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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 12.10.2006
Aktenzeichen: 15 Sbd 13/06
Rechtsgebiete: FGG
Vorschriften:
FGG § 4 | |
FGG § 5 Abs. 1 | |
FGG § 46 | |
FGG § 46 Abs. 1 | |
FGG § 65 Abs. 1 | |
FGG § 65 Abs. 5 | |
FGG § 65 Abs. 5 S. 1 | |
FGG § 65 a |
Tenor:
Das Amtsgericht Velbert wird als örtlich zuständiges Gericht für die Führung der Betreuungssache bestimmt.
Gründe:
I.
Das Katholische Krankenhaus T. K in F sowie der Beteiligte zu 2), ein Enkel der Betroffenen, haben mit Schreiben vom 6.9.2006 für die damals in dortiger Behandlung befindliche Betroffene die Einrichtung einer umfassenden Betreuung, u.a. auch für den Bereich der Gesundheitsfürsorge angeregt. Die Maßnahme sei wegen der Notwendigkeit der Durchführung einer Bauchhöhlenspiegelung zur Abklärung akuter und mit Schmerzen verbundener entzündlicher Prozesse im Bauchraum eilbedürftig. Als Wohnort der Betroffenen ist in dem Schreiben die Anschrift E xx, xxx I angegeben. Das Schreiben ging als Fax am 11.9.2006 bei dem Amtsgericht Essen ein.
Der zuständige Richter bei dem Amtsgericht Essen versuchte am 14.9.2006 ergebnislos Rücksprache mit dem zuständigen Arzt zunehmen, um die Notwendigkeit einstweiliger Maßnahmen abzuklären. Weitere Maßnahme wurden zunächst nicht getroffen, da kein Rückruf von Seiten der Klinik erfolgte.
Am 18.9.2006 meldete sich der Beteiligte zu 3), ein Bruder der Betroffenen, telefonisch bei dem Amtsgericht Essen und regte an, ihn und nicht den Beteiligten zu 2) zum Betreuer zu bestellen. Ferner erkundigte sich ein Pfleger des Krankenhauses nach dem Verfahrensstand.
Das Amtsgericht Essen hat die Akten dem Amtsgericht Velbert, in dessen Bezirk I liegt, zur Fortführung der Betreuungssache übersandt. Zugleich hat es der Leitung des oben genannten Krankenhauses ein Merkblatt zur Durchführung ärztlicher Maßnahmen auf der Grundlage einer mutmaßlichen Einwilligung oder eines rechtfertigenden Notstandes (§ 34 StGB) übersandt.
Der Richter des Amtsgerichts Velbert hat mit Verfügung vom 21.9.2006 die Akten an das Amtsgericht Essen zurückgesandt unter Hinweis auf einen Vermerk, wonach eine Verlegung der Betroffenen in ein Altenheim nach Düsseldorf für Anfang Oktober vorgesehen sei.
Der Richter des Amtsgerichts Essen hat nunmehr mit Verfügung vom 4.10.2006 die Sache dem Senat zur Bestimmung der örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.
Der Senat ist nach § 5 Abs. 1 FGG zur Bestimmung des örtlich zuständigen Amtsgerichts berufen. Das Amtsgericht Essen ist in dem vorliegenden Verfahren lediglich aufgrund seiner Zuständigkeit gem. § 65 Abs. 5 S. 1 FGG für eine betreuungsrechtliche Eilmaßnahme tätig geworden. Denn die allgemeine örtliche Zuständigkeit für betreuungsrechtliche Maßnahmen des Vormundschaftsgerichts wird durch den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen zu dem Zeitpunkt bestimmt, in dem das Gericht mit der Angelegenheit befasst wird (§ 65 Abs. 1 FGG). Zu diesem Zeitpunkt hatte die Betroffene jedoch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in I und damit im Gerichtsbezirk des Amtsgerichts Velbert. Dort unterhielt sie eine eigene Wohnung. Durch die vorübergehende Aufnahme in dem oben genannten Krankenhaus ist dort ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht begründet worden (BayObLG FamRZ 2000, 1442; OLG Karlsruhe BtPrax 1996, 72; OLG Stuttgart BtPrax 1997, 161).
Der Streit der beteiligten Gerichte bezieht sich also auf die Zuständigkeit zur Fortführung des Verfahrens, nachdem das Amtsgericht Essen keine Veranlassung für Eilmaßnahmen gesehen hatte, und nicht etwa auf eine Abgabe des Verfahrens gem. §§ 46, 65 a FGG, die lediglich zu einem Wechsel einer bereits begründeten örtlichen Zuständigkeit führen kann. Da die beteiligten Amtsgerichte unterschiedlichen Oberlandesgerichtsbezirken angehören und das Amtsgericht Essen zuerst mit der Sache befasst worden ist, ist der Senat anstelle des Bundesgerichtshofes zur Bestimmung des örtlichen zuständigen Gerichts berufen.
In der Sache ist das Amtsgericht Velbert als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen.
Zum Zeitpunkt des Auftretens des Fürsorgebedürfnisses am 11.9.2006 war sowohl die Zuständigkeit des Amtsgerichts Essen nach § 65 Abs. 5 FGG als auch die Zuständigkeit des Amtsgerichts Velberts nach § 65 Abs. 1 FGG begründet. Für das Verhältnis der beiden Zuständigkeiten zueinander gilt folgendes: Nach allgemeiner Auffassung ist die Zuständigkeit des Gerichts für Eilmaßnahmen nur eine subsidiäre. Sie tritt neben die bestehen bleibende allgemeine Zuständigkeit des Gerichts des gewöhnlichen Aufenthalts des Betroffenen (BayObLG FamRZ 1996, 1339; BtPrax 2002, 270; Senat, Beschl. v. 14.11.2000 - 15 Sbd 11/00; Keidel/Kayser, FG, 15. Aufl., § 65, Rn. 8). Die Zuständigkeit des Eilgerichts endet, wenn es die vorläufige betreuungsrechtliche Maßnahme getroffen hat (BayObLG a.a.O.; Senat a.a.O.) oder wenn das Fürsorgebedürfnis aus anderen Gründen entfallen ist (vgl. Keidel/Engelhardt, a.a.O., § 44 Rn. 3; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 65 FGG, Rn. 25; Bumiller/Winkler, FG, 8. Aufl., § 44 Rn. 2; Jansen/Müller-Lukoschek, FGG, 3. Aufl., § 44 Rn. 22). Das Eilgericht hat dann dem nach § 65 Abs. 1 FGG allgemein zuständigen Gericht den Vorgang zu übersenden (§ 65 Abs. 5 S. 2 FGG). Letzteres ist verpflichtet, das Verfahren fortzuführen (BayObLG FamRZ 1996, 1339; FamRZ 2000, 1442; BtPrax 2002, 270). Die gesetzliche Vorschrift geht davon aus, dass parallel zu der vorläufigen Maßnahme des Eilgerichts gleichzeitig auch die Zuständigkeit des nach § 65 Abs. 1 FGG allgemein zuständigen Gerichts begründet wird. Die Zuständigkeit des Eilgerichts will lediglich eine schnelle Hilfestellung für den Betroffenen gewährleisten, nicht jedoch die allgemeine Zuständigkeitsregelung verdrängen.
Ohne Bedeutung für die allgemeine Zuständigkeit des Amtsgerichts Velbert ist, dass die Betroffene sich derzeit in dem oben bezeichneten Altenheim in E befindet. Für die Bestimmung der allgemeinen Zuständigkeit kommt es auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Betroffenen zum Zeitpunkt des Auftretens des Fürsorgebedürfnisses, nicht jedoch darauf an, ob und zu welchem späteren Zeitpunkt sie einen Wechsel ihres gewöhnlichen Aufenthalts vorgenommen hat. Ein später vorgenommener Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts lässt, wie sich aus § 46 FGG ergibt, die einmal begründete Zuständigkeit unberührt (Keidel/Engelhardt, a.a.O., § 46, Rn. 1).
Eine vorrangige Zuständigkeit des Amtsgerichts Essen ergibt sich auch nicht daraus, dass es als erstes Gericht mit der Sache befasst war. Zwar gebührt nach § 4 FGG unter mehreren örtlich zuständigen Gerichten demjenigen der Vorrang, das zeitlich als erstes tätig geworden ist, d.h. die Sache irgendwie gefördert hat (Keidel/Sternal, a.a.O., § 4 Rn. 13). Auch wenn das Tätigwerden des nach § 65 Abs. 5 FGG zuständigen Gerichts die Zuständigkeit des allgemein nach § 65 Abs. 1 FGG zuständigen Gerichts nicht ausschließt (vgl. Jansen/Müller-Lukoscheck, a.a.O., Rn. 21; Keidel/Engelhardt, a.a.O., Rn. 3), so ist § 4 FGG zur Bestimmung des vorrangig zuständigen Gerichts doch in dem Fall entsprechend anzuwenden, dass eil- und allgemeinzuständiges Gericht ein Tätigwerden unter Hinweis auf die gleichzeitig bestehende Zuständigkeit des jeweils anderen ablehnen.
Diese zunächst bestehende vorrangige Zuständigkeit des Amtsgerichts Essen ist jedoch wieder entfallen. Die durch § 65 Abs. 5 FGG begründete örtliche Zuständigkeit besteht nur für die Vornahme von Eilmaßnahmen (Keidel/Kayser, a.a.O., § 65 Rn. 8). Ein eiliger Handlungsbedarf bestand vorliegend nur für die Bestellung eines vorläufigen Betreuers für die Gesundheitsfürsorge im Hinblick auf die beabsichtigte Laperoskopie, allenfalls darüber hinaus noch für die Regelung der weiteren Versorgung nach dem Krankenhausaufenthalt. Dieses die subsidiäre Zuständigkeit des Amtsgerichts Essen begründende eilige Fürsorgebedürfnis ist jedoch zwischenzeitlich ersichtlich entfallen, da die Krankenhausbehandlung der Betroffenen abgeschlossen und diese in das Seniorenheim H N verlegt worden ist.
Es spricht einiges dafür, dass die Betroffene nunmehr ihren gewöhnlichen Aufenthalt in E hat. Ein im Hinblick hierauf möglicherweise zweckmäßiger Wechsel der gerichtlichen Zuständigkeit nur durch eine Abgabe des Verfahrens nach den §§ 46, 65 a FGG herbeigeführt werden. Der Senat ist nicht in der Lage, darüber gleichzeitig mitzuentscheiden, weil dafür die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen fehlen. Denn das Abgabeverfahren nach § 46 Abs. 1 FGG kann nur von dem nach § 65 Abs. 1 FGG allgemein zuständigen Gericht betrieben werden. Das Amtsgericht Velbert hat sich hier jedoch geweigert, die Betreuungssache in eigener Zuständigkeit fortzuführen. Unabhängig davon fehlt dem Senat die Zuständigkeit zu einer Sachentscheidung über eine im Verhältnis zweier dem Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf angehörenden Amtsgerichte zu vollziehenden Abgabe.
Ende der Entscheidung
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