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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 29.04.2004
Aktenzeichen: 15 W 102/03
Rechtsgebiete: BGB, PStG


Vorschriften:

BGB § 1626
PStG § 21 Abs. 1 Nr. 4
1. "Kai" kann als alleiniger Vorname eines Jungen eingetragen werden.

2. Die vereinzelte Eintragung eines Vornamens, der nach dem überkommenen Verständnis einem Geschlecht zugeordnet ist, auch für Kinder des anderen Geschlechts insbesondere mit Rücksicht auf die Handhabung in fremden Sprachkreisen, rechtfertigt es nicht, dem Namen nunmehr die Geschlechtseindeutigkeit abzusprechen und der dem überkommenen Verständnis entsprechenden Namenswahl der Eltern die Anerkennung zu verweigern.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 102/03 OLG Hamm

In der Personenstandssache

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 29.04.2004 auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 10.03.2003 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 06.02.2003

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluß des Amtsgerichts Essen vom 13.06.2002 wird zurückgewiesen.

Der Geschäftswert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die zu 1) beteiligten Eheleute wollen ihrem am 25.04.2002 geborenen Sohn den alleinigen Vornamen "Kai" geben. Der Standesbeamte hat unter Hinweis auf den Inhalt verschiedener Namensbücher die Eintragung abgelehnt, weil es sich nicht um einen eindeutig männlichen, sondern um einen geschlechtsneutralen Namen handele, der auch Mädchen gegeben werde. Da die Beteiligten zu 1) ihrem Sohn keinen weiteren Vornamen geben wollen, haben sie beim Amtsgericht beantragt, das Standesamt anzuweisen, für ihren Sohn den Namen "Kai" zu beurkunden. Diesem Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluß vom 13.06.2002 stattgegeben. Hiergegen hat die Standesamtsaufsicht sofortige Beschwerde erhoben. Mit dieser hat sie u.a. unter Hinweis auf eine Stellungnahme der Namensberatungsstelle der Universität Leipzig weiter die Auffassung vertreten, daß der Name Kai auch als weiblicher Vorname Verwendung finde. Das Landgericht hat den amtsgerichtlichen Beschluß aufgehoben und den Antrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1).

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 49 Abs. 1 S. 1 PStG, 29 FGG statthaft und in der rechten Form eingelegt worden. Die Beschwerdebefugnis Beteiligten zu 1) folgt aus dem Umstand, dass das Landgericht die amtsgerichtliche Entscheidung zu ihrem Nachteil abgeändert hat.

In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 FGG iVm § 546 ZPO.

Das Landgericht hat ausgeführt: Nach den vorgelegten Namensbüchern werde Kai als männlicher Vorname verwandt und sei insoweit wohl keltischen Ursprungs. Er sei jedoch auch als weiblicher Vorname gebräuchlich und zwar wohl aus dem skandinavischen kommend als Kurzform für Katharina. Die seitens des Beteiligten zu 2) vorgelegte -wenn auch unvollständige- Auflistung der Universität Leipzig lasse erkennen, daß der Vorname Kai durchaus auch für Mädchen gebräuchlich sei. Trotz des überwiegenden Gebrauchs als Vorname für Knaben sei der Name zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr geschlechtseindeutig, so dass er entsprechend dem gewohnheitsrechtlichen Gebot der Geschlechtseindeutigkeit des Namens als alleiniger Vorname eines Knaben nicht eintragungsfähig sei.

Dies hält der rechtlichen Prüfung letztlich nicht stand.

Das Recht, einem Kinde Vornamen zu geben, steht den Sorgeberechtigten zu (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, § 1626 BGB; vgl. hierzu Diederichsen, NJW 1981, 705). Allgemein verbindliche Vorschriften über die Wahl und die Führung von Vornamen gibt es zur Zeit nicht. Die freie Wahl der Vornamen ist zuvörderst Aufgabe der Eltern, die sie allerdings im Sinne des Kindeswohls auszuüben haben (BVerfG 1BvR 994/98 vom 28.01.2004; StAZ 2004, 109 = FamRZ 2004, 522). Nur wenn letzteres bedroht erscheint, sind die staatlichen Stellen in Ausübung ihrer Aufgaben nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG befugt und verpflichtet, der elterlichen Entscheidung die Anerkennung zu verweigern. Die durch das Kindeswohl gezogenen Grenzen werden unter anderem dann nicht eingehalten, wenn bei der Namensgebung der natürlichen Ordnung der Geschlechter nicht Rechnung getragen wird, wenn also Jungen oder Mädchen Vornamen beigelegt werden, die im allgemeinen Bewusstsein als Vornamen des jeweils anderen Geschlechts lebendig sind (vgl. BGHZ 73, 239, 241 = NJW 1979, 2469 = FamRZ 1979, 466 = StAZ 1979, 238). Das wird allgemein als selbstverständlich empfunden und bildet auch den Ausgangspunkt für die Regelung des Personenstandsgesetzes, dem die Auffassung zugrunde liegt, dass die einem Kind gegebenen Vornamen geeignet sein sollen, ohne weiteres dessen Geschlecht erkennen zu lassen. Ist der Vorname nicht eindeutig männlich oder weiblich, steht dies der Eintragung dann nicht entgegen, wenn dem Kind ein weiterer, den Zweifel über das Geschlecht ausräumender Vorname beigelegt wird (vgl. Senat, StAZ 1998, 322; 1996, 208; NJW-RR 1994, 580). Bei Beachtung dieser Grundsätze können selbst Phantasienamen zulässig sein (vgl. BayObLG, StAZ 1984, 127, 128). Soweit die Auffassung vertreten wird, es gelte nicht das Prinzip der Geschlechtsoffenkundigkeit von Vornamen (vgl. etwa AG Duisburg, StAZ 1997, 74, 75; AG Tübingen, StAZ 1981, 242ff.), wird insbesondere der o.a. Grundsatz nicht hinreichend gewürdigt, dass nicht nur das Recht der Eltern auf Namensbestimmung, sondern auch das wohlverstandene Interesse des Kindes zu berücksichtigen ist, welches gerade in einer das Geschlecht eindeutig kennzeichnenden Namensgebung bestehen kann.

Das Landgericht hat die vorgenannten Grundsätze herangezogen, seine Entscheidung trägt ihnen jedoch nicht hinreichend Rechnung. Nach den Feststellungen des Landgerichts wird der Name Kai jedenfalls ganz überwiegend als Vorname für Knaben benutzt. Aus den bereits in den Vorinstanzen erörterten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Düsseldorf (StAZ 1979, 169) und Celle (StAZ 1988, 106) ergibt sich zudem, dass -bezogen auf die Entscheidungszeitpunkte der dortigen Tatsacheninstanzen- der Name praktisch nur als männlicher Vorname existent war. Demgegenüber stammt der weibliche Gebrauch des Vornamens Kai bzw. Kay nach den landgerichtlichen Feststellungen aus dem skandinavischen Bereich und hat in Deutschland etwa ab den 70er Jahren eine gewisse Verbreitung erfahren. Dabei lässt sich den landgerichtlichen Feststellungen jedoch weder entnehmen, ob der Name jeweils als alleiniger Vorname eines Mädchens eingetragen wurde, noch mit welcher tatsächlichen Häufigkeit und in welcher Schreibweise die Eintragungen erfolgten. Ob der Name "Kai" in dieser Schreibweise und als Einzelname für Mädchen überhaupt in das Bewusstsein der Bevölkerung gelangt ist, steht somit nicht fest, kann jedoch letztlich auf sich beruhen.

Schon aufgrund der vergleichsweise seltenen Benutzung als Mädchenname sowie der Herkunft der weiblichen Namensführung aus einem fremden Sprachkreis (vgl. hierzu Senat StAZ 2004, 75) ist die mit dem Namen "Kai" einhergehende Problematik, worauf die sofortige weitere Beschwerde zu Recht hinweist, vergleichbar mit der, die sich bei dem Namen "Andrea" stellt. Auch dieser in Deutschland als Mädchenname gebräuchliche Name darf weiterhin als Mädchenname ohne Hinzufügen eines weiteren weiblichen Namens verwandt werden, obwohl der Name im Italienischen als Jungenname gebräuchlich ist und aus diesem Grund auch in Deutschland zugelassen wurde (vgl. hierzu OLG Frankfurt NJW-RR 1995, 774). Ausgangspunkt der rechtlichen Bewertung auch hinsichtlich der sog. Geschlechtsoffenkundigkeit ist nämlich, entgegen der Ansicht des Landgerichts, nicht ein vermeintliches Gewohnheitsrecht, sondern allein der Aspekt des Kindeswohls, da allein unter diesem Aspekt (Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG) der Staat befugt ist, dem auf Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG beruhenden Namensbestimmungsrecht der Eltern die Anerkennung zu verweigern. Eine Gefährdung des Kindeswohls kann jedoch nur angenommen werden, wenn der gewählte Name, etwa weil er im Bewusstsein der Bevölkerung dem anderen Geschlecht zugeordnet wird, nicht geeignet ist, die Selbstidentifikation des Kindes zu fördern, sondern im Gegenteil Anlass zu Belästigungen und Behinderungen sein kann. Hiervon kann jedoch nicht schon deshalb ausgegangen werden, weil ein bestimmter Name, der im allgemeinen Bewußtsein mit hinreichender Klarheit einem Geschlecht zugeordnet wird, im Hinblick auf eine abweichende Verwendung in einem fremden Sprachkreis oder aus anderen Gründen zur Eintragung auch für das andere Geschlecht zugelassen wird. Derartige Eintragungen nehmen dem Namen im allgemeinen Bewusstsein noch nicht die eindeutige Geschlechtszuordnung.

Eine Kostenerstattungsanordnung nach § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG war nicht veranlasst. Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 KostO.

Ende der Entscheidung

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