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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 16.10.2000
Aktenzeichen: 13 W 35/00
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 114 | |
ZPO § 127 | |
ZPO § 567 |
Eine Beschwerde der in erster Instanz unterlegenen Partei gegen die Zurückweisung ihres Prozeßkostenhilfeantrages ist jedenfalls dann unzulässig, wenn das Berufungsgericht bereits in der Hauptsache entschieden hat und das Berufungsurteil rechtskräftig ist.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS
13 W 35/00 OLG Hamm 4 O 299/99 LG Münster
In dem Rechtsstreit
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brück, den Richter am Oberlandesgericht Pauge und die Richterin am Landgericht Kirchhoff am 16. Oktober 2000 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers vom 8. August 2000 gegen den die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe verweigernden Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 26. Oktober 1999 wird als unzulässig verworfen.
Gründe:
I.
Der Kläger hat den Beklagten auf Zahlung von 94.193,00 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Mit der am 27. September 1999 bei Gericht eingegangenen Klageerwiderung hat der Beklagte Prozeßkostenhilfe beantragt. Am 15. Oktober 1999 hat er eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen eingereicht. Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Landgericht den Antrag wegen fehlender Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Beglaubigte Abschriften dieser Entscheidung sind den Prozeßbevollmächtigten der Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29. Oktober 1999 ausgehändigt worden. Daraufhin ist nach Stellung der Anträge zur Sache verhandelt worden. Mit dem am selben Tag verkündeten Urteil hat das Landgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Dagegen hat der Beklagte - zunächst in eingeschränktem Umfang - Berufung eingelegt und zur Durchführung der Berufung und für eine beabsichtigte Berufungserweiterung - mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung - Prozeßkostenhilfe beantragt. In der Berufungsverhandlung vom Juni 2000 hat der erkennende Senat dem Beklagten in vollem Umfang Prozeßkostenhilfe (mit Ratenzahlungsanordnung) bewilligt. Seine Berufung hätte teilweise Erfolg. In Höhe von 39.224,11 DM nebst Zinsen ist die Klage rechtskräftig abgewiesen worden. Ausfertigungen des im Verhandlungstermin verkündeten Senatsurteils sind den Prozeßbevollmächtigten der Parteien jeweils am 11. Juli 2000 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 8. August 2000 hat der Beklagte gegen den landgerichtlichen Beschluß vom 26. Oktober 1999 Beschwerde eingelegt. Er trägt vor, er habe die Einlegung der Beschwerde aus Kostengründen vom Ausgang des Berufungsverfahrens abhängig gemacht. Für die Erfolgsaussicht seiner Rechtsverteidigung sei die Berufungsentscheidung maßgebend. Das Landgericht hat die Beschwerde als unzulässig erachtet und ihr nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Rechtsmittel ist unzulässig, weil es verspätet eingelegt worden ist.
1.
Gem. § 127 Abs. 2 ZPO findet gegen Entscheidungen im Verfahren über die Prozeßkostenhilfe die Beschwerde statt. Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich nach §§ 567 ff. ZPO. Grundsätzlich ist das Rechtsmittel an keine Frist gebunden. Die Zulässigkeit der Beschwerde setzt die Beschwer des Beschwerdeführers voraus. Anerkannt ist, daß trotz formaler Beschwer das Rechtsschutzbedürfnis fehlen kann. Das kann namentlich dann der Fall sein, wenn die Beschwerde ohne zureichenden Grund erst nach langer Zeit eingelegt wird (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 567 Rdn. 9 f. m.w.N.).
Unter welchen Voraussetzungen im Verfahren über die Prozeßkostenhilfe das Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde entfällt, ist in Rechtsprechung und Literatur streitig (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 127 Rdn. 55 ). Teilweise wird auch die Auffassung vertreten, die Verspätung einer Beschwerde führe nicht zu ihrer Unzulässigkeit. Das Rechtsmittel könne sich aber als unbegründet erweisen, weil die Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO) grundsätzlich nach dem Sach- und Streitstand zur Zeit der Beschwerdeentscheidung zu beurteilen sei und in einem nicht mehr anhängigen Verfahren Rechtsverfolgung und -verteidigung keine Aussicht auf Erfolg mehr hätten (Zöller/Philippi, a.a.O., § 127 Rdn. 52).
Eine Entscheidung im Prozeßkostenhilfeverfahren kann noch nach Beendigung des Hauptsacheverfahrens ergehen. Das gilt auch für das Beschwerdeverfahren. Anerkannt ist, daß Prozeßkostenhilfe grundsätzlich rückwirkend und auch noch nach Abschluß des Verfahrens bewilligt werden kann, wenn der Bewilligungsantrag während des Verfahrens gestellt, aber nicht beschieden worden ist. Die Rückwirkung kann bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der Antragsteller durch einen formgerechten Antrag unter Beifügung der etwa erforderlichen Unterlagen von seiner Seite aus die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe geschaffen hat (BGH MDR 1982, 217). Daraus folgt aber nicht, daß die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Prozeßkostenhilfeantrags zeitlich unbeschränkt eingelegt werden kann. Zweck der Prozeßkostenhilfe ist es, einer bedürftigen Partei die Prozeßführung zu ermöglichen, nicht jedoch, ihr die Kosten des Verfahrens für einen bereits geführten Prozeß abzunehmen (OLG Oldenburg, NJW-RR 1991, 189). Deswegen hat die Partei, der Prozeßkostenhilfe versagt wurde, die Beschwerde grundsätzlich vor Abschluß der Instanz einzulegen, für die Prozeßkostenhilfe begehrt wird (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 127 Rdn. 15). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt dann, wenn die Prozeßkostenhilfeentscheidung erst zusammen mit der instanzbeendenden Hauptsacheentscheidung ergeht oder doch jedenfalls aus von der Partei nicht zu vertretenden Gründen so spät erlassen wird, daß eine Beschwerde vor Abschluß der Instanz nicht mehr möglich ist (Stein/Jonas/Bork, a.a.O., m.w.N.). Wie lange der Beschwerdeführer in einem solchen Fall mit der Einlegung der Beschwerde warten darf, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Während das Oberlandesgericht Celle (MDR 1985, 591) die Beschwerde für unbefristet zulässig hält, kann das Rechtsmittel nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln (NJW-RR 1998, 511) nach Ablauf von sechs Monaten verwirkt und damit unzulässig sein. Das Oberlandesgericht Brandenburg (MDR 1999, 54) vertritt den Standpunkt, die Zulässigkeit der Beschwerde setze in Fällen dieser Art voraus, daß sie zeitnah und ohne schuldhaftes Zögern eingelegt werde. Das Oberlandesgericht Oldenburg (a.a.O.) und das Oberlandesgericht Bamberg (FamRZ 1990, 181) halten die Beschwerde für zulässig, wenn sie bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist erhoben wird. Das Oberlandesgericht Karlsruhe (MDR 1987, 240) meint, eine Beschwerde sei nicht mehr zulässig, wenn sie erst eingelegt wird, nachdem ein rechtskräftiges Berufungsurteil ergangen ist (vgl. OLG Bamberg, a.a.O., m.w.N.).
2.
Hier hat das Landgericht drei Tage vor der mündlichen Verhandlung über den Prozeßkostenhilfeantrag entschieden und den Beschluß im Verhandlungstermin bekanntgegeben. Um die Beschwerde noch vor Abschluß der ersten Instanz zu erheben, hätte der Beklagte das Rechtsmittel entweder sofort in der mündlichen Verhandlung oder jedenfalls innerhalb weniger Stunden, noch vor der Verkündung des Urteils, einlegen müssen. Das war ihm nicht zuzumuten. Um die Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels abwägen zu können, muß einer Partei, zu deren Nachteil eine gerichtliche Entscheidung ergeht, ein angemessener Zeitraum zur Verfügung stehen. Sie muß die Möglichkeit haben, die Begründung der Entscheidung zu überprüfen und sich mit ihr auseinanderzusetzen. Im Regelfall sind dabei dieselben Überlegungen anzustellen, die auch für die Frage maßgebend sind, ob gegen die Hauptsacheentscheidung ein Rechtsmittel eingelegt und durchgeführt werden soll. Ist ein solches Rechtsmittel gegeben, bietet es sich an, die Anfechtung der Hauptsacheentscheidung und der Prozeßkostenhilfeverweigerung gemeinsam zu erwägen. Spätestens bei der Begründung des Rechtsmittels muß sich die Partei eingehend mit den Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder -verteidigung auseinandersetzen. Deshalb ist es ihr zuzumuten, eine etwaige Beschwerde gegen die Versagung der beantragten Prozeßkostenhilfe spätestens bis zum Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist einzulegen. Das ist hier nicht geschehen. Die Frist zur Begründung der Berufung lief am 25. Januar 2000 ab. Die Beschwerde ist erst am 9. August 2000 und damit mehr als sechs Monate danach eingelegt worden. Das war zu spät, zumal inzwischen auch das Berufungsverfahren seinen Abschluß gefunden hatte und eine zulässige Revision gegen das Urteil des Berufungsgericht nicht eingelegt werden kann. Kostengründe können diese Verzögerung nicht entschuldigen. Ein gewisses Kostenrisiko besteht auch im Prozeßkostenhilfeverfahren (vgl. LAG Köln, MDR 1987, 436; OLG Koblenz, MDR 1987, 1035). Dieses kann der Antragsteller abmildern, wenn er das Prozeßkostenhilfegesuch - ohne anwaltliche Hilfe - selbst anbringt und gegebenenfalls auch selbst Beschwerde einlegt, oder wenn er Prozeßkostenhilfe nicht in vollem Umfang begehrt, sondern seinen Antrag einschränkt und den Erfolgsaussichten seiner Rechtsverfolgung anpaßt. Diese Möglichkeiten hätte auch der Beklagte gehabt.
Ende der Entscheidung
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