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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 16.02.2006
Aktenzeichen: 15 VA 16/04
Rechtsgebiete: EGGVG, ZPO, SchuVVO


Vorschriften:

EGGVG §§ 23ff
ZPO § 915
ZPO § 915d
ZPO § 915e
SchuVVO § 2

Entscheidung wurde am 11.06.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete und Vorschriften wurden geändert und ein Leitsatz hinzugefügt
Der Bezug von Abdrucken aus dem Schuldnerverzeichnis kann einem Kreditinstitut regelmäßig nicht bewilligt werden, wenn dieses über die Möglichkeit verfügt, im automatisierten Abrufverfahren Einzelauskünfte bei einem gewerblichen Schuldnerverzeichnis i.S.d. § 915e Abs.1 lit.b) ZPO zu erhalten, die sämtliche im gerichtlichen Schuldnerverzeichnis enthaltenen Daten umfassen.
Tenor:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Verfahren wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.)

Der Beteiligte zu 1), nach eigenem Bekunden mit über 50.000 Kunden das größte örtliche Kreditunternehmen, w urde durch Bescheid des Präsidenten des Landgerichts Wuppertal vom 08.12.1994 der fortlaufende Bezug von Abschriften aus dem Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts Remscheid bewilligt, befristet bis zum 07.08.1999. Diese Bewilligung wurde durch Bescheid vom 16.11.1999 bzw. 18.11.2002 bis zum 15.11.2004 verlängert, wobei durch den zuletzt genannten Bescheid klargestellt wurde, dass sich die Bewilligung auf den Bezug von Teilabdrucken beschränkt.

Durch Verordnung vom 17.07.2002 (GV NW S.372) ist für Nordrhein-Westfalen ein zentrales Schuldnerverzeichnis bei dem Amtsgericht Hagen eingerichtet worden. Gemäß § 3 S.2 und 3 SchuVVO ist die Zuständigkeit für die Bewilligung des Bezugs von Abdrucken mit der Einrichtung des zentralen Schuldnerverzeichnisses auf den Beteiligten zu 2) übergegangen.

Mit Schreiben vom 14.09.2004 hat die Beteiligte zu 1) bei dem Beteiligten zu 2) den weiteren Bezug von Teilabdrucken aus dem Schuldnerverzeichnis beantragt. Diesen Antrag hat der Beteiligte zu 2) durch Bescheid vom 22.09.2004 abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Beteiligte zu 1) ihr Informationsinteresse primär durch ihren ständigen Kontakt zu der Schufa und der Firma D befriedigen könne. Soweit diese Möglichkeiten in Einzelfällen nicht hinreichend seien, bestehe die Möglichkeit von Einzelauskünften aus dem Schuldnerverzeichnis.

Durch Schreiben vom 12.10.2004, eingegangen am 14.10.2004, hat die Beteiligte zu 1) beantragt,

den o.a. Bescheid aufzuheben und dem Antrag auf Bezug von Teilabdrucken aus dem Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts Remscheid zu entsprechen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der Datenbestand der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (Schufa) beschränkt sei, da nicht alle Kreditinstitute dieser Arbeitsgemeinschaft angeschlossen sei und auch nur Vorgänge betreffend natürliche Personen in ihrer Eigenschaft als "Verbraucher" erfasst würden. Die D biete zwar einen umfassenden Datenbestand, informiere die angeschlossenen Unternehmen aber nicht automatisch bei Veränderung der Daten des Schuldners. Andere Informationsquellen, wie etwa internet-Datenbanken, seien auf einzelne kreditrelevante Sachverhalte beschränkt.

Der Beteiligte zu 2) vertritt auch im vorliegenden Verfahren die Auffassung, dass die der Beteiligten zu 1) zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten ihr berechtigtes Informationsinteresse hinreichend abdeckten. Der Mehraufwand bei der Informationsbeschaffung rechtfertige nicht den fortlaufenden Bezug von Teilabdrucken.

II.)

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff EGGVG ist statthaft (§ 20 Abs.1 SchuVVO). Die Monatsfrist des § 26 EGGVG ist gewahrt. Der Bescheid des Beteiligten zu 2) datiert vom 14.09.2004, kann der Beteiligten zu 1) also erst nach diesem Datum zugegangen sein. Ihr Antrag am 14.10.2004 bei dem Oberlandesgericht eingegangen. Der Durchführung eines Beschwerdeverfahrens (§ 24 Abs. 2 EGGVG ) bedarf es nicht, da die SchuVVO für das Bewilligungsverfahren kein solches vorsieht.

Da die Beteiligte zu 1) geltend macht, durch die Verweigerung der Bezugsbewilligung in ihren Rechten verletzt zu sein, ist der Antrag auch sonst zulässig ( § 24 Abs. 1 EGGVG ). Dabei versteht der Senat den Antrag der Beteiligten zu 1) dahin, dass diese die Verpflichtung des Beteiligten zu 2) zur Erteilung der beantragten Teilabdrucke begehrt (§ 28 Abs.2 EGGVG).

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

Nach § 2 Abs.1 SchuVVO ist die Bewilligung zum Bezug von (Teil-)Ab-drucken zu erteilen, wenn die Voraussetzungen der §§ 915 Abs.3, 915d Abs.1 und 915e Abs.1 ZPO sowie die weiteren Kriterien der SchuVVO erfüllt sind. Wie bereits der Wortlaut der Vorschrift zeigt, handelt es sich insoweit um eine gebundene Entscheidung der Justizverwaltung, d.h. dass dieser kein Ermessensspielraum zusteht, sondern ein Antragsteller, der die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, einen Anspruch auf Erteilung der Bewilligung hat (OLG Brandenburg NJOZ 2003, 458f; OLG Stuttgart Justiz 1995, 227).

Vorliegend kann davon ausgegangen werden, dass die Beteiligte zu 1) Informationen aus dem Schuldnerverzeichnis für die Abwendung von Nachteilen benötigt, die sich daraus ergeben können, wenn ihre Schuldner nicht in der Lage sind, ihre Verpflichtungen zu erfüllen (§ 915 Abs.3 S.1, 4.Alt. ZPO). Tatsächliche Anhaltspunkte, dass § 915d Abs.1 ZPO oder die Vorschriften der SchuVVO, insbes. § 2 Abs.2 SchuVVO, der Bewilligung entgegen stehen könnten, bestehen unter Berücksichtigung der langfristigen und beanstandungsfreien Bezugs durch die Beteiligte zu 1) nicht. Wie von den Beteiligten richtig erkannt, hängt die Bewilligung danach wesentlich davon ab, ob die Beteiligte zu 1) die Voraussetzungen des § 915e Abs.1 lit. c) ZPO erfüllt.

§ 915e Abs.1 lit.c ZPO setzt über ein berechtigtes Informationsinteresse im Sinne des § 915 Abs.3 ZPO hinaus voraus, dass dieses nicht anderweitig, also insbesondere durch Einzelauskünfte befriedigt werden kann. Fraglich ist danach zunächst, was unter berechtigtem Informationsinteresse im Zusammenhang des Bezugs von Abdrucken, also von Datensammlungen hinsichtlich einer Vielzahl von Schuldnern (§§ 915d ZPO, 9 SchuVVO), zu verstehen ist. Der mit der Reform der §§ 915 ff ZPO und der SchuVVO verfolgte Zweck einer Verbesserung des Datenschutzes (vgl. Bericht des Rechtsausschusses vom 28.02.1994 BTDrs. 12/6914 S.1) legt eine enge, auf den Einzelfall bezogene Auslegung des § 915e Abs.1 ZPO nahe (so auch Musielak/Voit, ZPO, 4.Aufl., § 915e Rdn.3). Maßgebend ist danach, ob für den Antragsteller in einer Vielzahl von Einzelfällen ein konkretes Informationsinteresse besteht bzw. aufgrund des Geschäftszuschnitts zu erwarten ist (Voit a.a.O.). Weitere Voraussetzung des Anspruchs auf Erteilung von Abdrucken ist sodann, dass dieses Interesse an der Erlangung von Informationen in einer Vielzahl von Einzelfällen durch Einzelauskünfte (auch von privaten Anbietern) und/oder den Bezug von Listen nicht hinreichend befriedigt werden kann, was naturgemäß von der Menge der Einzelfälle, den technischen Zugriffsmöglichkeiten und dem Inhalt der anderweitigen Informationsquellen abhängt.

Nach der Antwort der Beteiligten zu 1) auf die Anfrage des Senats stellt sich die Sachlage wie folgt dar:

Hinsichtlich natürlicher Personen erhält die Beteiligte zu 1), soweit die Kunden als Verbraucher im Rechtssinne anzusehen sind, durch die Schufa fortlaufende Informationen, die quasi automatisch aktualisiert werden. Hinsichtlich aller (potentiellen) Kunden besteht die Möglichkeit einer Einzelabfrage über Datenleitung bei der "D", die jedoch nicht von sich aus über spätere Änderungen hinsichtlich der Datenlage betreffend den einzelnen Schuldner informiert. Die abfragbaren Datenbestände sind hinsichtlich der Art der verfügbaren Daten identisch mit dem Inhalt des Schuldnerverzeichnisses.

Bei dieser Sachlage ist festzuhalten, dass die Beteiligte zu 1) aufgrund ihrer Vertragsbeziehung zur "D" über einen technisch einfachen Datenzugriff im Einzelfall verfügt, der alle (potentiellen) Kunden erfasst. Da diese Informationsquelle die Voraussetzungen der § 915e Abs.1 lit. b) und 2 ZPO erfüllt, kommt ein Anspruch auf den fortlaufenden Bezug von Abdrucken nur in Betracht, wenn die Beteiligte zu 1) ein konkretes Informationsbedürfnis darlegen könnte, das trotz des gleichartigen Datenbestandes und des automatisierten Datenabrufs nicht hinreichend befriedigt werden kann. Dass der Datenzugriff bei einem gewerblichen Unternehmen kostenpflichtig ist, kann dabei, da § 915e Abs.1 lit. c ZPO ausdrücklich auf die vorrangige Alternative der Inanspruchnahme (privater) Schuldnerverzeichnisse im Sinne von lit. b) verweist, keine entscheidende Rolle spielen (so auch Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 22.Aufl., § 915e Rdn.3, Fn.6; Voit, a.a.O. Rdn.4; MK-ZPO/Eickmann, 2.Aufl. § 915e Rdn.6).

Hier hat die Beteiligte zu 1) lediglich geltend gemacht, dass seitens der D kein automatischer Datentransfer bei einer nachträglichen Änderung im Datenbestand der Schuldner durchgeführt wird. Dies vermag ein weitergehendes Interesse, das durch die vorhandenen Informationsmöglichkeiten nicht abgedeckt wird, nicht zu begründen. Die Anerkennung des Informationsinteresses im Sinne des § 915 Abs. 3 S.1, 4.Alt. ZPO dient dem Schutz des redlichen Rechtsverkehrs (RegBegr. BTDrs. 12/193 S.9). Ein Kreditinstitut ist auf diesen Schutz in besonderem Maße angewiesen, wenn es neue Kreditrisiken eingeht, also Kredite ausreicht, Kreditlinien erhöht oder Kontenüberziehungen zulässt. All diesen Vorgängen liegen jedoch punktuelle Entscheidungen zugrunde. Aus Sicht des Senats ist es ohne weiteres zumutbar, sich für die jeweilige Entscheidung den neuesten Informationsstand durch eine Einzelabfrage zu verschaffen. Angesichts der durch die moderne Informationstechnologie sowie die Zulässigkeit einer automatisierten Abfrage eröffneten Möglichkeiten macht auch eine große Anzahl der Einzelfälle die Nutzung derartiger Einzelabfragen nicht von vorneherein unzumutbar.

Sonstige konkrete schutzwürdige Interessen, die eine Verfügbarkeit des kompletten, jeweils aktuellen Datenbestandes im eigenen Haus erfordern würden, hat die Beteiligte zu 1) nicht dargetan. Dies gilt auch dann, wenn man ihr Vorbringen so versteht, dass es ihr darauf ankommt, bereits bestehende Geschäftsbeziehungen anhand dieses Datenbestandes fortlaufend zu überwachen. Die Beteiligte zu 1) verfügt, wie jedes Kreditinstitut, über verschiedene, teils vertragliche, teils rein faktische Möglichkeiten der fortlaufenden Risikokontrolle für ein bestehendes Kreditengagement, wie etwa die schlichte Beobachtung, inwieweit sich der Kreditnehmer vertragsgetreu verhält, insbesondere also seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt. Daneben besteht gerade bei gewerblichen Kreditnehmern, die durch die Datenaktualisierung seitens der Schufa nicht erfasst werden, zumeist die Möglichkeit sich Unterlagen hinsichtlich der Geschäftsentwicklung vorlegen zu lassen. Die der Beteiligten zu 1) insoweit zu Gebote stehenden Kontrollmöglichkeiten sind in aller Regel in der Lage eine Risikoerhöhung anzuzeigen, lange bevor es zu einer Abgabe der eidesstattlichen Versicherung kommt. Eine Verbesserung der Risikokontrolle durch den fortlaufenden Bezug von Abdrucken ist für den Regelfall daher nicht zu erwarten. Die bloße Erleichterung, die insoweit möglich erscheint, ist hingegen kein hinreichender Grund, den Bezug von Abdrucken zu bewilligen. Angesichts der datenschutztechnischen Problematik, die in der Herausgabe eines großen Datenbestandes an Dritte liegt, lässt sich die Bewilligung des Bezugs von Abdrucken nur rechtfertigen, wenn der Antragsteller zur Wahrung seiner Interessen im Sinne des § 915 Abs. 3 S.1, 4.Alt. ZPO auf diese Form des Datenzugriffs tatsächlich angewiesen ist, und nicht schon dann, wenn sie nützlich oder hilfreich erscheint.

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 30 Abs.3 EGGVG i.V.m. § 30 KostO.

Ende der Entscheidung

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