres Ehemannes. Als dieser sein Fahrzeug auf regennasser Fahrbahn verkehrsbedingt anhielt, fuhr der Beklagte zu 1) mit seinem Pkw Opel Astra auf. Der hinter dem Beklagten zu 1) fahrende Zeuge S konnte seinen Pkw VW Golf ebenfalls nicht rechtzeitig anhalten und fuhr auf den Opel auf, der dadurch erneut auf den Mercedes geschoben wurde.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe bei dem Verkehrsunfall, maßgeblich bedingt durch eine vorgebeugte Sitzposition und eine gedrehte Kopfhaltung, ein schweres HWS-Schleudertrauma und eine Gehirnerschütterung erlitten. Sie hat deshalb von den Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 15.000,00 DM sowie materiellen Schadensersatz in Höbe von 17.111,25 DM verlangt sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für Zukunftsschäden begehrt, da die HWS-Verletzung zu einem Dauerschaden geführt habe.

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines interdisziplinären Gutachtens des Dipl.-Ing. B und des Prof. Dr. C abgewiesen, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine unfallbedingte Verletzung der Klägerin aufgrund der geringen Geschwindigkeitsänderungen im Pkw ihres Ehemannes mit Großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne.

Mit der auf ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 2.000,00 DM und auf Schadensersatz in Höhe von 510,00 DM beschränkten Berufung rügt die Klägerin die Unrichtigkeit des interdisziplinären Gutachtens.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akte des Oberstadtdirektors der Stadt E lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Der Senat hat die Klägerin persönlich gehört und Beweis erhoben durch Anhörung der Sachverständigen Dipl.-Ing. B und Prof. Dr. C. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keine Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aufgrund des Verkehrsunfalls vom 05.1996. Denn die Klägerin hat nicht bewiesen, daß sie bei dem Verkehrsunfall eine haftungsrechtlich relevante Verletzung erlitten hat.

Es kann nicht festgestellt werden, daß die Halswirbelsäule der Klägerin bei dem Unfallgeschehen verletzt wurde.

Nach den ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. B hat der Pkw Mercedes Benz, in dem sich die Klägerin zum Unfallzeitpunkt als Beifahrerin befand, durch die zwei Heckanstöße auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin dargelegten Gewichtsverhältnisse und der neuesten Erkenntnisse hinsichtlich des K-Faktors, der das Ausmaß der Elastizität einer Kollision beschreibt, jeweils nur eine verhältnismäßig geringe Geschwindigkeitsänderung erfahren, die in beiden Fällen unter 8 km/h lag.

Der Sachverständige Prof. Dr. C hat vor dem Senat noch einmal erläutert, daß auf dieser Basis eine Verletzung der Halswirbelsäule der Klägerin durch den Verkehrsunfall mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sei. Bei der Klägerin sei keine objektivierbare traumatisch bedingte Verletzung der Halswirbelsäule, insbesondere keine Luxation oder Fraktur festgestellt worden; die Bandscheibenvorwölbungen in den Segmenten C5/C6 und C6/C7 seien degenerativer Natur. Eine Geschwindigkeitsänderung unter 8 km/h durch einen Heckaufprall sei nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen grundsätzlich auch nicht geeignet, eine HWS-Verletzung auszulösen. Verletzungsfördernde Faktoren, die bereits bei einer derart niedrigen Geschwindigkeitsänderung eine Verletzungsmöglichkeit begründen könnten, wie z. B. eine Bindegewebsschwäche oder die längere Einnahme bestimmter Medikamente, lägen bei der Klägerin nicht vor. Es sei wissenschaftlich nicht abgesichert, daß die Verletzungsanfälligkeit durch eine Vorschädigung der Halswirbelsäule, eine vorgebeugte Sitzposition oder eine verdrehte Kopfhaltung erhöht werde, derzeit spreche sogar eher mehr gegen diese Hypothesen. Schließlich sei es aufgrund der geringen Geschwindigkeitsänderungen auch nicht von Bedeutung, daß die Klägerin zwei kurz aufeinander folgende Heckanstöße erlitten habe.

Ob der Verkehrsunfall bei der Klägerin eine Übelkeit mit mehrfachem Erbrechen verursacht hat, kann dahinstehen, da es sich insoweit nur um eine Bagatellbeeinträchtigung handelt, die bereits am nächsten Tag wieder abgeklungen war und die weder die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes rechtfertigt noch einen materiellen Schaden ausgelöst hat.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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