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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 13.07.2000
Aktenzeichen: 15 W 107/00
Rechtsgebiete: BGB, BeurkG


Vorschriften:

BGB § 2232 S. 1 Fall 1
BeurkG § 13 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:

(Blankounterschrift zur Vorbereitung eines notariellen Testaments)

Wird bei der Errichtung eiens Testaments durch mündliche Erklärung zur Niederschrift eines Notars die Unterschriftsleistung auf einem gesonderten Blatt vorgenommen, muß sichergestellt sein, daß mit der Unterschrift die gesamte Urkunde gebilligt wird. Dies ist nicht der Fall, wenn das Unterschriftsblatt nicht an die handschriftlichen Aufzeichnungen des Notars anschließt, sondern nach dem äußeren Erscheinungsbild dazu bestimmt ist, mit Hilfe der geleisteten Blankounterschrift in Verbindung mit der später gefertigten Reinschrift erstmals eine äußerlich formgerechte Urkunde zu errichten.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

15 W 107/00 OLG Hamm 7 T 666/98 LG Bochum 9 VI 390/93 AG Recklinghausen

In der Nachlaßsache

betreffend die Erteilung eines Erbscheins nach der am 1992 in ihrem letzten Wohnsitz, verstorbenen Frau geborene

Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 13. Juli 2000 auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 2. März 2000 gegen den Beschluß der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 29. Dezember 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Gammelin und die Richter am Oberlandesgericht Kayser und Engelhardt

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 1) hat die den Beteiligten zu 2) bis 10) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Wert des Gegenstandes der weiteren Beschwerde wird auf 530.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Erblasserin war verheiratet. Aus der Ehe ist ein Sohn hervorgegangen, der im Jahre 1951 im Alter von 13 Jahren verstarb. Der Ehemann der Erblasserin verstarb im Jahre 1980. Das von den Eheleuten im Jahre 1976 errichtete gemeinschaftliche Testament berechtigte den überlebenden Ehegatten, über sein eigenes und das ererbte Vermögen frei zu verfügen. Die Erblasserin traf unter dem 30. Juni 1991 privatschriftlich und unter dem 1. Juli 1991 in notarieller Form letztwillige Verfügungen zugunsten der Beteiligten zu 2), die nach ihrem Tode eröffnet worden sind. Eröffnet wurde des weiteren eine notarielle letztwillige Verfügung vom 8. August 1992 (Notarin). In ihr wird das notarielle Testament vom 1. Juli 1991 widerrufen und der Beteiligte zu 1) zum Erben eingesetzt. Die Beteiligten zu 2) bis 10) sind - soweit ersichtlich - die gesetzlichen Erben der Erblasserin.

Soweit dies im Verfahren dritter Instanz von Bedeutung ist, streiten die Beteiligten darüber, ob das notarielle Testament vom 8. August 1992 wirksam errichtet worden ist, von der Erblasserin unterschrieben worden ist und ob die Erblasserin bei der Errichtung dieses Testaments testierfähig war.

Das Amtsgericht hat durch Beschlüsse vom 22. Juni 1995 und vom 7. Juli 1998 jeweils durch Vorbescheid angekündigt, dem Beteiligten zu 1) den unter dem 1. Juni 1993 beantragten Erbschein zu erteilen. Das Landgericht hat die Beschlüsse auf die Beschwerden der Beteiligten zu 2) und 9) unter dem 17. November 1996 und 29. Dezember 1999 aufgehoben und die Sache jeweils an das Amtsgericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Gegen den Beschluß des Landgerichts vom 29. Dezember 1999 hat der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz seiner damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 2. März 2000 weitere Beschwerde eingelegt, die mit Anwaltsschriftsatz seiner jetzigen Verfahrensbevollmächtigten vom 18. Mai 2000 im einzelnen begründet worden ist.

II.

Die nicht fristgebundene weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist formgerecht eingelegt und auch sonst zulässig (§§ 27, 29 FGG). Die Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 1) für die Einlegung der weiteren Beschwerde folgt daraus, daß das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts zu seinem Nachteil abgeändert hat.

Die weitere Beschwerde ist unbegründet, weil die angefochtene Entscheidung nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).

1.

Nach der Rechtsprechung des OLG Brandenburg (FamRZ 1999, 1619 ff.), der sich der Senat in der Vergangenheit bereits angeschlossen hat, prüft das Gericht der weiteren Beschwerde die Unrichtigkeit des erteilten Erbscheins nur insoweit, als der Beschwerdeführer durch eine Unrichtigkeit beschwert sein kann. Dies hat das OLG Brandenburg in der genannten Entscheidung im einzelnen ausgeführt; hierauf wird Bezug genommen. Die abweichende Rechtsauffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (FamRZ 1996, 1304) beruht auf der besonderen Rechtslage in Bayern und zwingt deshalb nicht zu einer Vorlage gemäß § 28. Abs. 2 FGG an den Bundesgerichtshof (vgl. Brandenburgisches OLG a.a.O. S. 1621). Entsprechendes gilt für das hier in Rede stehende Verfahren über den Erlaß eines Vorbescheides.

2.

In der Sache selbst hat das Landgericht zu der Errichtung des notariellen Testaments vom 8. August 1992, aus dem der Beteiligte zu 1) allein das von ihm beanspruchte Erbrecht herleiten könnte, festgestellt:

"Am 08.08.1992 begab sich Herr Notar auf fernmündliches Ersuchen der Erblasserin in deren Wohnung. Dort zeichnete er auf sieben einzelnen DIN-A-S-Stenoblockblättern handschriftlich Erklärungen der Erblasserin, die u. a. die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1. beinhalteten, auf. Die Erblasserin leistete auf einem (unbeschriebenen) Blatt Urkundspapier ihre Unterschrift. In seiner Kanzlei ließ der Notar auf Urkundspapier maschinenschriftlich eine Reinschrift seiner handschriftlichen Aufzeichnungen fertigen. Diese Reinschrift, die mit der Urkundenrollen-Nr. ersehen wurde, wurde am 26.11.1992 von dem Amtsgericht Recklinghausen eröffnet."

Diese Feststellungen werden von der weiteren Beschwerde nicht in Zweifel gezogen; sie sind für das Gericht der weiteren Beschwerde bindend (vgl. § 27 Abs. 1 S. 2 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO.).

Die Kammer vertritt die Auffassung, daß die handschriftlichen Aufzeichnungen des Notars in Verbindung mit dem von der Erblasserin unterzeichneten unbeschriebenen Blatt Urkundspapier nicht die Voraussetzungen erfüllten, die für eine formgerechte Errichtung eines öffentlichen Testaments durch mündliche Erklärung zur Niederschrift eines Notars (§ 2232 S. 1 Fall 1 BGB) gelten. Die hiergegen von der Rechtsbeschwerde gerichteten Angriffe sind unbegründet.

Mit dem Landgericht hat der Senat Bedenken, ob die handschriftliche Aufzeichnung den Anforderungen des § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BeurkG genügt. Nach dieser Bestimmung muß die Niederschrift u.a. die, Bezeichnung des Notars enthalten. Die gesetzliche Regelung bezweckt eine klare und zuverlässige Wiedergabe des von den Beteiligten erklärten Willens und hält zur Sicherstellung der Zuverlässigkeit des Beurkundeten eine Bezeichnung des Notars für unerläßlich (Senat OLGZ 1988, 227, 228). Im vorliegenden Fall ist der Urkundsnotar in der handschriftlichen Niederschrift (S. 1 - 7) an keiner Stelle namentlich bezeichnet. Diese Niederschrift ist auch von dem Notar nicht unterschrieben worden, so daß sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen es für die Bezeichnung des Notars ausreicht, daß die Niederschrift mit seinem Namenszug unterschrieben ist (vgl. Senat a.a.O. S. 229; Huhn/von Schuckmann, BeurkG, 3. Aufl., § 9 Rdn. 9; Eylmann/Limmer, BeurkG, § 9 Rdn. 3; Mecke/Lerch, BeurkG, § 9 Rdn. 2) hier nicht stellt.

Letztlich kann dieser Punkt aber unentschieden bleiben, weil die Urkunde entgegen § 13 Abs. 1 S. 1 BeurkG von der Erblasserin nicht unterschrieben worden und deshalb nach § 125 S. 1 BGB nichtig ist. Hierzu hat das Landgericht im Kern ausgeführt, daß die Unterschrift der Erblasserin auf dem Blankobogen (jetzt Blatt 5 der Urkunde vom 08.08.1992, UR-Nr. Notar in) nicht in einem räumlichen Verhältnis zu dem handschriftlichen Text (Stenoblock Blatt 1 - 7) stehe und deshalb nicht als dessen Abschluß und diesen deckend angesehen werden könne. Diese Begründung ist in jeder Hinsicht rechtsfehlerfrei.

Wie der Senat erst kürzlich erneut entschieden hat (Beschluß vom 27. Juni 2000 - 15 W 13/00 -), muß die Unterschrift unter einer letztwilligen Verfügung in jedem Fall vom äußeren, Erscheinungsbild her geeignet sein, die Verantwortung für den auf dem Schriftstück befindlichen Text zu übernehmen (vgl. BGHZ 113, 48, 51; NJW 1992, 829, 830; Keidel/Winkler, BeurkG, 14. Aufl., § 13 Rdn. 46). Die Unterschrift muß Fortsetzung und Abschluß der Testamentserrichtung sein; sie gehört grundsätzlich an den Schluß der Urkunde (BayObLG NJW-RR 1991, 1222). Befindet sich die Unterschrift auf einem anderen Schriftstück, ist maßgebend, daß sie nach dem erkennbaren Willen des Erblassers seine gesamten Erklärungen deckt (BayObLG MDR 1984, 1024; OLG Zweibrücken FamRZ 1998, 581, 582). Die Entscheidung der Frage, ob im Einzelfall eine Erklärung durch die Unterschrift gedeckt wird, liegt im wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet. Sie obliegt - wie die Testamentsauslegung - daher dem Gericht der Tatsacheninstanzen und kann vom Gericht der weiteren Beschwerde nur auf Rechtsfehler überprüft werden (Senat a.a.O.; BayObLG FamRZ 1988, 1211; NJW-RR 1991, 1222). Derartige Rechtsfehler sind dem Landgericht nicht unterlaufen, insbesondere hat die Kammer die Anforderungen an die Abschlußfunktion der Unterschrift nicht überspannt.

Es mag mit der Rechtsbeschwerde zutreffen, daß es bei der Errichtung notarieller letztwilliger Verfügungen der Praxis entspreche, die Unterschriftsleistung auf einem gesonderten Blatt vorzunehmen, wenn nur sichergestellt sei, daß damit die gesamte Urkunde gebilligt werde. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Vom Standpunkt der Rechtsbeschwerde hätte die Unterzeichnung der Niederschrift durch die Erblasserin sowie die abschließende Unterschrift des Notars auf einer weiteren Seite der handschriftlichen Niederschrift (also auf einer Seite 8) vorgenommen werden müssen, und nicht - wie geschehen - auf einem Blankobogen ohne Seitenzahl, der nicht an die Seiten 1 bis 7 des handschriftlich fixierten Testaments anschließt. Abgesehen davon hätte es sich entsprechend der maschinenschriftlichen Fassung der Urkunde angeboten, die neue Seite mit dem Schlußvermerk zu beginnen. Nach dem äußeren Erscheinungsbild der bei der Akte befindlichen Schriftstücke ist deshalb nicht ansatzweise erkennbar, für welche Erklärungen die Erblasserin durch die Unterschrift auf dem damals nicht numerierten Blatt ohne Schlußvermerk die Verantwortung übernehmen wollte. Die Ausführungen der Rechtsbeschwerde, der Notar habe letztendlich die von ihm erstellte einheitliche Urkunde anschließend in seinem Büro wieder dadurch zerstört, daß er den ersten Teil der Urkunde, also die handschriftlichen Erklärungen, von der Unterschrift getrennt habe, findet in dem vom Landgericht bindend festgestellten Sachverhalt keine Stütze. Eine einheitliche Urkunde, bestehend u.a. aus dem Testamentstext und den Unterschriften, lag vielmehr zu keinem Zeitpunkt vor. In diesem Zusammenhang hätte das Landgericht zur Stützung seines Ergebnisses noch ausführen können, daß der Schlußvermerk sowohl auf der Seite 7 der handschriftlichen Aufzeichnungen des Notars als auch auf Seite 5 der Urkunde Nr. 76 A/92 enthalten ist. Auch dies spricht dafür, daß das Unterschriftsblatt nicht an die Seite 7 der handschriftlichen Aufzeichnungen anschließen, sondern dazu dienen sollte, mit Hilfe der geleisteten Blankounterschrift erstmals eine äußerlich formgerechte Urkunde zu errichten.

Bei dieser Sachlage hat das Landgericht mit Recht offen gelassen, ob die Niederschrift von dem Notar ordnungsgemäß verlesen worden ist.

Da die Urkunde vom 8. August 1992 sonach nichtig ist und der Beteiligte zu 1) weder zu dem Kreis der durch andere letztwillige Verfügungen begünstigten Personen noch zu den gesetzlichen Erben gehört, ist sein Rechtsmittel unbegründet.

Die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde folgt aus der zwingenden Vorschrift des § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.

Die Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf den § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO. Der Senat folgt dabei der Wertfestsetzung durch das Landgericht, gegen die keine Beanstandungen erhoben worden sind.

Ende der Entscheidung

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